
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Zurück in die Kindheit: DAS HORNBERGER SCHIESSEN
Auch wenn kaum einer weiß, wo das kleine Städtchen Hornberg liegt, die Redewendung, „Das geht aus wie das Hornberger Schießen“, kennen die meisten. Viel Lärm um nichts wie einst beim Besuch des Herzogs Christoph von Württemberg, der der kleinen Gemeinde im südöstlichen Zipfel des Ortenaukreises 1564 einen Besuch abstatten wollte. Mit vielen Salutschüssen sollte er begrüßt werden. Als in der Ferne die vermutete herzogliche Kavalkade sich mit einer großen Staubwolke ankündigte, böllerten die Hornberger los. Aus dem Staub tauchte dann aber nur eine profane Postkutsche auf, später war es ein Krämerkarren und schließlich noch eine Rinderherde. Als alles Pulver verschossen war, kam endlich der Herzog. Wer will, kann das Ereignis im Sommertheater auf der Freilichtbühne in Hornberg nacherleben.
Wer will, kann es aber auch mit einer Spielidee von Klaus Zoch und Albrecht Werstein nachspielen. Für beide ist das ein Ausflug in ihre Kindheit. Während ihres gemeinsamen Schulbesuches in der Schwarzwaldgemeinde Hornberg hatten sie Mitte der 60er-Jahre schon Spielsysteme entwickelt, nicht ahnend, dass Spiele sie später wieder zusammenführen würden. 1987 gründeten sie den Zoch Verlag für das geniale BAUSACKSPIEL, nun sechs Jahre später, setzen sie ihrer alten Heimat ein spielerisches Denkmal. Im Doppelpack als Spiel für das Hornberger KETTERER Bier und für den Zoch Verlag haben die beiden freunde die Idee veröffentlicht.
Kein Wunder also, dass nicht nur die Kanonen eine wichtige Rolle im Kartenspiel spielen, sondern auch eine der größten Hornberger Vorlieben, das Biertrinken! Im Spiel sind Herzöge (1-9), Kanonen (1-6) und Kanoniere (0-8), außerdem sechs Pulverfässer, die den Farbbesitz anzeigen. Je nach Spielvariante sind alle Karten im Spiel oder einige Herzöge weniger. Im Falle von DRUNTER & DRÜBER gibt es nur Herzogskarten mit den Werten 1 bis 3 im Gesamtstapel. Die übrigen werden gemischt und drei von ihnen offen ausgelegt.
Alle starten mit zehn Handkarten, die an die drei Herzöge angelegt werden. Der Zahlenwert der Herzogskarte begrenzt die Anzahl der hier abzulegenden Kanonenkarten. Neue Herzöge können die Reihen verlängern oder verkürzen. Wer eine Kanonenkarte spielt, bekommt das entsprechende Pulverfass. Bierkarten werden auf ausliegende Kanonen gelegt. Eine Reihe gilt als geschlossen, sobald die entsprechende Anzahl an Kanonen- und Bierkarten dort liegt. Wenn zwei der drei Reihen geschlossen sind, endet die Runde. Positive Punkte bringen nur diese beiden Abrechnungsreihen. Die Spieler erhalten Kanonen und Biere, sofern sie die Pulverfässer der entsprechenden Farbe besitzen. Die Kartenwerte werden dann einfach addiert. Entsprechend negativ wird die unvollendete Reihe gewertet.
BEI KREUZ&QUER wird ganz ähnlich in ein 6x3 Raster gespielt, über die Kanonen erhalten die Spieler die Fässer. Die Kanonenkarten werden wieder mit Bierkarten belegt, die Herzöge dienen hier nur dem Abschluss einer Reihe oder Spalte. Zuvor müssen dort in einer Spalte exakt drei Kanonenkarten liegen, wobei zwei davon mit einem Bier belegt sein müssen. Der Herzog wird dann auf die dritte Karte gelegt. Zeilen können schon mit zwei Kanonen und einer Bierbelegung aufgelöst werden. Wer den Herzog gespielt hat, legt ihn nun offen aus und der Rest wird wie beim ersten Spiel an die Besitzer der Fässer verteilt. Sobald der Wert der ausliegenden Herzöge 30 oder mehr Punkte ausmacht, endet das Spiel. Alle gesammelten Karten, auch die Herzöge bringen Siegpunkte, die im Raster noch ausliegenden Karten zählen negativ. Gespielt wird auf 100 Punkte.
