Donnerstag, 26. September 2019
ZOO RUN
Schon fast 50 Jahre alt ist MIX MAX von Charlotte Töpert, ein Kartenpuzzle, in dem sich witzige Figuren ergeben. Vom Prinzip her ähnelt ZOO RUN von Florian Sirieix der alten Idee. Einerseits entstehen durch Aneinanderlegen von drei oder vier Karten lustige Tierbilder, andererseits ergibt die Zusammenstellung ein oder mehrere korrekte Tierabbildungen von Schildkröte, Panda & Co.
Der in Montpellier lebende Sirieix (IMAGINARIUM u.a.) entwickelt aus dieser Konstellation gleich zwei verschiedene Spielideen. Eine kooperative Tierrettung und ein kompetitiver Wettlauf der entflohenen Tiere. 30 längliche Tierkarten stellen das Legepotential für sein bei LOKI erschienenes Spiel dar. Stets sind oben, in der Mitte der Karte und unten Hinterteile und Köpfe von insgesamt fünf Tieren zu sehen. Auf den Karten sind links die Hinterteile, rechts die Köpfe, ein Feld bleibt frei. Manchmal tauchen auch Tierteile doppelt auf. Ausschließlich durch orthogonales Aneinanderlegen auf einer Höhe puzzeln die Kinder die Tierbilder. Bei drei Karten gibt es garantiert ein korrektes Tier, alles andere reizt zum Lachen. Besonders die Panda-Konstellationen sind witzig, so der »Ele-Pand« oder das »Pand-Lam«. Alle Wortschöpfungen stammen übrigens von Kindern, die zumindest anfangs viel Freude an den Tierbildern und der Namensgebung haben.
In der ersten Spielvariante dürfen bis zu fünf Kinder auf Tierrettung gehen. Je nach Spielerzahl befreien sie zwischen 15 und 40 Tiere aus einem großen Gehege. Sie arbeiten dabei gegen einen Zoowärter, der ebenfalls abhängig von der Spielerzahl sich nach jeder Runde um ein Feld Richtung Einzäunung bewegt. Die Kindergruppe gewinnt, wenn sie vor dem Eintreffen des Wärters alle Tiere befreien konnte. Alle Ergebnisse werden mehr oder weniger positiv bewertet.
In jeder Runde puzzeln die Kinder mit drei Karten möglichst viele Tiere passend zusammen. Dabei sollten sie häufiger mehr als ein Tier korrekt aneinanderlegen, sonst haben sie keine Aussicht auf den Gewinn. Die höchste Gewinnchance besteht übrigens im Spiel zu zweit, da reichen im Schnitt 1,4 Tiere pro Legevorgang. Zu viert wird es am schwersten, da müssen mit 1,75 Tieren manchmal möglichst drei richtige Tiere in der Auslage zu sehen sein.
Sind die Tiere befreit, treten sie zum „Rennen des Jahres“ an. Jeder sucht sich dafür ein Lieblingstier aus und hat nun sogar vier Karten für Puzzleergebnisse zur Verfügung. Jedes korrekte Tier wird mit einem Schritt auf der Rennbahn über 25 Felder belohnt. Puzzeln die Kinder, die bei dieser Variante schon sechs Jahre alt sein sollten, ihr eigenes Tier, geht es sogar zwei Felder voran. Zusätzlich gibt es ein Kronenplättchen zur Belohnung. Dieses dient als Gleichstandbrecher, wenn mehrere in einer Runde ins Ziel kommen, was durchaus passiert. Im Rennspiel gibt es durch die vier Karten nicht nur mehr Anlegeoptionen, auch nach der Runde können die Kinder optimiert in die folgende starten. Sie geben nämlich nur drei Karten ab und behalten eine. Wer das Lama liebt, wird möglichst eine Karte zurückbehalten, auf der zwei Lamas zu sehen sind, um dann vielleicht mehrfach doppelt zu punkten.
