Samstag, 6. Februar 2021
KLEINE KLÄFFER
2020 war für Piatnik ein überaus erfolgreiches Jahr. Mit SPEEDY ROLL konnte der Wiener Verlag erstmalig den Preis für das Kinderspiel des Jahres gewinnen. Auch sonst war das Programm mit Spielen wie DRAGON MARKET, LAMA EXPRESS und KANALOA recht ansehnlich.
Zu den Herbstneuheiten gehörte KLEINE KLÄFFER des spanischen Autors von Félix Bernat Julián, der seit 2015 Spiele entwickelt. Er startete mit Eigenproduktionen wie dem DUELO PRIMIGENIO. Die erste Verlagsveröffentlichung kam 2019 mit MASATABAS bei GDM Games. Das Spiel von Piatnik ist erst seine dritte Veröffentlichung, die 2021 als CONCLAVE bei Reverse Games RG grafisch erwachsener überarbeitet erscheinen wird.
Einer recht abstrakten Kartenspielidee im Kampf um Farbmehrheiten hat der Autor einen Revierkampf von Hunden übergestülpt. Er versetzt uns nach New York in den Stadtteil Queens, dort geht es um die Neuaufteilung der Hundereviere. Letztlich entscheidet darüber ein Hundeparlament, der „Rat der kleinen Kläffer“, in dem um jede Stimme gekämpft werden muss. Es gibt sechs farblich gekennzeichnete Reviere, in denen Chihuahuas, Zwergspitze und Bulldogen ihr Unwesen treiben. Die Hunde gibt es in unterschiedlicher Verteilung in den Werten 1 bis 5, die für den Kartengewinn und die abschließende Abstimmung von Bedeutung sind.
Bis zu vier Spieler starten mit vier Handkarten, deren Revierzugehörigkeit aus den Kartenrückseiten ablesbar sind. In der Auslage wird der „Rat der kleinen Kläffer“ in einer 4x4 Auslage mit leerer Mitte offen präsentiert. Die restlichen Karten liegen als Nachziehreihe, sodass die Rückseiten der Farben erkennbar sind, an den Seiten aus.
Die Runden beginnen mit den Pflichtzügen, in denen eine Karte dem Hunderat zugefügt wird. Ergibt dadurch die Addition angrenzender Karten in der Reihe und Spalte einen Wert von 10 Punkten oder mehr, bekommt der Spieler zur Belohnung alle karten die mit der Farbe seines gelegten Hundes oder mit der Rasse übereinstimmen. Die gewonnenen Karten werden offen gesammelt und nach Revieren sortiert. Wer weniger Punkte erreicht, darf nur nachziehen, das gilt natürlich ebenfalls für den Gewinner von Karten. Falls mehr als vier Plätze im Hunderat frei sind, werden diese ergänzt.
Wenn die Karten der Nachziehreihen aufgebraucht sind, haben alle Beteiligten noch einen Zug und müssen die restlichen Handkarten den eigenen Revierreihen zuordnen. Dann wird in allen Revieren die Stimmmehrheit geprüft. Wer diese erreicht, sichert sich das Revier und darf diese Karten umdecken. Alle anderen müssen die Farbe offen liegen lassen, das sind dann die abschließenden Strafpunkte. Und genau diese gilt es im Blick zu behalten. Wer die wenigsten hat und mindestens ein Revier gewinnen konnte, ist am Ende Spielsieger.
Diese Wertungsregelung könnte zu sehr passivem Spielverhalten führen. Gegen Spieler, die meinen, nur eine Revierfarbe sammeln zu können, hat Bernat Julián eine Regel eingebaut, die optional ab der zweiten Runde genutzt werden darf. Danach kann jeder zu Beginn seines Zuges die Farbkarten eines Reviers an einen Mitspieler verschenken, der diese Farbe noch nicht hat. Diese Geschenkeregel führt automatisch zum Anhäufen von Minuspunkten, die gewöhnungsbedürftig „Schlechtpunkte“ genannt werden. Wer so fünf oder sechs Strafpunkte abbaut, sollte aber zur Sicherheit einen kleinen Wert dieser Farbe in sein Portfolio aufnehmen, sonst landet das „Geschenk“ wieder bei ihm. Nicht optional, sondern verpflichtend geregelt ist der Fall, dass durch passives Spielen alle 16 Felder belegt sind. Der Autor spricht dann von einer Krise im Hunderat, die so aufgelöst wird, dass der arme Betroffene jeden Hund in Spalte und Reihe aufnehmen muss, der nicht seiner Farbe und Rasse der gespielten Karte entspricht.
