Samstag, 18. April 2015
Bad Cop
Todesschwadron
Wer ist gut? Wer ist böse? Die Frage ist nicht immer einfach zu beantworten. Privatdetektiv, abgebrochener Jurastudent und Surfer Pescado ist sich auch nicht immer sicher. Mike Nicols spürt in seinem aktuellen Südafrika-Krimi den Verbrechen der Apartheitzeit nach, er folgt Vergangenheitspuren von Todesschwadronen, deren Mitglieder unterschiedlich erfolgreich nach der Wende Mitte der 90er Jahre waren. Das Schicksal der meisten ähnelt den „zehn kleinen Negerlein“, zumindest einer hat es aber zeitweise zum Polizeipräsidenten gebracht.
In dieses Gewirr hinein erhält Pescado einen Ermittlungsauftrag von seiner Freundin und Anwältin Vicki Kahn. Er soll den Unfall eines jungen Klienten klären, der während eines illegalen Autorennens lebensgefährlich angefahren wurde. Schnell wird klar, dass der Ex-Polizeipräsident Jacob Mkezi eine wichtige Rolle spielt, dass aber auch sein Surfer Freund Daro, nicht immer das familienorientierte Leben führte, das ihn jetzt ausfüllt. Nebenstränge führen zu Rhinozerushörnern, einmal in einem Museum, dann in einer Berghöhle.
Bedrohlich wird dieses Wirrwarr für Viele, sodass am Ende nur noch Wenige der Akteure leben bleiben. Ein Triller, dessen Handlungsstränge sich erst mit der Zeit entwirren, insofern ist die Geduld des Lesers gefordert. Wer durchhält, wird mit spannender Lektüre belohnt, die kein gutes Haar am heutigen Südafrika lässt.
Wertung: *****
Titel: Bad Cop
Verlag: btb
Autor: Mike Nicols
Seiten: 543
Preis: 9,99 Euro
Zurück auf Start
Griechen der fünfziger Jahre
Wer ist schuld an der Misere Griechenlands? Petros Markaris gibt viele Antworten in seinem aktuellen Fall für Kommissar Charitos. Die „Troika“ darf noch „Troika“ heißen, wir befinden uns in der Phase vor Tsipras, aber die Ursachen der griechischen Krankheit sind identisch.
Darunter leidet auch der Deutschgrieche Andreas Makridis. Er will zur Wiederbelebung Griechenlands beitragen, die ökologische Energiewende voranbringen. Sein Enthusiasmus ist bei diesen Strukturen zum Scheitern verurteilt, er will gradlinig seinen Weg gehen, ohne Vetternwirtschaft, ohne Bestechung, aber so funktioniert das nun mal nicht. Makridis ist kein Manager von Rheinmetall, er will privat etwas in Gang setzen und scheitert kläglich, sodass er für sich keinen anderen Ausweg sieht, als zum Strick zu greifen.
Die „Griechen der fünfziger Jahre“ sehen das ganz anders. Ihr Bekennerschreiben, das die Deutsche Botschaft erhält, spricht von Ermordung und Kommissar Charitos muss sich ganz lange fragen, wer sind denn diese alten Griechen, die in alte Werte erinnern? Jedenfalls sind die nächsten Toten, die auf ihr Konto gehen, tatsächlich ermordet worden, zudem noch mit einem alten Revolver aus der Nachkriegsära.
Daneben beschäftigt den Kommissar privat der fremdenfeindliche Rachefeldzug der radikalen Gruppen um die „Goldene Morgenröte“. Seine Tochter wird überfallen und zusammengetreten, weil sie anwaltlich für Flüchtlinge tätig ist. Er selbst wird bedroht und schnell wird deutlich, dass die griechische Polizei von der „Goldenen Morgenröte“ infiltriert ist.
Ein hochaktuelles Werk, schon 2012 in Griechenland erschienen und damit fast visionär, was die weitere Entwicklung angeht. Die Lösung des Fall Makridis selbst habe ich Am Ende zwar als sehr konstruiert empfunden, das Gesamtbild lässt aber problemlos noch eine gute Wertung zu.
Wertung: ****
Titel: Zurück auf Start
Verlag: Diogenes
Autor: Petros Markaris
Seiten: 356
Preis: 23,90 Euro
Montag, 13. April 2015
2/14 Ein Dewey Decimal Roman
Was denn nun?
Dystopie oder Crime noir? Science Fiction oder Privatdetektivroman? Postdoomsday-Roman oder Politthriller mit Ego-Shooter-Tendenz? Nathan Larson, eigentlich Musiker und Filmkomponist, mäandert mit seinem ersten Roman 2/14 zwischen den Genres hin und her, genau wie seine Hauptfigur Dewey Decimal im zerstörten New York zwischen seinen unterschiedlichen Auftraggebern.
