![DA YUNHE - DER GROSSE KAISERKANAL Foto Heo](/uploads/Spiele/DAYUNHE.serendipityThumb.jpg)
In Hamburg entwickelt sich seit einigen Jahren eine rege Autorenszene um das Spielwerk Hamburg. Peter Eggert ist dort nun schon seit 20 Jahren erfolgreicher Verleger und mit Björn Müller-Mätzig hat sich einer der jungen Nachwuchsautoren aufgemacht, in seine Fußstapfen zu treten. Müller-Mätzig, 40 Jahre alt, ist Jurist. Nach Stationen in Karlsruhe, Stuttgart und München hat es ihn nach Hamburg verschlagen, wo er sich den Traum eines eigenen Spieleverlags verwirklicht hat, den er schon seit seiner Studienzeit verfolgt.
Seit Mai 2016 kann er mit DA YUNHE - DER GROSSE KAISERKANAL seine erste Veröffentlichung vorweisen. Mutig hat er gleich das Herausgabejahr als Produktionsgröße festgelegt, 2016 Dschunken schippern nun über seine Kaiserkanäle.
Der Autor und Verleger hat mit seiner Erstveröffentlichung Vieles richtig gemacht. Sein Hamburger Umfeld bescherte ihm mit Nicolas Bau einen begabten Grafiker, der nordwestlich der Hansestadt im kleinen Dornbuschermoor lebt. Bau versteht sein Handwerk. Das atmosphärische Cover mit idyllischer Flusslandschaft, Dschunke, Pagode und den üblichen Kranichen stimmt stimmungsvoll auf Müller-Mätzigs Spiel ein. Bei dem man allerdings schnell merkt, dass die Idylle nicht mit einem durchweg friedlichen Spielablauf gleichzusetzen ist. Müller-Mätzig nimmt seine Spieler durch ein sehr ausführliches Regelvideo an die Hand, sodass man fast auf die Regellektüre verzichten kann, gebe es da nicht spielsteuernde Aktionskarten, deren Piktogramme doch häufiges Nachschlagen nötig machen.
Was mir auch gefällt, ist die Spielgeschichte. Es geht einmal nicht um die chinesische Mauer, nicht um ein chinesisches Netzwerk á la KARDINAL UND KÖNIG und um chinesische Frösche, sondern um ein sehr reales Thema der chinesischen Geschichte, dessen Bedeutung heute noch für die Infrastruktur Chinas groß ist. Der Kaiserkanal, der seit zwei Jahren zum Weltkulturerbe gehört, ist mit 1.800 Kilometern die längste künstliche Wasserstraße der Welt. Er verbindet Peking mit dem Gelben Fluss und der fruchtbaren Jangtse-Mündung. Erste Bautätigkeiten fanden schon 400 Jahre vor unserer Zeitrechnung statt, Schiffsschleusen kamen 1400 Jahre später in Einsatz, im 13. Jahrhundert wurde das Gebiet des heutigen Pekings an den Kanal angeschlossen. Der Aufbau der Verbotenen Stadt wäre ohne den Kanal nicht denkbar gewesen. Er geht zurück auf Yongle den dritten Ming-Kaiser, der 1406 den Bau der Verbotenen Stadt startete.
Im frühen 15. Jahrhundert bewegen wir uns damit als Dschunkenkapitäne und Kanalbauer und sind verantwortlich für ordentliche Kanalwege, für den Warentransport und für die Beseitigung von Unruhen. Zwei bis fünf Kanalbauer wirken mit, die auf Ressourcen von 20 meist verschiedenen Kanalplättchen mit Werten von ein bis neun Siegpunkten zurückgreifen können, außerdem besitzt jeder zehn Unruhemarker. Vier davon kommen abwechselnd von jedem Spieler auf den ursprünglichen Kanalverlauf auf das aus Puzzleteilen zusammengesetzten Spielbrett. Der Kanal ist in Abschnitte unterteilt, die aus neun Feldern bestehen, von denen vier mit den Unruhemarkern besetzt sind. Jedem Spieler wird ein solcher Abschnitt zu geteilt. Da Punktverluste gerade am Anfang häufiger vorkommen, startet jeder Spieler mit 15 Siegpunkten, die auf einer Wertungsskala rund um den Kanal bilanziert werden. Außerdem besitzt jeder für seine persönliche Spielsteuerung eine Tafel mit drei Feldern für die Kärtchen des Kanalbaus und die restlichen Unruheplättchen. Anfangs liegen die obersten Karten offen, später muss man schon zusätzliche Kraft investieren, um an die Informationen zu kommen. Rechts von den Stapeln sind sechs freie Sammelplätze in einem Lagerhaus für diese Kärtchen. Daneben gibt es für alle ein kleines Spielbrett „Verbotene Stadt“, das die vier Spielrunden anzeigt und Plätze für Bautätigkeiten aller Spieler besitzt, die für die Endabrechnung wichtig sein können. Schließlich gibt es eine Anzeige für die Zufriedenheit oder Unzufriedenheit des Volkes. Werden Unruhemarker vom Kanal entfernt, landen sie dort. Je nach Spielvereinbarung kann dann nach vier oder schon nach zwei abgelegten Markern eines Spielers ein Aufstand losbrechen, der pro Marker den Verlust von vier Siegpunkten zur Folge hat.