Thematisch und regeltechnisch ist KLEINE KLÄFFER ein Spiel- und Wertungskonstrukt, das mit seinen mathematischen Bezügen durchaus aus dem Hause Knizia stammen könnte. Im Spielablauf ist man nicht automatisch auf Kartengewinn hin orientiert. Die Aufnahmezwänge über die gelegte Tierrasse auch andere Farben mit in seine Auslage zu bekommen, führt doch dazu, dass man häufiger niedrigere Karten spielt, um nicht über den Wert 10 zu erreichen. Andererseits will man sich in bestimmten Farben die Mehrheit sichern. Da auch in Vollbesetzung zu viert nie alle Karten im Spiel sind, lässt sich die Endabrechnung nicht prognostizieren. Wichtig sind die Handkarten, mit denen man am Ende noch überraschend auf die Siegerseite kommen kann.
KLEINE KLÄFFER ist zwar Konstrukt, aber ein intelligentes, das mit der Idee eines ganz alten Piatnik-Spiels liebäugelt. 1987 hat Alex Randolph INDISCRETION veröffentlicht, bei dem die Kartenrückseiten Auskunft über die Kartenart gaben. Mit dieser Idee spielt der spanische Autor. Piatnik hatte damals einen mit 10.000 DM dotierten Ideen-Wettbewerb ausgeschrieben, dessen Ergebnisse in einem späteren Regelheft veröffentlicht wurden. Hier hätten die KLEINEn KLÄFFER auch gut hineingepasst.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: KLEINE KLÄFFER
Autor: Félix Bernat Julián
Grafik: Paletti-Grafik
Verlag: Piatnik
Alter: ab 10 Jahre
Spieler: 2-4 Spieler
Spieldauer: ca. 25-30 Minuten
Preis: ca. 10 Euro
Spiel 4/2021
Freitag, 5. Februar 2021
CHINA MOON
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
CHINA MOON Frösche auf Seerosensuche
Über zehn Jahre schmort die Spielidee schon in der Schublade Bruno Faiduttis. Angeregt wurde er durch David Parletts HASE UND IGEL. Ebenso wie Parlett wollte er ein Spiel entwickeln, das einfache Regeln besitzt, thematisch für Kinder ansprechend sein soll, ohne den Glücksfaktor auskommt und im Wesentlichen taktisch geprägt ist. Vor sieben Jahren veröffentlichte Faidutti das Spiel auf der Seite Game Cabinet (http://www.gamecabinet.com/rules/FlowerOfTheLotus.html), so dass es in den internationalen Test gehen konnte. Es hat bis Oktober 2003 gedauert, bis der Autor sein Spiel endlich in einer Schachtel verpackt erleben durfte. Eurogames hat sich Faiduttis Frühwerk angenommen.
Normalerweise werden Autor und Verlag am Anfang einer Spielbeschreibung erwähnt, bei CHINA MOON muss es der Grafiker sein. Vincent Dutrait zieht den Betrachter mit dem Schachtelcover in einen ganz besonderen Bann. Der uns neckisch zublinzelnde Frosch vermittelt Spielvergnügen, aber auch Kopfarbeit, wie die an der Stirn kratzende Pfote deutlich macht. Im Hintergrund spiegeln sich Spielgeschichte und Spiel im Wassertümpel unter dem Brückenbogen wider, alles in das silbrige Licht einer Vollmondnacht getaucht, CHINA MOON eben. Toll!
