Die Perlen versteckt Kosmos mit seinem Herbstprogramm in den ganz kleinen Schachteln.
DIE CREW ist grandios, aber fast ebenso pfiffig und besonders ist PALM ISLAND, ein Solospiel von Jan Mietling über eine „Insel to go“, wie der Untertitel verrät. Alles ist doppeldeutig in diesem Spiel. Thematisch geht es um den Aufbau eines kleinen Dorfes auf einer Palmeninsel. Spielmechanisch läuft alles in unserer Hand ab, der Begriff „palm“ steht dabei für die Handfläche. Wir kennen diesen Begriff auch von Kartentricks. Wer ein guter Zauberer ist, der palmiert Karten, er lässt sie in seiner Hand verschwinden.
So ein bisschen Zauberei steckt auch in der Verbesserung des Kartendecks von PALM ISLAND. Da werden Karten über acht Spielrunden wie altmodische Fahrzeugblinker aus- und eingeklappt und sorgen so für den Bau und die Aufwertung von Wohnhütten und Tempelanlagen.
16 Spielkarten und ein Rundenzähler stellen das Kartendeck am Anfang dar. Prioritär versteht Mietling dabei seine Idee als Solospiel, das wirklich „to go“ und damit überall gespielt werden kann, im Bus, in der Bahn, in der großen Pause oder auch unter der Schulbank. Der doppelseitige und jeweils geteilte Aufbau der Spielkarten lassen eine aufbauende Verwendung zu. Die Karten besitzen alle eine Anfangsausrichtung, werden gemischt und stehen dann in der Handfläche zur Verfügung. Benutzt werden können stets die beiden obersten Karten, die dritte darf man sich ansehen. Nutzung bedeutet, Karten dürfen um 180 Grad gewendet oder auf die Rückseite gedreht werden, das kostet Ressourcen wie Fische, Holz oder Stein. Eben diese Rohstoffe müssen vorher im eigenen Lager sein, indem man sie um 90 Grad nach außen geklappt hat. Maximal vier Rohstoff-Karten darf der Spieler in seinem Lager bereitstellen.
So rotieren die Karten im Stapel stets von vorn nach hinten, bis die Rundenkarte auftaucht, die, ebenfalls gedreht, als aktuelle Rundenanzeige dient. Alle Aktivitäten dienen der Aufwertung der Insel, wobei das Drehen und Wenden vor allem bei den jeweils zwei Wohnhütten und Tempeln Siegpunkte bringt. Die Kosten für die Schlussaufwertung der Tempel auf ein feuerbeschienenes Prachtgebäude von zehn Siegpunkten kostet aber jeweils drei Holz- und Fisch-Ressourcen und sogar vier Steine. Das macht deutlich, dass man zusätzlich die neun Rohstoff-Karten aufwerten und außerdem Hilfskarten wie den Werkzeugmacher, den Markt und den Handelsposten mit einbeziehen muss.
Nach acht Runden wird die aktive Kartenhand bilanziert und bringt Wertungen wie „respektabel“, die sich durchaus auch schon in ersten Runden erreichen lassen. Für Punktwerte über 30 benötigt man schon zwei oder drei Partien, aber auch „überragende“ Leistungen mit 40 Punkten und mehr sind nicht illusorisch. Durch gute Ergebnisse lassen sich Errungenschaftskarten freischalten, die das Spiel variieren. Kooperativ ist durch einen zweiten Kartensatz auch das Bekämpfen von Katastrophen möglich, seine eigentliche Stärke besitzt aber PALM ISLAND als Solospiel.
Dem Zauber von PALM ISLAND kann ich mich nicht entziehen. Anfangs ist zwar das Ein- und Ausklappen und Drehen und Wenden der Karten etwas gewöhnungsbedürftig, aber die Probleme legen sich schnell. Obwohl das Grunddeck nur aus 16 Karten besteht, ergibt die immer wieder neue Reihenfolge der Inselkarten jeweils andere Anforderungen an den Spielablauf. Der Spielregel-Tipp, sich vor dem Spiel die Positionen der Karten anzusehen, sollte deshalb ernst genommen werden. Die letzte Tempelaufwertung hinzubekommen, erfordert schon kartenlogistische Meisterleistungen. Manchmal möchte man dann zaubern können, um passend einen Handelsposten mit drei Steinen aus der Handfläche hervorzuholen. Die Optimierungsaufgaben auf der Palmeninsel besitzen jedenfalls Suchtcharakter. Ein Solospiel, das dieses Genre aus dem Randbereich in die Hände ganz vieler Spieler bringen könnte.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: PALM ISLAND
Autor: Jan Mietling
Grafik/Design: Jon Mietling, Mirko Akikra Suzuki
Verlag: Kosmos
Alter: ab 10 Jahren
Spielerzahl: 1 - 2
Spielzeit: ca. 15 Minuten
Preis: ca. 8 Euro
Spiel 75/2019