Mittwoch, 17. März 2021
RÜCKKEHR DER HELDEN
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
RÜCKKEHR DER HELDEN
Das Spiel von Lutz Stepponat, grafisch fantastisch von Tom Thiel und Hans-Georg Schneider umgesetzt, knüpft an gute alte Fantasy-Klassiker der 80er Jahre an. Eine Generation nach TALISMAN, das Robert Harris 1983 herausbrachte, gelingt es Pegasus einen würdigen deutschen Nachfolger zu präsentieren, der zumindest optisch und von der Qualität des Materials her das Games Workshop Spiel sogar um Längen schlägt.
Die Grundstruktur des Spiels ist klassisch: Heldenentwicklung bis zum entscheidenden Endduell nach knapp zwei Stunden, hier gegen den Namenlosen, der sein Unwesen als Schwarzer Ritter oder als Wesen aus der Tiefe von einem finsteren Turm aus treibt. Das dazu gehörige Ambiente ist von Stepponat fein austariert. Das fängt beim großen 16 teiligen Spielplan an, der mit seinen quadratischen Kärtchen immer wieder neu zusammen gepuzzelt werden kann. Die großen, stabilen Charakterkarten besitzen eine männliche und weibliche Seite. Die vier Helden des Grundspiels, Krieger, Magier, Elf oder Zwerg, starten mit unterschiedlichen Voraussetzungen. Sie unterscheiden sich charakterspezifisch, in der Anzahl ihrer Lebenspunkte, in ihrer materiellen Ausstattung mit Gold, in ihrer Bewegungsfähigkeit, in ihren magischen Fähigkeiten und in ihrer Kampfstärke beim Nah- und Fernkampf.
Eine mehrteilige Gesellenprüfung gilt es für alle abzulegen, die die Ehre der Familie wiederherstellen soll. Die Belohnung, ein Edelstein, ist notwendige Voraussetzung für das Schlussduell. Vor der Gesellenprüfung macht es Sinn, sich fortzubilden, Lehrlingsaufträge anzunehmen, die sich unter 32 anfangs versteckten Markern finden. Da gibt es die roten Wesen, deren Bekämpfung man sich nicht entziehen darf, grüne Kärtchen haben Begegnungen zur Folge, denen man sich stellen kann, aber nicht muss. Das gilt auch für die blauen Aufgabenkärtchen, von denen jeder Spieler maximal vier auf seinem Heldenbogen sammeln darf. Diese Anzahl ist auch nötig, da zur Lösung von Aufgaben passende Kärtchen gebraucht werden, die zum Teil erst im Laufe des Spiels auf das Spielbrett gelangen.
Das Kampfsystem ist einfach gehalten und ist, wie in den meisten Fantasyspielen, ein Würfelduell. Der duellierende ist aber stets der Held, der sich in der Auseinandersetzung für eine Kampfart entscheiden muss, die seinen Fähigkeiten entgegenkommt. Sein Kampfwert ist auf seiner Charakterkarte vorgegeben, er kann sich gegnerabhängig verringern. Ohne zusätzliche Erfahrungswerte muss der Held am Anfang versuchen mit zwei Würfeln nicht über diesen Wert zu würfeln. Im Laufe des Spiels lässt sich die Würfelanzahl durch Belohnungen in Form kleiner Holzwürfel steigern, so dass hohe Würfelzahlen aussortiert werden können. Das Überschreiten des Kampfwertes hat den Verlust eines Lebenspunktes zur Folge. Regenerationen sind im eigenen Hause, im Tempel, an der Quelle des Lebens und im weißen Dorf möglich, Heiltränke gibt es natürlich auch zu kaufen.
Für die Fortentwicklung der Charaktere wichtig sind die Begegnungen. Mit Hilfe der Lehrer für die drei Kampfarten erhält man gegen Bezahlung und hier misslungener Probe neue Holzwürfel. Auf dem großen oder kleinen Basar können lebensnotwendige magische Gegenstände erworben werden, die für den Schlusskampf oft von entscheidender Bedeutung sind.
Sobald ein Spieler sein Gesellenstück abgelegt und einen Edelstein zur Belohnung erhalten hat, kommt der Namenlose ins Spiel. Taucht er auf, besetzt er seinen Turm, behütet von vier Wächtern, begleitet von Unruhe stiftenden Dienern, die als zusätzliche Hindernisse auf den Gebietskarten verteilt werden. Die Anzahl der Diener orientiert sich an der Anzahl der noch nicht gelösten Aufgaben aller Helden im Spiel. Über einen Wächter gelingt der Zugang zum Turm, der dann zum entscheidenden Schlusskampf führt.
