Freitag, 25. Januar 2019
SCHNECK-DI-WUPP!
Seit Wolfgang Kramers HEIMLICH & CO. – unvergesslich in der Perlhuhnfassung von 1984 - tauchen immer wieder Spielideen mit verdeckten Zielvorgaben auf. Das französische Pärchen Wilfried und Marie Fort, die gestern für ihr bei Blue Orange erschienenes MR. WOLF für das französische Kinderspiel des Jahres nominiert wurden, nutzt Kramers Idee für ein Schneckenrennen rund um und über eine metallene Verpackungsbox.
SCHNECK-DI-WUPP! nennt die Redakteurin Kristin Dittmann dieses raffinierte Wettrennen, was auch immer der Titel bedeuten mag? SNAIL SPRINT! ist da schon eindeutiger und auch das französische ESCARGOTS... PRÊTS? PARTEZ! ist zumindest ein Startsignal. Wuppen wir es also und schauen uns die Spielbedingungen an.
Sechs Holzschnecken, mit Magnetfolien beklebt, machen sich ans Schneckenrennen in Frau Meiers Gemüsegarten. Ihre Holzfarben korrelieren mit den Spieplanfeldern, die mindestens ein Farbsymbol, manchmal aber auch drei zeigen. Jeder erhält zu Beginn eine Rennkarte, auf der drei Farbschnecken abgebildet sind. Diese versucht man möglichst vor den anderen auf die drei Zielsockel zu bringen. Bewegt werden die Schnecken durch zwei Farbwürfel. Meist zeigt das Ergebnis unterschiedliche Symbole, so dass der aktive Spieler sich eine der beiden Schnecken für die Bewegung aussuchen kann, die er dann auf das nicht genutzte Farbfeld stellen muss. Ein Paschwurf hat bei SCHNECK-DI-WUPP! keine weiteren Vorteile, dann muss die entsprechende Schnecke nur auf ihr Farbfeld laufen. Interessanter wird es, wenn sich die Schnecken gegenseitig bespringen, dann ist das unten sitzende Weichtier blockiert. Sobald es an die senkrechte Dosenwand geht, sind solche Türme nicht mehr möglich, die Magneten ermöglichen nur durch direkten Kontakt mit der Blechwand den nötigen Halt. Oben auf dem Deckel kann natürlich wieder blockiert werden (steht aber nirgends in der Regel). Sobald die Abwärtsstrecke überwunden ist, dauert es nicht mehr lange bis ins Ziel. Zuletzt gibt es meist noch ein spannendes Gerangel um die ersten drei Podestfelder, dann dürfen die Kinder ihre Karten aufdecken. Bilanz gezogen wird mit drei Siegpunkten für den ersten, zwei für den zweiten und einen Punkt für den dritten Platz. Zum Schneckenkönig wird der Punktbeste gekrönt.
Der Aufforderungscharakter durch die große geprägte Blechbox und die Magnete, die das senkrechte Kriechen ermöglichen, ist groß, das begeistert Kinder. Die Anforderungen an kleine Fünfjährige sind aber beträchtlich. Da ist die unterschiedliche Nutzung der Würfelsymbole im Blick zu behalten, da ist der Ärgerfaktor durch das Blockieren und immer wieder muss auf die Wettkarte geblickt werden. Welche Schnecken soll man denn nun nach vorne bringen? Die Beschränkung auf nur eine Farbe hat das in der Ursprungsidee von Wolfgang Kramer deutlich leichter gemacht, da war auch noch echtes Bluffen möglich, was sich bei SCHNECK-DI-WUPP! nicht so richtig ergibt. Mit Grundschülern habe ich aber trotzdem spannende Wettläufe erlebt, stets verbunden mit einem Wiederholungsrennen. Ein Viertklässler hat dabei sogar den guten Vorschlag gemacht, mit offenen Karten zu spielen, dann wird – soweit die Würfel es zulassen – das Schneckenrennen sogar etwas taktisch.
Trotz tollen Materials ergeben sich aus dem Streckenverlauf über die Metallbox schlechte Einblickmöglichkeiten. Eigentlich müsste man die Verpackungsdose ständig hin- und herwenden, damit alle die Felder erkennen. Die Haltbarkeit der Magnete lässt auch zu wünschen übrig, zwei Magnetfolien halten in unserem Exemplar nicht gut, da mussten wir mit Spezialkleber nachhelfen. Das lässt sich aber leicht wuppen, damit in Frau Meiers Gemüsegarten Sebastian Schneck immer wieder über Gloria Glibber kriechen kann.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: SCHNECK-DI-WUPP!
Autoren: Wilfried und Marie Fort
Grafik/Design: Gabriela Silveira
Verlag: Haba
Alter: ab 5 Jahren
Spielerzahl: 2 – 4
Spielzeit: ca. 15 Min.
