Mittwoch, 13. September 2017
SCHÖNE SCH#!?E
Alte Schätze neu gehoben
Thorsten Gimmler ist federführender Redakteur für Schmidt Spiele in Berlin. Diese spannende Aufgabe durfte er sicherlich auch deshalb übernehmen, weil er schon seit Ende der 90er Jahre interessante Spiele als Autor veröffentlicht hat. 2017 erlebt er eine Renaissance seiner beiden erfolgreichsten Ideen. DER DIEB VON BAGDAD (Queen Games), der 2007 auf der Nominierungsliste von „Spiel des Jahres“ landete, liegt neu aufgelegt als 12 THIEVES vor. Zwei Jahre vorher erreichte er mit dem Kartenspiel GESCHENKT … IST NOCH ZU TEUER hinter JAMBO den zweiten Platz des Kartenspielpreises der Fairplay. Gleichzeitig wurde sein Spiel von der Jury „Spiel des Jahres“ empfohlen. 2006 war es bei unseren Nachbarn in Frankreich für den „As d’Or“ nominiert.
War GESCHENKT… IST NOCH ZU TEUER bei seiner Veröffentlichung von Amigo 2004 auf das Notwendigste reduziert, nämlich 33 schlichte Zahlenkarten mit den Werten „3“ bis „35“ und 55 rote Plastikchips, kommt SCHÖNE SCH#!?E grafisch aufgepeppter daher. Der Skizzenstil von Dennis Lohausen weckt bewusst Assoziationen. „Ah! Ein neues Greg-Spiel!“ ist der übliche Kommentar bei der Erstbegegnung mit Gimmlers Spiel. Amigo sucht bewusst diese Parallele, indem die SCHÖNE SCH#!?E mit „Aus dem Tagebuch eines Pechvogels“ obertitelt wird. Versteckte sich die Quintessenz der Spielidee vor 13 Jahren nur im Spieltitel, spiegeln die Skizzen-Cartoons in allen Bildern die ganze Tragik. Das hat was und belebt zusätzlich die immer noch geniale Grundidee des Autors, wenn zum Beispiel der einsame Robinson auf Karte 34 ausgerechnet von der Titanic gerettet wird.
Gimmler gelingt ähnlich wie einst Wolfgang Kramer mit 6 NIMMT! das Kunststück, aus minimalem Regelaufwand ein immer wieder spannendes Spiel zu zaubern. In jeder Runde werden die 33 Spielkarten auf 24 reduziert, sodass die drei bis sieben Spieler nie wissen, welche Karten vorhanden sind. Je nach Spielerzahl starten alle mit sieben bis elf Chips, deren Bestand sie tunlichst geheim halten.
In SCHÖNE SCH#!?E geht es darum, Unheil abzuwenden, das heißt, möglichst wenige Karten aufzunehmen. Jeder Punktwert einer Karte bringt am Ende exakt so viele Minuspunkte, es sei denn, die Spieler schaffen es, Kartenfolgen zu ergattern. Wer mit einer „27“ startet, dann aber alle Folgekarten bis zur „22“ bekommt, für den geht nur der niedrigste Wert in die Abrechnung. Positiv bilanziert werden alle noch vorhandenen Chips und die wechseln ständig ihre Besitzer. Denn die einzige Chance, Karten nicht aufnehmen zu müssen, besteht darin, ihnen einen Chip mit auf den Rundenweg zu geben. 30er Werte können so viele Runden wandern, sodass sich dann irgendwann die Aufnahme rechnet. Zumal man weiß, dass die Gegenspieler dann die nächsten Ablehnungsrunden nicht so lange durchstehen können.
Dieses Ablehnen und Anfüttern von Karten ist immer wieder spannend, zusätzlich bleibt ungewiss, ob die gewünschten Folgekarten überhaupt noch auftauchen. Lücken bringen so Bilanzen ganz schön durcheinander. Wenn im obigen Beispiel die „24“ fehlt, dann zählen nicht 22 Minuspunkte, sondern 47 für die Schlussabrechnung. Angestrebte positive Ergebnisse, die selten genug sind, werden so zunichte gemacht. Dieser kurzweilige Spielspaß ist nach wie vor ein idealer Türöffner für Wenigspieler, ein Kartenspiel, das zu den Kultspielen bei Amigo gehören dürfte.
Das alte GESCHENKT … IST NOCH ZU TEUER ist auch nach 13 Jahren international noch sehr beliebt. Auf der Liste der besten Familienspiele bei BGG steht es immerhin auf Platz 73 und liegt damit nur knapp hinter BOHNANZA. Die Neuauflage macht daher Sinn, zumal diese Umsetzung zu viel größerem Vergnügen beiträgt.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: SCHÖNE SCH#!?E
Autor: Thorsten Gimmler
Verlag: Amigo
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 3 - 7 Spieler
Spielzeit: ca. 20 Min.
Preis: ca. 10 Euro
Spiel 60/2017
Dienstag, 12. September 2017
LANZELOTH
Mit Spieleperlen wie dem Ärgerspiel PERLENTAUCHEN, mit ökologischem Anspruch bei der Tierrettung und einem kooperativen Wortspiel hat sich die spielbegeisterte Familie Loth aus dem emsländischen Rhede unter die kleinen deutschen Spieleverlage gemogelt. War es 2016 noch ein Dreier-Sortiment von Spielideen, schicken Jürgen Loth und Anhang 2017 nur einen einzigen Ritter, den LANZELOTH nämlich, in den Kampf um Plätze in den Spieleregalen.