So richtig, weiß der Kustos der New York Public Library nicht worum es geht, ebenso wie wir Leser von Larson. Nach 9/11 scheint es New York an einem Valentinstag in nicht zu ferner Zukunft noch massiver getroffen zu haben. Weniger als ein Zehntel der ursprünglichen Bevölkerung lebt dort noch, der größte Teil vegetierend, nur Wenigen geht es gut. Was genau passiert ist, lässt Larson, der mit seinen Dewey-Decimal-Romanen eine Trilogie plant, offen. Moralische Kategorien sind fast aufgehoben. Dewey, wohl ehemaliger Soldat, ist zwar Bibliothekar, aber auch Auftragskiller für die Staatsanwaltschaft der Stadt New York. Er geht über Leichen, macht sich von Zeit zu Zeit aber doch manchmal Gedanken über sein Tun. Inwieweit er fremdbestimmt ist, bleibt unklar, Ordnungsprinzipien für Wege und U-Bahnlinien genauso wie das nach ihm benannte System zur Erschließung von Bibliotheksbeständen, bringen scheinbare Orientierung. Sein Tun wirkt zwanghaft neurotisch, ständiges Pilleneinwerfen, Händedesinfektionen und das Greifen nach einem Schlüssel sind fast Reflexhandlungen für ihn.
Das ist phasenweise durchaus interessant, manchmal sogar unterhaltsam, bleibt mir aber zu unbestimmt, irgendwie doch einfach nur Pulp-Schund, orientierungslos, ein nicht zu fassender Brei.
Wertung: **
Titel: 2/14 Ein Dewey Decimal Roman
Verlag: Diaphanes
Autor: Nathan Larson
Seiten: 256
Preis: 17,95 Euro
Der Krake auf meinem Kopf
Brüchig
Der kalifornische Autor Jim Nisbet ist relativ unbekannt in Deutschland. Von seinen zwölf Romanen sind erst drei unter dem Berliner Label Pulpmaster veröffentlicht worden. Der Verlagsname ist Programm, daher weiß man, worauf man sich einlässt bei der Lektüre der neuesten Übersetzung: „Der Krake auf meinem Kopf“.
Das ist kein Alltagskrimi, das ist ein Blick in die Abgründe, drogenvernebelt, musikgeschwängert, brüchig. Das gilt auch für die Erzählweise, da der Roman eigentlich aus zwei Teilen besteht, er bricht quasi im letzten Drittel auseinander. Im Vordergrund steht Curly, der den alten Zeiten nachhängt, als er mit seiner Gitarre noch die Punk-Musik machen konnte, die ihm Spaß machte. Geblieben ist ihm eigentlich nur seine Krake auf dem Kopf, ansonsten ist Kaffeehausmusik angesagt. Curly möchte die alten Zeiten wieder lebendig werden lassen und hofft, seinen Freund Ivy als Drummer aktivieren zu können. Der Besuch endet im Drogenrausch und in einer Razzia, die zur Festnahme Ivys führt. Das Geld für die Kaution versucht Curly zusammen mit der gemeinsamen Freundin Lavinia aufzutreiben. Sie werden zum Geldeintreiber für einen Instrumentenhändler, stolpern dabei über eine Leiche und werden – welch Wunder – nicht einmal von der Polizei verdächtigt. Die weitere Suche führt sie ins wirkliche Chaos, hier kommt es dann auch zu dem angedeuteten Perspektivenwechsel, über den an dieser Stelle nichts weiter verraten werden soll.
Hier wird der Crime noir zum Psychothriller. Eine nicht erwartete Wendung, die das Buch schon ganz besonders macht. Das Vorspiel hat Längen, (zu) breit wird die Drogenaufbereitung ausgebreitet, reizvoll sind aber Dialoge von Curly und Lavinia. Am Ende wird es richtig spannend. Kein Mainstream, aber ganz besondere Literatur, die Dank Frank Nowatzkis Engagement (Herausgeber von Pulpmaster) nun auch auf Deutsch zugänglich ist.
Wertung: ***
Titel: Der Krake auf meinem Kopf
Verlag: Pulpmaster
Autor: Jim Nisbet:
Seiten: 320
Preis: 14,80 Euro
Sonntag, 12. April 2015
Prime Cut
Vom Mord- zum Viehdezernat
Alan Carter, Dokumentarfilmer in Australien, hat erst im Alter von 50 Jahren sein Talent als Krimiautor entdeckt. Als Filmemacher ist er es gewohnt, genau hinzusehen. So gelingt es ihm, mit viel Gespür für Details, seinen Lesern einen genauen Blick in die westaustralische Kleinstadt Hopetoun zu werfen. Das idyllische Städtchen platzt aus allen Nähten, weil der extensive Nickelabbau ganz in der Nähe, Geld und Arbeiter angeschwemmt hat. Mit dem Boom kommt das Verbrechen, die Ruhe ist dahin.
