Großes Kino: DIE ABENTEUER DES ROBIN HOOD
Inzwischen dürfte es ebenso viele Verspielungen von ROBIN HODD wie Verfilmungen geben. BGG verzeichnet fast 50 Spiele zu den Abenteuern von Robin Hood und Little John. Keines davon dürfte die epischen Ausmaße des neuesten genialen Wurfs Michael Menzels besitzen.
DIE ABENTEUER DES ROBIN HOOD bringt das ausgehende 12. Jahrhundert der englischen Geschichte anschaulich auf den Spieltisch und lässt ein kooperatives Eintauchen in die unterschiedlichsten Abenteuer Robin Hoods und seiner Freunde zu. Seine erste Welt von ANDOR hat Michael Menzel noch frei erfunden, aktuell knüpft er an die klassischen Erzählstränge von Robin Hood an.
Wir schlüpfen in die Rollen von Robin & Co. und werden wie schon in Andor spielend in die Regelabläufe eingeführt. Das Besondere diesmal ist aber der sich ständig wandelnde Puzzle-Spielplan, der aus acht Teilen zusammengesetzt wird. Wie auf einem großen Adventskalender öffnen sich immer wieder neue Felder, mit neuen Einblicken in Sherwood Forest oder in die Burg des Sheriffs von Nottingham. Manche Plättchen bekommen fast einen Drehwurm, weil sie als Wachen des Sheriffs einmal auftauchen und im nächsten Augenblick wieder verschwinden. Spitze Fingernägel sind jedenfalls neben der Treffsicherheit beim Bogenschießen durchaus gefragte Fähigkeiten in ROBIN HOOD.
Nicht nur der Wandel-Spielplan ist neu, auch die freie Bewegung der Figuren, deren Haare sogar bei weiten Wegen zu flattern anfangen, ergibt eine ganz eigene Dynamik. Hier schleichen wir uns irgendwie fast leibhaftig an die Burgmauern des Sheriffs an und hüten uns vor seinem Schergen Guy von Gisbourne, der uns nicht als Wendeplättchen, sondern beritten und bewaffnet ständig aufspürt und nachjagt. Die Bewegung in diesem Spiel mit mehreren Lauffiguren ist nicht nur genial gelöst, sie trägt auch zur Spieltaktik bei, denn kurze Entfernungen helfen Kraft sparen und bringen weiße Holzwürfel, die letztlich entscheidend bei Auseinandersetzungen sind.
Die gesamte Spielsteuerung läuft nämlich durchaus glückslastig über ein schwarzes Säckchen, das einerseits Holzscheiben für die Reihenfolge der Zugbewegungen einzelner Akteure enthält, dann weiße und violette Würfel für Kampfentscheidungen, wobei die Ausgangsposition im Verhältnis 1:6 mehr als ungünstig startet. Rundensiegel prägen zusätzlich den Spielablauf, der wie schon in Andor unter Zeitdruck abläuft.
Bei der Bewältigung der Abenteuer hilft uns ein dickes Buch, das uns Aufgaben stellt, Antworten handelnder Akteure anbietet und durchaus wandelbar und nicht geradlinig die Geschichten ablaufen lässt. Die narrative Komponente unterstützt das Buch überzeugend. Die Kooperation ähnelt der in ANDOR. Man muss sich gut absprechen, unterschiedliche Wege gehen und zum Teil auch verschiedene Aufgaben bewältigen, um eine Runde zu überstehen. Ein zweites Scheitern ist aber deutlich unwahrscheinlicher als in ANDOR. Zumal man bald erkennt, dass die Veränderung der Säckchenbilanz der Schlüssel zum Erfolg ist.
Die Erlebnisse sind grandios, der Wille, zu neuen Abenteuern aufzubrechen, ist groß. In Sherwood Forest kenne ich mich nun aus, wie Robin in seiner Westentasche, wenn er denn eine besessen hat. Nach dem wir den feuerroten Sonnenaufgang über Sherwoods Bäumen erleben durften und die Löwenbanner König Richards herannahen sahen, lehnen wir uns beseelt zurück und warten sehnsüchtig auf Menzels Verspielung der drei Musketiere, des Grafen von Monte Christo oder der Reise in 80 Tagen um die Welt.
Wertung: Jederzeit wieder (wenn Michael Menzel dieses Konzept auf andere Buchwelten überträgt)
Titel: DIE ABENTEUER DES ROBIN HOOD
Autor: Michael Menzel
Grafik/Design: Michael Menzel
Verlag: Kosmos
Alter: ab 10 Jahren
Spielerzahl: 2-4
Spielzeit: ca. 60 Minuten
Preis: ca. 50 Euro
Spiel 22/2021