Dienstag, 16. Mai 2017
SLEEPING QUEENS
Der Spieletitel klingt nach einem Märchenspiel, was gar nicht so falsch ist. Märchenhaft scheint auf jeden Fall die Entstehung des Spiels. Nicht in der Spielregel, auch nicht auf der Rückseite der Verpackung oder im Pressetext, nein, eine extra Spielkarte hält den Werdegang von SLEEPING QUEENS bereit. Die kleine Miranda Everts konnte vor 14 Jahren an einem frostigen Winterabend nicht einschlafen. Im Köpfchen der Sechsjährigen spukte eine Spielidee herum, die sie am nächsten Morgen der älteren Schwester Madelaine und ihren Eltern Denise und Max begeistert erzählte. Da spielten Königinnen eine Rolle, die alle schliefen und aufgeweckt werden wollten. Anfangs waren es nur vier, aber unter Zuarbeit der ganzen Familie bekamen Rosen- und Eierkuchenkönigin viele Geschwister und rundherum ein tolles Spiel. 2005, zwei Jahre später, konnte die ganze Familie stolz auf ihr erstes (und bisher einziges) veröffentlichtes Spiel blicken: SLEEPING QUEENS erschien bei Gamewright. Miranda ist inzwischen zwanzig Jahre alt und verdient durch viele Neuauflagen und eine große internationale Verbreitung immer noch an ihrer Traumidee aus einer kalten Märznacht im Örtchen Milford in New Jersey.
Zwölf Königinnen schlafen am Anfang des Spiels tief und fest und warten auf ihre Könige. Sind alle wach, ist das Spiel vorbei. Allerdings können die Kinder je nach Spielerzahl die Runde vorher beenden, wenn sie vier oder fünf Königinnen aufwecken oder eine bestimmte Punktzahl erreichen. Die Karten der Königinnen besitzen für die zweite Siegbedingung Werte von fünf bis zwanzig Punkten. SLEEPING QUEENS ist ein rein kartengesteuertes Spiel, bei dem Spezialkarten eine wesentliche Rolle und Zahlenkarten eine retardierende spielen.
Mit fünf Handkarten starten zwei bis fünf Kinder, um die schlafenden Königinnen aufzuwecken. Alle hoffen, dass darunter Königskarten sind, denn jeder Monarch küsst eine Königin wach, die in die eigene Auslage kommt. Leider ist sie dort nicht sicher, denn umherziehende Ritter entführen gern muntere Hoheiten. Nur wer Drachenkarten besitzt, kann sich dagegen wehren. Ist die eine Gefahr abgewehrt, droht schon die nächste. Ein Schlaftrunk bringt die gerade noch quicklebendige Königin zurück in den Schlafsaal. Da braucht man dann schon einen Magier mit Zauberstab, um diesen perfiden Angriff zu kontern. Wie in jedem guten sortierten Königreich albern auch in diesem Narren herum. Die bescheren einen weiteren Spielzug oder bestimmen mit Hilfe einer Zahlenkarte einen beliebigen Spieler, der eine Königin wecken darf.
Wer keine Spezialkarte spielt, ist auf seine Zahlenkarten angewiesen, die immerhin 60 Prozent des Kartenvorrats ausmachen. Von ihnen können die Kinder eine bis fünf Karten ausspielen, das sind entweder Einzelkarten, Kartenpaare oder Zusammenstellungen von Karten, die auf Additionen beruhen. Wer eine „10“ besitzt, kann addiert zum Beispiel die Kartenwerte 1,2,3,4 dazulegen. Im Grunde genommen versuchen alle, schnell ihre Zahlen loszuwerden, um wieder Spezialkarten in den Einsatz zu schicken. Sollte Miranda tatsächlich das Spiel erfunden haben, dann hat sie wohl damals viel Spaß an kleinen Rechenoperationen gehabt. Eine besonders pfiffige Idee, weil sich keiner über schlechte Karten ärgert, sondern sofort mit dem Kombinationsdenken beginnt, um möglichst viele Karten loszuwerden.
Die Rechenelemente verweisen das Einstiegsalter von SLEEPING QUEENS in den Grundschulbereich. Die Gamewright-Ausgabe hätte die Erfinderin zum Zeitpunkt des Entstehens eigentlich gar nicht spielen dürfen, denn die Amerikaner empfahlen das Spiel ab acht Jahren. Die nun vorliegende deutsche Fassung von Game Factory senkt das Alter um ein Jahr. Ich habe mit Sechsjährigen keine Probleme erlebt. Trotz vieler Königinnen und der Kuss-Thematik erweist sich Mirandas Idee nicht als reines Mädchenspiel. Auch Jungen gewinnen dem Thema eine Menge ab und das nicht nur, weil Ritter und Drachen drin vorkommen. Zum Reiz trägt die zauberhafte Kartengrafik bei, die sich über die Dutzend Veröffentlichungsjahre hinweg nicht geändert hat. Der von Tim Burton beeinflusste Jimmy Pickering zeichnet zum Glück 2017 immer noch verantwortlich für die Gestaltung.
Das Vergnügen am Spieltisch mit den sich küssenden Königspärchen ist stets groß. Da es ein Kartenspiel ist, müssen alle natürlich mit Glücksanteilen leben. Mit Blick auf die Kartenhand ist das gar nicht so tragisch, das relativiert sich durch die Rechenmöglichkeiten. Anders sieht das beim Aufdecken der Königinnen aus. Wer Karten mit fünfzehn und zwanzig Punkten findet, ist eventuell schneller fertig als andere, die im fünf oder zehn Punktebereich steckenbleiben. Unzufrieden bin ich mit der Regulierung von Sonderfällen, wie der seltenen Situation, dass ein Beteiligter fünf Reaktionskarten wie Drachen und Zauberstab auf der Hand hat. Im Grunde genommen, kann er, wenn er nicht angegriffen würde, über mehrere Runden hinweg nichts machen. In diesem Fall sollte es möglich sein, dass die Kinder wie bei den Zahlenkarten eine abwerfen dürfen. Die kritischen Anmerkungen bleiben letztlich marginal. SLEEPING QUEENS ist ein thematisch wundervoll umgesetztes Kartenspiel für Kinder, das der einst jungen Autorin mindestens die nächsten Studienjahre finanzieren wird.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: SLEEPING QUEENS
Autoren: Miranda Everts und ihre Familie
Verlag: Game Factory
Alter: ab 7 Jahren
Spielerzahl: 2 - 5 Spieler
Spielzeit: ca. 15 - 20 Min.
Preis: ca. 13 Euro
Spiel 38/2017
Kommentare
Ansicht der Kommentare:
(Linear | Verschachtelt)
Die Kommentarfunktion wurde vom Besitzer dieses Blogs in diesem Eintrag deaktiviert.
Es sind nicht die üblichen Verdächtigen, die es gleich zweimal auf die Liste der besten Kinderspiele des Jahres 2017 geschafft haben, nicht Haba, nicht Kosmos, nicht Drei Magier, nein, ein kleiner Schweizer Verlag, die Game Factory aus dem Hause Carletto,
Aufgenommen: Mai 30, 09:09