Das gilt auch für Cato Kwong, einst Vorzeigepolizist, der für Werbeplakate herhalten musste, nun abgehalftert und bei der Viehpolizei, da er für seinen ehemaligen Chef den Kopf hinhalten durfte. Als der Torso einer Leiche angespült wird, sind seine Fähigkeiten wieder gefragt.
Carter, der 2011 für sein Debüt mit dem „Ned Kelly Award for the Best First Fiction“ ausgezeichnet wurde, spult routiniert die Fallentwicklung ab.
Es bleibt natürlich nicht bei einem Mord und eine ganz alte Geschichte, die sich einst in England abspielte, wirkt wie ein Bindeglied der Gesamterzählung. Kwongs alter Chef taucht auf und die Fehler von damals scheinen sich zu wiederholen. Das große Geschäft und die kleinen Schicksale, die auf der Strecke bleiben, bilden den sozialen Hintergrund.
„Prime Cut" wird damit zum Politthriller mit sehr starken Figuren, von denen man mehr erfahren möchte. Carter hat inzwischen zwei weitere Cato Kwong-Krimis geschrieben, die hoffentlich bald übersetzt werden.
Wertung: *****
Titel: Prime Cut
Verlag: Nautilus
Autor: Alan Carter
Seiten: 368
Preis: 19,90 Euro
Killer
Klospülung für einen Killer
Dave Zeltserman nennt seinen schon 2010 erschienen Roman „Killer“ auf seiner Homepage „a quiet meditation into the mind of a killer“. Das Buch gehört zu seiner „Man out of Prison“-Trilogie, die noch nicht vollständig übersetzt wurde („3rd (and best) book of my 'man out of prison' crime thriller series“).
Beim Blick in die Psyche des Auftragskillers March schafft es der Autor, viel Sympathie mitschwingen zu lassen. Leonard March saß 14 Jahre Gefängnis unbeschadet ab. Es hätte schlimmer für ihn kommen können, denn March ließ sich auf einen Deal mit der Staatsanwaltschaft ein, die über 28 Auftragsmorde hinwegsah, dafür aber Marchs Exboss Salvatore Lombard kassieren durfte.
In Rückblenden erzählt Zeltserman Marchs Geschichte, berichtet über seinen Aufstieg in der Unterwelt Bostons, über seine Skrupel und seinen Ausstieg, der ihn letztlich ins Gefängnis bringt.
Zum Zeugenschutzprogramm reichte es nicht, nach 14 Jahren ist March dem brutalen Bostoner Alltag ausgesetzt. Kaum Geld in der Tasche, mit einem Job als Putzkraft, Kinder, die den Kontakt zu ihm ablehnen, dafür aber der geballte Hass der Angehörigen seiner Opferfamilien und natürlich der Lombards. Das Überleben fällt dem schon über Sechzigjährigen nicht einfach, er geht aber seinen Weg. Anders vielleicht, als mancher Leser sich erhofft, konsequent jedenfalls.
Eindrucksvoller Crime Noir- Roman, eine brillante Charakterstudie, 262 Seiten, die atemlos durchgehechelt werden. Hervorragend!
Wertung: *****
Titel: Killer
Verlag: Pulpmaster
Autor: Dave Zeltserman
Seiten: 262
Preis: 9,99 Euro
The Drop Bargeld
Vielschichtig wie Dennis Lehanes bisheriges Leben ist das Buch zum Film „The Drop Bargeld“ angelegt. Er arbeitete als therapeutischer Berater für geistig behinderte und sexuell missbrauchte Kinder, war Kellner, aber nicht Barkeeper, Chauffeur, Parkplatzwächter, arbeite in Buchläden und als Erntehelfer. Irgendwann kam er dann schließlich zum Creative Writing, und mit dem Schreiben kam der Erfolg. Bekannt ist er vor allen für seine Drehbücher für „The Wire“, „Shutter Island“ und „Mystic River“. Auch „The Drop“ ging ein Drehbuch voraus, das Lehane zu einer Kurzgeschichte („Animal Rescue“) geschrieben hat. Film und Buch sind 2014 veröffentlicht worden.
