Sonntag, 18. August 2019
HASE UND IGEL
40 Jahre „Spiel des Jahres“ feiert die Jury 2019. Zu diesem Anlass wurde wie im ersten Jahr der Preisverleihung abermals eine Ministerin zur Preisübergabe eingeladen. 1979 war es die Familienministerin Antje Huber, die den Preis an David Parlett und Ravensburger für HASE UND IGEL überreichte. 2019 war es die Kulturstaatsministerin Monika Grütters, die Bruno Sautter zu JUST ONE beglückwünschte. Viel Beachtung fand obendrein der Tag der Brettspielkritik, den die Jury zum Jubiläum vor der Preisverleihung für das Kinderspiel des Jahres im Juni in Hamburg durchführte.
Ich will nur zum Teil auf die 40 Jahre und 41 Preisträger eingehen, sondern hauptsächlich der Frage nachgehen, ob Parletts Spiel heute noch von Interesse ist. Von den ersten zehn Preisträgern ist nur die Hälfte immer noch auf dem Markt. Dazu gehört der zweite Preisträger RUMMIKUB, der aktuell von Jumbo vertrieben wird. FOCUS von Sid Sackson, das dritte ausgezeichnete Spiel, ist schon lange vom Markt verschwunden, war allerdings zwischenzeitlich in den 90er Jahren in einer Kosmos-Ausgabe erhältlich. Ravensburger ist dem vierten und fünften Preisträger, SAGALAND und SCOTLAND YARD, die ganze Zeit über treu geblieben, was für HASE UND IGEL übrigens nicht gilt, das ab 2000 für einige Jahre Abacus im Programm hatte. Entsprechendes gilt für HEIMLICH & Co. (Sieger 1986), das Amigo seit 2001 im Programm hat. Die Preisträger 1984 (DAMPFROSS), 1985 (SHERLOCK HOLMES CRIMINAL-CABINET), 1987 (AUF ACHSE) und 1988 (BARBAROSSA UND DIE RÄTSELMEISTER) hat aktuell kein Verlag mehr im Programm. Damit gibt es zurzeit nur noch die vier Spiele von Ravensburger auf dem Markt, eines davon im Vertrieb von Amigo und den Klassiker RUMMIKUB, der wie MÄDN und MONOPOLY wahrscheinlich auch in ferner Zukunft nachgefragt werden wird.
HASE UND IGEL, der kalkulierbare Wettlauf mit Karotten, gehört meiner Meinung nach ebenfalls zu den Spieleklassikern. David Parlett hat das Spiel 1973 bei dem englischen Verlag Intellect Games veröffentlicht, der nur in den frühen 70er Jahren Spiele publiziert hat. 1978 hat Erwin Glonegger die Recht für Ravensburger sichern können und damit den perfekten ersten Preisträger für die neue Spieleauszeichnung veröffentlicht.
HASE UND IGEL ist ein ideales Familienspiel. Ein einfaches Laufspiel, das eine Menge taktische Möglichkeiten bietet und einiges an Ressourcenmanagement verlangt, da man am Ende keine Salatkarten und nicht zu viele Karotten besitzen darf. Parlett hat dafür ein ausgeklügeltes System der kleinen und großen Hasensprünge entwickelt und den Igel für das Zurückgehen und den Karottenzugewinn eingebaut. Wer will, kann sich über Hasenkarten dem Glück aussetzen, das in der aktuellen Fassung aber deutlich geringer ausfällt als früher. Damals bestand der große Anreiz darin, auf die „Friss sofort einen Salat“-Karte zu stoßen, die man jetzt vergeblich sucht. Für Grundschulkinder ist Parletts Spiel der beste Mathe-Ersatz, die verlangten Rechenoperationen ersetzten mindestens drei Monate Mathe-Unterricht und das en passant. Das, was verlangt wird, traut Ravensburger übrigens aktuell erst Kindern ab zehn Jahren zu. Meine Erfahrungen zeigen, dass die Ersteinstufung von 1979 mit acht Jahren gar nicht so falsch war.
Die aktuelle Auflage entspricht optisch fast dem Original. Neu ist allerdings ein doppelseitiger Spielplan, der die Lauffelder für zwei und drei Spieler neu anpasst, sodass bestimmte Bonusfelder gezielter angesteuert werden können. Was nicht so schön ist, das Rennspiel fällt deutlich kleiner aus in Hinblick auf die Schachtel, das Material und vor allem den Spielplan.