Schön gelöst ist, dass das Rennen in der Spielschachtel endet, wo ein Siegerpokal bereitsteht. Weniger schön fallen die etwas kleinen Lauffelder aus, für die es manchmal etwas eng für mehrere Rennboliden der Tiere wird. Grafisch ist die Arbeit Davide Tosellos aber ansprechend. Nur beim Erkennen des Luchses haben Kinder Probleme. Meistens deuten sie dieses Tier als Katze oder halten es für einen Ge- oder Leopard.
LOKI macht mit der Umsetzung der beiden Spielideen Vieles richtig. Das kooperative Spiel deckt das Anfangsspielalter ab, das sich anschließende Rennspiel unterhält auch noch Grundschulkinder. Spielmechanisch hätte der Autor aber für mehr Gerechtigkeit sorgen können. Das beginnt bei den oben beschriebenen unterschiedlichen Gewinnchancen und endet bei verschiedenen Vorkommen der Tierteile, deren Bandbreite von 28 bis 32 Kopf- und Hinterteilen reicht. Die Chance, mit einem Panda zu gewinnen, wird damit deutlich größer als mit der Schildkröte. Für den Panda gibt es 15 Köpfe und 17 Hinterteile, für die Schildkröte nur 13 Köpfe und 15 Enden. Das ist für ein Rennspiel zu unausgewogen. Um die Ungerechtigkeiten beim kooperativen Spiel auszugleichen, haben wir zu viert die Hausregel eingeführt, dass in jeder Runde die Spieler eine Karte tauschen dürfen. Damit besteht in dieser Konstellation durchaus eine Chance, die Aufgabe vor dem Zoowärter zu erfüllen.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: ZOO RUN
Autor: Florian Sirieix
Grafik/Design: David Tosello
Verlag: LOKI, Vertrieb: HUCH
Alter: ab 4 Jahren
Spielerzahl: 1- 5
Spielzeit: ca. 15 Minuten
Preis: ca. 16 Euro
Spiel 64/2019
KLEINANZEIGEN
„Kleine Welten“ nennt Frank Kunert seine Bildinszenierungen. Der 56jährige Fotograf sucht seine Objekte nicht in der Realität, sondern entwickelt Bildideen auf Märklinebene Spur 1. Er arbeitet damit nicht nur als exzellenter Fotograf, sondern ist außerdem perfekter Modellbauer. Seine Sichtweisen wirken real, sind aber bei genauer Betrachtung gebrochen, melancholisch, oft auch grotesk. Kunerts Bilder erfordern das genaue Hinsehen, den zweiten Blick.
Doppelt Hinsehen darf man nun auch in der gelungenen Kooperation des Frankfurter Verlages MeterMorphosen mit dem Inszenierungskünstler aus Boppard. Kunert spendiert dafür 36 seiner besten Motive, die er zusätzlich interpretatorisch mit einem Begleittext versieht, einer KLEINANZEIGE. Daraus macht der Verlag das, was häufig in seinem Programm auftaucht, ein MEMO-Spiel. Spieltechnisch ergibt dies dann Hausmannskost, gilt es doch ganz simpel der passenden Anzeige ein Bild zuzuordnen oder umgekehrt. Teilweise helfen Farben und Strukturen auf den Pappkärtchen weiter, so der Schnee bei der „geschlossenen Gesellschaft“, die den Tischvorsitzenden ausgrenzt und vor dem Fenster in eisiger Kälte sitzen lässt. Menschen sind auf Kunerts Bilder nicht zu sehen. Wir bemerken nur den gepolsterten leeren Stuhl, der in seinem geschwungenen Holzdesign den Stühlen am festlich gedeckten Tisch im warmen Wohnzimmer entspricht.
Selten habe ich erlebt, dass MEMO-Karten so lange und intensiv betrachtet werden. Der Verlag hat sich zum Glück nicht auf die üblichen kleinen quadratischen Bilder beschränkt, sondern bietet recht große Abbildungen im Format 8,5x6,5 cm an. Da kann man die Dachwohnung auf dem First mit separatem Eingang und dem „Gefühl von Freiheit“ genauer betrachten. Das gilt auch für die öffentliche Toilette, die in einer Bushaltestelle eingebaut ist. „Freiwillige“ werden „zur Abwicklung kleiner und großer Geschäfte vor Publikum“ gesucht. Die Zuschauerbänke stehen mehrreihig schon bereit.
