Donnerstag, 23. Juli 2020
STERNEFOIFI
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Der Griff nach den Sternen
Der Griff nach den Sternen - ein Traum der Menschheit. Spielerisch schon vielfach umgesetzt: Fantastisch in der schon legendären ORION-Spielesammlung von Parker, brandaktuell und umfassend in dem hier rezensierten Spiel STERNEFÖIFI der Schweizer Spielwerkstatt Murmel.
Ähnlich umfangreich angelegt wie ORION, aber vielfältiger in den Spielformen, erhält man von den Machern der Murmel ein prall gefülltes Spielepaket, bei dem die Esoterik zum Glück nur im dicken Begleitheft durchschimmert ("Sternbildmythen - Sterne beobachten"). Das Spiel genügt sogar wissenschaftlichen Ansprüchen, wer wirklich etwas über den Nachthimmel über uns erfahren möchte, ist mit der Spielesammlung aus der Schweiz bestens bedient.
STERNEFÖIFI enthält acht ganz verschiedene Spiele, die alle um das Thema Sternenhimmel kreisen. Aus 12 großen tiefblauen Puzzleteilen muss man erst einmal das Spielfeld zusammensetzen, ein kleines Spiel vor dem Spiel, da die Teile beidseitig bedruckt sind. Auf der einen Seite entsteht der Winterhimmel, so wie er über der Schweiz Anfang Februar zu sehen ist, die Rückseite zeigt den Sommerhimmel ein halbes Jahr später. Die Sterne sind drei Helligkeitsstufen zugeordnet. Für die im Spiel wichtigen Sterne sind runde Vertiefungen auf dem Spielplan angebracht. In diese können dann entsprechende Sternplättchen gelegt werden, über 250 sind in dem Spiel, außerdem gibt es für die verschiedenen Spielvarianten dünnere Satellitenplättchen, 15 große Wolkenformen, Transparente zum Nachlegen der Sternbilder, 100 Sternbilderkarten und einen Spezialwürfel. Wenn man alles zusammennimmt: ein Planetarium en miniature.
Vier von den acht Spielvarianten werde ich im Folgenden vorstellen:
Sterne würfeln
Das erste recht einfache Spiel dient eher der Eingewöhnung. Jeder der 3 bis 9 Spieler erhält zwei bzw. drei Sternbildkarten. Das Transparentpapier wird über den Spielplan gelegt, so dass jeder die Lage seiner Sternbilder schneller finden kann. Danach wird gewürfelt und Sternplättchen werden abgelegt. Als Störfaktor können fünf Wolken Teile des Himmels abdecken. Wer als erster zwei Sternbildkarten ablegen konnte, ist Spielsieger. Der Reiz liegt am Anfang im genauen Beobachten. Wenn aus der Vielfalt der Sterne Sternbilder auch ohne Hilfsmittel (Transparent) erkannt werden können, dann hat man sein erstes Aha-Erlebnis mit diesem Spiel. Der Spielwert ist nicht hoch anzusetzen, zumal die Sternverteilung auf den Karten notwendigerweise sehr unterschiedlich ist. Wer die Fische erwischt, braucht zum Beispiel nur drei einfach zu erwürfelnde schwache Sterne. Wer den Großen Wagen hat, muss gleich 18 Sterne (12 kleine, 6 mittlere) würfeln.
Deck mich auf
Ohne die Vorübung des ersten Spiels ist die Variante "Deck mich auf" sehr schwierig. Alle Sternvertiefungen werden mit Sternplättchen zufällig abgedeckt, nur die blaue Plättchenrückseite ist zu sehen. So können schwache Sterne auf mittleren zu liegen kommen, helle auf schwachen usw. In der Anfangsphase des Spiels geht es darum, die Plättchen auf die richtigen Positionen zu bekommen. Immer zwei werden aufgedeckt, stimmen sie mit dem Stern auf dem Spielplan überein, dürfen sie offen liegenbleiben, kommen die beiden durch Austausch richtig zu liegen, dann darf getauscht werden. Im Laufe des Spiels erstrahlt der Nachthimmel und man muss sich um entstehende Sternbilder kümmern. Wer ein Sternbild vollendet, darf die entsprechende Sternbildkarte nehmen. Wer feststellt, dass Sternbilder übersehen wurden, erhält auch die Karten. Sieger ist natürlich der mit der besten Beobachtungsgabe. Als Gedächtnisstütze gibt es zwar kleine Himmelskarten, es ist aber trotzdem ein recht schwieriges Spiel, das freilich exzellent die Beobachtung schult.