Sonst gilt aber, HASE UND IGEL kann mit Blick auf Spielspaß und die vielen kleinen Spannungsbögen im Spielablauf mit den meisten aktuellen Spielen gut mithalten. Dieser Klassiker gehört in jede Spielesammlung. Wenn Sie es auf dem Flohmarkt entdecken, dann kaufen Sie eine schöne große Fassung aus den 80er Jahren, sonst ist das aktuelle Remake von Ravensburger eine gute und preiswerte Alternative. Der Neupreis von der Firma am Bodensee ist nicht weit weg von den eBay-Preisen gebrauchter alter Fassungen, die mit Porto um die 15 Euro liegen.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: HASE UND IGEL
Autor: David Parlett
Grafik/Design: Eckard Freytag, Walter Pepperle
Verlag: Ravensburger
Alter: ab 10 Jahren
Spielerzahl: 2 - 6
Spielzeit: ca. 30 - 60 Min.
Preis: ca. 19 Euro
Spiel 57/2019
Mittwoch, 14. August 2019
EXIT DIE KÄNGURU-ESKAPADEN
Marc-Uwe Kling avanciert zum Hausautor bei Kosmos. Seit HALT MAL KURZ und GAME OF QUOTES erscheinen im jährlich Rhythmus Spiele des 37jährigen Liedermachers und Kleinkünstlers Kling, der durch die regelmäßige Heimsuchung eines kommunistisch angehauchten Kängurus über Berlin hinaus in der ganzen Republik bekannt wurde und das vor allem durch die unnachahmlich vorgelesen Hörbücher Klings. Wer von ihm gehört hat, will mit ihm sofort bei Malzkakao abhängen und Pläne für das asoziale Netzwerk schmieden.
Eben dieses asoziale Netzwerk steht im Zentrum eines neuen EXIT-Falls, den KÄNGURU-ESKAPADEN. Rätseltechnisch dürfen wir auf die Anspruchsqualität von Inka und Markus Brandt und deren Redakteur Ralph Querfurth vertrauen. Im Fortgeschrittenen-Level ist so ziemlich alles enthalten, was das Rätselherz begehrt, es wird geschnitten, es darf geknickt und zerrissen werden. Die Überreste lassen jedenfalls – wie üblich – keine zweiten ESKAPADEN zu. Dafür wird man aber Mitglied im asozialen Netzwerk des Kängurus und das hat bisher noch kein EXIT-Fall geboten.
Das Besondere der KÄNGURU-ESKAPADEN, die als fortlaufende Geschichte in der Bundeshauptstadt angelegt sind, ergibt sich aus der Stimme des Erzählers. Dialoge und Erzählung übernimmt Marc-Uwe Kling. In den Genuss seiner Stimme kommt man allerdings nur, wenn die „Erklär-App“ von Kosmos heruntergeladen wird. Es geht auch ohne, hat dafür aber deutlich weniger Flair. Wir bewegen uns in Berlin zwischen Stadtmitte und Ostkreuz. Dabei streifen wir den neuen Ort der Preisverleihung von „Spiel des Jahres“ an der Stralauer Straße, unweit der Oberbaumbrücke. Irgendwann landen wir in der Wohnung von Kling, in Bad, Küche und Wohnzimmer und nach gut einer Stunde und zehn gelösten Rätseln sind wir Teil des asozialen Netzwerks und wenden uns nun gegen „den Terror der Medien, der Regierung und der Wirtschaft“.
Wer EXIT-Spiele mag, wird mit den Rätseln der KÄNGURU-ESKAPADEN gut bedient, der Schwierigkeitsgrad bewegt sich im bewährten Rahmen. Geübte EXIT-Fans kommen so gut wie ohne Hilfekarten aus. Wie üblich gibt es einige Aha-Effekte, die man teilweise aber auch erwartet. Das Besondere an dem Kling-Fall ergibt sich aus der ironischen Einkleidung, die ganz im Stil der KÄNGURU-Trilogie ins Spiel überschwappt. Das macht aus diesem EXIT-Fall schon ein ganz besonderes Erlebnis, das aber an die App-Nutzung gebunden ist. Diesen Fall werde ich nie wieder spielen, was in meiner Wertungshierarchie ein vernichtendes Urteil wäre. Läuft die Kooperation Kosmos&Kling weiter, dann bin ich aber gerne morgen wieder dabei.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: EXIT – DIE KÄNGURU-ESKAPADEN
Autoren: Inka und Markus Brand, Marc-Uwe Kling
Grafik/Design: Sensit Communication
Verlag: Kosmos
Alter: ab 12 Jahren
Spielerzahl: 1 - 4
Spielzeit: 45 -90 Min.
