Donnerstag, 22. April 2021
DROLL!
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Partner wechsele dich! DROLLl!
Ein echter Luftikus scheint ein Studienrat aus Amberg zu sein, der sich nicht nur seinen Aufgaben als Englisch-Lehrer widmet, sondern sich auch noch an der spielerischen Umsetzung klassischer Lektürestoffe versucht. Vielleicht war es ihm irgendwann zu langweilig, „A Midsummer Night’s Dream“ zum x-ten Mal mit einem Englisch Leistungskurs durchzukauen. Die theatralische Umsetzung lockt auch kaum noch Schüler hinter der Schulbank hervor, also musste ein Spiel erfunden werden. Inwieweit sich Partner- und Rollentausch bei erfahrungsgemäß mädchendominanten Englischkursen schulisch wirklich umsetzen lassen, oder ob die bairische Kultusbehörde eigentlich gegen ein „in-teames“ Spiel an der Schule einschreiten müsste, lassen wir mal dahin gestellt. Georg Luft, so heißt der Anglist passend, hat sich jedenfalls mit Puck und Elfen eingelassen und ist seit 1999 unter die Spielentwickler gegangen.
Dass es ein langer Reifeprozess bis zu endgültigen Spielegeburt sein kann, musste der Amberger Autor ebenfalls erleben. Dabei ging er den Weg der meisten jungfräulichen Autoren. 2002 machten sich zehn mühsam hergestellte Prototypen auf den Postweg zu renommierten deutschen Verlagen. Fast zwei Jahre dauerte es, bis der letzte Rückläufer eintraf. Die Einschätzung war einhellig: Zu kompliziert, kein Markt für die Spielidee vorhanden, eine zu eingeschränkte Zielgruppe. Luft nahm sich die Kritik zu Herzen. Aus der ursprünglichen Spielidee, die sich ausschließlich an zwei erwachsene Paare richtete, wurde eine Kinderspielfassung ab fünf Jahren, ein weniger lyrisches Familienspiel ab zehn Jahren und die alte, aber deutlich überarbeitete Romantikfassung, fast identisch mit dem Familienspiel, für zwei bis drei verliebte Paare. Georg Luft resümiert in seiner Leidens- oder Erfolgsgeschichte über den Entstehungsprozess des Spiels: „So wurde innerhalb eines Jahres aus einem Spiel mit einer kleinen Zielgruppe ein Spiel, das ein große Publikum anspricht. Innerhalb von fünf Jahren wurde aus einem Geistesblitz ein wunderbares Spiel.“
Prüfen wir diese Werbeaussage, ob er erfolgreich „von Spiel zu Spielen fortgezogen“ (Helena im Sommernachtstraum) ist oder ob letztlich Philostrats Aussage gilt: „Kein Spieler weiß Bescheid“. Optisch wirkt Lufts Sommernachtstraum-Adaption, die er, weil es toll klingt, DROLL! genannt hat, ansprechend. Mit Katrin Ehmann hat er eine Illustratorin gefunden, der eine familiengerechte, augenzwinkernde Umsetzung gelungen ist. Das Spielplangerüst besteht aus drei mehrfach verbundenen konzentrischen Kreisen mit sechs Zugängen, Wertungsskalen – Elfenleiter genannt – und einem zentralen Lichtungsfeld für den oder die Sieger.
Im Kinderspiel geht es letztlich nur darum, vorgegebene Mitspieler auf dem Spielplan zu treffen. Im Spiel zu viert sucht zum Beispiel die lilafarbene Figur, die gelbe und rote auf. Eine Herzchen-Karte gibt vor, wer gesucht wird. Da die gelbe Figur nicht nur lila, sondern auch grün sucht, laufen die Spieler nicht immer nur aufeinander zu, sondern durchaus voneinander weg. Motor des Spiels ist natürlich ein Würfel. Besuchen die Spieler ein DROLL-Feld, von denen es drei gibt, dürfen sie ihre Zielkarte wechseln. Erreichen sie den gesuchten Partner, gibt es stets zwei Elfenpunkte, wobei der aufgesuchte zumindest mit einem Punkt dabei ist, wenn auch er hinter dem Aufsuchenden hinterher war. Bei zehn erreichten Punkten ist Schluss, wobei sich das Ende manchmal etwas mühsam nach elendig langer Würfelei ergibt. Für die vorgegebene Zielgruppe ab fünf Jahren denkbar ungeeignet, oft frustrierend, auch die Abstraktion der Herzens-Symbolik überfordert Kindergartenkinder.
