
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Auf zum Orakel nach DELPHI
Heuer macht der Heidelberger Spielverlag mit kleinen, preiswerten Spielen auf sich aufmerksam. Da sind die ganz Kleinen für gerade einmal drei Euro von Frank Stark wie FLOTTER FALTER, außerdem die edel wirkenden schmalen Schachteln, in denen die Antike hochkocht, und Spiele wie THOR und DELPHI erschienen sind. Die kosten zwar gut doppelt so viel, besitzen aber auch mindestens doppelten Spielwert und sogar ein samtiges Inlett. Diese Spiele sind in Kooperation mit dem Nürnberger Spielkarten Verlag erschienen.
In DELPHI von Günter Burkhardt konkurrieren vier griechische Stadtstaaten um die Vormacht. Athen, Korinth, Theben und Sparta wollen jeweils die blühendste, erfolgreichste und von Göttern gesegnetste Polis sein. Auf prunkvollen Paraden präsentieren sie Krieger und Helden. Zur Verfügung stehen identische Kartensätze mit 24 Karten und einer Passe-Karte. Für die erste und die beiden folgenden Paraden stehen jeweils acht Spielkarten neben der Karte zum Passen zur Verfügung. Außerdem liegen neun namensgebende Orakelkarten verdeckt bereit.
Eine erste Kartenrunde wird verdeckt gespielt, danach ist immer der Spieler am Zug, dessen Parade im Augenblick die wenigste Zustimmung hat. Der Wert der Auslage orientiert sich stets an den Zahlenwerten der Krieger- und Heldenkarten (2-10) und den Modifikationen, die die Götter bringen. Generell gilt, doppelte Zahlenwerte, die bis zur Zahl 6 vorkommen können, werden multipliziert. Götterkarten wirken sich auf die eigene oder auch gegnerische Auslage aus. Da gibt es Götter wie Hera und Achilles, bei denen verschwinden bestimmte Kartenwerte. Zeus darf natürlich jede Karte angreifen. Noch stärker ist sein Bruder, der Meeresgott, der in den Fluten die Hälfte aller gegnerischen Werte ertränkt. Hephaistos segnet als Feuergott die Waffen, liegt er zwischen zwei Kriegern oder Helden werden deren Werte multipliziert. Der Gott des Krieges, Ares, quadriert sogar einen Kartenwert. Schließlich kann in ganz ausweglosen Situationen auch das Orakel von Delphi angerufen werden, das immerhin die Wahl zwischen zwei Karten lässt.
Die Rundenwertungen erfolgen stets nach Ausstieg aller Spieler. Wer zuerst raus ist und passt, weil er keine Karten mehr legen kann oder möchte, bekommt stets Minuspunkte. Die beiden Spieler, die am längsten dabei bleiben bekommen immer mehr Pluspunkte. Im Spiel zu viert geht der zweite, der aussteigt, leer aus. Nach der dritten Parade, die stets in drei Aufmärschen abläuft, ist Schluss. Der geschickteste Arrangeur seiner Karten macht seine Stadt zur schönsten Griechenlands.
In DEPLHI muss viel gerechnet werden und ein gutes Erinnerungsvermögen über schon ausgespielte Götter schadet auch nicht. Da sich bis zur dritten Parade die Belohnungswerte deutlich steigern, spielt das Kartenglück eine nicht unerhebliche Rolle. Wer entscheidende Götter und gute Kartenwerte zu früh erhält, dem helfen auch meist die Orakelkarten nicht mehr. Taktisch zu empfehlen ist, anfangs die geringeren Minuspunkte in Kauf zu nehmen, um viele Karten noch mit in die folgenden Paraden zu nehmen, denn das ist erlaubt. Entscheidend ist in jeder Runde, wer zuerst die Segel streicht und im Spiel zu viert, wer noch leer ausgehen wird. Am Ende der ersten Parade machen die Differenzen zwischen Erstausstieg und Plätzen in der Wertung allein schon sieben Punkte aus. Das steigert sich bei der letzten Parade auf elf Punkte. Die Differenzen zwischen ersten und zweiten Platz sind dagegen verschwindend gering, nur in der letzten Partie betragen sie vier Punkte.
Trotz Kartenglücks ergibt das Zusammenspiel von Götter- und Heldenkarten ein reizvolles Ganzes, das zudem Alexander Jung sehr attraktiv umgesetzt hat. Das Orakel von DELPHI hätte für meinen Geschmack allerdings eine zentralere Nutzung bekommen sollen. Die einmalige Anrufung bringt mir zu wenig unterstützende Hilfe des Orakels, zumal die zehn Karten oft nur geringe Effekte erzielen. Richtig bitter ist dabei nur die „Große Zäsur“, die sämtliche Kartenhände auf zwei Spielkarten reduziert. Wer mühsam viele Karten vom Mund abgespart hat, steht plötzlich fast mit leeren Händen dar und fühlt sich ganz schön vera…
Titel: DEPLHI
Autor: Günter Burkhardt
Grafik: Alexander Jung
Verlag: Heidelberger Spieleverlag, Nürnberger Spielkarten
Spieler: 3-4
Spieldauer: ca. 20 Minuten
Alter: ab 10 Jahren
Preis: ca. 7,50 €
Spiel 17/2002 R56/2021
Die Rezension erschien 2002 www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der Realschullehrer Günter Burkhardt startete 1997 als 36jähriger zu Beginn gleich richtig durch. Er durfte sich nicht nur über MANITOU freuen, sondern hatte mit LANG LEBE DER KÖNIG und BÜRO CRAZY (beide FX Schmid) gleich zwei weitere Spiele in seinem Erstveröffentlichungsprogramm. BGG verzeichnet vorher noch Eigenpublikationen wie die QUASSELSTRIPPE (1994) und DAS LIEBLINGSSPIEL DES ADAM RIESE (1996).
MANITOU gefiel nicht nur den Juroren von Spiel des Jahres, es erreichte den fünften Platz beim Kartenspielpreis der Fairplay und den zehnten Platz beim Deutschen Spielepreis. Im Jahresrhythmus folgten mindestens zwei bis drei weitere Veröffentlichungen. Mit KUPFERKESSEL (Goldsieber) landete er 2002 erneut auf der Auswahlliste der Jury, gewann den österreichischen Titel Spiele Hit für Zwei und erreichte den achten Platz des Kartenspielpreises der Fairplay. Die Spiele MAORI (Hans im Glück, 2009) und POTATO MAN (Zoch, 2014) kamen auf die Empfehlungsliste der Jury Spiel des Jahres.
Beim Kartenspielpreis der Fairplay war er noch erfolgreicher, sein VOLLTREFFER (Berliner Spielkarten) gelangte 2000 auf den vierten Platz und mit VOM KAP BIS KAIRO (Adlung Spiele) erreichte er 2002 den ersten Platz.
Sein bisher größter Erfolg im Team mit seiner Tochter Lena war 2018 die Auszeichnung mit dem Kinderspiel des Jahres für FUNKELSCHATZ.
Von seinem Lehrerberuf hat er sich schon vor einiger Zeit beurlauben lassen. Er arbeitet inzwischen hauptberuflich als Spieleautor, engagiert sich in seiner Heimat in der Nähe von Bad Ditzenbach im Sportverein und ist für Die Grünen im Gemeinderat.
Das Bild zeigt Günter Burkhardt 2004 in Göttingen.