Samstag, 17. April 2021
WÜRMELN
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Würmeliges Wettrennen: WÜRMELN
Alex Randolph hat wohl eine Vorliebe für Kriechtiere. Kleine Kinder lieben TEMPO KLEINE SCHNECKE, für die der in Venedig lebende Autor die wunderschönen Holzschnecken selbst entworfen hat. Für ältere Kinder und deren Eltern bietet er aktuell ein Wurmwettrennen an, bei dem Würfel auch eine Rolle spielen, aber eine ganz andere als in dem einfachen Farbwürfelspiel mit den Schnecken von Ravensburger.
WÜRMELN hat der Berliner Blatz-Verlag in eine kleine Schachtel gepackt, der Spielspaß kommt aber gar nicht so gering daher. Jeder besitzt einen Farbwurm aus sieben Teilen, kleine Plastikhalbschalen, die die Würmelinge wendig kriechen lassen. Das Besondere an Randolphs Idee: Es gibt keinen Spielplan, sondern eine frei zu definierende Rennstrecke, die die Spieler selbst durch einen Start- und Zielbereich begrenzen. Die Würfel dienen auch nicht als üblicher Glücksmotor, sondern einem Bietverfahren, das aus WÜRMELN ein raffiniertes Bluffspiel macht.
Jeder Würfel besitzt Zahlen von 3 bis 7 und ein X. Die geheimen Gebote haben Erfolg, wenn das eingestellte Ergebnis nur von einem Spieler gewählt wurde. Wer ein „X“ alleine wählt, darf sich eine Zahl auswählen, die noch nicht gezeigt wird. Wir kennen dieses Prinzip aus Randolphs HOL’S DER GEIER-Spiel, geht es da nur um Punkte, dient das Ganze hier der Fortbewegung. Nach dem Gebot, bewegt sich der Wurm mit dem niedrigsten Ergebnis zuerst. Da es keine Rennbahnen gibt, sondern nur die freie Tischfläche, muss sich der Wurm auch nicht gerade bewegen, das heißt, ein Teil vor das andere setzen. Er kann die Wurmbahnen der anderen queren, und sie damit ganz schön wurmen. Ärger muss man schon abkönnen, dafür dürfen sich die nachkriechenden Würmer ja auch länger schlängeln.
Wer zuerst mit seinem Wurm die Ziellinie erreicht, ein Wurmteil reicht dafür aus, gewinnt dieses würmelige Rennen.
Zu dritt macht WÜRMELN nicht so richtig Spaß, da man meistens mit seinem Gebot durchkommt und gibt es einmal ein Patt, dann darf nur einer ziehen. Fetzig wird das Pokern ums Vorankommen in Vollbesetzung oder zu viert. Das freie Spiel im Raum mit dem Bluffmechanismus beim Bieten machen aus WÜRMELN ein ganz besonderes Rennspiel.
Wieland Herold
Titel: WÜRMELN
Autor: Alex Randolph
Grafik: o.A.
Verlag: Blatz
Spieler: 3-5
Alter: ab 7 Jahren
Spieldauer: ca.10-20 Minuten
Preis: ca. 15 DM
Spiel 12/1994 R63/2021
Die Rezension erschien 1994
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Alex Randolph war der Kosmopolit unter den Spieleautoren. 1922 in Böhmen geboren. Seine Mutter stammte aus Colorado, sein Vater war Russe. Schon als Kind lebte er mehrere Jahre in Venedig, bevor er als Zehnjähriger in ein Schweizer Internat geschickt wurde. Ein Jahr vor dem Zweiten Weltkrieg ging die Familie zurück in die USA. Während des Krieges arbeitete er am Entschlüsseln feindlicher Codes.
Nach dem Krieg lebte er als Werbetexter und Romancier in Boston, bevor er 1961 mit Pentomino-Steinen sein erstes Spiel veröffentlichte. Randolph siedelte dann nach Wien um, spielte dort im Café Hawelka TWIXT mit Herbert Feuerstein, das bald als 3M-Spiel in einer edlen Buchschuberausgabe erschien und ihm einen mehrjährigen Aufenthalt in Japan finanzierte. Mitte der 70er Jahre fand der Spieleautor nach Venedig zurück, wo er 2004 starb.
Anfangs entwickelte er, inspiriert durch die Japanreise, hauptsächlich taktische Spiele für zwei, wie EVADE, BUFFALO und GEISTER. In den 80er Jahren erfand er erfolgreich viele Familienspiele wie SAGALAND, „Spiel des Jahres“ 1981, das er zusammen mit seinem engen Freund Michael Matschoss entwickelte, der sich inzwischen um sein spielerisches Erbe kümmert. Es blieb zwar sein einziges „Spiel des Jahres“, für GUTE FREUNDE (1989) gewann er den ersten Sonderpreis „Kinderspiel“, was er mit LEINEN LOS! 1997 noch einmal wiederholte. INKOGNITO (1988) und VENICE CONNECTION (1996) bescherten ihm den Sonderpreis „Schönes Spiel“.
WÜRMELN erschien nach der Blatz-Ausgabe noch mehrmals in Deutschland. 1996 kam eine Fassung mit kleinen Kamelen und Karawanen-Schlangen als KAMELTREIBER bei MB heraus. Mit schönen Holzteilen setzte Abacus Randolphs Idee 2008 als WORM UP! noch einmal um.
In den 90er Jahren arbeitete Randolph eng mit Johann Rüttinger zusammen. Posthum veröffentlichten Rüttinger und Kathi Kappler 2012 das lesenswerte Buch Randolphs „Die Sonnenseite. Fragmente aus dem Leben eines Spieleerfinders“.
In seinem 68. Lebensjahr wird der Philosoph unter den Spieleautoren mit dem Göttinger SPATZ ausgezeichnet, außerdem erhält er 1992 einen Sonderpreis für sein Lebenswerk beim Deutschen Spielepreis. Randolph gilt neben Sid Sackson als einer der ersten Spieleautoren, der seine Leidenschaft zum Beruf gemacht hat. Er hat schon in den 70er Jahren dafür gesorgt, dass Autorennamen auf den Schachteln auftauchten. Das Bild zeigt Randolph während der Preisverleihung mit dem Göttinger SPATZ 1990.
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