Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
WESTWÄRTS
Es geht nichts über die liebevolle Spielegestaltung eines Kleinverlags. Ich mag diese Spiele, die das Flair des Prototypens bewahren, Atmosphäre ausstrahlen, zu denen auch kleine Unebenheiten gehören, da Hand- und Klebearbeit gespürt und gerochen werden kann. Ein solches Spiel ist WESTWÄRTS von Marion und Andreas Dettelbach aus Stuttgart, die grafisch geschickt, mit spielerischem Gespür und wahrscheinlich in unendlich vielen Stunden Heimarbeit ihr Spiel in Kleinauflage produziert haben.
WESTWÄRTS ist ein Treckspiel im Wilden Westen, in dem Mc Trucker einen Nachfolger sucht, der, wie er es jahrelang gemacht hat, die Siedlertrecks sicher durch Weideland, Wüsten- und Berggebiete, vor allem aber auch durchs Indianerland bringen kann. Dafür muss man einen Treck mit zwanzig Wagen richtig organisieren können, was sich im Laufe des Spiels als ganz schön schwierig erweist.
Zwei bis sechs Spieler machen sich an die Treckorganisation. Zwanzig Wagenkarten mit vielen Siedlern und Goldgräbern und Sonderkarten mit einem Scout, Lehrer, Koch und Totengräber sind mit im Treck. Dreißig Auftragskarten wollen erledigt werden. Vier der Aufträge liegen auf einer Angebotstafel offen bereit, ein, zwei oder drei Goldnuggets gibt es für die Auftragserfüllung. Die Treckbewegung wird über Spielkarten gesteuert, von denen jeder Spieler drei auf der Hand hält.
Der Spielablauf ist recht simpel, die Erfüllung der Aufträge allerdings nicht immer. Mit den Spielkarten bringt man den Treck auf Trab. Einfach ist die Treckumorganisation bei Aufträgen, bei denen zum Beispiel der Koch nicht im Weideland sein darf. Meist lässt sich eine solche Anweisung schon mit einfachen Bewegungskarten erfüllen, in denen ein beliebiger Wagen drei Felder vorziehen darf. Hat man die "Koch-Karte", der seinen Platz mit irgendeinem Wagen tauschen darf, auf der Hand, wird die Angelegenheit ganz einfach. Schwieriger sind Auftragskarten, die mehrere Bedingungen stellen. Da soll zum Beispiel ein Landgebiet mit zwei Goldgräbern, ein anderes mit drei Siedlern ausgestattet sein, oder der Lehrer soll sich zwischen einem Siedler und einem Goldgräber aufhalten. Da wird es knifflig und reizvoll.
WESTWÄRTS ist ein vielseitiges Spiel! Spielreiz auf der einen Seite, aber auch der eingangs beschriebene optische und haptische Genuss an der Kleinstauflage, Spielkärtchen, die auf Korkplatten aufgezogen sind und "echte" kleine Goldnuggets, 71 an der Zahl: Das hat was!
(Wieland Herold)
Spieletelegramm:
Titel: Westwärts
Verlag: Spielteufel; Eisenhutweg 4, 70374 Stuttgart
Autor: Marion und Andreas Dettelbach
Spielerzahl: 2-6
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: 60 bis 90 Minuten
Preis: 50.- DM
Die Rezension erschien 1995 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 8/1995 R 92/2020
Zum Spiel, Verlag und zu den Autoren:
Andreas und Marion Dettelbach haben den Kleinstverlag Spielteufel 1995 gegründet, um ihre Spiele in liebevoller Handarbeit gefertigt, an die Frau oder an den Mann zu bringen. Fast in einem regelmäßigen Rhythmus von fünf Jahren zwischen 1995 und 2011 brachten sie meist jeweils zwei Spiele heraus.
Sie starteten 1995 mit dem hier beschriebenen WESTWÄRTS, hinzu kam FETTE KÜHE. 1999/2000 folgten SCHWIMMER IN DER WÜSTE und WELT DER WINDE. 2005 kamen ABUSIR und mit AGGERSBORG, das einzige Spiel eines Gastautors (Uwe Fischle). In einer letzten Phase zwischen 2009 und 2011 erschienen noch 1314 A.D., DAS GEHEIMNIS VON TRELLEBORG und DIE TRÄNEN DER GÖTTER.
Bei einem anderen Verlag erschien nur ein einziges Spiel der Dettelbachs, 1999 das Ablegespiel PULS bei Adlung.
Aus der Anfangszeit des Verlags stammt das Foto, es zeigt Andreas Dettelbach auf dem Autorentreffen 1996 in Göttingen.