
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Wittigs Resterampe: RESTEFIX
„Noch eine Erinnerung an die alten Perlhuhn-Zeiten: Was macht ein kleiner Verlag mit Spielstein-Resten, aufwendigst hergestellt? Wegschmeißen oder ein kleines neues Spiel? Eher probeweise gibt es jetzt das Spiel
RESTEFIX. Vielleicht sagen mal böse Zungen, dass der Titel das Beste daran ist.“ So kündigte Reinhold Wittig ein taktisches Schmankerl mit Bluffelementen auf dem Göttinger Autorentreffen 2004 an. Dabei waren keine Würfelreste gemeint, die sich zu bunten Pyramiden auftürmen lassen. Es lagerten gewichtigere Holzutensilien in der Göttinger Erfinder-Werkstatt. Spielhände füllende 25 Gramm schwere Holzsteine, verpackt in großen Plastiksäcken, warteten auf ihre spielerische Bestimmung.
Die Bastelabteilung der Familie Wittig brauchte viel Klebstoff, mit dem große farbige Holzquadersteine zu einundzwanzig Doppelsteinen mit farblich verschiedenen Hälften zusammengefügt wurden. Rote Röhren waren wohl nicht mehr unter den Resten, denn die 21 Doppelsteine sind in einem stabilen blau-grün changierend bemalten Pappkarton untergebracht.
Sieben Farben sind je sechsmal vertreten in allen möglichen Kombinationen. Jeder Spieler erhält geheim eine Farbe zugelost, die er nun in eine Siegkombination auf den Spieltisch bringen muss. Zu Beginn stehen die Spielsteine alle hochkant auf dem Tisch. Ein Spielzug besteht darin, entweder einen hochkant stehenden Stein flach auf den Tisch zu legen, die Ausrichtung an einer der beiden Tischkantenrichtungen ist zu beachten, oder einen schon liegenden Stein zu wenden. Aus diesen Lege- und Bewegungsbedingungen ergeben sich drei Siegpositionen. Der Spieler, der es schafft, seine Farbe auf den Steinen nur oben, nur unten oder nur in einer Ausrichtung liegen zu haben, gewinnt das Spiel. Klar, dass das Oben und Unten noch einigermaßen im Blick bleibt, aber die dritte Dimension, die hier sozusagen mit der Parallelität zu einer der Tischkanten hinzukommt, bringt die nötige Würze ins Spiel.
Wer sich zu früh outet, ist schnell aus dem Spiel. Siegkombinationen für Farben zu verhindern, fällt nämlich relativ leicht. Deshalb ist von Anfang an Täuschung der Gegner angesagt. Bluffen birgt aber auch das Risiko, dem Gegenspieler Vorlagen zu bauen, die zum Spielsieg genutzt werden können. Spielen mehr als drei Spieler mit, ergibt sich das Spielende eher zufällig. So richtig vorbereiten lässt sich da wenig. Meist entscheiden Spieler, die nicht richtig aufgepasst haben, über den Spielgewinn. Steuerbarer ist das Spiel zu zweit und zu dritt, aber auch da kann sich eine Partie hinziehen, weil aufmerksame Spieler absehbare Siegkonstellationen immer wieder verbauen können. Die Regel sieht für solche Spielgruppen vor, dass jeder eine zweite Farbe zieht, so dass eventuell ein Partner an einer der eigenen Farben mit baut. Unbefriedigend ist, dass dann trotzdem nur der gewinnen soll, der zufällig den letzten Stein der Siegfarbe bewegt. Wir spielen RESTEFIX inzwischen von vornherein mit zwei Siegfarben. Gespielt werden drei Spielrunden, wobei ein Einzelsieg zwei Punkte bringt und ein Doppelsieg jeweils einen Punkt für die Partner.
Titel: RESTEFIX
Autor: Reinhold Wittig
Verlag: Edition Perlhuhn
Spieler: 2 bis 5
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: 10 bis 45 Minuten
Preis: ca. 35 Euro
Spiel 19/2004 R88/2021
Die Rezension erschien 2004 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Über den Göttinger Geologen, Puppenspieler, Künstler und Spieleerfinder ließen sich Seiten füllen. Ich halte mich an dieser Stelle kurz:
Reinhold Wittig, der 84jährige Erfinder des Spieleautoren Treffens in Göttingen, entwickelt seit 1958 Spiele. 1976 gründete er seinen Kleinverlag Edition Perlhuhn, der mit Skaiplänen und Spielen in der Rolle bekannt wurde.
Zu seinen bekanntesten Spielen gehört die Würfelpyramide DAS SPIEL (1980 mit dem Sonderpreis Schönes Spiel ausgezeichnet), das heute immer noch von Abacus vertrieben wird. Für WIR FÜTTERN DIE KLEINEN NILPFERDE und MÜLLER & SOHN bekam er ebenfalls diese Auszeichnung, für die Grafik war jeweils sein Sohn Matthias verantwortlich. Seine ästhetischen Maßstäbe für Spielmaterial und Optik haben maßgeblich dazu beigetragen, dass der einfache Pöppelalltag aus den Spieleschachteln verschwand. Den Kosmos-Verlag brachte er durch edle Spiele in der Reihe mit der Feder voran, darunter auch eigene Veröffentlichungen wie MARITIM, das 1987 Chancen auf das Spiel des Jahres hatte.
1990 landete er mit DINO, damals noch von Hexagames auf der Auswahlliste für das Spiel des Jahres.
In den 90er Jahren prägte seine Handschrift die Spiele von Blatz und teilweise auch Haba. KULA KULA und das hier schon vorgestellte DOCTOR FAUST aus diesem Verlag bekamen ebenfalls den Preis für das Schöne Spiel.
Die ganz großen Erfolge blieben dann zwar im neuen Jahrtausend aus, immerhin landete CORNU 2007 auf der Empfehlungsliste der Kinderspieljury und MOGULI erhielt 2013 eine MinD-Würdigung.
Die Organisation des Autorentreffens hat Wittig 2016 an die SAZ übergeben. Ein Jahr danach ist er mit dem Göttinger SPATZ ausgezeichnet worden. 2020 wurde Wittig in die Hall of Fame des Origins Award aufgenommen. Aktuell besteht eine enge Kooperation mit Joe Nikisch, der exklusiv bei Abacus einige Perlhühner veröffentlicht.
Das Bild zeigt Reinhold Wittig bei der Präsentation des Spiels 2004.