„Bob fand den Hund zwei Tage nach Weihnachten.“ So lakonisch wie dieser Roman einsetzt, endet er auch: „Man kann das Leben nicht kontrollieren.“ Dazwischen liegen die Errettungsgeschichte des Pitbulls Rocco, ein Überfall auf die Bar, in der Bob arbeitet, die Tätersuche des abgehalfterten Polizisten Torres, der dabei auf eine ganz alte Geschichte stößt, die mit dem Verschwundenen Richie Whelan zusammenhängt. Dann sind da auch noch Nadia, die bei der Hundeerziehung hilft, der ehemalige Hundebesitzer, Cousin Marvin als ehemaliger Barbesitzer und die tschetschenische Mafia um Boss Chovka, die die Bar als Geldwaschanlage benutzt.
Rückblenden konturieren einzelne Personen genauer, Kirchenbesuche charakterisieren vor allem Bob und Torres. Erst allmählich lichtet sich das oft alkoholgeschwängerte Dunkel. Nicht alles, was gut scheint, ist wirklich gut. Da wirkt das Ende fast zu kitschig, zu harmonisch, wenn da nicht der Wink mit dem Schicksal wäre, das „Kreischen von Bremsen, der dumpfe Aufprall von Metall auf einem Hundekörper“. Aber Rocco läuft und springt – ganz frei und ungezwungen, es sei denn, der Ball, dem er nachjagt, landet doch auf der Straße.
Wertung: ****
Titel: The Drop Bargeld
Verlag: Diogenes
Autor: Dennis Lehane
Seiten: 224
Preis: 19,90 Euro
Freitag, 10. April 2015
Plan B
Das Strategiespielen mit Original Ankersteinen
Unverkennbar, dieser Geruch! Wenn es denn Wetten dass! noch gäbe und Karsten Adlung würde wieder einmal eine Spiele-Wette abschließen, dann könnte er ja versuchen, Spiele nach Geruch zu identifizieren. Der Duft der großen weiten Welt kommt heutzutage fast nur noch aus China, da ist oft langes Lüften angesagt, wenn die Spieleschachtel geöffnet wird. Ganz anders bei den Bauspielen aus dem thüringischen Rudolstadt. Ihr traditionelles Rezept besteht aus 100 Prozent natürlichen Materialien wie Kreide, Quarzsand, Farbpigmente und Leinöl. Und eben dieses Leinöl bringt den unverwechselbaren Geruch der Ankerbausteine mit sich, eine Erinnerung an Kindheit, die eigentlich nur noch vom Tannenduft übertroffen wird.
Die Ankerbausteine tauchen wieder einmal in einem Spiel auf. Die Firma Gollnest & Kiesel ist ein in den letzten Jahren stark gewachsenes mittelständisches Unternehmen, das ein breites Spielzeugsortiment anbietet. Im Brettspielbereich sind bisher eher Klassiker á la LUDO, GÄNSESPIEL und DOMINO im Programm, ganz neu ist das Spiel mit Ankerbausteinen, das Jürgen Knischewski, der bei Goki als Grafiker arbeitet, unter dem Titel PLAN B entwickelt hat.
Sein Material: 22 Würfelsteine, 21 hellgrüne Scheiben, je sieben rote, gelbe, grüne und blaue Dreiecksteine – alles Anker pur. Dazu noch ein großer Holzwürfel und ein massives Pressholz-Spielbrett mit 7x7 Feldern. Knischewskis Spielidee: Nahezu ebenso klassisch wie die Bausteine, ein Häuserbau „Drei in einer Reihe“, wobei er rechtwinkliges Abbiegen erlaubt, die diagonale Verbindung aber nicht. Zur Spieleridentifikation dienen die Dreiecksteine als Dachsteine, die Hausbasis stellen die Würfelsteine dar. Die grünen Baumsteine können taktisch zum Ärgern, aber auch zum eigenen Vorteil genutzt werden.
Knischewski klassifiziert sein Spiel als „Strategiespiel“. Stapeln wir ruhig mal tiefer und sprechen lieber von einem einfachen würfelgesteuerten Bauspiel für die ganze Familie. Das ergibt sich allein schon aus dem Motor des Spiels, hier werden nicht abwechselnd Steine gesetzt, sondern hier bestimmt der Würfel, was baulich zulässig ist. Das bedeutet am Anfang, dass man mit hälftiger Wahrscheinlichkeit aussetzen darf. Denn der Autor wollte in seinem „Strategiespiel“ nicht auf das Aussetzsymbol verzichten. Da ein Dach ohne Rohbau auch nichts bringt, ist der Einstieg eher dröge. Ansonsten gibt es natürlich die entsprechenden Bauteile auf den Würfelseiten, einen Joker und das interessanteste Wurfergebnis, die Rochade, mit der man als Startspieler allerdings auch nichts anfangen kann. Mit dieser dürfen Spielsteine, auch fertige Häuser auf nebeneinanderliegenden Feldern ausgetauscht werden. Damit kommt Pfiff ins Spiel, zumal natürlich auch der Joker so genutzt werden kann.
