
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Piatnik hat in letzter Zeit erfolgreich mit Venice Connection zusammengearbeitet, dabei sind so tolle Spiele wie TOSCANA von Niek Neuwahl herausgekommen. Das italienische Mensamitglied Dario Zaccariotto ist über Venice Connection 2003 ebenfalls bei Piatnik gelandet und so zu seiner ersten Spieleveröffentlichung gekommen. HUNDSGEMEIN, sein raffiniertes Legespiel enthält pfiffige Elemente, aber ein unheimlich aufgesetztes Thema.
Abstrakt lässt sich Zaccariottos Idee so beschreiben: Stellen Sie sich ein Gitternetz von sechs waagrecht und senkrecht sich kreuzenden Wegen vor, so dass neben den Wegen ein Spielfeld mit 49 Feldern entsteht. Das zentrale mittlere Feld wird zur Tabuzone erklärt. Den meisten Wegen können dadurch links und rechts oder oben und unten jeweils sieben Felder zugeordnet werden. Nur zu den vier Wegen neben der Tabuzone gehören 13 Felder. Auf die Wege werden beliebig Punkteplättchen verteilt, die je dreimal in den Werten zwei bis fünf vorhanden sind. Um diese Punkte rangeln die zwei bis vier Spieler. Dazu erhalten sie einen Farbsatz mit Plättchen, die auf die 48 Felder gelegt werden können. Diese Plättchen sind auf der einen Seite durch die Spielerfarbe gekennzeichnet, auf der anderen Seite befinden sich vier unterschiedliche Symbole, die jeder Spieler in der gleichen Verteilung erhält. Auf den Spielplan gelegt werden die Plättchen nur mit ihrer Symbolseite nach oben. Unter zwei Plättchen dürfen die Spieler stets wählen. Bei der Ablage müssen sie beachten, dass identische Symbole nicht benachbart gelegt werden dürfen. Das schließt auch diagonales Legen aus. Sobald durch diese Einschränkung kein Kärtchen mehr gelegt werden kann, endet das Spiel. Die Plättchen werden umgedreht und die Punktekarten je nach Farbmehrheiten in den zugeordneten Wegen verteilt.
Das ist es schon! Simpel, aber raffiniert. Einerseits Memory, da ich mir ja zumindest ungefähr merken muss, wo ich Mehrheitschancen besitze und dies möglichst auf punkteträchtigen Wegen. Damit ich mich nicht verkalkuliere, muss ich mir möglichst ebenfalls die gegnerischen Farben merken. Dann bringt mir die Ablageregel zusätzliche Blockademöglichkeiten, da ich die Auslage meiner Mitspieler vor Augen habe und so gezielt Symbolkärtchen spielen kann, die sie fern von mir halten. Diesen Einschränkungen unterliege ich aber auch selbst, so dass das Warten auf ein passendes Symbol zur Qual werden kann. Hundsgemein kann das sein.
Was macht ein Spieleredakteur (oder der Autor selbst) mit einer solchen Grundidee? Kris Burm hätte für das 49. Feld einen GIPF-Stein geopfert und alles wunderbar abstrakt, im Edellook als DNUH herausgegeben, was dem Spiel nicht schlecht bekommen wäre. Kosmos hätte die neue Reihe von Brett- und Kartenspielen in der kleinen Reihe genutzt. Fritz Gruber hätte getextet, „ich suche dir ein Schätzchen, Kleines“ und hätte die Spieler auf Diademsuche für Nofretete geschickt, die Symbolkärtchen wären Hieroglyphen gewesen, die Punktekarten wertvolle ägyptische Klunker. Ravensburger hätte in dem Straßenlabyrinth sofort Ähnlichkeiten zu Kobberts Verrücktheiten entdeckt und den guten Max an die Überarbeitung der Spielidee gesetzt. Was macht Piatnik draus? Das appetitliche Thema: Flöhe auf Hundejagd. Kein Wunder „Kommissar Rex“ jagt noch durch Wien, also finden wir Rex mit höchstem Wert im Spiel wieder. Verkaufsfördernde Lizenzgebühren zahlt Piatnik natürlich nicht, jegliche Anspielungen auf die Serie fehlen. Die wiederum sich wohl auch kaum hergegeben hätte für einen verlausten Rex und einen sich ständig kratzen müssenden Marc Hoffmann.
Unter einen Deutschaufsatz würde ich jetzt schreiben: „Leider haben Sie das Thema verfehlt, aus dieser guten Grundidee hätten Sie viel mehr machen können!“ Für einen Deutschaufsatz wäre das der Totalverriss mit mangelhaftem Ergebnis. Uns Spielern bleibt der durchaus vorhandene Spielspaß.
Wieland Herold
Titel: HUNDSGEMEIN
Autor: Dario Zaccariotto
Grafik: Oliver Freudenreich
Verlag: Piatnik
Spieler: 2 bis 4
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 18 Euro
Spiel 14/2003 R45/2021
Die Rezension erschien 2003 www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 5 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der 52jährige Dario Zaccariotto stammt aus Dolo bei Venedig. Sehr früh kommt er in Kontakt zu Dario de Toffoli und Leo Colovini. Mit beiden entwickelt er zusammen Spiele und veröffentlicht Bücher. Er gehört zum Team von Studiogiochi, das u.a. verantwortlich für den Premio Archimede ist.
HUNDSGEMEIN ist sein erstes und auch einziges Spiel, das nur von ihm stammt. 2005 und 2006 folgen CHALLENGE SUDOKU und KAKURO CHALLENGE mit Colovini und de Toffoli. 2007 erscheint von dem Trio das letzte Spiel MINENRÄUMER bei Clementoni.
Die Arbeit an Spielebüchern vor allem mit Denkaufgaben stellt Zaccariotto aber nicht ein. Neben acht Spieleveröffentlichungen hat er es inzwischen auf 25 Buch-Publikationen gebracht. Die meisten veröffentlichte er zusammen mit de Toffoli. Zuletzt erschien 2020 „Aumenta il tuo quoziente intellettivo (Increase your IQ)“ nur von Zaccariotto.