Ob er wehrhaft sich behaupten kann, ist am Anfang völlig unsicher. Ganz schön durch den Wind wirken die zwei bis sechs Recken, die in die Arena reiten wollen. Da taucht einer in Unterhose und mit abgebrochener Lanze auf, ein anderer strahlt in goldenem Harnisch unter einem güldenen Helm. Wie gut, dass der fast nackte Edelmann Ansgar die Chance hat, nicht bloßgestellt und dem Gelächter ausgesetzt zu werden. Dafür haben die Loths ein abwechslungsreiches Informations- und Tauschsystem entwickelt.
Zu Beginn bekommen die beteiligten Ritter eine echte Mogel-Packung. Was sich hinter den Rückseiten der Karten für Helm, Harnisch, Lanze, Schild und Beinschienen verbirgt, die vor allen ausliegen, weiß keiner der Widersacher. Das können wertvolle Goldrüstungen im Wert von fünf Stärkepunkte sein, andere Ritter müssen anfangs barfuß und helmlos ganz ohne Stärke ins Turnier. Zusätzlich begleitet ein mehr oder weniger engagiertes Pferd unseren Kämpfer. Im folgenden Spiel versuchen alle an Informationen über ihre Ausrüstungskarten zu kommen und schlechte Karten möglichst lukrativ zu tauschen. Dazu ziehen die Kontrahenten reihum Karten, die sie zu direktem Austausch nutzen können. Sie haben aber auch die Option, die Karten abzuwerfen und zum Teil deren Aktionsmöglichkeiten zu nutzen. Diese Fähigkeiten bringen den nötigen Reiz in den Spielablauf. Ist das Kartenziehen und Austauschen noch reine Glückssache, kommt nun Planung ins Spiel. Mit Hilfe der Optionen können die Spieler eigene und fremde Karten anschauen, teilweise müssen diese dann aufgedeckt werden, schließlich gibt es Kartenaustausch, der manchmal blind, andere Male mit dem Anschauen einer oder beider Karten gekoppelt ist. So wird aus dem völlig unbekannten Ritter, der vor einem liegt, einer, der immer mehr Teilinformationen preisgibt. Da findet die meisten Tauschaktionen dann nicht mehr völlig planlos statt. Wenn ich sehe, dass mein Nachbar einen gezogenen Harnisch in seine Rüstung einbaut, dann weiß ich, dass mit fast hundertprozentiger Sicherheit mein Recke in Unterhosen im Tausch aufgewertet wird. Wer gut beobachten kann und in seiner eigenen Auslage nicht durcheinander kommt, hat klare Turniervorteile. Mit diesem Überblick kommen dann irgendwann die Pferde zum Einsatz. Sobald eines für den Ritt in die Arena gerufen wird, sind alle übrigen Ritter nur noch einmal an der Reihe. Dann folgt der Akt der Offenbarung. Der Geschicklichkeitsmaßstab wird hier einfach in Stärkepunkte umgerechnet. Wer den wertvollsten Ritter ins Turnier schickt, vergleicht sich mit dem zweitbesten. Die Punktedifferenz wird in edlen Pokalen umgerechnet. Wer im Spiel zu viert, neun Siegestrophäen gewonnen hat, dem überreicht die holde Prinzessin Friederike nach einer halben Stunde eine goldene Kette.
Das allmähliche Kennenlernen der verdeckten Ritter in LANZELOTH übt einen hohen Spielreiz aus. Da ist manchmal die Anfangsfreude groß, wenn beim Nachschauen goldene Rüstungen in der Auslage sind. Aber sicher ist nichts. Ist einmal ein Rüstungsteil mit fünf Punkten aufgedeckt, wird es zum Wanderpokal, weil hier niemand die Katze im Sack kauft. Etwas Ärger muss man abkönnen, denn die besten Ritter werden gerne gefleddert. Deshalb ist es auch nicht die schlechteste Strategie, den Zeitpunkt, die Schlussrunde einzuläuten, früh zu wählen. Wer sich drei hohen Karten sicher ist, kann dies versuchen. Im Spiel zu zweit und zu dritt treten dabei durchaus große Punkteunterschiede auf, die die erforderlichen Siegpunktpokale bald erreichen lassen. Ab vier Spielern kommt es häufiger zu Gleichständen an der Spitze oder zu ganz geringen Differenzen. Dann kann es sich ganz schön ziehen, bis die nötigen neun Pokale im Besitz des Gewinners sind. Wir sind daher dazu übergegangen, dass die Spielezahl ab vier Kontrahenten der zu spielenden Rundenzahl entsprechen muss.
Der Ritterkampf von LANZELOTH nimmt in meiner persönlichen Wertungsreihenfolge ab sofort bei den Mogel-Spielen einen Spitzenplatz ein. Die witzig gezeichneten Karten, die den Kleinverlagscharme noch nicht abgelegt haben, sorgen für ein unterhaltsames Spiel, an dem auch Grundschulkinder ihre Freude haben.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: LANZELOTH
Autoren: Familie Loth
Verlag: Mogel
Alter: ab 7 Jahren
Spielerzahl: 2 - 6 Spieler
Spielzeit: ca. 20 - 30 Min.
Preis: ca. 10 Euro
Spiel 59/2017
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