Dienstag, 27. Oktober 2020
DAS PRESTEL KUNSTSPIEL
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Von Lascaux bis Lichtenstein
Kein Reisespiel, sondern ein lehrreicher Ausflug in die Kunstgeschichte ist das gerade erschienene „Kunstspiel“ von Prestel. Wenn ein renommierter Kunstverlag sich auf das spielerische Parkett begibt, sind die Erwartungen hoch, auch ein Ausrutscher kann leicht geschehen.
Geboten werden die bekannten „100 Meisterwerke“ vom „Schwarzen Stier“, einem Ausschnitt aus den Höhlenmalereien von Lascoux bis zur Pop Art Roy Lichtensteins. Große Bildkarten in guter Reproduktionsqualität entführen uns in recht bekannte Bilderwelten. Zum Glück hat der Verlag bei dem sich um die Bilder rankenden Spiel nicht nur auf das Mittel des Quizspiels zurückgegriffen. Eine Mischung von Spielelementen aus dem Genre bekannter Unterhaltungsspiele á la ACITIVITY oder TABU hat eine kunterbunte Mixtur ergeben, die nicht originär, aber originell ist. Dahinter steckt mit Bertram Kaes auch ein Autor, der durch Spiele wie NOBODY IS PERFECT und DAS NILPFERD AUF DER ACHTERBAHN sich im Genre auskennt.
Drei bis sieben Spieler oder Teams sammeln auf ihrem Ausflug in die Kunstgeschichte acht Belohnungschips auf einer Papp-Palette für das Lösen unterschiedlicher Aufgaben. Jede der sechs Chipfarben muss dabei mindestens einmal vorkommen. Da gilt es, neben Fragen zu den einzelnen Gemälden, wahre von unwahren Behauptungen zu unterscheiden. War Leonardo da Vinci der uneheliche Sohn eines Notars und eines Bauernmädchens? Reizvoll und auf die spielende Gruppe abgestimmt, sind die Rubriken „Gedankenblitze“ und „Spaß mit Kunst“, da geht es nicht mehr um richtig oder falsch, sondern um Übereinstimmungen mit den Spielpartnern bei Begriffsassoziationen. Da müssen Begriffe umschrieben oder Mitspielerreaktionen eingeschätzt werden. Wo würden Sie die Sonnenblumen von van Gogh hinstellen? Hasardeure kommen auch zu ihrem Recht: Zwar etwas unpassend als „Auktion“ bezeichnet, gibt es eine an 17+4 angelehnte Zockerphase, mit der sich auch die Farbpalette ergänzen lässt.
Auch wer wenig Ahnung von Kunst besitzt, kann dieses Spiel gewinnen, und sollte es nicht zum Spielsieg reichen, hat man so ganz nebenbei auf unterhaltsame und spielerische Art viel Neues über Kunst und Künstler erfahren. Ausgestattet mit etwas Phantasie, Kreativität und Einfühlungsvermögen sollte man allerdings sein, wenn man sich in möglichst großer Runde auf DAS PRESTEL KUNSTSPIEL einlässt.
Wieland Herold
Spieletelegramm:
Titel: DAS PRESTEL KUNSTSPIEL
Verlag: Prestel
Autor: Bertram Kaes
Grafik: o.A.
Spielerzahl: 3-7
Alter: ab 10 Jahre
Spieldauer: ca. 60 Minuten
Preis: ca. 70.- DM
Die Rezension erschien 1998 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Spiel 10/ 1998 R 135/2020
Montag, 26. Oktober 2020
TOWERS OF HAMBURG
Der aus Nigeria stammenden Benjamin Soberekon schleppt schon viele Jahre eine Spielidee mit sich herum, eine Reminiszenz an seinen ersten USA-Aufenthalt im Jahre 1983. Angetan vom Empire State Building in New York und vom Sears Tower in Chicago, waren es schließlich die Hamburger Mundsburg-Türme, die seine Idee für ein Hochhausspiel voranbrachten. Wie so oft bei solchen Spieleentwicklungen war das private Umfeld des Autors von Anfang an begeistert. Das Angebot an einen großen Spieleverlag brachte 1987 aber die ernüchternde Ablehnung. Zehn Jahre schmorte die Idee, bis eigenes Kapital und das unterstützungswilliger Freunde zur Kleinverlagsgründung Beson Games (BEnjamin SoberokoN) ausreichte.
Worum geht es in Soberekons taktischen Spiel für zwei Personen? Auf einem 6 mal 6 Felder großen Spielfeld befinden sich abwechselnd schwarze und weiße Spielfelder, die zu Beginn mit entsprechenden Spielsteinen, den Turmbausteinen, bestückt werden. Damit die Türme, die im Laufe des Spiels entstehen, nicht ins Rutschen geraten, besitzen die quadratischen Turmteile in den Ecken vier Zapfen, die in Vertiefungen des Spielbretts und auf der Oberseite der Spielsteine passen. Spielziel ist es, als erster einen sechsstöckigen Turm zu bauen, oder den Gegenspieler so zu blockieren, daß dieser nicht mehr ziehen kann.