Beim Spiel mit Kindern, was durchaus schon ab fünf Jahren möglich ist, kann PLAN B durchaus Spaß machen. Da wird das Setzen der Ankerbausteine zu einer ersten spielstrategischen Einführung. Wo kommt der Rohbau hin, wo kann ich vielleicht später Gebäude tauschen? Erwachsene sehen sich eher durch den Anspruch „Strategiespiel“ getäuscht. Da helfen wahrscheinlich nur Hausregeln weiter. Wir spielen es inzwischen so, dass jeder zum Start jeweils von jeder Sorte einen Spielstein schon zur Verfügung hat, die er setzen kann, aber nicht muss. Wenn dann noch das Aussetzsymbol als Joker gedeutet werden darf, dann wird PLAN B zu einem ordentlichen Spiel. Wer nicht so massiv ins Regelwerk eingreifen möchte, der kann auch einfach den zusätzlichen Würfel mit einbauen, der dem Spiel beiliegt. Wenn beide Würfel geworfen werden und man sich dann ein Ergebnis aussuchen darf, dann wird der Glücksfaktor gleich deutlich reduziert. Kreativ muss man auch ohne Regelveränderung mit dem eher lückenhaften Regelwerk umgehen. Was macht man zum Beispiel, wenn Dächer oder Rohbauten ausgehen? Wir empfehlen, das Versetzen auf dem Spielplan zuzulassen. Wie man sieht, wer regeltechnisch seinen Plan B bereit hält, kommt auch mit Knischewskis PLAN B klar, das sonst eher konventionell daherkommt. Aber auch das passt natürlich zu den wunderbaren Ankerbausteinen.
Wertung: Vielleicht nächsten Monat noch einmal
Titel: Plan B
Verlag: goki
Autoren: Jürgen Knischewski
Spieleranzahl: 2-4
Alter: ab 5 Jahren
Dauer: 20 bis 30 Minuten
Preis: ca 40 Euro
Barragoon
Puristen fassen im Bereich der Strategiespiele für zwei Personen nur Bauern und Damen an, die kennen auch nur quadratische aus 64 Feldern bestehende Bretter, die für sie die Welt bedeuten, auf die sie höchstens einmal Reiskörner legen, um die schöne Entstehungslegende zu dokumentieren. Nach ihr soll der Erfinder zur Belohnung die jeweilige Verdoppelung der Körner verlangt haben, danach ist man schon am Ende der zweiten Reihe bei fast 33.000 Körnern angelangt. Alle addiert, ergeben letztendlich eine zwanzigstellige Zahl, so viele Körner, dass damit die gesamte Erdoberfläche bedeckt werden könnte.
Aus Oberhaching wird mit BARRAGOON ein neuer Angriff auf die Schachliebhaber gestartet. Alles ist erst einmal ungewohnt, da kommt der Titel sperrig wie eine Barriere daher, da gibt es kein 8x8-Feld, sondern ein rechteckiges mit 7x9 Feldern. Ja, und dann hat auch jeder der beiden Kontrahenten nur sieben Spielfiguren zur Verfügung. Da die zylinderförmigen Holzsteine alle gleich groß sind, sind deren jeweiligen Besonderheiten ins Oberteil gefräst. Daran wird deutlich, dass je zwei Steine zwei oder vier Felder weit ziehen dürfen, die restlichen drei ziehen entsprechend ihrer Anzahl drei Felder weit. Für alle sieben Spielsteine gilt: Es wird nur geradlinig und nicht diagonal gezogen. Abbiegungen sind nur einmal rechtwinklig und auch die Verringerung der Zugweite ist maximal um ein Feld möglich. Bei einem verkürzten Zug darf übrigens nicht geschlagen werden. Wie beim klassischen Vorbild stehen sich die Figuren nach fester Startaufstellung jeweils in beiden Grundreihen gegenüber. Hinten 3er und 4er Steine, in der Reihe davor die beiden 2er- und ein 3er-Stein.
Die große Besonderheit sind die, anfangs mit einem X gekennzeichneten, acht schwarzen Würfel, die auf den mittleren drei Reihen in der Startsituation liegen. Das sind Barrieresteine, die dem Spiel seinen Namen und den ganz besonderen Pfiff geben. Die Würfelform lässt nämlich sechs unterschiedliche Funktionen zu. In der Anfangssituation ist es die klassische Blockade, dann gibt es Pfeile, die nur einen Weg oder zwei Wege sowie eine Rechts- oder Linkskurve zulassen, schließlich befindet sich auf der Rückseite des Blockadekreuzes ein multifunktionaler Kreisverkehr, bei dem alle Abbiegungsmöglichkeit erlaubt sind, allerdings kein gerader Zug. Im Prinzip können alle Steine von allen Figuren geschlagen werden, nur für den letzten Stein braucht es mindestens einen 3er-Zylinder.