Der Verlag spendiert dieser besonderen Kartenzusammenstellung eine ganz ausgefallene Umverpackung. Die 72 MEMO-Karten stecken in einem Leitz-Schuber. Die integrierte Tesafilmklebung verführt fast zum Abpulen des Klebers. Mit Register kommt die Spielanleitung daher, die weit über die übliche Spielregel hinausgeht. Sie berichtet ausführlich über die Arbeit des Künstlers und liefert eine Gesamtübersicht über alle Bild-Text-Kombinationen. Das ist alles so stimmig gemacht, dass Kunerts Spiel KLEINANZEIGEN im Juni dieses Jahres den Produktpreis FORM 2019 vom Bundesverband Kunsthandwerk erhalten hat. Auch wenn alles brüchig und morbide in Kunerts Bildern zugeht, die spielerische Umsetzung klappt perfekt. Nur die unterschiedliche horizontale und vertikale Ausrichtung der Karten gefällt mir nicht, außerdem finde ich die Alterseinordnung ab sechs Jahren sehr ambitioniert.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: KLEINANZEIGEN
Autor: Frank Kunert
Grafik/Design: Frank Kunert
Verlag: MeterMorphosen
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 2 und mehr
Spielzeit: ca. 15 Minuten
Preis: ca. 19 Euro
Spiel 63/2019
Mittwoch, 25. September 2019
1,2,3
Besprechung erscheint in der spielbox Heft 7/2019
Perepau Llistosella ist ein spanischer Spielerfinder aus der katalanischen Stadt Sant Cugat del Vallès. Für SIDIBABA (Hurrican) gewann er 2008 den Game Design Contest von Boulogne-Billancourt, der mit dem Wettbewerb für Spielautoren des Hippodice Spieleclubs bei uns vergleichbar ist. Bekannt ist er außerdem durch das Spiel zum großen Erdbeben in Kalifornien, 1906 SAN FRANCISCO, das im letzten Jahr bei Looping Games erschienen ist.
Sein Kinderspiel 1,2,3 hat er schon 2013 beim spanischen Verlag HomoLudicus veröffentlichen können. Inzwischen hat Devir Games das Spiel im Programm. Ein Verlag brasilianischen Ursprungs, der aber auch Niederlassungen in den USA und in Spanien besitzt. Die Devir-Fassung hat Piatnik 2019 übernommen.
...
1,2,3 ist ein klassisches KIM-Spiel, das in Kinderrunden gut ankommt, die Beobachtungsaufgabe reizt und fordert sie heraus.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: 1,2,3
Autor: Perepau Llistosella
Grafik/Design: Joan Guardiet
Verlag: Piatnik
Alter: ab 4 Jahren
Spielerzahl: 2 - 8
Spielzeit: ca. 15 – 25 Minuten
Preis: ca. 12 Euro
Spiel 62/2019
Donnerstag, 19. September 2019
MANDALA
100% Baumwolle, waschbar bis 60 Grad, auch das Bügeleisen darf bis auf 200 Grad hochfahren, das sind keine Angaben zu Krimimasters karierter Tischdecke, aber zu einem Objekt, das dank Aufhängung einerseits als Geschirrtuch taugt, aber viel besser auf dem Spieltisch landet. Die Zeiten von Skaiplänen, die man ständig gegenrollen musste, sind vorbei, jetzt darf man gegen Knicke auf der Leinenwäsche angehen.
Was soll diese profane Einleitung, wo mir das Spiel doch tiefsinnige Abschweifungen zu den vier edlen Wahrheiten des Buddhismus ermöglichen würde? Sie soll ganz simpel hinführen zu einem hervorragenden Zweipersonenspiel von Lookout, das Trevor Benjamin und Brett J. Gilbert entwickelt haben. Die beiden englischen Autoren nutzen farbenfrohe MANDALAs nicht zeichnerisch, nicht durch ein Legespiel, wie es Ferdinand Hein einst gemacht hat, sondern für ein taktisches Kartenspiel.