Wer entdeckt den Satelliten
Eine der für mich reizvollsten Beobachtungsvarianten ist das Satellitenspiel. Gespielt wird es am besten im Halbdunkel, ohne direktes Licht. Alle Sterne liegen offen auf dem Spielfeld in ihren Vertiefungen. Satelittenplättchen, die etwas dünner als Sternplättchen sind, aber auf dem Spielplan ebenso hoch erscheinen wie die Sterne in ihren Vertiefungen, spielen hier eine besondere Rolle. Ein Spieler steuert einen Satelliten. Während die anderen wegschauen, legt er ein dünnes Plättchen mindestens zwei Handbreit vom Rand entfernt auf den Spielplan, dann zählt er langsam bis 10, bleibt sein Satellit unentdeckt, müssen alle wieder wegsehen und der Satellit läuft auf gerader Bahn Richtung Rand, jeweils zwei Fingerbreit darf er sich bewegen. Wer den Trabanten entdeckt, erhält das Plättchen und darf einen neuen losschicken. Während des Spiels darf jeder ein Plättchen als Nova auf dem Plan unterbringen. Die Entdeckung eines solchen neuen Sterns bringt zusätzlich zwei Plättchen. Gespielt wird je nach Vereinbarung, bis einer fünf oder zehn Satellitenplättchen erworben hat. Ein Spiel, das viel Spielspaß bringt, bei dem aber Schummeln, sprich Blinzeln, alles verderben kann.
Astro-Logik
Beim letzten Spiel handelt es sich um die schwierigste und anspruchsvollste Variante: Das Strategiespiel der Sammlung für 2,3,4 oder 6 Personen. Entscheidendes Spielobjekt ist ein kleiner Schieber, auf dem immer drei Sterne platziert sein müssen. Im Normalfall gilt es, alle Sternplättchen, die auf der Schiene liegen, in ein Sternbild zu legen. Nur wenn der erste oder zweite Stern ein Sternbild vollendet, darf in ein anderes Sternbild abgelegt werden. Die Sternplättchen auf der Schiene stellen also stets die Vorgabe dar, an der man sich orientieren muss. Die Plättchen werden dabei nicht direkt von der Schiene genommen, sondern aus dem Reservoir. Zusätzlich bringt jeder einen beliebigen Stern auf das Spielfeld, mit dem aber kein Sternbild vollendet werden darf. Dieser wird danach an die dritte Position auf der Schiene geschoben, das vordere Plättchen fällt heraus, so dass sich die Vorgabe für den folgenden Spieler entsprechend ändert. Spielziel ist es, möglichst viele Sternbilder zu vollenden. Da das Ende erst eintritt, wenn alle Sterne belegt sind, dauert dieses Spiel mit mindestens 90 Minuten auch relativ lange. Hier empfiehlt es sich zur Verkürzung am Anfang schon etwa 50 Sterne beliebig auszulegen, ohne natürlich Sternbilder zu legen, das erhöht gleich zu Beginn den taktischen Reiz des Spiels und verkürzt die Spieldauer auf etwa eine Stunde.
Ein intensives Eintauchen in das Himmelsgeschehen ist mit STERNEFÖIFI vorzüglich möglich. Die unterschiedlichen Spielangebote sprechen die ganze Familie an. Gerade die Erfahrungen mit Kindern zeigen, dass die Brettspielerlebnisse vorzüglich in die Realität umgesetzt werden können. Nachtspaziergänge, bei denen nicht nur der Große Wagen und der Polarstern entdeckt werden, sind dann in Zukunft keine Seltenheit mehr.
Titel: STERNEFOIFI
Autor: Andreas Rudin
Verlag: Murmel Spielewerkstatt
Spielerzahl:2-10
Altere: ab 8
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 39.00 DM
(Wieland Herold)
Die Rezension erschien 1994
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 5/1994 R 83/2020
Zum Verlag:
Die Schweiz war in den 80er Jahren Hort genossenschaftlich organisierter kleiner Spieleverlage. Vor ein paar Tagen habe ich Fata Morgana vorgestellt, ähnlich entstand in Volkestwil in der Nähe von Zürich die Murmel Spielwerkstatt, die 1983 gegründet wurde, um das Spiel BUUREJAHR herauszubringen. Über 20 eigene Spiele entwickelte der Verlag, hatte zusätzlich aber auch viele deutschen Verlage im Vertriebsprogramm.
In Deutschland wären sie mit ihrem ökologischen Bewusstsein wahrscheinlich zum Partnerverlag der Grünen geworden. So ging es in ihrem ersten Spiel BUUREJAHR darum, das rechte Maß zwischen existenzsicherndem Eigeninteresse und Zusammenarbeit für das Überleben aller zu finden. Die meisten Spiele hat das Gründungsmitglied Andreas Rudin erfunden. Richtig erfolgreich war allerdings RUMIS, ein Spiel von Stefan Kögl, das 2003 auf der Auswahlliste Spiel des Jahres landete und später an Sekkoia verkauft wurde, die es unter dem Titels BLOKUS 3D vermarkteten.
2013 hat die Stiftung Brändi die Verlagsgeschäfte übernommen.
Die Bilder sind vom Verlagsstand der Murmel in Essen 1994. Im unteren Bild ist Andreas Rudin zu sehen.
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