
Vor dreißig Jahren hat Klaus Zoch mit dem Spiel BAUSACK Spielgeschichte geschrieben. Der Langzeitstudent im Bereich der Physik schaffte es, mit ganz verrückten Holzteilen scheinbar die Gesetze der Schwerkraft aufzuheben. Gleich fünf Spielversionen waren im Leinensack, darunter die überragende Versteigerungsvariante KNOCK OUT.
Die kanadische Firma Pretzel Games belebt mit den Bamboozle Brothers Jay Cormier und Sen-Foong Lim Klaus Zochs Idee neu. Das gelingt den beiden Autoren mit 12 Bauwettkämpfen so genial, dass sie mit ihrem Spiel JUNK ART den immer noch brillanten BAUSACK alt aussehen lassen.
15 ungewöhnliche Holzteile in vier Farben, von der schiefen Ebene über den Blumentopf und die Radachse ist alles dabei, prägen die Bauabläufe. Im Gegensatz zum BAUSACK werden die Spielvarianten über Karten, die jedem Bauteil zugeordnet sind, gesteuert.
Thematisch führt uns das kanadische Autorenteam auf eine architektonische Weltreise, die geprägt ist durch die unterschiedlichsten Bauanforderungen in den besuchten Städten. Empfohlen wird der Besuch von mindestens drei Metropolen, dabei bleibt es meistens aber nicht. In der ersten Baurunde sollte die Reise nach Philadelphia, Monaco und Paris führen.
In der Stadt am Delaware River geht es knallhart ums Überleben. Nur wer als Letzter noch baut, bekommt Siegpunkte, die in JUNK ART Fan-Chips genannt werden. Der Ablauf ist wie bei allen Spielen einfach geregelt. Jeder nimmt drei Karten auf, draftet zwei davon nach rechts und links, sodass am Baurundenende alle drei entsprechende Holzteile auf einem schwarzen Bausockel unterbringen müssen. Sobald bei einem Bauherrn zwei Teile heruntergefallen sind, scheidet er aus. Wenn nur noch ein Spieler übrig ist, erhält er fünf Fan-Chips. Am Ende geht es meist knapp zu, da in der letzten Baurunde die meisten Türme ins Wackeln kommen, sodass sich häufig auch mehrere Spieler den Sieg teilen und dann drei Chips gewinnen.
In der Stadt an der Côte d’Azur steht Schnelligkeit im Vordergrund. Alle bekommen zehn Karten, die sie der Reihe nach verarbeiten müssen. Wer als erster sein zehntes Teil platzieren konnte, beendet die Baurunde und bekommt fünf Gewinn-Chips. Die restlichen Türme werden nach der Zahl der verbauten Teile bewertet. Ab fünf Teilen gibt es Belohnungen, die höchste Skulptur bekommt noch einen Bonus-Chip.
In der Eiffelturm-Stadt bauen alle gemeinsam an einem hohen Turm. Diese Idee ist nah am TURMBAU ZU BABEL, einer Zoch-Variante von 1987. Sobald ein Spieler mehr als drei heruntergefallene Teile vor sich liegen hat, endet der Turmbau von Paris. Die restlichen Spieler erhalten alle drei Fan-Chips.
Besonders gerecht geht es übrigens in der indischen Provinz Gujarat zu. In dieser Bauvariante können allerdings maximal nur vier, sonst sind es meistens sechs, Bauherren beteiligt sein. Sie werkeln mit den vier identischen Bausätzen, wobei jeweils gleiche Bauteile zu verarbeiten sind. Reizvoll ist auch die Geschwindigkeitsvariante in Indianapolis, bei der die zehn Baurunden immer dann beendet werden, wenn der vorletzte Architekt „Fertig!“ rufen konnte. Wie in Paris geht es in New York um den höchsten Turm, hier baut aber jeder an seinem eigenen Gebäude. Das Schöne an dieser Variante ist, dass unter bestimmten Bedingungen bis zu drei Teilen verbaut werden dürfen und alle bis zum Schluss dabeibleiben, auch wenn Gegenstände herunterfallen. Nashville, die zwölfte Variante, lässt sich nur mit FLICK’EM UP, dem ersten Spiel von Pretzel Games, spielen. Da kommen Cowboys und Kakteen ins Spiel, wobei das Schnipp-Element des Vorgängers nun auch eine Rolle spielt, wenn auf gegnerische Skulpturen geschossen wird.
Am Ende wird stets Bilanz gezogen, wer die meisten Chips ergattern konnte, aber darauf kommt es eigentlich gar nicht an. Entscheidend sind die Spannungsmomente beim Bau am eigenen oder gemeinsamen Turm. Wie schon beim BAUSACK kommt es zu Konstruktionen, die scheinbar gar nicht möglich sind. Da werden in extremen Höhen noch Bauaktionen vorgenommen, von denen man vor fünf Steinen schon meinte, dass gar nichts mehr geht. Das ist Spannung pur, endet meist in einem kollektiven Aufatmen, das zeigt, dass der Konkurrenzgedanke gar keine so große Rolle spielt.
Ein klasse Spiel, verpackt wie schon FLICK’EM UP in einer Holzkiste, die fantastisches Material enthält. Auf BoardGameGeek ist JUNK ART gerade völlig berechtigt gleich zweimal für die Golden Geek Awards 2016 nominiert worden. Im Bereich der Familienspiele steht es unter anderem in Konkurrenz zu ANIMALS ON BOARD, CODENAMES PICTURES und KINGDOMINO. Bei den Partyspielen darf es sich mit ICECOOL, INSIDER und LUCKY LACHS herumschlagen. Wobei die Chancen für JUNK ART im letzten Genre besonders gut stehen dürften.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: JUNK ART
Autoren: Jay Cormier und Sen-Foong Lim
Verlag: Pretzel Games / Asmodee
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 2- 6
Spielzeit: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 55 Euro
Spiel 6/2017