Reizvoller kommt da doch die Familienspielfassung daher, obwohl auch sie würfelgesteuert abläuft. Jeder hat hier seinen festen Partner, so sind Lysander und Hermia miteinander verbunden, unterliegen aber dem shakespeareschen Wechselspiel der Liebe. So verfällt Lysander von Zeit zu Zeit der schönen Helena und Hermia zeigt sich Demetrius nicht abgeneigt. Entsprechend aggressiv dürfen sie dabei gegen ihre Nebenbuhler vorgehen. Wenn sie diese antreffen, dürfen sie beliebig in der Landschaft verschickt werden. Im Grunde läuft das Spiel ähnlich wie in der Kinderspielfassung ab. Die Spieler würfeln, versuchen sich an ihre Zielvorgaben, die aktuellen Herzchen, zu halten und die entsprechenden Figuren zu treffen. Die Wertung unterscheidet sich etwas und Geschenke kommen hinzu, außerdem ein zweiter Symbolwürfel, der Zusatzaktionen zur Folge hat. Mit ihnen bringt Georg Luft das Elfenpaar Titania und Oberon mit ins Spiel, wobei das Symbol der Titania die Bewegungsweite des Zahlenwürfels variiert und Oberon zum Geschenkeklau animiert. Hauptsächlich dient der Aktionswürfel aber dem Gewinn von Geschenken, außerdem bringt er eine echte Ziegelsteinmauer ins Spiel, die Umwege zur Folge hat, und er sorgt – etwas nervig – für ständig wechselnde Herzchenkarten.
Mit dem Erreichen von zehn Elfenpunkten ist fast ein Teilsieg da. Sollten dazu noch zwei Geschenke im Besitz sein und der wahre Partner auf der Anzeigetafel, dann gelingt der Sprung ins Elfenparadies. Damit ist das Spiel aber noch nicht zu Ende, denn jetzt sind die Partner gefordert. Alle streben dem Zentrum zu und versuchen ihre jeweiligen Zielfelder punktgenau zu erreichen. Geschenke und Punkte spielen keine Rolle mehr, das richtige Partnerherzchen wird aber immer noch verlangt. Es klappt nicht immer, dass der Teilsieger sich auch mit seinem Partner am Ende gemeinsam über den Sieg freut, da sich das Würfelglück auch anderen zuneigen kann. Meist steht aber nach etwa einer Stunde fest, welches Team oder Paar sich am Ende siegreich gefunden hat. In der entsprechend ablaufenden Romantikfassung dürfen die sich liebenden Paare Liebeserklärungen austauschen, fremdgehen, Nebenbuhler verjagen und Körbe geben.
Georg Luft warnt seine Spieler: „Für Anhänger des taktischen Knobel- und Strategiespiels ist das Spiel nicht geeignet!“ Auch die zweite und damit ebenfalls die dritte Variante sind äußerst glücksabhängig. Der Symbolwürfel bringt nur bedingt taktische Möglichkeiten ins Spiel, die Titania-Rolle hätte ich mir zum Beispiel häufiger gewünscht. Wer sich auf ein solches Spiel einlassen will, wird aber ordentlich bedient. Das Spielmaterial ist von guter Qualität, die zweiteilige Regel zwar gewöhnungsbedürftig, aber letztlich doch einigermaßen verständlich. Zur Hintergrundinformation ist die Lektüre der Homepage (www.droll.info) ausdrücklich zu empfehlen, dann wird vielleicht auch deutlicher, dass das Spiel DROLL! doch etwas mehr mit Shakespeare zu tun hat, als man beim Spielen mitbekommt. Enden wir deshalb auch mit Puck, dem Troll aus dem Sommernachtstraum:
„Nun gute Nacht! Das Spiel zu enden,
Begrüßt uns mit gewognen Händen!“
Hoffen wir, dass diese „gewognen“ Hände Würfelglück verheißen, dann wird des Autors „in-teames“- Spiel vielleicht keine Luftnummer in der Spielelandschaft werden.
Titel: DROLL!
Autor: Georg Luft
Grafik: Katrin Ehmann
Verlag: Love Games Spieler: 3 – 6
Alter: ab 5 Jahren (drei unterschiedliche Fassungen)
Spieldauer: je nach Spiel 15 bis 90 Minuten
Preis: ca. 30 Euro
Spiel 13/2004 R68/2021
Die Rezension erschien 2004 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
GGeorg Luft ist gebürtiger Regensburger. Seit 1996 arbeitet er als Geographie- und Englischlehrer am Dr.-Johanna-Decker-Gymnasium in Amberg. Nebenbei führten beide Fächer zu Nebenbeschäftigungen. Anglistik hat ihn zu der einmaligen Spielentwicklung gebracht. Die Geographie, verbunden mit seiner Begeisterung fürs Wandern, zu mehreren Buchveröffentlichungen. Außerdem war er als Tontechniker unterwegs und nahm CDs für seine Schule auf. In seinem Studio "live is live!" sind über70 CDs entstanden, von Kabarett über Orgelkonzerte bis hin zu großen Oratorienchören.
In diesem Jahr hat er das Buch BURGEN, RITTER, SCHLOSSGESPENSTER mit Abenteuer-Wanderungen in der südlichen Oberpfalz veröffentlicht. Er pflegt die Seite www.wanderbar.bayern mit Impressionen aus der blau-weißen Region und „anderen Paradiesen“.
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