Die Zugregeln sind einfach, erlauben aber ein vielschichtiges Spiel. Jeder Spieler bewegt nur die Steine seiner Farbe und zwar erst einmal auf jedes beliebige Feld. Entscheidend ist die Einschränkung, daß der höchste Turm alle fremden Steine sowohl in der waagrechten wie auch senkrechten Reihe blockiert. Diese Steine dürfen nicht mehr gezogen werden, man darf aber auf sie bauen, um mit dem höchsten Turm gleichzuziehen und damit die Blockade aufzuheben. Das geht am Anfang mit den Zweiertürmen recht fix. In die oberen Etagen kommt man aber nur, wenn mindestens zwei gleichhohe niedrigere Türme vorhanden sind. Man benötigt also für einen Viererturm zwei Türme mit drei Etagen, wobei beim Auf- und Abbau ein Vierer- und Zweierturm entstehen. Entsprechend sind für den gewinnträchtigen Sechserturm zwei Türme mit fünf Stockwerken nötig. Diese Siegbedingung zu erreichen, ist gar nicht einfach, häufiger führt die Blockadetaktik zu einem schnelleren Spielgewinn. Das Spiel verlangt eine gute Übersicht. Ein zu schnelles Vorpreschen in die Höhenregionen, führt schnell zur Blockade der restlichen Steine. Einen wesentlichen Vorteil hat man allerdings mit dem höchsten Turm, da man, statt zu bauen, auch einen ganzen Turm auf ein freies Feld bewegen kann, um so gegnerische Blockierungen aufzuheben.
Die gediegene schwarz-weiße-Optik der Hochhäuser in TOWERS OF HAMBURG ist gefällig. Das optische Vorbild der Mundsburg-Türme, die auf der Schachtelrückseite zu sehen sind, ist gut umgesetzt. Spielmechanismus und Spielthema haben allerdings weniger miteinander zu tun. Fliegende Hochhausbestandteile, die beliebig hin und her jongliert werden können, sind auch mit großem Kraneinsatz schwer vorstellbar. Obwohl das Spiel im Hamburger Umfeld entstanden ist, hofft der Autor, dass die Hessen bald mit TOWERS OF FRANKFURT spielen und TOWERS OF NEW YORK müsste doch auch gut laufen.
Wieland Herold
Spieletelegramm:
Titel: TOWERS OF HAMBURG
Verlag: Beson-Games, Imstedt 5d, 22083 Hamburg
Autor: Nkem Benjamin Soberokon
Spielerzahl: 2
Alter: ab 8 Jahren
Preis: 59.- DM
Die Rezension erschien 1998 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Spiel 9/ 1998 R 134/2020
Samstag, 3. Oktober 2020
RAMPENSAU & TURTELTAUBE
Bekannt wurde der Frankfurter Verlag MeterMorphosen durch „historische" Zollstöcke, mit denen man auch Anno Domini spielen könnte. Seit 2007 vertreibt er auch MEMO-Varianten. Anfangs angelehnt an die Serie GEMISCHTES DOPPEL aus der Süddeutschen Zeitung, wird die Reihe eigenständiger und fällt immer wieder durch kreative Ideen auf.
Das betrifft nicht die Spielidee, die sich ganz ohne Veränderung am klassischen MEMO orientiert, originell sind die Bilder und deren Verwendung. Am besten haben mir bisher die Bildinszenierung Frank Kunerts gefallen, „Kleine Welten“ auf Märklinebene, die er mit pfiffigen KLEINANZEIGEN verknüpft hat.
Im neuesten Projekt RAMPENSAU & TURTELTAUBE arbeiten die 4K des Verlages MeterMorphosen, Knäbe, Koch, Kollmann und Kremer, mit dem Hamburger Typographen und Gestalter Ralf Mauer zusammen, der das Genre der Buchstabenbilder erfunden hat.
Bekannt wurde der 76jährige Mauer 2011 durch Dichterporträts, die er nur aus Buchstaben und Satzzeichen einer spezifischen Schrift treffend und durchaus wiedererkennbar gestaltet hat. Mauer beweist, dass Typographie nicht nur der Textgestaltung und Textvermittlung dient, sondern ganz neue optische Zugänge eröffnet. Er variiert dabei die Größe der Zeichen, verzerrt aber nichts, die Bilder sind so genial, dass man erst beim genauen Hinsehen die Buchstabengrundlage erkennt.
Was Mauer eindrucksvoll mit seinen TYPOETEN gelungen ist, wiederholt er nun mit einem TYPO-ZOO. Da entsteht das Tierporträt eines majestätischen Löwen aus den Zeichen der Cochin Antiqua oder eine Eule aus der Berkeley Oldstyle. MEMOtechnisch müssen den Bildern Wortkarten aus derselben Schrift zugeordnet werden. Leicht wird es dadurch, dass das Lamm ganz unschuldig daherkommt und der Specht nichts gegen einen guten Schluck einzuwenden hat.
Vom Angsthasen bis zur Zeitungsente finden wir so 36 MEMO-Paare in der Verpackung. Spieltechnisch bietet sich uns zwar wieder nur Hausmannskost, gilt es doch ganz simpel dem passenden Tier einen Begriff zuzuordnen oder umgekehrt. Grafisch bietet diese Idee aber einen überraschenden Ansatz, der an alte Figurenalphabete oder an Beispiele der Konkreten Poesie wie des „Fischers Nachtgesang“ von Christian Morgenstern erinnert. Mit RAMPENSAU & TURTELTAUBE überraschen die Macher aus Frankfurt erneut mit einer ganz besonderen gestalterischen MEMO-Fassung, mit er es vielleicht wieder gelingt den Produktpreis FORM vom Bundesverband Kunsthandwerk verliehen zu bekommen. Die KLEINANZEIGEN durften sich im letzten Jahr über dieses Prädikat freuen.
Wertung: Spielerisch nächste Woche wieder, aber immer wieder geschenktauglich
Titel: RAMPENSAU & TURTELTAUBE
Verlag: MeterMorphosen
Grafik: Ralf Mauer
Autor: Ralf Mauer
Spielerzahl: 2 -
Alter: ab 6 Jahren
Spieldauer: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 20.- Euro
Spiel 65/ 2020
(Seite 1 von 1, insgesamt 3 Einträge)