SAMMELSURIUM
Schmidt Spiele-Bar: KERLETT
Als Anfang der 70er Jahre 3M und Ravensburger mit der Casino-Reihe hochwertige Buchschuber-Spiele herausbrachten, setzte auch Schmidt entsprechende Akzente mit den Spielen aus der Spiele-Bar.
Die Firma Josef Friedrich Schmidt aus München ist letztlich nur für ein Spiel gegründet worden. Die Ludo-Variante MENSCH ÄRGERE DICH NICHT, die Schmidt 1907 „erfand“. Das Logo der Firma JFSM entsprach den Anfangsbuchstaben von Josef Friedrich Schmidt München. 1936 entstand durch den Sohn Franz Schmidt in Nürnberg quasi familieninterne Konkurrenz, er veröffentlichte entsprechend unter dem Logo FSN. Beide Unternehmen arbeiteten aber im Vertrieb zusammen. Nach dem Krieg wurde auch der Nürnberger Zweig nach München verlegt und veröffentlichte Spiele unter dem Logo FSM, dann SPIELE SCHMIDT mit den Zwiebeltürmen.
1970 fusionierten die Unternehmen von Vater und Sohn zu Schmidt Spiel und Freizeit. Das neue Unternehmen zog um nach Eching. In den 1970er Jahren vernichtete ein Brand das Archiv der Verlage. 1997 geriet die Firma in wirtschaftliche Schwierigkeiten und wurde von der Berliner Blatz-Gruppe übernommen. Blatz bietet seitdem seine Produkte unter dem Markennamen Schmidt Spiele an.
Die Buchkassetten von Schmidt, die in den Jahren 1973 und 1974 erschienen sind, waren wuchtige Papp-Kästen in deutlich größerem Format als die eleganteren Leinenschuber der Konkurrenz. Aufgeklappt fand sich in einem weißen Innenkasten das spielmaterial in samtigem Inlett. Im Gegensatz zur Konkurrenz taucht kein Randolph, kein Sackson als Autor auf. Schmidt setzte damals schon auf Fernsehwerbung und nicht auf Autorenkompetenz. Für KERLETT wird diese Werbung sogar auf dem Spielecover angekündigt.
Die meisten Produkte sind daher Redaktionsentwicklungen. Eine Ausnahme stellt Jim Dunnigan bei dem Spiel DIPLOMATIE dar und Edward de Bono bei dem Spiel SPECULATION.
KERLETT
KERLETT gehört zu den wenigen eher besseren Spielen der Reihe. Es gibt für dieses Spiel keinen Autor, hier liegt eine typische Redaktionsarbeit der frühen 70er Jahre vor, die von einer Mischung aus POKER- und ROULETTE-Elementen ausgeht, was zu dem einfallslos konstruierten Spieltitel führt, in dem man jeweils die ersten Silben der Vorlagenspiele weglässt (PO)KER + (ROU)LETT(E).
Das Kunststoff-Spielbrett, arg dünn geraten, besitzt ein an ROULETTE angelehntes Felderraster, wobei Zahlenwerte von 10 bis 25, die klassischen Felder „Pair“, „Impair“, „Manque“ und „Passe“ oder Pokerkombinationen zu sehen sind. Im Zentrum ist eine kleinere Würfelfläche (12x8 cm). „Manque“ und „Passe“ stehen hier für Ergebnisse unter 10 bzw. über 25.
Gewürfelt wird mit fünf roten 6er Würfeln, auch ein Würfelbecher liegt bei. Für das Bieten hat jeder sechs Farbchips zur Verfügung, die je nach Chance mit Punkten vergütet werden. So gibt es einen Punkt für die klassischen Zweierchancen, zwei Punkte für die Summenwertung und drei für alle Pokerkombinationen. Wer nun behauptet, das wiederspräche doch allen Wahrscheinlichkeiten, hat recht. Der eigentliche Reiz von KERLETT besteht in der Umkehrung des Setzvorgangs. In diesem Spiel gibt es keine Wette auf wahrscheinliche Ergebnisse, sondern es wird erst nach dem Würfeln auf Geschwindigkeit gesetzt.
Da braucht es den Blick auf Poker-Kombis, da muss addiert werden um zu einer exakten Zahl zu gelangen und damit auch die Pair-Impair-Frage zu lösen. Ist ein passendes Feld belegt, darf dort kein anderer Chip mehr rein. Wird ein Chip falsch platziert, gibt es dafür einen Minuspunkt. Schluss ist nach sechs Runden, das ist zumindest die Dauer, die ein Notizblock vorgibt.
Obwohl die POKER-ROULETTE-Idee ganz simpel ist, KERLETT spielt sich recht fetzig. Das schnelle Reagieren, Addieren, Einordnen der Pokerkombis besitzt Reiz, allerdings nur mit gleichwertigen Partnern. Sonst kassiert immer nur einer die Punkte ab.
Die Spielidee ist damit in Ordnung. An die Wertigkeit der Buchschuber-Spiele von 3M und Ravensburger kommt aber die Schmidt Reihe nicht heran. Da gibt es doch deutliche Mängel, so kann es passieren, dass die Chips unter den Trenn-Stegen des Spielbretts hindurchrutschen, die sind nicht verklebt und lassen viel Spiel nach oben. Der dünne Pappeinsatz überzeugt ebenfalls nicht, auch die Würfelfläche hätte man zumindest für die Casino-Atmosphäre stofflich-samtig überziehen müssen. Das wirkt alles eher billig produziert.
Titel: KERLETT
Autor: o.A.
Grafik: o.A.
Verlag: Schmidt Spiel und Freizeit
Spielerzahl: 2-6
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 60 DM
Wertung: Nächste Woche wieder
Sammelsurium 23 - S23/2021