Die Genialität guter Spiele ergibt sich aus minimalem Regelaufwand und wachsender Spieltiefe. Eben dies gelingt den beiden Autoren mit MANDALA. Mit 108 Spielkarten in sechs Farben und einem einfachen Spielablauf auf dem Geschirrtuch ergeben sich spannende Duelle.
Die Spieldecke enthält zwei zentrale Mandala-Bereiche, in die Karten gespielt werden müssen, von dort wandern Teile in persönliche Wertungsflüsse und in Punktekelche. Jeder startet mit sechs Karten, zusätzlich landen verdeckt zwei auf dem jeweiligen Kelch. Im Zentrum der beiden Mandalas werden je zwei Karten offen aufgedeckt. Danach beginnt das Kartenduell. Der aktive Spieler legt entweder eine weitere Karte in ein Mandala-Zentrum und zieht maximal drei Handkarten nach. Dabei muss er auf das Limit von acht Karten achten. Alternativ darf er beliebig viele Karten einer Farbe in dem ihm zugewandten unteren Teil des Mandalas spielen. In beiden Fällen darf er Farben, die an anderer Stelle in diesem Mandala vorkommen, nicht nutzen und er muss prüfen, ob eines vollendet ist. Das tritt immer dann ein, wenn alle sechs Farben zu sehen sind. In diesem Fall wird die Kartenkonstellation in der Spielfeldmitte aufgelöst. Verteilt werden nur die ins Zentrum gespielten Karten. Alle anderen regeln mehrheitlich, wer den ersten Zugriff erhält. Taucht eine Farbe erstmalig in der persönlichen Sammlung auf, landet sie im Flussbereich der Spieler, der definiert, wie viele Punkte einzelne Farbkarten für sie wert sind. Die erste Farbe bringt einen Punkt, die sechste beendet das Spiel und wertet diese Farbe mit sechs Punkten. Taucht eine Flussfarbe später erneut auf, landet sie gleich auf dem Kelch.
Das sind schon alle Regeln. Am Ende, das gleichfalls eintritt, wenn der Zugstapel leer ist und noch ein Mandala gewertet wird, zählen nur die Kelch-Karten, die im Fluss nicht. Eine gute Kartenverwaltung ist wichtig für MANDALA. Stets müssen eigene und fremde Optionen im Blick behalten werden, wenn man selbst eine Wertung auslöst oder der Gegner kurz vor einer steht. Da schielt man auf hohe Flusspunkte, aber auch auf Überschüsse für den eigenen Kelch. Manchmal muss man sogar drei Karten einer Farbe opfern, um den ersten Zugriff zu bekommen, damit der Gegner nicht viele Karten mit Fünfer-Wertung in seinen Kelch bekommt. Das Taktieren um die Mandala-Wertung ist immer spannend. Nicht mit in der Wertung zu sein, ist nicht zu empfehlen. Die wenigen Regeln ergeben eine Spieltiefe, die man so anfangs gar nicht erwartet. Lookout dürfte im Bereich der Spiele für zwei Personen mit MANDALA an den Erfolg von Rosenbergs PATCHWORK anknüpfen. Ein herausragendes Spiel, das ich gerne ab sofort täglich spiele.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: MANDALA
Autoren: Trevor Benjamin, Brett J. Gilbert
Grafik/Design: Klemens Franz
Verlag: Lookout Spiele
Alter: ab 10 Jahren
Spielerzahl: 2
Spielzeit: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 22 Euro
Spiel 61/2019
Mittwoch, 18. September 2019
CONCERTO
Musik im Spiel ist nicht unbedingt ein attraktives Thema. Bis auf MAESTRO von Rudi Hoffmann, das Hans im Glück vor 30 Jahren eine Nominierung zum „Spiel des Jahres“ einbrachte, war bisher keine Spielidee so richtig erfolgreich. Mutig daher, wenn ein Kleinverlag mit seinem Spieleerstling in diesem Genre reüssiert.
