Mittwoch, 5. Mai 2021
HALUNKEN UND SPELUNKEN
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
HALUNKEN UND SPELUNKEN
Im 18. Jahrhundert beherrschte England die Weltmeere. Gute Matrosen waren Mangelware, so dass oft zwielichtige Gestalten angeheuert wurden. Thematisch sind wir damit schon mitten im neuen Kosmos-Familienspiel HALUNKEN UND SPELUNKEN, in dem zwei bis vier Kapitäne möglichst gute Schiffsmannschaften in den Spelunken einer anrüchigen Hafengegend anwerben müssen. 14 Kneipen, die kreisförmig auf dem Spielplan um ein Hafenbecken angeordnet sind, gilt es, nach geeigneten Matrosen abzusuchen.
Besonders reizvoll ist dieses Spiels von Alex Randolph durch seinen Bewegungsmechanismus. Hier wird nicht gewürfelt, sondern jeder Spieler darf seine Zugweite über acht Bewegungskarten festlegen. Mit diesen Karten lassen sich gezielt Spelunken ansteuern, um eine möglichst hochwertige Matrosenkarte zu ergattern. Vorwärts bewegen dürfen sich die Spieler aber nur dann, wenn kein Mitspieler die gleiche Karte gewählt hat. Genaue Beobachtung der Spielsituation, Einschätzung von Mitspielerreaktionen sind hier gefragt und machen einen großen Teil der Spielspannung aus. Eine besondere Rolle spielt die „Black Jack-Figur“, die in jeder Spielrunde ersteigert werden kann und unter anderem dazu dient, Mitspielern Matrosenkarten zu rauben.
Sind die acht Bewegungskarten gespielt, ist ein Spiel nach etwa zwanzig Minuten beendet. Der Spieler mit der wertvollsten Mannschaft gewinnt die Spielrunde. HALUNKEN UND SPELUNKEN ist damit ein sehr schnelles, durchaus vielschichtiges Familienspiel mit Wiederspielwert, an dem sich Kinder ab acht Jahren problemlos beteiligen können.
Titel: HALUNKEN UND SPELUNKEN
Autor: Alex Randolph
Grafik: Claus Stephan
Verlag: Kosmos
Spielerzahl: 2-4
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 39.- DM
Spiel 19/1997 R76/2021
Die Rezension erschien 1997 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Alex Randolph war der Kosmopolit unter den Spieleautoren. 1922 in Böhmen geboren. Seine Mutter stammte aus Colorado, sein Vater war Russe. Schon als Kind lebte er mehrere Jahre in Venedig, bevor er als Zehnjähriger in ein Schweizer Internat geschickt wurde. Ein Jahr vor dem Zweiten Weltkrieg ging die Familie zurück in die USA. Während des Krieges arbeitete er am Entschlüsseln feindlicher Codes.
Nach dem Krieg lebte er als Werbetexter und Romancier in Boston, bevor er 1961 mit Pentomino-Steinen sein erstes Spiel veröffentlichte. Randolph siedelte dann nach Wien um, spielte dort im Café Hawelka TWIXT mit Herbert Feuerstein, das bald als 3M-Spiel in einer edlen Buchschuberausgabe erschien und ihm einen mehrjährigen Aufenthalt in Japan finanzierte. Mitte der 70er Jahre fand der Spieleautor nach Venedig zurück, wo er 2004 starb.
Anfangs entwickelte er, inspiriert durch die Japanreise, hauptsächlich taktische Spiele für zwei, wie EVADE, BUFFALO und GEISTER. In den 80er Jahren erfand er erfolgreich viele Familienspiele wie SAGALAND, „Spiel des Jahres“ 1981, das er zusammen mit seinem engen Freund Michael Matschoss entwickelte, der sich inzwischen um sein spielerisches Erbe kümmert. Es blieb zwar sein einziges „Spiel des Jahres“, für GUTE FREUNDE (1989) gewann er den ersten Sonderpreis „Kinderspiel“, was er mit LEINEN LOS! 1997 noch einmal wiederholte. INKOGNITO (1988) und VENICE CONNECTION (1996) bescherten ihm den Sonderpreis „Schönes Spiel“.
In den 90er Jahren arbeitete Randolph eng mit Johann Rüttinger zusammen. Posthum veröffentlichten Rüttinger und Kathi Kappler 2012 das lesenswerte Buch Randolphs „Die Sonnenseite. Fragmente aus dem Leben eines Spieleerfinders“.
In seinem 68. Lebensjahr wird der Philosoph unter den Spieleautoren mit dem Göttinger SPATZ ausgezeichnet, außerdem erhält er 1992 einen Sonderpreis für sein Lebenswerk beim Deutschen Spielepreis. Randolph gilt neben Sid Sackson als einer der ersten Spieleautoren, der seine Leidenschaft zum Beruf gemacht hat. Er hat schon in den 70er Jahren dafür gesorgt, dass Autorennamen auf den Schachteln auftauchten.
HALUNKEN UND SPELUNKEN gehört zu den eher unbeachteten Spielen des Autors. Mit einer BGG-Wertung von 5,6 und einer Platzierung über 10.000 (Platz 14531, Stand 02.05.21) ist es heute in Vergessenheit geraten.
Das Bild zeigt Randolph auf dem Autorentreffen 1995 in Göttingen.
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