Der eigentliche Spielverlauf ist einfach strukturiert. Jede Spielrunde läuft in fünf Phasen ab, in denen vor allem die ersten beiden spielentscheidend sind. Aus zehn Aktionskarten wählen die Spieler reihum verdeckt eine Karte aus, die dann nacheinander abgewickelt werden. Jede Karte lässt drei unterschiedliche Aktionen zu, die in beliebiger Reihenfolge stattfinden. Immer gibt es Kartennachschub von ein bis drei Karten von den Stapeln für die eigene Auslage, stets ist auch die Bautätigkeit, die ein bis zwei Felder betrifft, dabei, sie kann manchmal allerdings durch eine Umbauaktion ersetzt werden. Jeder Kanalbau bringt die Siegpunkte, die auf dem Plättchen verzeichnet sind und sofort bilanziert werden. Die dritte Aktion macht den besonderen Reiz aus, da dürfen beispielsweise Unruheplättchen entfernt, da darf vorzeitig die Dschunke bewegt werden oder der Kapitän wird zu einer Teepause gezwungen. Wer spioniert, darf die obersten Kärtchen seiner Kanalplättchen aufdecken, wer intrigiert oder anschwärzt, beschert einem Gegner den Verlust von acht Siegpunkten oder beglückt ihn mit einem Unruheplättchen in der Verbotenen Stadt. Viele dieser Aktionen sind mit dem Wermutstropfen verbunden, dass sie nur durch Abgabe von zwei eigenen Unruheplättchen aus dem Lagerhaus ausgelöst werden können, von denen eins stets auf der Ablage für die Zufriedenheit des Volkes landet und dort natürlich zu einer Negativwertung führen kann. Da gilt es immer abzuwägen, wie aggressiv man sein möchte oder ob man dann doch lieber auf kostenfreie Aktionen zurückgreift.
Haben alle ihre Karten abgewickelt und damit das Lagerhaus gefüllt und am Kanal gebaut, was anfangs hauptsächlich bedeutet, Unruheplättchen aus der eigenen Region zu entfernen, folgt die Dschunkenfahrt, wobei das Boot die Strecke jeweils zweimal hin und zurück bewältigen muss. Der jeweilige Startspieler der Runde bewegt das Schiff abhängig von der Spielerzahl fünf bis elf Felder weit. Theoretisch ist damit nach acht Runden Schluss, aber der Fluss ist tückisch, mäandert nach den Bautätigkeiten in mehr Kurven dahin. Das kostet Zeit, zumal jeder Schiffsführer seine eigenen Interessen verfolgt. So befährt er mit Vorliebe Unruheplättchen in fremden Gebieten, die dem Besitzer jeweils vier Siegpunkte kosten. Die Nutzung neuer Kanalbauten bringt dem Erbauer jeweils zwei positive Punkte, gibt es dabei durchgehende Kanallinien werden diese sogar verdoppelt. Auch hier hat der Kapitän natürlich ein größeres Interesse an der Ausnutzung eigener Plättchen als fremde zu befahren. Die vielen Schlenker machen für eine Strecke aus einer Zweitagestour oft eine von drei Tagen, wenn dann noch der Kapitän durch eine Teepause aufgehalten wird und gar nicht fährt, kann es gerade am Anfang, wenn noch viele Unruheplättchen ausliegen, auch einmal zu einer fünftägigen Tour kommen.