Uwe Bursik aus Heuchelheim bei Gießen hat es gewagt, massiv unterstützt durch Till Meyer vom Spieltrieb-Verlag, der sich hier wieder einmal als produktiver Förderer des Erfindernachwuchses beweist. Bursik bedankt sich im Regelnachspann ausdrücklich bei Meyer und seiner Kollegin Nicole Stiehl für „die unfassbar wertvolle Unterstützung“.
Auf Meyers Hausgrafiker Christian Opperer hat Bursik allerdings (noch) nicht zurückgegriffen, sondern mit Zoë Gillies eine Grafikerin gefunden, die mit leichter Hand und etwas Ironie Cover und Karten seines Spiels illustriert hat. CONCERTO besitzt eine originelle Grundidee, die in vielen Kreisspielen für Kinder vorkommt, das Nachmachen und Wiederholen von Gesten. Thematisch koppelt er diesen Grundgedanken an die Gestik eines Dirigenten, der sein Orchester dirigiert.
Bursik bietet dazu seinen bis zu vier Dirigenten ein Orchester mit insgesamt neun verschiedenen Instrumenten an. Das reicht von der raren Orchester-Gitarre, die nur dreimal unter den 72 Karten auftaucht, bis zur fast inflationären Violine, die 14 Mal vorkommt. Mit fünf dieser Karten starten alle, zwei davon bilden das Start-Orchester. Die orchestrale Anfangsbestückung orientiert sich an der aktuellen Pulikumsnachfrage. Dazu werden drei Konzerte in drei Schwierigkeitsstufen offeriert. Auf der einfachen Stufe, die zwei bis vier Siegpunkte bringt, werden ein bis drei Instrumente gefordert. Auf mittlerem Niveau von fünf bis sieben Siegpunkten sind es zwei bis fünf Instrumente. Hier wird erstmalig die Orchestergitarre eingefordert. Auf hohem Niveau können dann bis zu 12 Punkte ergattert werden. Orffs Carmina Burana erfordert für das Dutzend aber sieben verschiedene Instrumente. Soweit bewegen wir uns noch auf dem Sammelniveau von Hoffmanns MAESTRO, wo es ebenfalls galt, zu vorgegebenen Musikstücken Instrumente auszulegen.
Das Besondere bei Bursik ergibt sich aus einer gekoppelten Auslage, die sich stimmig aus dem Musikthema ableitet. Jeder Instrumentenkarte, die vor den Spielern abgelegt wird, ist eine Dirigentengeste zugeordnet. Dazu wird ein Holzstein mit einem Gestensymbol wie beispielsweise einer Kreis- oder Stichbewegung verdeckt aus der Mitte aufgenommen, angesehen und dann mit der Gestenseite den Mitspielern zugewandt. Als Dirigent muss man sich nun merken, dass beispielsweise ein Kreisen des Taktstocks der Violine und der Stich der Trommel zugeordnet ist.
Wer am Zug ist, kann sein Orchester nur um eine Karte erweitern, dabei dürfen sich Instrumente nicht doppeln. Wenn das eigene Ensemble für ein angefordertes Musikstück ausreicht, darf dirigiert werden. Die Reihenfolge der geforderten Instrumente muss die Dirigenten exakt einhalten. Die Mitspieler kontrollieren die erforderlichen Bewegungen, die mit einem kleinen Taktstock vollzogen werden. Wer’s vergeigt, verliert Musiker und Gestenstein. Echte Maestros ernten den Lohn und die Siegpunkte, die sie auf einer Leiste bilanzieren. Sie müssen zwar auch ein Instrument und einen Stein entfernen, dürfen diesen aber frei wählen. In Vollbesetzung ist nach 20 Punkten und einer guten halben Stunde Schluss mit den Inszenierungen.
