
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
NEUES AUS KLEINMACHNOW 2. Teil
Der Balanceakt zwischen schönem Spielobjekt und hohem Spielwert gelingt beim zweiten Spiel aus Kleinmachnow. Mit TRIBALANCE stellt Michael Sohre ein taktisches Waagespiel für zwei oder drei Personen vor, das einen Spitzenplatz in dieser Spielart verdient. Das Konkurrenzprodukt dieses Jahres von Ravensburger, die BÄRENWAAGE, ist produktionstechnisch ein totaler Flop, da die kleinen Bären ständig aus ihren Waagepositionen kippen. Auch das kleine Mitbringspiel BALANCE von Heinz Meister kommt nicht an TRIBALANCE heran. Von älteren Spielen wie WAAGEMUT (Parker und Schmidt) und KIPPLING (Ravensburger), entspricht das Ravensburger Spiel Frank Thibaults noch am ehesten der spielerischen Qualität des neuen Produktes aus dem Hause Theta Promotion.
TRIBALANCE wird in einer dreieckigen Schachtel angeboten mit einem dreieckigen schwarzen Holzspielbrett und einem Holzrahmen. Vor jedem Spiel muss das Brett auf einer Kugel parallel zum Rahmen ausbalanciert werden. Das ist anfangs eine ganz schöne Fummelei, so ganz hundertprozentig stimmt es nie, aber das ist für den Spielablauf auch gut so.
Jeder der zwei oder drei Spieler erhält einen Satz gleichfarbiger Spielsteine in fünf unterschiedlichen Größen. Die Ringmarkierungen der Spielsteine kennzeichnen das jeweilige Gewicht von 1 bis 5 Gewichtseinheiten. Abwechselnd muss nun jeder Spieler versuchen, seine Steine auf möglichst optimale Spielfelder zu setzen. Das Spielbrett besitzt 27 Felder, denen ebenfalls Wertungspunkte von 1 bis 5 zugeordnet sind. In den drei Ecken, wo der Ausschlag des Brettes am größten ist, gibt es fünf Punkte, zur Mitte hin werden es immer weniger. Das Gewicht des Steines mit dem Wert des Feldes multipliziert, ergibt die Punktzahl für einen gesetzten Stein. Bei einem gültigen Spielzug muss die Waage noch in der Luft sein, darf also nicht auf dem Rahmenrand liegen. Theoretisch sind dadurch für den 5er-Stein 25 Punkte möglich, die Waage reagiert aber so sensibel, dass eine solche Konstellation unmöglich ist, zumal der Gegner eine solche Vorlage auch nicht machen würde.
Meistens ist man schon mit 15 Punkten für den großen Stein ganz gut bedient. Ist ein Spielzug ungültig, liegt das Spielbrett also auf dem Rahmen, erhält der Spieler seinen Stein zurück und der nächste ist an der Reihe. Wenn keiner mehr setzen kann, endet das Spiel. Es kann durchaus passieren, dass man nicht alle seine Steine in einer Runde platzieren kann. Genauso ist es möglich, dass einer der Spieler, der nie oder selten einen Stein zurücknehmen musste, frühzeitig fertig ist, während die anderen Spieler munter weitersetzen können, bis nichts mehr geht.
Mit TRIBALANCE hat Theta Promotion einen ähnlichen Volltreffer wie mit PUSHER gelandet. Auf den ersten Eindruck wirkt das Spiel kalkulierbar. Exakte Berechnungen sind aber zum Glück nicht möglich, das Spiel würde sonst schnell langweilig werden. Diese dreiseitige Waage hat es in sich, manchmal verkraftet sie noch einen 4er-Stein auf einem 4er-Feld, manchmal scheitert man mit dem 5er auf einem sicher geglaubten 2er Feld. Auch die Spieltaktik kommt nicht zu kurz, der Wertungsmechanismus erweist sich als dynamisches Element. Strittig ist oft nur, ob ein Spielzug nun gültig war oder nicht. Wir haben in unseren Spielrunden den "Spielregeltest" eingeführt: Lässt sich eine Seite der Spielregel noch problemlos unter das Spielbrett schieben, dann gilt der Zug. Unstrittig war bisher bei allen Spielern das Schlussurteil: Ein tolles Spiel, das zu vielen Spielrunden einlädt.
(Wieland Herold)
Spieletelegramm:
Titel: TRIBALANCE
Verlag: Theta
Autor: Michael Sohre
Spielerzahl: 2-3
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: ca. 15 Minuten
Preis: 90.- DM
Die Rezension erschien 1995 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 9/1995 R 93/2020

Zu den Autoren:
Michael Sohre war neben Wolfgang Großkopf der erste Spieleautor aus der DDR, der im Westen präsent war. Sohre war zu DDR-Zeiten Produktionsleiter für die Defa, aber auch schon vor 1989 interessierte sich der ausgebildete Werkzeugmacher für die Spielzeugentwicklung und entwarf Baukastensysteme.
1993 gründete er mit dem Bonner Werner Falkhof, der gerade mit PUSHER reüssierte (Auswahlliste 1993) den Theta Verlag, der 1995 für Sohres TRI-BA-LANCE mit dem Sonderpreis Schönes Spiel ausgezeichnet wurde und in Frankreich den „Super As D’Or“ erhielt. Folgeprodukte wie HEADQUARTER und HANDICAP waren weitere herausragende Spiele.
Die Designobjekte von Theta setzten sich leider nie so richtig durch. Zwischenzeitlich übernahm sie ASS, dann stellte die Firma aber ihre Produktion ein.
Seit der Jahrtausendwende experimentierten beide in Kleinmachnow mit einem Material, das zu neuer ästhetischer Qualität im Brettspielbereich führen sollte. Sohre wandte sich vom Holz ab und begab sich auf die Suche nach Möglichkeiten, Kunststoffe zu ersetzen. Ihr Ergebnis nannten sie „THETA-Stone“. Ihr Geheimrezept lässt wie Steinholz eine sehr kurze kalte Aushärtung von nur zwei Stunden zu. Abgeformt wurde in kostengünstige Kautschukformen, Figuren, Objekte einzeln, Spielsteine in Platten, die mit Wasserstrahltechnik exakt geschnitten werden. Die Nachbearbeitung fand wie bei Holzfiguren in Schleiftrommeln statt. In Spielen wie LETTER STONE und einer Neuauflage von MINOTAURUS zeigten sie die Qualitäten des Stoffes.
2011 verstarb Sohre leider viel zu früh mit 62 Jahren, drei Tage vor seiner liebsten Spielemesse in Essen.
Das untere Bild zeigt Michael Sohre in Essen 1995 mit TRIBALANCE im Hintergrund, die obere Aufnahme stammt von der Spiel in Essen 1994.
