Donnerstag, 17. Juni 2021
AQUA ROMANA
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Alles fließt! AQUA ROMANA
Taktische Legespiele sind sehr beliebt. Mit CARCASSONNE (2001) und DER PALAST VON ALHAMBRA (2003) erlangten in den letzten fünf Jahren immerhin zwei Legespiele den Titel „Spiel des Jahres“. Gute Chancen auf die Nachfolge hat 2006 AQUA ROMANA vom Verlag Queen Games.
Rom, die erste Millionenstadt in der Geschichte der Menschheit, war nach mittelalterlichen Maßstäben eine hypermoderne Metropole. Eine ausgefeilte Kanalisation sorgte für hygienische Bedingungen, die Mitteleuropa erst im 19. Jahrhundert wieder erreichte, auch die oberirdische Wasserzufuhr war durch zum Teil mehrstöckige Aquädukte perfekt geregelt. Der Faszination dieser Bauwerke konnte sich der Hagener Spieleautor Martin Schlegel nicht entziehen. Der Faszination seiner spielerischen Umsetzungen wird sich kein Freund von Legespielen entziehen können.
Raffiniert hat der Autor den Bau der Wasserleitungen in einem römischen Stadtviertel konstruiert. Einerseits gibt es Bauarbeiter, die, von einer Wasserquelle ausgehend, den Bau der Aquädukte der zwei bis vier Spieler umsetzen. Wie sie und vor allem wie lang sie ihre Wasserstrecken errichten können, ist abhängig von der Nutzung von Baumeistern, die um das Stadtviertel herum platziert stehen. Ist ein solcher Baumeister in Blickkontakt mit einem Arbeiter, legt er die Streckenführung fest. Dadurch können mit Geraden, Kurven Über- und Unterquerungen und Doppelkurven manchmal erstaunlich lange Aquädukte errichtet werden. Denn auf die Länge der Wasserleitungen kommt es an, die führt am Ende zum Spielsieg.
Das chaotische Wassernetz, das entsteht, wenn nichts mehr weiter fließen kann, hätte in Rom sicherlich zu einer Revolte geführt. Die Spieler, die dieses optisch reizvolle Ergebnis produziert haben, werden das anders sehen. Denn das Chaos ist Produkt strategischer Überlegungen, wenn Gegenspieler abgeschnitten und geblockt werden, Unterführungen den Weiterbau retten und die Siegpunktewertung im Blick bleibt. Das ist etwas für Feinschmecker, da darf mit exquisitem Tafelwasser angestoßen werden. AQUA ROMANA verbindet auf eindrucksvolle Weise Elemente des klassischen Legespiels mit taktischen Möglichkeiten und einem originellen Abrechnungsverfahren.
AQUA ROMANA
Verlag: Queen Games
Autor: Martin Schlegel
Grafik: Michael Menzel
Alter: ab 8 Jahren
Anzahl Spieler: 2-4
Spieldauer: 45 bis 60 Minuten
Preis: ca. 30 Euro
Spiel 2/2006 R95/2021
Die Rezension erschien 2005 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
AQUA ROMANA hat Martin Schlegel (Jg. 1946) zwar eine Nominierung zum Spiel des Jahres eingebracht, aber noch erfolgreicher war er wohl gemeinsam mit seiner Gattin Erika mit LUTHER: DAS SPIEL (Kosmos), einem Spiel zum Lutherjahr.
20 Jahre nach ihrem ersten Spiel, mit dem sie gemeinsam mit MOSE DURCH DIE WÜSTE (Uljö) zogen, führt sie ihr Spiel über Martin Luther direkt zum Bundespräsidenten. Am 20. Oktober 2016, vier Tage nach Vorstellung des Spiels in Essen, erreicht sie ein Brief des Bundespräsidialamtes: „Der Bundespräsident und Frau Daniela Schadt bitten Frau Erika Schlegel und Herrn Martin Schlegel aus Anlass des Reformationsjubiläums 2017 zu einem musikalisch-literarischen Schlossabend "Martin Luther" am Donnerstag, dem 3. November 2016, um 19.30 Uhr. Im Anschluss findet ein Empfang statt." Dass ein Spiel einen Autor oder in diesem Fall ein Autorenpaar direkt zum Bundespräsidenten führt, dürfte einmalig sein.
Zu dem Zeitpunkt hatte Schlegel, der in der Stadtverwaltung Hagens wissenschaftlicher Mitarbeiter im Amt für Stadtforschung und Statistik war, knapp 50 Spiele veröffentlicht, darunter ganz viele als SPIEL IM HEFT in der spielbox. Seine Entwickler-Philosophie: „Kurze Regeln. Der Kopf soll nicht mit Regeln gefüllt werden. Außerdem gilt für ihn Alex Randolphs Grundsatz: ‚Ein Spiel ist erst dann fertig, wenn ich es nicht weiter vereinfachen kann.‘“ (vgl. www.muecke-spiel.de/autor-martin-schlegel/)
Wichtig für ihn waren Erfolge beim Hippodice Autorenwettbewerb. Dadurch erreichte er Veröffentlichungen wie HEKLA bei der Holzinsel oder WEST OF AFRICA (ADC Blackfire). Schlegel, inzwischen schon lange pensioniert, ist immer noch aktiv. So gut wie jedes Jahr erscheint mindestens ein Spiel von ihm.
Das Bild zeigt Martin Schlegel 2004 in Göttingen mit einem Vorläufer von AQUA ROMANA.
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