Preis: ca. 20 Euro
Spiel 07/2019
Mittwoch, 9. Januar 2019
SPACE ESCAPE
Spieleklassiker wie das LEITERSPIEL oder auch SCHLANGEN UND LEITERN findet man heute höchstens noch in Spielesammlungen. Vor fast 130 Jahren wurde die Idee erstmalig von dem Engländer Frederick Henry Ayres mit einem kreisförmigen Spielbrett auf den Markt gebracht. Ursprünglich stammt das Spiel aus Indien, dort repräsentierten die Leiter die Tugend, die die notwendige Zeit bis zur Wiedergeburt verkürzen helfen sollten. Die Schlangenfelder sorgten für Verzögerungen.
Matt Leacock orientiert sich in SPACE ESCAPE an dem klassischen Vorbild, Schlangen lässt er leibhaftig auftreten, Luftschächte übernehmen ihre Absturzfunktion. Der amerikanische Autor verhilft dabei der Species Heterocephalus Glaber zu ihrem ersten Auftritt in der Brettspielszene. Bei seinem Faible für die Kooperation könnte er die hässlichen Nacktmulle eigentlich zu seinem Wappentier machen. Die Spielregel klärt über die hoch spezialisierte Arbeitsteilung in den Nacktmull-Kolonien auf. Die kleinen Nacktmulle kümmern sich um ihre jüngeren Geschwister. Etwas ältere sind Arbeiter und bauen das Gangsystem der Kolonie aus. Größere Tiere halten außerhalb des Baues Wache und warnen vor der Rötlichen Schnabelnasen-Natter.
Leacocks Nacktmulle sind nicht unterirdisch unterwegs, sondern inzwischen so hoch spezialisiert, dass sie eine eigene Raumstation besitzen. Irgendwie scheinen es aber auch diese Schnabelnasen-Nattern, nun nicht mehr nur rötliche, sondern auch braune, violette und blaue, auch auf die Raumstation geschafft zu haben. Wie in den heißen Halbwüsten Ostafrikas kommt es in SPACE ESCAPE zu einem Überlebenskampf zwischen Nacktmullen und Schlangen.
Die Aufgabe ist eindeutig formuliert, alle beteiligten drei oder vier Nacktmulle müssen in begrenzter Zugzeit in die Raumstation, dabei gilt es lebensnotwendige Utensilien unterwegs einzusammeln. Ohne Karte, Essen und Zahnbürste, gibt es keinen Siegerlorbeer. Der Weg von der untersten Ebene der Raumstation führt wie im klassischen Leiterspiel über viele Felder nach oben bis in die fünfte Etage. Es gibt eigentlich nur einen Unterschied zum Klassiker, der Würfel fehlt. Gesteuert werden Nacktmulle und Schlangen durch Spielkarten, die jeweils eine Nacktmull-Bewegung für die eigene, eine beliebige oder alle Nagetiere zur Folge hat. Im unteren Teil der Karte ist Entsprechendes für eine Schlangenbewegung zu sehen. Die Spieler legen die Bewegungskarten offen vor sich aus, sodass alle sehen, welche Bewegungen möglich sind, aber auch welche Gefahr durch Schlangen droht.
Die eigentlichen Zugalternativen sind simpel. Die Nager ziehen nach rechts oder links und versuchen so schnell wie möglich das Ende einer Leiter zu erreichen, um ein Stockwerk höher zu kommen. Im Blick muss man auch die Schlangen behalten, denn die Giftnattern beißen auch dann zu, wenn man nur über sie hinwegspringt. Von den Siegbedingungen her scheinen die Nattern besser dran zu sein. Sobald sie ein Nagetier zweimal beißen, gewinnen sie das Spiel. Beim ersten Mal rettet die Nacktmulle noch ein Erste-Hilfe-Koffer. Gelangt eine Natter in die Rettungskapsel, ist auch Feierabend. Das gilt ebenso, wenn ein Nager durch einen Luftschacht ins Weltall abrutscht oder wenn die Karten ausgehen. Insbesondere der letzte Fall macht den Spielsieg nicht leicht, denn in Vollbesetzung können zwei Spieler nur neunmal Nacktmulle setzen oder weitere zwei zehnmal. Das liegt daran, dass acht Karten ausschließlich Schlangenbewegungen zulassen.
Damit wird klar, Planung und gute Absprache ist alles in dieser kooperativen Herausforderung im Weltraum. Alle sollten die Ausgangskonstellation bewerten können und besprechen. Beim Spiel mit jüngeren Kindern ist die Tendenz zur Fremdsteuerung immer gegeben. Trotzdem habe ich Sechsjährige erlebt, die diesen Wettlauf zur Rettungskapsel überaus spannend fanden, auch wenn der ältere Bruder sehr viele Ratschläge gab. Das Spiel ist durchaus herausfordernd und laviert daher zwischen Kinder- und Familienspiel hin und her. Für Vorschulkinder zu anspruchsvoll, der Verlag empfiehlt es für Kinder ab sieben Jahren.