Ein melancholischer Mandarinerpel treibt in Gedanken an seine Auserwählte versunken durch Seerosenblätter dahin. Die Frösche, die vergnügt um ihn herumspringen, bemerkt er gar nicht, bis sie sich an ihn wenden. „Hübscher Erpel, warum weinst du?“ Da gesteht er seinen Kummer, dass er nicht wisse, mit welchem Geschenk er seiner Traumente seine Liebe gestehen könne. Es gebe nichts Schöneres als ein in einer Vollmondnacht gepflückter Seerosenstrauß, schlagen die Frösche vor und bieten sich gleichzeitig an, in Teams für die Zusammenstellung toller Sträuße zu sorgen.
Wir sind im Spiel. Jeder hat drei kleine Gummifrösche zur Verfügung, die über einen verschlungenen Wasserweg mit vielen Seerosenblättern zur Seeroseninsel gelangen wollen. Auf dem Weg dorthin können sie 16 wunderschöne Seerosen einsammeln, fünf blütenweiße, fünf butterblumengelbe und fünf karminrosa Lotusblumen, auch eine rare blaue, zusätzlich noch eine 17., die nicht erwünschte schwarze Blume. Die Frösche bewegen sich in großen Sprüngen voran, mit dem Sprung auf das nächste Seerosenblatt geben sie sich nicht zufrieden. Es muss stets das übernächste sein, wobei sie von Artgenossen besetzte Felder gar nicht erst mitzählen. Drei Frösche müssen so in einem Spielzug bewegt werden, wobei die Regel vorschreibt, dass es nicht nur die eigenen Frösche sein dürfen, die man bewegt, mindestens ein fremder muss dabei sein. Das macht auch Sinn, denn niemand käme sonst auf die Idee, eine schwarze Blume zu sammeln. Es macht auch deshalb Sinn, weil einige Sonderfelder gezielter genutzt werden können. Um diese zu verstehen, müssen wir uns an den Mandarinenterich erinnern. Er ist sich sicher, dass er am meisten Erfolg bei seiner Angebeteten mit möglichst vielen Blumen einer Farbe haben wird, so vergibt er für eine einzelne Seerose an die Frösche einen Punkt, für zwei einer Farbe aber schon drei Punkte, für drei sechs Punkte, so dass im Idealfall 15 Punkte erreicht werden. Ist dann noch die rare blaue Blume dabei, gibt es noch vier Punkte dazu, deren Erfolg nur durch einen kleinen Punktabzug von zwei Punkten durch die nicht so attraktive schwarze Seerose geschmälert werden kann. Über Sonderfelder werden die Spieler zum Tausch von Seerosen gezwungen, manchmal müssen auch Blumen wieder zurückgelegt werden. Das Spiel endet nach etwa einer halben Stunde Sprungvergnügen, sobald die letzten vier Seerosen auf der Seeroseninsel abgeerntet sind, dabei ist die blaue Blume stets die allerletzte, die gepflückt wird.
Die Geschichte ist märchenhaft-kindlich, das Spiel selbst aber kein Kinderspiel. Die Spielregel empfiehlt es für Kinder ab 12 Jahren, wobei auch Zehnjährige schon gut damit klarkommen. Der Würfel fehlt, dafür bietet die Fortbewegungsregel genügend Raum für die Entwicklung von Spielstrategien. Besonders beim Spiel zu dritt bleibt alles planbar und spannend bis zum Schluss. In der Vollbesetzung mit fünf Spielern ist man aber ganz schön abhängig vom Handeln der Mitspieler, wer da das letzte Spiel gewonnen hat, besitzt schlechte Karten in der aktuellen Runde. Bruno Faidutti, der französische Autor des Spiels, hat auf seiner Homepage Varianten zu CHINA MOON veröffentlicht, die u.a. auch eine sehr gute Zweierversion umfassen.