Wird ein Barragoon geschlagen, darf er an beliebiger Stelle mit beliebiger Funktion neu ins Spiel gebracht werden. Bei einem geschlagenen Spielstein, kommen gleich zwei Barragoone neu ins Spiel. Dabei erhält auch der Spieler, der den Verlust erleiden musste, als kleine Entschädigung einen der Steine. Er erhält dabei sogar noch einen Zugvorteil, indem er als erster den Barragoon einsetzen darf. Deshalb stehen neben den acht Ausgangssteinen weitere 24 schwarze Würfel zur Verfügung. Das Spiel endet, sobald ein Spieler keine Steine mehr hat oder nicht mehr ziehen kann. Auch ein Remis ist möglich, wenn restliche Steine so von Barragoonen umzingelt sind, das nur noch effektlose Bewegungen stattfinden.
Das Material ist solide: Wertige Holzsteine, Pappbrett mit aufgedruckter Startaufstellung, gute Regel, die keine Fragen offen lässt. Die Nutzung der Barragoone ist anfangs gewöhnungsbedürftig. Man muss sich klar machen, dass sie alle in gewisser Hinsicht blockieren, da sie nicht nur die Weiterfahrt regeln, sondern damit meist auch Hinfahrt. Damit lassen sich Türen öffnen, andere wieder schließen. Die Frage, die Anfänger oft stellen, warum reiche denn nicht die reine Blockadefunktion, erübrigt sich nach den ersten Zügen. Sieht man seinen 2er-Stein von einem gegnerischen 3er-Stein bedroht, muss man nicht wegziehen, sondern kann durch Schlagen und Einsetzen eines Barragoon-Würfels den Gegner nach rechts oder links lotsen oder den Weg vor ihm zu einer Einbahnstraße machen und damit die Bedrohung für ihn erhöhen. Die Vielfalt von Möglichkeiten, die sich durch den geschickten Einsatz der Barragoone ergeben, macht den besonderen Reiz aus, aber auch erforderlich, dass es Eingewöhnungsrunden gibt, damit die Partner die Untiefen nutzen und erkennen können. Dann sind wir auch in der Situation, in der die Runden mindestens 60 Minuten dauern, bis dann meist ein Blockadeende eintritt.
Ob es BARRAGOON je zur Legendenbildung schaffen wird, darf bezweifelt werden. Schachliebhaber machen aber einen Fehler, wenn sie die Hände von diesem Spiel lassen. Das Autorenduo Robert Witter und Frank Warneke sollte übrigens einmal überlegen, wie viele Reiskörner ihnen bei ihren 7x9 Feldern durch das eine fehlende Feld entgehen!
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: BARRAGOON
Verlag: WiWa Spiele
Autoren: Robert Witter und Frank Warneke
Spieleranzahl: 2
Alter: ab 8 Jahren
Dauer: mindestens 60 Minuten, manchmal 2 Stunden (gleichwertige Gegner vorausgesetzt)
Preis: 30 Euro
Moeraki-Kemu
Neuseeländische Kugelfelsen als Spielanlass
Gründe für Spielentwicklungen sind vielfältig. Bei dem Kehlheimer Spieleautor Stefan Kiehl war es eine Neuseelandreise. Fasziniert von den kugelförmigen Moeraki-Felsen an der Koekohe Beach auf der Südinsel Neuseelands, erfand er ein spannendes Spiel mit Glasmurmeln, das er 2010 beim größten deutschen Spieleautoren-Wettbewerb in Bochum einreichte. Dort wurde es als bestes Zweipersonenspiel gekürt. Trotz dieser Auszeichnung wollte kein Spielverlag sich seiner Idee annehmen, da der Autor hohe Ansprüche an dessen Umsetzung legte.
Der Markt für strategische Spiele für zwei Personen ist jenseits von Schach und Dame in Deutschland nicht sehr groß. Stefan Kiehl sah keinen anderen Ausweg als selbst Kleinverleger zu werden, um seine Idee nun im Kiehly-Verlag in edler Holzfassung mit hochwertigen Materialien zu produzieren.