Preis: ca. 13 Euro
Spiel 54/2019
Freitag, 9. August 2019
DRAFTOSAURUS
Besprechung erscheint in der spielbox Heft 5/2019
Hinter der Spieleschachtel von DRAFTOSAURUS stecken ebenso viele Personen wie Saurierarten, das Kaedama-Team um Antoine Bauza mit Corentin Lebrat, Ludovic Maublanc, Théo Rivière und die Grafiker Jiahui Eva Gao und Vipin Alex Jacob. Bauza, der Autor von 7 WONDERS, lässt diesmal keine Weltwunder wandern, sondern 60 kleine Holzsaurier.
Bauza & Co. gehen davon aus, dass in naher Zukunft nicht nur Plastikgiganten und Knochengerippe in Naturkundemuseen und Dino-Parks wie in Münchehagen zu sehen sein werden, sondern echte Dinos. Mit Holzdinos können wir diese Situation vorwegnehmen und eigene Saurier-Gehege mit T-Rex, Diplodocus und Triceratops einrichten.
Dafür bestücken wir in zwei Runden sechs Gehege mit zweimal sechs Sauriern, die wir zuvor aus einem etwas klein geratenen Säckchen ziehen.
...
Familienspielvergnügen pur ist angesagt, mit tollem Material und ordentlicher Regel. Board Game Box, ein Schweizer Verlag mit deutscher Niederlassung in Offenburg, hat für eine gute deutsche Lokalisierung gesorgt. Abzüge gibt es nur für den kleinen Beutel und für das Spiel in Vollbesetzung.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: DRAFTOSAURUS
Autoren: Antoine Bauza, Corentin Lebrat, Ludovic Maublanc, Théo Rivière
Grafik/Design: Jiahui Eva Gao, Vipin Alex Jacob
Verlag: Ankama / Board Game Box
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 2 - 5
Spielzeit: ca. 15 Min.
Preis: ca. 22 Euro
Spiel 51/2019
Donnerstag, 8. August 2019
SENATORS
Haig und Rikki Tahta, Vater und Sohn, harmonieren gut miteinander. Jeden Sommer reisen ihre Familie und Freunde zu spielerischen Wochen nach Frankreich. Dort sind Spiele wie COUP und DAS CHAMÄLEON entstanden, die der Sohn Rikki erfunden hat. Seit zwei Jahren liegt auch ein gemeinsam entwickeltes Spiel der beiden Autoren mit SENATORS vor, in dem es gar nicht so harmonisch zugeht. Wer eine Einstimmung mit taktischen Tipps haben möchte, dem empfehle ich das Video des Vater-Sohn-Teams, das sie zu ihrem Spiel in ihrem französischen Urlaubsdomizil aufgenommen haben.
Für Liebhaber von Versteigerungsspielen á la MODERN ART oder KUHHANDEL ist SENATORS genau das Richtige, allerdings muss man sich auf aggressivere Komponenten einstellen. Die Tahtas versetzen uns in die Endphase der Römischen Republik, ins ausgehende 1. Jahrhundert v. Chr. Bürgerkriege erschüttern die römische Demokratie, die droht, durch Alleinherrscher abgelöst zu werden.
Im Spiel kaufen sich drei bis fünf Spieler die Unterstützung möglichst vieler Senatoren. Für den nötigen Gelderwerb läuft ein Ressourcenmanagement über sechs Warensorten in unterschiedlichen Werten ab. Wer am Zug ist, deckt eine Ereigniskarte auf, die oft zu variablen Versteigerungsformen um einen Senator führt. Das gilt auch für das Aufdecken einer „Krieg“-Karte, die gleichzeitig das Ende näherbringt. Kommt es zum vierten „Krieg“, ist nämlich sofort Schluss.