Neben den beschriebenen Aktionen können Sonderkarten mit Ärgerkomponenten zum Einsatz kommen, auch der Austausch von Handkarten oder Musikstücken ist möglich. Dass jemand Orffs Carmina Burana aufführt, habe ich nie erlebt, überhaupt wird das hohe Niveau eher selten angegangen. Wer aber eine Gitarre bekommt, sollte sie punkteträchtig einsetzen und sich deren Gestik genau merken, damit sie nicht das Orchester verlassen muss. Die Rocky Horror Picture Show bringt so die halbe Miete für nur vier Instrumente.
Bursiks erste spielerische Inszenierung weiß durchaus zu gefallen. Seine Kombination aus Memo und Gestik taugt als Familienspiel, in dem Kinder ihre Überlegenheit ausspielen können. Im Spiel mit Grundschülern würde ich aber auf die Sonderkarten verzichten. Das Austauschen oder Stehlen von Karten trägt nicht unbedingt zur Harmonie am Spieltisch bei. CONCERTO ist auch so ein äußerst interaktives Geplänkel. Da alle Optionen ausliegen, werde ich wahrscheinlich meine Rocky Horror Picture Show überhaupt nicht zur Aufführung bringen, da irgendein lieber Mitspieler mir die zehn Punkte nicht gönnen wird und diese schöne Karte unter dem Stapel der anspruchsvollen Stücke verschwinden lässt. Hier fehlt mir zumindest die einmalige Option einer Doppelaktion. Wer gut ist, hat ein großes Orchester mit möglichst fünf bis sieben Instrumenten vor sich ausliegen und kann sich alle dazu gehörigen Gestiken merken. Damit lassen sich viele einfachen Stücke bewältigen und manchmal die mittleren, ohne dass die Mitspieler intervenieren. Wer will, kann zur Maestro-Variante greifen, die stets neue Anforderungen für die Aufführungen bringt und die erforderliche Siegpunktzahl nach oben setzt.
CONCERTO ist ein beachtlicher Spieleerstling von Uwe Bursik, der ungewöhnliche Memoanforderungen zur Aufführung bringt, die mnemotechnisch interessant sind, da unterschiedliche Wahrnehmungskanäle angesprochen werden, die in der Kopplung zum besseren Einprägen führen. Regeltechnisch hätte ich den Einsatz der Sonderkarten nur optional vorgesehen, da sie nur frustresistenten Spielern zu empfehlen sind.
Die Umsetzung ist solide, die vielen Holzsteine für die Gesten ergeben den für das kleine Spiel stolzen Preis von knapp 30 Euro. Dem etwas klein geratenen Taktstock hätte der Verleger zumindest eine schwarze Lackfarbe spendieren können. Für die vier unterschiedlichen Kartenformen wären mir zur Sortierung vier Zip-Tüten lieber gewesen als die Gummibänder.
Uwe Bursik, der mir 2018 in Essen erzählt hat, dass er noch viele Ideen in der Schublade habe, belässt es nicht bei einem Spiel. Er wird 2019 die Musik im engeren Sinne verlassen und dem Summen von Bienen folgen. In dem Spiel AMBROSIA, diesmal mit Christian Opperer als Grafiker, treten die Kontrahenten als Nektarsammler auf. Überrascht hat Bursik außerdem damit, dass er den Vertrieb der Eagle-Gryphon Games für Deutschland übernimmt.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: CONCERTO
Autor: Uwe Bursik
Grafik/Design: Zoë Gillies
Verlag: Skellig Games
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 2 – 4
Spielzeit: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 30 Euro
Spiel 60/2019
Freitag, 6. September 2019
MIYABI
Vor zwei Jahren stellte Michael Kiesling auf dem Autorentreffen ein Gartenbauspiel vor. In der spielbox würdigte ich 2017 diesen Prototypen. „Kiesling hält das in Göttingen vorgestellte CRAZY GARDEN für eines seiner besten Spiele. Das Anspielen zeigte, dass es im Bereich der Gartenspiele neue Dimensionen eröffnet. Kieslings Garten entwächst der Eindimensionalität, schafft wertungsträchtige Hochbeete und besitzt für die Anbaurunden einen innovativen Sperrmechanismus.“
Damals war ich schon angetan, jetzt freue ich mich, dass Kieslings Idee als MYABI von Haba verlegt wird und zur Spiel in Essen erscheint.