Die beiden Kartenspiele bleiben recht abstrakt, das Thema „Hornberger Schießen“ spielt nur am Rande eine Rolle. Die Rasterwertung in KREUZ&QUER gefällt mir persönlich am besten, gewöhnungsbedürftig sind allerdings die unterschiedlichen Beendigungsmöglichkeiten für Reihen und Spalten. Zuviel Fässer sollte man nicht sammeln, da die große Auslage am Ende auch zu vielen Minuspunkten führen kann, wenn hohe Bierkarten auf fremde Kanonenfarben gespielt werden, die nicht mehr in die Wertung kommen. Soviel Salz in der Suppe hätte man den Hornbergern gar nicht zugetraut.
Titel: DAS HORNBERGER SCHIESSEN
Autoren: Klaus Zoch, Albrecht Werstein
Grafik: Stefan Sälzer
Verlag: Zoch
Spieler: 2 - 5
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: ca. 45 Minuten
Preis: ca. 20 DM
Spiel 25/1993 R102/2021
Die Rezension erschien 1993
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder


Zum Spiel und zu den Autoren:
Eine Postkarte mit Bauklötzen erhielt Albrecht Werstein vor 35 Jahren von seinem Jugendfreund Klaus Zoch. „Da hab‘ ich was, aus dem etwas werden könnte!“ stand auf der Karte. Werstein war angetan von der Idee und wenig später fiel die Entscheidung beim Spargelessen im Elsaß. „Wir arbeiten zusammen!“ Während ihres gemeinsamen Schulbesuches in der Schwarzwaldgemeinde Hornberg hatten sie Mitte der 60er-Jahre schon komplexe Spielsysteme entwickelt. Von der Steinzeit bis ins Raumfahrtzeitalter spielte ihr frühes CIVILIZATION, den Spielplan gab ein Diercke-Weltatlas her. Immerhin 18 Monate dauerte ihre Spielkampagne, bis einer ihrer Mitspieler das Klassenziel nicht erreichte. Die Studienzeit – Physik bei Klaus Zoch und Jura bei Albrecht Werstein – trennte die Freunde. So recht zufrieden war keiner mit seiner Studienentscheidung: Klaus Zoch beendete 1982 sein Studium ohne Abschluss und Albrecht Werstein war nicht unglücklich, 1990 seine Tätigkeit als Rechtsanwalt für das volle Engagement im Zoch-Verlag aufgeben zu können.
Beide waren wieder bei den Spielen gelandet und gingen eine kreative und organisatorische Symbiose ein: Der Handwerker, Designer und häufige Ideengeber Klaus Zoch, der Redakteur, Organisator, Mann für die Vertragswerke, Albrecht Werstein, der auch juristische Fallen umschiffen konnte.
Der Start verlief durchaus erfolgreich: 1987 war der BAUSACK noch der Geheimtipp der Essener Spieltage. 1988 war das Spiel auf der Auswahlliste zum Spiel des Jahres und erreichte dadurch für einen Kleinverlag beachtliche Auflagehöhen. Die wunderschönen Holzkinderspiele MÄUSEFEST (1987) und WER WOHNT WO (1988) ergänzten am Anfang durchaus stimmig das Verlagsprogramm. Kontakte zu anderen Kleinverlagen führten 1990 zu einer Kooperation mit Walter Müller. Das Ergebnis, das Schachtelspiel FLUSSPIRATEN, konnte sich sehen lassen, blieb aber in seiner Wirkung eher beschränkt.
Zehn Jahre nach dem BAUSACK gewann Klaus Zoch mit ZICKE ZACKE HÜHNERKACKE den Sonderpreis „Kinderspiel“. Der Verlag selbst war erfolgreich mit Spielen wie VILLA PALETTI (2002), NIAGARA (2005), DA IST DER WURM DRIN (2011) und SPINDERELLA (2015). 2010 übernahm die Simba Dickie Group den Zoch Verlag, die Spiele wurden der Noris-Gruppe im Konzern zugeordnet. War Albrecht Werstein anfangs noch Geschäftsführer des Zoch-Verlags, haben inzwischen die beiden Gründer nichts mehr mit ihrem Verlag zu tun.
Als Ruheständler dürfen sie nun an ganz verrückten Projekten arbeiten wie das Würfel-Aktionsspiel ROLLING DICE, das sie 2021 zusammen mit den alten Haudegen Kalle Schmiel und Peter Wichmann entwickelt haben.
Das Bild von Klaus Zoch stammt von der Preisverleihung für BEPPO DER BOCK 2007 in Berlin. Das Bild von Albrecht Werstein aus dem NIAGARA-Jahr 2005.