Donnerstag, 3. September 2020
ZÜNDSTOFF
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Gesprächsstoff lieferte Michael Kiesling aus Weyhe bei Bremen auf der, was größere Spiele angeht, neuheitenarmen SPIEL '95 genug. Ein Newcomer, der seine Spiele an einem recht großen Stand wie ein Etablierter präsentierte. Dass die ganz großen Verlage Freiräume für kleinere lassen, hat sich wohl auch bis Bremen herumgesprochen, so dass Kieslings mutige Devise: Nicht kleckern, klotzen! manches Erstaunen hervorrief.
Dabei ist Kiesling mit seinem neu gegründeten 1X1 Spiele - Verlag durchaus professionell an das Abenteuer Spielewelt herangetreten. Seine Marktanalyse hat die oben erwähnten Defizite bei den Branchenriesen ergeben. Er hat den Einstiegserfolg von Goldsieber mit verfolgt und, was sicherlich nicht das Unwichtigste war, er hatte drei gute eigene Spiele in der Hinterhand. Zwei Spiele davon hat er in Essen vorgestellt, beide mit gewöhnungsbedürftigem Regelwerk, aber guten Spielideen, beide professionell gemacht.
Mit dem Großen von den beiden, ZÜNDSTOFF, werde ich mich hier weiter beschäftigen. Es kommt vielversprechend daher, verpackt wie die Highlights von F.X. Schmid, peppige Grafik, auch der Inhalt geht in Ordnung. 15 runde Planetenscheiben, eine Sonnenscheibe, die auf einem 4x4 Raster einen immer wieder veränderbaren Spielplan ergeben, dazu je ein Satz Spielkarten für zwei bis fünf Spieler, kleine Sonnenbrillenchips und Plastikpöppel als Spielfiguren. Bis auf die Pöppel, die ich ein für allemal aus guten Spielen verbannt wähnte, ist das Spielmaterial in Ordnung.
Die Spielgeschichte vergessen Sie am besten schnell wieder, das Spiel lebt von seiner Mechanik, weniger von seiner Hintergundgeschichte: Bei einem Wettlaufspiel verursacht durch Ganoven von der Erde zur Sonne wird um den Titel "All-Capone" gerungen, derjenige, der als erster zwei verschiedenfarbige Sonnenbrillenchips ergattert, erhält den Titel.
Anfangs starten die Spieler in ein finsteres Universum, alle Planetentafeln sind, bis auf den Startplaneten, die Erde, und das Zielfeld, die Sonne, verdeckt. Von der Erde ausgehend, weisen drei verschiedenfarbige Raketenköpfe in unterschiedliche Richtungen. Diese Raketen sind auch auf den anderen Planetenscheiben abgebildet. Im Spielverlauf geht es darum, durch geschicktes Ablegen seiner Spielkarten Raketenflüge zu ersteigern, Planeten oder die Sonne zu drehen. Dazu besitzt jeder Spieler einen identischen Kartensatz mit einer Karte zum Drehen der Sonne, zwei Karten für die Planetenrotation, jeweils zwei Karten für die drei Raketenfarben und zwei Jokerkarten. In jede Spielrunde müssen zwei Karten eingebracht werden. Wenn die erste Handkarte verdeckt gespielt wurde, decken alle Spieler diese Karte auf. Erst dann wird die zweite Karte erneut verdeckt gelegt. Zuerst wirken sich die Sonnenkarten und Planetenkarten aus und bringen dabei schon Vieles durcheinander. Dann dürfen die Spieler fliegen, die am meisten Punkte für den Flug mit einer Raketenfarbe geboten haben. Zu Beginn fliegt man sozusagen ins Blaue auf den Nachbarplaneten, der nun aufgedeckt wird. Im Laufe des Spiels eröffnet das All aber seine ungeahnten Möglichkeiten. Den farbigen Raketenspitzen folgend, sind Flüge über viele Planeten möglich, bis man schließlich zur Sonne gelangt, wenn das Zutrittsfeld zur Sonne die gerade benutzte Raketenfarbe zeigt. Dafür erhält man dann die entsprechende Sonnenbrille und fliegt sofort wieder zur Erde.
ZÜNDSTOFF ist ein gewöhnungsbedürftiges Spiel, zumal die Regel den Zugang nicht leicht macht, diese Hürde sollte man aber nehmen, denn dann eröffnen sich mit dem Spiel durchaus spielerische Reize. Die Bedeutung der Kartenablage, das Zurückhalten bestimmter Farben, der rechtzeitige Einsatz der Sonnenkarte oder der Planetenkarten werden taktisch erst nach dem dritten oder vierten Spiel gezielter genutzt. Dann geht die Post ab in diesem Spiel, das 20 bis 30 Minuten dauert und sich daher für einige Wiederholungen anbietet.
Dass 1x1 Spiele keine Eintagsfliege bleiben wird, belegen die zahlreichen Besuche auch renommierter Autoren bei diesem neuen Verlag während der Spiel '95. Michael Kiesling ist entschlossen, auf hohem Qualitätsniveau weiterzuarbeiten. Drücken wir ihm die Daumen, dass der Zündstoff ausreicht.
Wieland Herold
Spieletelegramm:
Titel: ZÜNDSTOFF
Verlag: 1x1 Spiele
Autor: Michael Kiesling
Spielerzahl: 2-5
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 35.- DM
Die Rezension erschien 1996
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: gerne morgen wieder
Spiel 17/ 1996 R 103/2020
Zum Spiel und zum Autor:
Mit MOGELEI UND ZÜNDSTOFF war Michael Kiesling einmalig auf der Spiel in Essen mit seinem 1x1-Verlag 1995 präsent. Zwei Jahr später begann die erfolgreiche Zusammenarbeit mit Wolfgang Kramer, zuerst mit HASTE WORTE (F.X. Schmidt) später folgten die Spiele des Jahres TIKAL UND TORRES.
Das Foto von Michael Kiesling stammt von seinem Auftritt mit dem 1x1-Verlag 1995 in Essen.
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