Der Kampf zweier Maori-Stämme um das heilige Gebiet von MOERAKI-KEMU wird unblutig durch ein Kopfduell auf dem Holzbrett entschieden. Die Gegner versuchen, durch abwechselndes Setzen von Markierungskugeln möglichst viel Land für ihren Stamm einzunehmen. 56 Mulden können dabei besetzt werden, die 57. Mulde wird im Zentrum mit einer neutralen Moeraki-Kugel aus Jade belegt. Meistens läuft ein Duell solange, bis das ganze Land unter den beiden Kontrahenten aufgeteilt ist. Immer wenn ein kleines, meist quadratisches Stück mehrheitlich eingekreist ist, wird es vom jeweiligen Besitzer markiert. Wenn das ganze Land besetzt ist, hat man dadurch einen schnellen Überblick, wer Sieger ist. Auch wenn ein Gebiet verloren ist, muss der Gegner sich engagieren, dafür sorgen weitere Siegbedingungen. Sollte es nämlich einem Spieler gelingen, ein quadratisches Feld mit vier Kugeln zu umschließen, gewinnt er sofort, das gilt auch, wenn er einen sogenannten Fluss oder Weg erschließt, das heißt, eine Diagonale von Spielfeldrand zu Spielfeldrand oder die vier Mulden des äußeren Randes belegen kann. Die kürzeste Diagonale ist in den abgeschrägten Ecken des Planes nur drei Felder lang, da kommt es anfangs oft zu schnellen Siegen. Aber nur am Anfang - geübte Stammeskrieger belagern sich fast immer bis zum Schluss. Sie wissen auch den Gewinn von halben Feldern mit nur zwei Kugeln zu schätzen, der zwar nur halbe Punkte zählt, aber auch zur siegreichen Endbilanz beiträgt. In der Meister-Variation gibt es zusätzlich noch Möglichkeiten durch Einsatz eines Maori-Kriegers.
Die Spieldauer hängt ganz stark von der Spielstärke der Kontrahenten ab. Schäferzüge, das Aufbauen von Zwickmühlen gelingen meist nur am Anfang. Routiniers kämpfen bis zu einer knappen halben Stunde, bis jeder seine 28 Kugeln platzieren konnte. Die Herausforderung bleibt groß, da Kiehls unterschiedliche Siegbedingungen immer im Blick zu behalten sind. Da bleibt jede Partie spannend und erfordert ständige Aufmerksamkeit. Das gilt besonders für die Meisterstufe, da hier durch die Drohung eines Maori-Kriegers eine zusätzliche gedankliche Anforderung auf die Kontrahenten zukommt. Der Einsatz des Kriegers vernichtet dauerhaft Stammesplättchen – auch eigene – über ganze Feldreihen hinweg.
Nicht nur die Idee begeistert, zum Wiederspielwert trägt ganz wesentlich die gediegene Umsetzung bei. Jedes Spielbrett ist ein aus Crottendorf im Erzgebirge stammendes Unikat; Halbedelsteine, Glasmurmeln und handgefertigte Tonfiguren als Maori-Krieger unterstützen den haptischen Spielgenuss. Die Zählplättchen aus Pappe fallen dabei etwas ab, sind aber zweckdienlich. Die Spielregel ist vorzüglich ausgearbeitet und das Cover führt atmosphärisch stimmig in das Duell am Strand der Kugelfelsen ein. Stefan Kiehl konnte dafür seinen Neffen Florian Buchner gewinnen, der die gesamte Produktion hilfreich unterstützt hat.
Die Hintergrundgeschichte ist zwar rein fiktiv, das raffinierte Duell um Quadrat- oder Liniengewinn lebt aber von der neuseeländischen Atmosphäre, die der Autor kongenial umsetzen konnte. Die Regeln sind einfach, passen sich sogar dem jeweiligen Spielanspruch an. Für Stefan Kiehl sind diese Urlaubserinnerungen, die ihren spielerischen Ausdruck gefunden haben, inzwischen zu einer Erfolgsgeschichte geworden. Kleinverlag wie Kiehly verschwinden meist nach ein oder zwei Jahren von der Bildfläche, die Nachfrage nach seinem Spiel hält aber inzwischen im fünften Jahr an. Wer einmal zum Glaskugel-Duell in Moeraki angetreten ist, weiß warum!
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: MOERAKI-KEMU
Verlag: Kiehly, Vertriebspartner: Tac Verlag
Autor: Stefan Kiehl
Spieleranzahl: 2
Alter: ab 8 Jahren
Dauer ca. 5 bis 25 Minuten
Preis ca. 59 €
Freitag, 3. April 2015
Krieg
Heimatfront
Es sind die täglichen Nachrichten vom Krieg in aller Welt, die an uns vorbeirauschen, uns kaum noch berühren. Jochen Rausch lässt diese Nachrichten in seinem Roman „Krieg“ in die Alltagswelt einbrechen. Da muss an ein junger Mann nach Afghanistan. Er ist Sohn, er ist Verlobter und Rausch serviert die Konsequenzen vor allem aus der Perspektive der Zurückgebliebenen.
