
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
CORONA wandert in den ORBIT
Der in Venedig lebende Amerikaner Alex Randolph ist bekannt als Autor von Klassikern wie SAGALAND und TWIXT. Schon vor über 20 Jahren veröffentlichte er Spiele in Deutschland, so das Denkspiel CORONA, das einst in der Casino-Reihe bei Ravensburger erschien.
Der Stuttgarter Verlag Franckh Kosmos widmet ganz aktuell der CORONA-Idee eine ganze Spielesammlung mit der alten Idee von 1974, einer leicht abgespeckten Aufgabe, die als HARUN 1984 in der Edition Perlhuhn erschien, und der Neubearbeitung ORBIT, die zum Namensgeber der Kosmos-Ausgabe wird.
Randolph charakterisiert alle drei Spiele so: „In diesen drei Spielen scheint alles durch den so genannten ‚Zufall‘ bestimmt zu sein; doch spielt ‚Glück‘ überhaupt keine Rolle. In jeder Runde geben Würfel (also das Schicksal) eine Ausgangssituation vor. Danach ist es jedem Spieler überlassen, damit etwas anzufangen – oder es auch bleiben zu lassen.“
Daraus ergeben sich in jeder Spielvariante anspruchsvolle Denkaufgaben. Im ORBIT schweben sechs Planeten, denen farbige Würfel zugeordnet sind. Wer den passenden Himmelskörper in Besitz nimmt und mit dessen Bewegung auf zwei andere Planeten trifft, gewinnt Chips aus einem Prämientopf.
Deutlich anspruchsvoller ist HARUN, bei dem mit sieben Spielsteinen auf einer Umlaufbahn mit 12 Feldern gespielt wird. Hier müssen schwarze Würfel erst Trägersteinen zugeordnet werden, damit sie danach auf Fixsterne treffen. Ein Bietverfahren regelt die Ausführung der Züge.
Ähnlich verläuft CORONA. Die gedankliche Aufgabe ist aber noch komplexer, da die Würfel so angeordnet werden müssen, dass sich möglichst viele Steine auf einem Feld treffen. Die Zugrichtung ist nicht mehr in beiden Richtungen zulässig, sondern nur noch im Uhrzeigersinn.
ORBIT, CORONA & Co. sind Hirnverzwirbler der Extraklasse. Für die einen ist das Vergnügen pur, für andere extreme Anstrengung. Kosmos hat das Ganze passend zum Verlagsnamen in sphärische Welten verlegt, die schon immer Ziel menschlichen Forschergeistes waren.
Titel: ORBIT
Autor: Alex Randolph
Verlag: Franckh Kosmos
Spielerzahl: 1-10
Altere: ab 12
Spieldauer: ca. 45 Minuten
Preis: ca. 59.00 DM
(Wieland Herold)
Die Rezension erschien 1993
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 7/1993 R 85/2020

Zum Autor:
Alex Randolph war der Kosmopolit unter den Spieleautoren. 1922 in Böhmen geboren. Seine Mutter stammte aus Colorado, sein Vater war Russe. Schon als Kind lebte er mehrere Jahre in Venedig, bevor er als Zehnjähriger in ein Schweizer Internat geschickt wurde. Ein Jahr vor dem Zweiten Weltkrieg ging die Familie zurück in die USA. Während des Krieges arbeitete er am Entschlüsseln feindlicher Codes.
Nach dem Krieg lebte er als Werbetexter und Romancier in Boston, bevor er 1961 mit Pentomino-Steinen sein erstes Spiel veröffentlichte. Randolph siedelte dann nach Wien um, spielte dort im Café Hawelka TWIXT mit Herbert Feuerstein, das bald als 3M-Spiel in einer edlen Buchschuberausgabe erschien und ihm einen mehrjährigen Aufenthalt in Japan finanzierte. Mitte der 70er Jahre fand der Spieleautor nach Venedig zurück, wo er 2004 starb.
Anfangs entwickelte er, inspiriert durch die Japanreise, hauptsächlich taktische Spiele für zwei, wie EVADE, BUFFALO und GEISTER. In den 80er Jahren erfand er erfolgreich viele Familienspiele wie SAGALAND, „Spiel des Jahres“ 1981, das er zusammen mit seinem engen Freund Michael Matschoss entwickelte. Es blieb zwar sein einziges „Spiel des Jahres“, für GUTE FREUNDE (1989) gewann er den ersten Sonderpreis „Kinderspiel“, was er mit LEINEN LOS! 1997 noch einmal wiederholte. INKOGNITO (1988) und VENICE CONNECTION (1996) bescherten ihm den Sonderpreis „Schönes Spiel“.
In den 90er Jahren arbeitete Randolph eng mit Johann Rüttinger zusammen, der auch XE CIAO CIAO … in sein Programm nahm. Posthum veröffentlichten Rüttinger und Kathi Kappler 2012 das lesenswerte Buch Randolphs „Die Sonnenseite. Fragmente aus dem Leben eines Spieleerfinders“.
In seinem 68. Lebensjahr wird der Philosoph unter den Spieleautoren mit dem Göttinger SPATZ ausgezeichnet, außerdem erhält er 1992 einen Sonderpreis für sein Lebenswerk beim Deutschen Spielepreis. Randolph gilt neben Sid Sackson als einer der ersten Spieleautoren, der seine Leidenschaft zum Beruf gemacht hat. Er hat schon in den 70er Jahren dafür gesorgt, dass Autorennamen auf den Schachteln auftauchten.
Das Bild zeigt Randolph diesmal 1995 auf dem Autorentreffen in Göttingen zusammen mit der Ravensburger Redakteurin Charlotte Huber, sie spielen einen Nachfolger des alten Klassikers CORONA, der einst 1974 bei Ravensburger erschienen ist.
