Montag, 22. März 2021
HEISSE WARE
Die ursprünglichen Verlagsziele haben inzwischen wenig mit dem realen Programm des Gmeiner-Verlag im Sigmaringschen Meßkirch zu tun. Armin Gmeiner, der den Verlag vor 35 Jahren als 22jähriger Student gründete, plante ursprünglich die Herausgabe der Enzykliken des Papstes in der Universalsprache Esperanto. Der angehende Wirtschaftsingenieur sah das als Experimentierfeld für seine Schwerpunkte Druck- und Verlagswesen, außerdem erfüllte er dem Dekan seiner Uni damit einen Herzenswunsch.
Es folgten regionalgeschichtliche Werke in kleinen Auflagen, erst 12 Jahre später startete Gmeiner mit einem belletristischen Programm. TIEFENRAUSCH von Gunter Haug war der erste Kriminalroman, aus dem sich die Reihe der Schwabenkrimis entwickelten. Inzwischen verlegt der kleine mittelständische Verlag mehr als 500 Autoren, gilt als Krimischmiede, setzt aber durchaus noch kulturelle Akzente, wobei er mit kriminellen Freizeitführern, Garten- und Kräuterkrimis Brücken schlägt.
Zum Brückenschlag gehört auch die Spielreihe mit Krimi- oder Rätselspielen zu Reisezielen. Spiele hat der Verlag inzwischen schon seit 15 Jahren im Programm. Anfangs und auch später immer wieder hat er sich dabei auf die Veröffentlichung von Ideen Sonja Kleins konzentriert. Seit 2010 taucht aber ab und zu der renommierte Spieleautor Reiner Knizia unter den Ideenlieferanten auf. Damals stellte er SIEBEN UNTER VERDACHT, nach dem KURZEn PROZESS (2017) folgte zwei Jahre später HEISSE WARE.
Das Gefühl kennen wahrscheinlich die meisten, wenn sie aus einem NICHT-EU-Land einreisen und doch etwas mehr Whisky oder Weinbrand im Koffer haben als die erlaubte Literflasche. Bisher durften es aus Schottland ganz offiziell 10 Liter sein, nun gilt die Flaschengrenze. Für Reiner Knizia ist es kein Problem mehr, da er inzwischen ja wieder in Deutschland lebt, aber in seinem Spiel HEISSE WARE dürfen wir mit der Schmuggel-Spannung spielen.
Das Spiel geht über mehrere Runden, bis jeder zweimal die Rolle eines Polizisten, der Koffer kontrolliert, übernommen hat. Je nach Spielerzahl besitzt der Grenzbeamte unterschiedlich viele Aktionskarten. In den zurzeit üblichen kleinen Runden sind es eine Bestechungs-, eine Kontroll- und eine Verhaftungskarte. Neben den Flaschen-Plättchen bekommen alle anderen noch fünf Kofferkarten, auf deren Rückseite keine Flaschen, nur eine oder zwei bis drei Flaschen Alkohol zu sehen sind.
Drei dieser Karten kommen in jeder Runde zum Einsatz. Zwei Koffer möchte man über die Grenze bringen, einer gilt als Bestechungsangebot für den Beamten. Knizia lässt diese Bestechung erst gar nicht unter der Hand stattfinden. Die Hand aufzuhalten, gehört wie wir aktuell von einigen CSU- und CDU-Abgeordneten erfahren, zum guten Ton. Alle offenbaren ihre Bestechung, was ohne Konsequenzen bleibt. Im Gegenteil, angenommen ist der kleine Nebenverdienst des Beamten, Garant für den sicheren Weitertransport der restlichen Koffer.
Im Anschluss kehrt der Grenzbeamte aber wieder ganz den korrekten Polizisten heraus, der mit der Kontrollkarte einen Koffer kontrolliert. Schließlich kann der Beamte noch einmal im Rundumschlag zuschlagen, indem er eine Verhaftung vornimmt. Das kann den gerade Kontrollierten treffen, aber auch einen anderen Spieler. Diese Aktion ist mit einem gewissen Risiko für den Polizisten verbunden. Er darf zwar beide Koffer öffnen, muss aber zur Entschädigung für einen zu Unrecht beschuldigten Reisenden, der nur eine erlaubte Flasche in beiden Koffern hat, zwei eigene Flaschen herausrücken. Da können die Bestechungsgelder schnell wieder flöten gehen. Im anderen Fall der berechtigten Anklage, kommt der Beschuldigte mit der Abgabe der gesamten Schmuggelware und einer Ermahnung davon. Dafür wandern die Flaschen auch nicht in die Asservatenkammer, sondern in den Privatbesitz des Polizisten.
Man merkt schnell, Verbrecher sind in diesem Spiel Knizias auf allen Seiten der Rollenverteilung. HEISSE WARE ist ein hundsgemeines Bluffspiel, bei dem es am meisten Spaß macht, den Polizisten vorzuführen. Die Optionen ergeben sich aber allerdings oft aus den Zwängen der Kofferzuteilung. Wer nur drei leere Koffer und zwei mit nur einer Flasche erhält, hat gar keine andere Chance, als darauf zu hoffen, dass der Polizist ihn verhaftet.
Zu dritt macht das Spiel überhaupt keinen Spaß, da die Polizeiaktionen zu stark sind. Wer nicht genügend in die Bestechung investiert, hat kaum eine Möglichkeit der Doppelaktion von Durchsuchung und Festnahme zu entgehen. In großen Runden, die uns hoffentlich bald wieder gegönnt sind, bringt dieses Bluffspiel Reiner Knizias aber genügend Pokerreiz auf den Tisch.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: HEISSE WARE
Autor: Reiner Knizia
Grafik/Design: Lutz Eberle, Kathrin Lahmer
Verlag: Gmeiner
Alter: ab 12 Jahren
Spielerzahl: 3 – 8
Spielzeit: ca. 30 - 60 Minuten
Preis: ca. 13 Euro
Spiel 16/2021
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