Die Kartengrafik haben Kinder schnell entschlüsselt. Obwohl es eindeutig ist, bereiten aber Auf- und Abstiegsymbolik auf dem Spielplan immer wieder Probleme. Die Nacktmullfiguren aus Plastik mit Rucksäcken für die Ausrüstungsgegenstände machen erheblich mehr her als die Papp-Plättchen der Schlangen. Auch die Kartenqualität besitzt Luft nach oben. Die Karten sind zu glatt, pappen aneinander und lassen sich schlecht mischen. Ganz nett ist dagegen die Idee einer kleinen Erweiterung, die nach drei gewonnenen Spielen in SPACE ESCAPE integriert werden kann. Leacocks Legacy-Erfahrungen lassen grüßen.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: SPACE ESCAPE
Autor: Matt Leacock
Grafik/Design: Jim Paillot
Verlag: Game Factory
Alter: ab 7 Jahren
Spielerzahl: 2 – 4
Spielzeit: ca. 20 Min.
Preis: ca. 20 Euro
Spiel 02/2019
Dienstag, 8. Januar 2019
SEQUENCE
Alte Schätze neu gehoben
Goliath wirbt bei der Neuauflage des Klassikers SEQUENCE mit lauter Superlativen. 10 Millionen verkaufte Spiele, „6000 Reviews“ und spielbar bis zu 12 Spieler, die auf drei Teams aufgeteilt werden. 1982 veröffentlichte der in Minneapolis lebende Doug Reuter SEQUENCE bei Jaxgames, das inzwischen von Goliath aufgekauft wurde.
Reuters Idee, VIER GEWINNT! im Kartenspieluniversum zu erweitern, war nicht unbedingt innovativ, passt aber in die frühen 80er Jahre. Schon 1969 war mit CARTINO bei Ravensburger eine ähnliche Idee Alex Randolphs umgesetzt worden. Randolph arbeitete ursprünglich mit einen halben ROMMÉ-Blatt. Bei Reuter sind bis auf die Buben alle Karten doppelt auf dem Spielplan. Gespielt wird mit 104 Spielkarten.
Bei Randolph ging es um punkteträchtige Ablage durch angrenzende Spielsteine. Reuter perfektioniert die Angrenzung, um SEQUENCEn mit fünf Spielsteinen zu erzielen. Je nach Spielerzahl erhält jeder zwischen drei und sieben Handkarten, die wechselseitig gespielt werden. Für jede Karte wird passend auf eines der beiden möglichen Felder ein farbiger Spielstein gelegt zum Aufbau einer SEQUENCE. Diese Steine, eine Art Pokerchip, gibt es in drei Farben, daher kann Reuters Spiel auch nur zu zweit und zu dritt alleine gespielt werden, darüber hinaus wird es zum Teamspiel, das aber nicht zu fünft, zu siebt und zu elft funktioniert. Realistisch gelten eigentlich die Ausgangswerte, die Reuter vor 37 Jahren festgelegt hat. Damals war das Spiel maximal für sechs Spieler empfohlen. Am besten funktioniert es in der Dreier- oder Viererrunde.
Besondere Regeln betreffen hauptsächlich nur die acht Buben-Karten, die kein Pendant auf dem Spielplan besitzen. Dafür bringt ihr Ausspielen so ein bisschen Jokerersatz. Zweiäugige Buben lassen zu, das ein Spielstein beliebig gesetzt werden darf. Mit den einäugigen Buben dürfen Spielsteine entfernt werden. Beachten muss man sonst nur noch die vier Jokerfelder in den Eckbereichen des Spielplans, sie sind von allen nutzbar, sodass die gewinnbringenden Fünfer-Reihen in den Ecken zum klassischen VIER GEWINNT! mutieren. Mit drei Spielern oder drei Teams reicht eine einfache Gewinnstellung, zu zweit oder mit zwei Teams muss die SEQUENCE doppelt erreicht werden.
Auch ohne die Auszeichnung „Spiel des Jahres“ hat SEQUENCE ähnlich wie das fast zeitgleich herausgekommene RUMMIKUB einen Siegeszug durch Veröffentlichungen vor allem bei Parker und Winning Moves angetreten. Inzwischen gibt es auch eine Fassung für Kinder und rare Ausgaben von Jaxgames wie das BIBLE SEQUENCE und SEQUENCE STAATEN UND HAUPTSTÄDTE.
Wenigspieler sind durchaus zu begeistern. Im Teamspiel mit Abspracheverbot entwickelt das alte Spiel einen Reiz, wie er erst deutlich später bei HANABI oder THE MIND auftrat. Kartenglück spielt zwar eine große Rolle, auch die Zahl der Buben, an die man gerät, aber das ist das Problem der meisten Kartenspiele und gilt für alle Beteiligten. Wer Spiele wie RUMMIKUB und PHASE 10 mag, für den wird SEQUENCE auch heute noch eine gute Ergänzung der Spielesammlung darstellen.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: SEQUENCE
Autor: Doug Reuter
Grafik/Design: keine Angabe
Verlag: Goliath
Alter: ab 7 Jahren
Spielerzahl: 2 – 4, 6, 8, 9, 10, 12
Spielzeit: ca. 20 - 30 Min.
Preis: ca. 29 Euro
Spiel 01/2019
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