Nachlesen können Sie meine Besprechung in der spielbox Heft 6/2019
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: MIYABI
Autor: Michael Kiesling
Grafik/Design: Studio Vieleck
Verlag: Haba
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 2 – 4
Spielzeit: ca. 45 Minuten
Preis: ca. 30 Euro
Spiel 59/2019
Mittwoch, 4. September 2019
SAUSEREI IM HEISSEN SAND
Claudia Stöckl verbindet ihre beiden Ausbildungen kongenial in der Umsetzung von ganz besonderen Spielen. Begonnen hat sie als Sozialpädagogin, spezialisiert und fortgebildet hat sie sich dann als Logopädin und war zwischen 2000 und 2004 in Donauwörth in dieser Rolle an einer Psychologischen Beratungsstelle tätig. Im Anschluss hat sie Design mit Schwerpunkt Illustration an der Fachhochschule in Münster studiert. Inzwischen gehört der diplomierten Designerin ein kleiner Verlag in Ingolstadt, in dem sie selbst kreiertes sprachtherapeutisches Material anbietet. Außerdem arbeitet sie freiberuflich als Illustratorin für verschiedene Verlage. Für Zoch hat sie beispielsweise das Kartenspiel PIG 10 liebevoll und kindgerecht illustriert.
Mit RITA RAUPE, RONNIE RATTE und den KLEINEN KNABBERKÄFERN trainiert sie spielerisch Laute, Mundmotorik und die visuelle Wahrnehmung. Das Angebot ihres Verlages Logofrosch ist in den letzten Jahren gewachsen und umfasst fast 20 Spiele. Mit der aktuelle Neuheit SAUSEREI IM HEISSEN SAND konnte sie sogar die Juroren für den Graf Ludo auf sich aufmerksam machen. Ihr Spiel ist auf der diesjährigen Nominierungsliste für den Grafikpreis gelandet.
Stöckls Rennspiel überzeugt nicht nur durch witzige Tiergrafiken und abenteuerliche Rennkisten wie den windschnittigen Boliden der rasenden Mais-Maus, sondern auch durch eine ordentliche Spielidee für ihre Version der Rallye Dakar.
Zu ihrem Wüstenrennen treten unabhängig von der Spielerzahl stets fünf rasante Rennfahrer an. Da ist Susi Suppenhuhn sausend in ihrem Suppentopf unterwegs, Rosa Rüssel rast mit ihrem Rübenflitzer oft an ihr vorbei. Der Mäuserich Klaus muss sich mit seinem Mais-Mobil sputen, damit er mithalten kann. Hans Hase hat es einfacher, er hängt mit seinem Segelboot meist in der Luft. In Sigi Saubärs Sofareisen-Bus nimmt sogar eine kleine Ameisenfamilie am Rennen teil.
Jeder Rennfahrer ist sechsmal auf quadratischen Pappkarten zu sehen, jeweils zweimal mit Fortbewegungsmöglichkeiten von zwei bis vier Feldern. Zusätzlich stecken in dem gut zu mischenden Kartenstapel vier Pikserkarten und viermal die Eisfee Sally. Mit Hilfe der KakteenKarten mit Piksfaktor darf ein beliebiger Rennteilnehmer um zwei Felder zurückgesetzt werden.
Sally sorgt für neue Motivation, bei ihr wird ein Rennauto zwei Dünen in Richtung ihres Eiswagens, der die Zieloase in der Wüstenlandschaft darstellt, vorgezogen. Zu Spielbeginn gibt jedes Kind einen Tipp ab, welcher Rennfahrer als erster bei Sally sein wird. Danach decken die Kinder reihum die Rennkarten auf und bewegen die Rennfiguren in der Wüste.