In der eigentlichen Aktionsphase darf ein Spieler eine Versteigerung auslösen, bei der drei Waren- und eine Ämterkarte aufgedeckt werden. Geboten werden darf dabei auf beliebig viele Karten. Der aktive Spieler entscheidet ähnlich wie bei KUHHANDEL, ob die Karte verkauft wird oder ob er sie dem Bietenden zum identischen Preis abkauft.
Die zweite Aktionsmöglichkeit bringt die perfide Prise Gemeinheit ins Spiel, die SENATORS deutlich von anderen Versteigerungsspielen unterscheidet. Reihum dürfen die Mitspieler um schon erworbene Karten gebracht werden. Dazu wird ein Preis für die gewünschte Karte vorgegeben, wird dieser akzeptiert, zahlt der aktive Spieler und erhält eine Waren- oder Ämterkarte. Wer seine Karte unbedingt behalten möchte, muss die Forderung begleichen. So erworbene Ressourcen sind aber fortan geschützt.
Mit der dritten Aktionsmöglichkeit lassen sich Zahlen- oder Farbsets in Geld umtauschen, mit dem dann Senatoren eingekauft werden können, die auf einer Senatsleiste bilanziert werden. Die Senatoren kosten zehn Talente, bei Geldknappheit muss man sie aber für fünf Talente verkaufen. Alle starten zwar mit fünf Senatoren, aber Verluste treten schnell auf. Wer keinen Senator mehr besitzt, scheidet vorzeitig aus. Daraus ergeben sich hinterlistige Konstellationen. Wer gerade fast sein letztes Geld für eine wertvolle 9er-Karte ausgegeben hat, wird vielleicht in der nächsten Runde so erpresst, dass er einen Senator verkaufen müsste, um die Karte zu behalten. Damit solche Situationen nicht glasklar kalkuliert werden können, bleibt der jeweilige Geldbesitz hinter einem (etwas kleinen) Sichtschirm geheim.
Das Ende kann sehr plötzlich kommen, denn es sind fünf „Krieg“-Karten im Spiel. Die Ereigniskarte selbst wird nicht mehr abgewickelt. Der Spieler mit den meisten Senatoren gewinnt, bei Gleichstand entscheidet das meiste Geld. Wer etwas kalkulierbarer mit der Kriegssituation umgehen möchte, teilt die Ereigniskarten und mischt zwei der „Krieg“-Karten in den ersten Stapel und die restlichen drei in den zweiten, sodass die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass im Spiel zu viert mindestens vier Runden gespielt werden,
Dieses gemeine Spiel muss man mögen. Es lässt keinen kalt, führt aber zu Frustrationen. Da sind auf der einen Seite die Abhängigkeiten von Ereigniskarten, die nicht nur Versteigerungen bringen, sondern auch Geldverluste wie durch den „Bürgerkrieg“, der fünf Talente kostet. Hinzu kommen die Erpressungsphasen, die nichts für harmoniebedürftige Spieler sind. Kritik wird auch am nicht kalkulierbaren Ende geäußert. Gerecht geht es wahrlich nicht zu, wenn man die mühsam erworbenen Getreidewerte 7,8,9 nicht mehr in Senatoren umwandeln kann, die einen den Sieg beschert hätten.
Wer sich aber auf diese Konfrontationen einlässt, einigermaßen gut mit den Talenten haushalten kann, wird großes Vergnügen an diesem hinterlistigen Bietspiel haben. Da kribbelt es ständig, da lockt die Gemeinheit, da wird sogar das Aufdecken von Ereigniskarten richtig spannend. SENATORS erzeugt Emotionen pur am Spieltisch. Vater und Sohn Tahta sorgen für ein hundsgemeines Spielerlebnis, das ich nicht missen möchte.
Für die deutsche Übersetzung zeichnet Johannes Kastner verantwortlich, der unter JoeKas World das Spiel vertreibt. Inzwischen gehört dieser Vertrieb zum Heidelberger Spieleverlag, für den Kastner früher schon gearbeitet hat.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: SENATORS
Autoren: Haig und Rikki Tahta
Grafik/Design: Pascal Quidault
Verlag: Ferti Vertrieb: JoeKas World/Heidelberger Spieleverlag
Alter: ab 10 Jahren
Spielerzahl: 3 - 5
Spielzeit: ca. 40 Min.
Preis: ca. 25 Euro
Spiel 50/2019
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