In die heile Welt des Lehrerhaushalts der Eltern bricht die Angst um das Leben des einzigen Kindes ein, nur aus den Mails des Sohnes erfahren wir die Kriegsrealität. Die Mutter wird zur Trinkerin, der Vater versucht das Leben auszuhalten. Parallel dazu erleben wir schon im Nachhinein den Vater in einem einsiedlerischen, nur von einem Hund begleiteten Leben auf einer Berghütte.
Der Leser ahnt, dass der Sohn nicht zurückkehren wird. Der Krieg nimmt der Verlobten den Geliebten, den Eltern das Kind. Nicht nur das, der Vater verliert auch noch seine Frau, die im Eis verschwindet. Eine heile Welt, die völlig zusammenbricht und in der der Vater auch auf seiner Berghütte plötzlich Bedrohung erlebt, die zu seinem eigenen Krieg führt. „Vielleicht weil der Frieden ein Zustand ist, den sie (die Menschen) gar nicht ertragen.“
Rausch erzählt atemberaubend dicht. Sein Buch kann man nicht aus der Hand legen.
Wertung: ****
Titel: Krieg
Verlag: Berlin Verlag
Autor: Jochen Rausch
Seiten: 224
Preis: 18,99 Euro
Die guten Frauen von Christianssund
Arg konstruiert
Nicht der Kommissar ermittelt, sondern sein alter Jugendfreund. Da ist einmal Flemming Torp, der einen Mord an einer Putzfrau in einer Werbeagentur aufzuklären hat, und dann ist da noch sein Freund Dan Sommerdahl, eigentlich Kreativchef in dieser Agentur, dank Burnout aber mit freien Kapazitäten, die er für anstehende Ermittlungen nutzt.
Diese Grundstruktur ergibt ein nicht immer glaubwürdiges Ermittlerduo, das oft bemüht konstruiert arbeitet. Mögen die Figuren auch sympathisch sein, mag der Fall in seiner Entwicklung durchaus Tiefgang besitzen, der Grundansatz überzeugt mich nicht. Reizvoll ist noch der eingeschobene Perspektivenwechsel, der die Tätersicht dem Leser vorführt, ohne dabei zu viel zu verraten. Trotzdem ist der Ausgang absehbar und nicht zu überraschend.
Diese erste deutsche Übersetzung der in Dänemark erfolgreichen Reihe um Dan Sommerdahl hat mich noch nicht recht überzeugt. Ich hoffe, dass Anna Grue Sommerdahl in den Folgeromanen ein eindeutigeres Ermittlerprofil zuzuweisen versteht.
Wertung: **
Titel:Die guten Frauen von Christianssund
Autorin: Anna Grue
Verlag: Atrium
Seiten: 416
Preis: 19,95
Tribunal
Spannender Politthriller
Der knapp 50jährige André Georgi hat erst mit 35 das Schreiben begonnen, vor allem als Drehbuchautor hat er eine Reihe von Erfolgen vorzuweisen. Er hat Vorlagen für den Tatort, für Bella Block, Marie Brand und Letzte Spur Berlin und die Verfilmungen von Kurzgeschichten von Ferdinand von Schirach und Siegfried Lenz verfasst. „Die Flut ist pünktlich“ von Lenz ist gerade erst im Fernsehen gelaufen. Das Thema der Konflikte im auseinanderfallenden Jugoslawien hat ihn schon länger fasziniert, nun macht er es im Kontext mit dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag zur Grundlage seines ersten Romans.
Georgi erzählt sehr dicht und in wechselnden Perspektiven über ein brutales Attentat auf einen Kronzeugen in Den Haag. Die Ermittlerin des Tribunals, Jasna Brandic, entkommt nur knapp diesem Überfall. Wer soll nun überhaupt noch gegen den Kriegsverbrecher Kovac aussagen? Jasna begibt sich nach Serbien, um einen neuen Zeugen aufzutreiben, sie reist damit auch in ihre Vergangenheit. Der heutige Umgang mit dem Thema, das Verdrängen und Wegschauen werden zum Teil äußerst brutal vorgeführt. Georgi erweist sich als grandioser Arrangeur, gleichzeitig als sehr politischer Autor, der das Thema sehr ernst nimmt und nicht nur als Staffage nutzt. Ein spannender Erstling, wahrscheinlich auch die Basis für eine spätere Verfilmung, für die Georgi nun einmal die Vorlage liefern darf.
Wertung: ****
Titel: Tribunal
Verlag: Suhrkamp
Autor: André Georgi
Seiten: 316
Preis: 14,99 Euro
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