Die Kurzbeschreibung spiegelt die Vielfältigkeit der Abenteuerwelt, die Lutz Stepponat entwirft, nur zum Teil wieder. Er will seine Spieler in eine Abenteuergeschichte hineinziehen, die immer wieder neu und anders erzählt wird und das gelingt ihm. Erzählerisch, im Dialog mit den Helden des Spiels, ist auch die Spielregel aufgebaut. Das ist im ersten Zugang durchaus angenehm, für das Nachlesen aber weniger geeignet. Da helfen Kurzregel und Aufbauvorschläge für das Einstiegsspiel besser weiter. Sogar an eine Solovariante hat der Verlag gedacht, für die es einen eigenen Rundenzähler gibt. Regelunklarheiten lassen sich meist mit dem gesunden Menschenverstand klären, eine umfangreiche FAQ-Seite hilft inzwischen auch weiter. Kritisch zu sehen ist eigentlich nur die arg beschränkte Interaktion zwischen den Spielern. Weitgehend puzzelt jeder an seiner persönlichen Fortentwicklung, da hilft auch der Basar wenig, dessen Verkaufs- und Handelsmöglichkeiten stärker genutzt werden könnten. Auch die Ereignisse Magierduell, Turnier und der Wettstreit der Bogenschützen bringen kein echtes Gegeneinander, keinen echten Wettkampf ins Spiel.
Autor und Verlag kann trotzdem nur gratuliert werden. RÜCKKEHR DER HELDEN knüpft kongenial an TALISMAN & Co. an. Nicht nur das Ambiente ist stimmig, Stepponat entwickelt ein einfaches, recht schnell zugängliches Spielsystem, das Novizen und Meister der Fantasywelt begeistern kann. Die Spielqualität schlägt sich inzwischen im wirtschaftlichen Erfolg nieder. Die erste Auflage mit 5000 Exemplaren ist schon ausverkauft. Für die Spiel in Essen ist mit IM SCHATTEN DES DRACHEN ein eigenständiges Spiel für zwei Personen angekündigt, das ohne das Originalspiel gespielt werden kann. Gleichzeitig dient das Material aber als Erweiterung für die RÜCKKEHR DER HELDEN, das damit mit mehr als 4 Personen gespielt werden kann. Klasse Idee! So kann die übliche Bemerkung – „ohne das Grundspiel nicht spielbar“ - entfallen und trotzdem wird es sicherlich zu weiteren Käufern des Spiels führen. Es lohnt.
Titel: RÜCKKEHR DER HELDEN
Autor: Lutz Stepponat
Grafik: Tom Thiel, Hans-Georg Schneider
Verlag: Pegasus
Spieler: 1-4
Alter: ab 10
Spieldauer: ca. 90 Minuten
Preis: 30 Euro (einfache Ausgabe mit Papphelden, es gibt auch edlere Zinnfigurenfassungen)
Spiel 20/2003 R52/2021
Die Rezension erschien 2003 www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Mit RÜCKKEHR DER HELDEN startete Lutz Stepponat 2003 seine Autorenkarriere bei Pegasus, die er in den folgenden Jahren mit IM SCHATTEN DES DRACHEN, HELDEN IN DER UNTERWELT und der GRALSSUCHE fortsetzte. 2006 folgte das erfolgreiche Kartenspiel KABALE UND HIEBE bei Hans im Glück, das beim Kartenspielpreis der Fairplay auf den 4. Platz kam. Zur MIDGARD-Welt steuerte er im Eigenverlag Phantastische Spielwelten in dieser Zeit mehrere Spiele bei.
2018 hat er im Eigenverlag LuPri KABALE UND HIEBE neu aufgelegt und mit ZOCKENDE ZUAUBERER ein neues Spiel veröffentlicht.
2007 wurde Stepponat auf dem Autorentreffen in Göttingen für zwei Jahre zum 1. Vorsitzender der Spiele-Autoren-Zunft e. V. (SAZ) gewählt. Das Bild zeigt ihn bei der Leitung eines SAZ-Workshops 2007 in Göttingen.
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