Montag, 17. Mai 2021
PALEO
Zurück in die Steinzeit: PALEO
Historische Atmosphäre, die zudem noch authentisch rüberkommt, haben für mich zuletzt Inka und Markus Brand in VILLAGE eingefangen. Gelang ihnen ein Spiegelbild mittelalterlichen dörflichen Lebens über mehrere Generationen hinweg, schafft es aktuell Peter Rustemeyer mit PALEO, der uns vorführt, dass man nur gemeinsam das Leben in der Steinzeit bewältigen konnte.
Beide Spiele waren und sind Garanten für Kopfkino, PALEO lässt es vielleicht sogar noch ein bisschen konkreter ablaufen, wenn wir unbedarft uns den steinzeitlichen Wirren aussetzen und merken, dass wir schon vor einem Wildschwein Reißaus nehmen. Was soll uns dann erst bei Mammuts geschehen?
Welchen Verlag kann ein Autor ein solches Spiel anbieten? Na klar, Rustemeyer hat an STONE AGE, ein Flaggschiff des Hans im Glück-Verlags gedacht, das Bernd Brunnhofer 2008 viel Lorbeeren brachte und dessen Kinderversion 2016 als STONE AGE JUNIOR sogar den Titel für das Kinderspiel des Jahres gewann. Für kooperative Spielideen hat sich der Münchner Verlag bisher aber kaum interessiert, trotzdem waren Moritz Brunnhofer und sein Team so angetan von Rustemeyers Idee, dass sie sich der Umsetzung annahmen.
Wir finden uns am besten zu dritt in einem Stamm von Steinzeitmenschen wieder. Jeder startet mit zwei Stammesmitgliedern mit spezifischen Fähigkeiten, das können Jäger und Jägerinnen sein, Handwerker und Erfinderinnen. Erstaunlich gendergerecht geht es in Rustemeyers Paläolithikum zu. Mit festen Zeiten, sprich Runden, können wir nicht planen, dazu sind wir in dieser Epoche viel zu vielen Unwägbarkeiten ausgesetzt. Die Chance, zu verlieren, ist durchaus realistisch. Wir müssen Tag- und Nachtphasen überstehen. Tagsüber gilt es, Nahrung zu beschaffen und sich fortzuentwickeln, nachts schieben wir möglichst keinen Hunger. Kulturelles Schaffen führt uns zum Sieg, eine Höhlenmalerei aus fünf Teilen müssen wir gestalten, bevor auf eben diesem Nachttableau fünf Totenköpfe liegen.
Für den Spielablauf nutzt der Autor viele Spielkarten, die sich aus Basis- und ausgewählten Modul-Karten zusammensetzen. Alle werden gleichmäßig unter den Akteuren verteilt. Das Besondere an den Karten ist, dass die Rückseiten andeuten, was wir erwarten können. Wir erkunden Flüsse, Berge und Wälder, finden Ressourcen, stoßen auf Tiere oder deren Kadaver, Träume und Ideen führen uns weiter, aber auch Gefahren drohen, bei denen es sich oft trotzdem lohnt, sich ihnen zu stellen.
Jeder sieht sich in der Tagphase drei Rückseiten seiner Karten an und entscheidet sich dann für eine. Eine gute Abstimmung mit den anderen macht schon hier Sinn. Wenn alle gewählt haben, werden die Karten aufgedeckt und gemeinsam besprochen, in welcher Reihenfolge sie abzuhandeln sind. Die Tagphase endet individuell. Stammesmitglieder können durchaus noch weiterschaffen. Die offizielle Nachtphase setzt erst ein, wenn alle ihre Karten genutzt haben. Dann müssen alle Gruppenmitglieder mit Nahrung versorgt werden. Jeder nicht ernährte Mensch bringt einen Totenkopf in die Nachthöhle. Das passiert auch, wenn Auftragskarten nicht erfüllt werden. Dann geht es in den Folgetag, bis die Wandmalerei fertig ist oder genügend Totenschädel in der Höhle liegen.
Der Vorbereitungsaufwand ist beträchtlich, da müssen Karten sortiert, Werkzeuge geordnet und Ressourcen und Schadensplättchen bereitgelegt werden. Ein bis zwei Einführungsspiele braucht es, bis man die Nutzung und Abstimmung der Karten im Griff hat, dann kann man sich zu schwereren Modulergänzungen vorwagen. PALEO nimmt die Kooperation ernst, da es auf die Erfahrung jedes einzelnen ankommt, um die nicht einfachen Aufgaben zu bewältigen. Selten habe ich ein Spiel mit solch hohem Interaktionsanteil erlebt. Die aufbauende Entwicklung, die letztlich zum Bestehen der Kampagne führt, gefällt mir gut. Stringent ist es auch, dass erlegte Tiere aus dem Kartenstapel verschwinden und die Ernährungssituation immer schwieriger wird. Leider gilt das für die Gefahrenkarten nur bedingt.
Den Zugang zum Spiel hat der Verlag nicht gerade leicht gestaltet, die Regel überzeugt nicht, soll aber verbessert erscheinen, eine Fassung 1.2 kann man auf der Seite des Verlags schon runterladen. Die Werkbank für Entwicklungsfortschritte und Werkzeuge steht wacklig im Wege und passt nicht einmal wieder in die Schachtel. All das wirft aber nur einen kleinen Schatten auf das großartige Spielerlebnis, das dieser Ausflug in die Steinzeit bietet. Brunnhofers STONEAGE hat einen würdigen Nachfolger gefunden.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: PALEO
Autoren: Peter Rustemeyer
Grafik/Design: Dominik Meyer
Verlag: Hans im Glück
Alter: ab 10 Jahren
Spielerzahl: 1 - 4
Spielzeit: ca. 45-60 Minuten
Preis: ca. 40 Euro
Spiel 37/2021
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