Eurogames hat die Vorlagen des Autors fast 1: 1 übernommen. Das gilt für die ganze Spielgeschichte, aber auch den Spielplan mit den meisten Sonderfeldern. Dazu gekommen sind nur kleinere Ergänzungen, wie zum Beispiel zwei Trampolinfelder, die einen Doppelzug ermöglichen. Ursprünglich haben sich die drei Frösche ein Feld, zwei und drei Felder weit bewegt, was durchaus Sinn macht und was Faidutti auch in seinen Sonderregeln wieder aufgreift. Ob CHINA MOON nun an den Erfolg des Vorbilds, HASE UND IGEL, anknüpfen kann, darf bezweifelt werden. Dazu fehlt dem Spiel doch etwas Tiefgang. Trotzdem bleibt es ein ordentliches Familienspiel, das in einem stimmigen Ambiente daherkommt. Wer es ausprobieren möchte, ohne gleich knapp 20 Euro zu investieren, kann ohne große regeltechnische Abstriche problemlos auf die Fassung von Game Cabinet zurückgreifen, optisch entgeht Ihnen dabei aber eine ganze Menge.
Wieland Herold
Titel: CHINA MOON
Autor: Bruno Faidutti
Grafik: Autor: Bruno Faidutti
Verlag: Eurogames
Spieler: 3 bis 5
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 18 Euro
Spiel 8/2004 R30/2021
Die Rezension erschien 2004 www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Bruno Faidutti, 1961 in Berlin geboren, ist ein französischer Spieledesigner, Historiker und Soziologe, der häufig mit anderen Spieleentwicklern wie Alan R. Moon, Bruno Cathala und Michael Schacht zusammenarbeitet. Seine erste Veröffentlichung BASTON stammt aus dem Jahre 1984. Inzwischen hat er meist in Kooperation rund 120 Spiele erfunden. Sein Bekanntestes ist OHNE FURCH UND ADEL, das er allein entwickelt hat. Das Spiel war 2000 zum „Spiel des Jahres“ nominiert, gewann den Kartenspielpreis À la carte der Fairplay und landete auf dem 6. Platz des deutschen Spielepreises. Bekannt sind außerdem noch Spiele wie BOOMTWON und DIAMANT (beide 2005, Empfehlungsliste der Jury). Aktuellere Spiele von ihm sind ELEPHANT RALLY (2020), GOLD RIVER (2020) und angekündigt DREADFUL CIRCUS (2021).
Donnerstag, 4. Februar 2021
AUF DEN SPUREN VON MARCO POLO
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Gutes Familienspiel: AUF DEN SPUREN VON MARCO POLO
Ravensburgers diesjähriges großes Familienspiel knüpft an die Start-Ziel-Spiele der 80er Jahre an, die für die damalige Zeit zu so beachtlichen Ergebnissen wie IN 80 TAGEN UM DIE ERDE und dem ausgezeichneten FLIEGENDEn TEPPICH geführt haben. 2004 begibt sich Reiner Knizia auf die Spuren von MARCO POLO und führt zwei bis fünf Reiselustige ab acht Jahren vom persischen Hormus über die Oasenstadt Kantshou ins chinesische Daidu, das heutige Peking. Knizia wäre nicht Knizia, wenn er nur ein einfaches Start-Ziel-Spiel dazu erfunden hätte. Bei ihm kann auch derjenige gewinnen, der als zweiter theoretisch sogar als letzter ins Ziel kommt, vorausgesetzt, er ist derjenige, der die meisten Goldkisten mitschleppt.
Die Reiseroute besteht aus nur 30 Feldern, sie kann recht schnell bewältigt werden, da besetzte Felder übersprungen werden dürfen. Die freien Felder stellen Anforderungen an die Kartenabgabe. So muss anfangs nur eine beliebige Warenkarte abgegeben werden, dann werden es zwei Warenkarten oder zwei Karten einer Farbe bis hin zu vier oder sogar fünf Karten, die speziellen Anforderungen genügen müssen. Die Spieler dürfen mit ihren Kamelfiguren beliebig weit ziehen, solange sie die entsprechenden Karten abgeben können. Wer keine passenden hat, darf rasten und ruhen, wobei er am Ende eines solchen „Zuges“ seine Kartenhand ergänzt. Dies kann er blind von einem Zugstapel tun oder er kann sich von fünf offen ausliegenden Karten eine auswählen. Spitzenpositionen werden bei der Zwischenwertung in Kantshou und bei der Schlusswertung in Daidu mit besonders vielen Goldkisten belohnt. So erhält der erste in der Oase Kantshou sechs Kisten Gold, derjenige, der auf dem Feld direkt dahinter ist, fünf Kisten usw., im Zielort sind es dann sogar sieben Kisten. Nach der Zwischenwertung beginnt das Rennen zur zweiten Etappe für alle neu. Alle starten von der Oase aus, unabhängig davon, ob sie auf der ersten Etappe hinterherhinkten oder vorn dabei waren.