Stöckls Spielplangrafik zeigt dabei keine typische Rennstrecke. Ihre fantasievollen Boliden jagen über Dünenhügel oder Kakteenspitzen spiralförmig aufs Ziel zu. 20 Felder müssen sie in einem Auf und Ab überwinden, bis sie beim Schoko-Vanille-Erdbeereis gelandet sind, das ihnen Sally reicht. Der eigene Karten-Kraftstoff reicht nur für 18 Felder, da braucht es dann schon die Unterstützung durch Sally-Karten oder einen neu gemischten Kartenstapel. Pfiffig ist auch Stöckls Idee, zwei Blitzer in der Wüste aufzustellen. Immer wenn ein Fahrzeug dort landet, entscheidet ein Stapel mit Blitzerkarten, wer zwei Punkte im HEISSEN SAND kassiert und entsprechend zurückfahren muss.
Wer richtig tippt, gewinnt nach 15 bis 20 Minuten das Rennen. Spielen weniger als fünf Kinder mit, gewinnt das Kind, das mit seinem Tipp den Fahrer vorhergesagt hat, der von allen getippten Wagenlenkern am schnellsten im Ziel ist. Das kann im Duell auch der Vorletzte sein. Stöckls Regel sieht zwar vor, dass unabhängig von den Tipps alle Sauser die Eisoase erreicht haben müssen, was unsere Kinder aber nicht akzeptiert haben. Wenn der Gewinner feststand, dann war für sie Schluss. Es sei denn, man spielt mehrere Rennen hintereinander und vergibt Punkte für den Renneinlauf.
Ihrem logopädischen Anspruch wird die Autorin durch eine Rollenzuordnung der Spieler gerecht, die als kleine Reporter unterwegs sind, um das Wüstenrennen zu kommentieren. Es geht ihr dabei vor allem um die S-Laute. „Susi Suppenhuhn saust im Suppentopf über zwei Sanddünen davon!“ Nach ein paar Beispielen sind Erstklässler ruckzuck im selbständigen Reportagemodus, in dem sie ihren Rennverlauf begleiten.
Das Spiel lebt von den tollen Grafiken der Künstlerin, für die im Vordergrund die sprachtherapeutischen Effekte stehen. Stöckl ist nur in Ansätzen eine Spieleautorin, die Regeln sind rudimentär und reizen die spielerischen Optionen nicht aus. So geben die Kinder blind ihre Tipps ab und können durch das zufällige Aufdecken nur bedingt ihr gewünschtes Fahrzeug als Erstes ins Ziel bringen. Ein echter Kinderspielautor hätte etwas mehr Berechnung in die Tippphase und den Rennablauf gebracht. Alles wird schon kalkulierbarer, wenn alle Beteiligten mit drei Handkarten starten würden. Das macht das Tippen leichter und die drei Optionen ermöglichen eine gewisse Steuerung des Rennverlaufs. Die Blitzerlösung überzeugt die Kinder ebenfalls nicht. Warum muss Susi zurück, wenn doch Klaus auf dem Blitzer gelandet ist? Im Sinne der Beschleunigung des Spiels sollte diese Strafe nur eintreffen, wenn die Blitzerkarte genau den Rennfahrer abbildet, der beim Blitzautomaten steht.
Die SAUSEREI IM HEISSEN SAND überzeugt grafisch, ist therapeutisch gut einsetzbar und spielerisch in Ordnung. Mit Hausregeln wird es sogar ein richtig gutes Spiel. Da alle Karten als Paare oder Doppelpaare vorhanden sind, lässt sich zusätzlich eine klassische Partie MEMO mit dem Material spielen. Unter dem Motto SUCH DIE SAUSER verweist Stöckl auf diese Variante.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: SAUSEREI IM HEISSEN SAND
Autor: Claudia Stöckl
Grafik/Design: Claudia Stöckl
Verlag: Logofrosch
Alter: keine Angabe (ab 4 Jahren spielbar)
Spielerzahl: keine Angabe (2 – 5)
Spielzeit: keine Angabe (ca. 15 – 20 Minuten)
Preis: ca. 25 Euro
Spiel 58/2019
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