Nach der Bootsfahrt wird auf der Zufriedenheitstafel überprüft, ob die Zahl der Unruhemarker zu Aufständen führt. Um das Volk zu beruhigen, müssen die Marker entfernt werden, was entsprechend negativ verrechnet wird, sie landen dann wieder unter den Plättchenstapeln des betroffenen Spielers. Die abschließende Aufräumphase bringt den Startspielerwechsel, so dass ein neuer Spieler Zugriff auf alle zehn Aktionskarten erhält. Irgendwann ist nach 12 bis 14 Runden die Dschunke zum zweiten Mal in Peking angekommen und es folgt eine Abschlusswertung. Jeder erhält für sein längstes Kanalstück je einen Siegpunkt pro Plättchen, außerdem werden nun die Kanalbauten in der Verbotenen Stadt belohnt. Die Anzahl der dort liegenden Plättchen wird mit sich selbst multipliziert und kann damit noch einmal eine Menge Punkte bringen. Damit nun niemand die Strategie fährt, alle 20 Kanalplättchen dort zu verbauen, um 400 Punkte zu kassieren, müssen die Spieler auf eine Balance zwischen großem Kanalbau und Ausbau in Peking achten. Wer den Hauptkanal mit vier Plättchen bestückt hat, darf auch vier Plättchen in Peking verbauen. Theoretisch ist damit nur ein maximaler Gewinn von 100 Punkten in der Verbotenen Stadt möglich. Da gilt es abzuwägen, wie stark man sich hier engagiert, da der Bau am Kaiserkanal ja zusätzlich sofort Siegpunkte bringt und potentiell weitere beim Befahren der Plättchen. Der Sieger darf sich Jinshi Zhuàngyuàn nennen, er ist der bestplazierte Doktor, der sehr wahrscheinlich die Balance zwischen konstruktiven Bautätigkeiten und destruktiven Ärgerattacken am besten hinbekommen hat.
Zu fünf zieht sich DA YUNHE ziemlich hin, so wie der Kanal selbst. 972 Seemeilen dauern eben, da wird es schwer, die angegebenen 90 Minuten einzuhalten. Unter zwei Stunden dümpelte unsere Dschunke die vier Strecken nie. Das mag daran liegen, dass stets die Hälfte der zehn Aktionskarten ins Spiel kommt, damit wird auch der Fahrstopp, die Teepause, häufiger gespielt. Zu zweit und zu dritt geht es viel zügiger, deutlich unter einer Stunde Spielzeit ab.
Die grafische Aufbereitung ist, was die äußeren Komponenten des Spiels angeht, beachtlich. Was uns überhaupt nicht gefallen hat, sind die Symbole auf den Aktionskarten. Dem Autor muss man zugestehen, dass er sie in der Spielregel ausführlich erläutert und zusätzlich Erklärungskarten bereitstellt. Trotzdem war die Nachfrage nach der Spielregel in den ersten Partien groß, immer wieder musste nachgeschlagen werden, wo, welches Plättchen hinkommt. Die Karten sind einfarbig gehalten, eine Zuordnung über Farbsymbolik hätte das Problem wahrscheinlich beseitigt.
Auf erste Material- und Regelkritik hin hat Müller-Mätzig schnell Abhilfe geschaffen. Inzwischen liegt eine überarbeitete Regel vor, Papp-Punktechips sind durch kleine Holzchips ersetzt. Das ist vorbildlich. Viel Licht, wenig Schatten also beim Spieleerstling von Björn Müller-Mätzig, der als Verleger weitermachen wird und im nächsten Jahr mit DYNAMINE sein zweites Spiel veröffentlichen will.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: DA YUNHE - DER GROSSE KAISERKANAL
Autor: Björn Müller-Mätzig
Verlag: Müller-Mätzig-Spiele
Alter: ab 10 Jahren
Spielerzahl: 2 - 5
Spielzeit: ca. 30 - 120 Minuten
Preis: ca. 40 Euro
Im Umfeld des Spielwerks Hamburg hat sich 2016 Vieles getan (vgl. meine Reportage in der spielbox 7/16). Björn Müller-Mätzig, der sich mit seinem Spielerstling recht eindrucksvoll um den Ausbau des chinesischen Kaiserkanals kümmert, vertreibt neben de
Aufgenommen: Dez 24, 11:48