Marco Polo ist im ausgehenden 13. Jahrhundert als siebzehnjähriger Jüngling zu dieser Reise gestartet und als Einundzwanzigjähriger schließlich in der Mongolenhauptstadt Kublai Khans, in Daidu, angekommen. Die vier entbehrungsreichen Jahre verdichten sich für die Spieler auf lockere 30 Minuten, wenn es lange dauert, ist die Spielkarawane eine Dreiviertelstunde unterwegs. Das Spiel ist schnell erklärt, die farbige Spielregel lässt kaum Fragen offen. Erwartet werden darf kein großartiges Taktikspiel, aber ein ordentliches Familienspiel, das an gute Ravensburger Traditionen anknüpft. Knizia bietet einfaches Spielvergnügen, nicht mehr und nicht weniger!
Wieland Herold
Titel: AUF DEN SPUREN DES MARCO POLO
Autor: Reiner Knizia
Grafik: Michael Bayer
Verlag: Ravensburger
Spieler: 2-5
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 30 - 45 Minuten
Preis: ca. 20 €
Spiel 7/2004 R29/2021
Die Rezension erschien 2004 www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Reiner Knizia, der weltweit produktivste Spieleautor, der auf inzwischen über 700 Spieleveröffentlichungen stolz sein kann, hatte bis 2000 schon einige Auszeichnungen gewonnen, darunter 1993 für MODERN ART und 1998 für EUPHRAT & TIGRIS. AUF DEN SPUREN VON MARCO POLO (BGG-Wertung aktuell 6,2) war ein solides Spiel, landete aber auf keinen Auszeichnungslisten.
Die besondere Leistung für die spielerische Adaption von DER HERR DER RINGE zeichnete die Jury „Spiel des Jahres“ mit dem Sonderpreis „Literatur im Spiel“ 2001 aus.
2008 erhielt er für KELTIS erstmals den Titel „Spiel des Jahres“ und das gleichzeitig im Doppelpack, da WER WAR’S den blauen Pöppel bekam.
Das Bild stammt aus dem Jahr 2001 und wurde im Februar 2001 am SAZ-Abend in Nürnberg aufgenommen. Die Hut-Partnerin Knizias ist Marieke Hoeber, Redakteurin bei Jumbo.
Mittwoch, 3. Februar 2021
FRANTIC FRANKFURT
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
FRANTIC FRANKFURT
Ich bin außer mir, neudeutsch: frantic! Da habe ich das fünfte Spiel der Goslar-Brüder vor mir und ihr Markenzeichen fehlt! Wo sind die Rauten? Vergeblich drehe und wende ich die kleine quadratische Schachtel und finde nur Spielkarten. Auch ihre Autorennamen suche ich vergeblich auf der Schachtel. Günter Burkhardt macht bei den Kronbergern mit FRANTIC FRANKFURT auf sich aufmerksam.
Zur schnellen Einordnung: FRANTIC FRANKFURT gehört in die Kategorie der rasanten Ablegespiele á la LIGRETTO und SPEED. Die Regeln sind denkbar einfach und sorgen trotzdem in der Ablegehektik immer wieder für Durcheinander und Kopfzerbrechen. 132 Karten in drei Farben sind im Spiel, Kartenwerte mit geraden Zahlen von 8 bis 20 und ungeraden Zahlen von 1 bis 13. Die Logik dieser ungleichen Verteilung ergibt sich aus den zwei Regeln für die Kartenablage:
1. Wird eine andere Farbe als die ausliegende gespielt, muss diese höher im Zahlenwert sein.
2. Wird die gleiche Farbe gespielt, darf dies nur mit einer ungeraden Zahl auf eine gerade erfolgen.
Diese einschränkenden Regeln machen eine gewisse Auswahl für die Kartenablage nötig. Jeder Spieler besitzt dazu einen Kartenstapel, den er loswerden möchte. Zehn Karten davon liegen in einem Vierer-, Dreier-, Zweierstapel und einer Karte vor ihm, die oberste jeweils offen. Vier Karten hat man also bei der aktuellen Ablage am Anfang im Blick. Abgelegt wird auf zwei bis vier Kartenstapel, je nach Spieleranzahl. Dazu zieht jeder am Anfang verdeckt eine Karte vom Nachziehstapel. Nachdem alle gleichzeitig ihre Karten umgedreht haben, geht’s los. Wer als erster seine zehn Karten los ist, klopft auf einen der Abwurfstapel, möglichst einen mit wenigen Karten, da die Reststapel unter den übrigen Spielern, nachdem sie auch fix Hand angelegt haben, verteilt werden. Gespielt wird bis ein Spieler nach dem Ende einer solchen Kurzrunde nur noch eine Karte im Nachziehstapel hat. Der hat damit nach zehn bis fünfzehn Minuten eine Partie Frantic Frankfurt gewonnen.
Wer sich dem Stress solcher hektischen Ablegespiele gern stellt, der muss sich FRANTIC FRANKFURT näher anschauen. Nicht weil hier jemand neue Legeregeln „erfunden“ hat, das sind letztlich willkürliche Setzungen, die einmal dieses und dann jenes von den Spielern verlangen, was mehr oder weniger lustvoll nachvollzogen werden kann, sondern weil phantasievolle redaktionelle Arbeit geleistet wurde. Eine Hommage an die Stadt Frankfurt und deren ehemalige und immer noch lebende Bewohner. Hier wird die Spielmechanik durchaus sinnvoll in Beziehung gesetzt zu den Bildmotiven. Die blauen Karten spiegeln das wirtschaftliche und politische Leben der Mainmetropole, die gelben Karten stellen Motive aus der Frankfurter Geschäfts- und Kulturwelt dar, vom Äpelwoi-Schenk bis J.W. v. Frankfurt. Das Rot führt uns letztlich in Frankfurts Nachtleben. Die Gebäudekarten haben die geraden Zahlen, Personenkarten sind in dem Spiel generell ungerade.
Tobias Goslar legt Grafiken vor, die auf Wiedererkennung angelegt sind. Er spielt mit Bildausschnitten und zoomt sich an die Objekte heran. So bekommen wir im Bildschnitt den hälftigen Reich-Ranicki mit demütiger Blickperspektive von unten noch gut mit, wenig später dürfen wir uns erhebend über seine dominierende Glatze freuen. Petra Roth ist in der Detailsicht allein an ihrer Amtskette erkennbar und Joschka mikrofongewaltig in allen Posen seiner jungen Jahre. Klasse Arbeit! Für das Spiel selbst macht diese Einteilung Sinn, so muss man sich bei den hohen Zahlen in Folge von Regel 2 nur noch auf Personen und gleiche Farben konzentrieren.
Leider sind rasante Spiele wie FRANTIC FRANKFURT nicht für jeden Spieler geeignet. Ungefähr gleiche Voraussetzungen in der Auffassungsgabe sollten bei den Beteiligten schon vorhanden sein, sonst kommt schnell Frust auf. Diejenigen, die nun gar kein Auge für neue Kartenkonstellationen auf dem Spieltisch haben, können eventuell bald doch etwas mit FRANTIC FRANKFURT anfangen, denn ursprünglich soll es ein Stichspiel gewesen sein, das der Autor Burkhardt auf dem Spieleautorentreffen 2004 in Göttingen Tobias und Roland Goslar vorgestellt hat. Auf ihrer Homepage kündigen die beiden Verlagsinhaber an, dass dort demnächst die Ausgangsregel für den Prototyp QUICK STOP veröffentlicht wird. Der Einsatz eines grünen Eddings wird allerdings notwendig werden. Für Ästheten ein Gräuel, vielleicht erweist sich diese Maßnahme auch förderlich für den Kauf eines Zweitspiels. Wie BONOBO und CRONBERG, zwei beachtliche Rautenspiele aus dem Verlag, lässt das Spielprinzip unendliche Variationen zu. Ich warte auf FRANTIC FRANKFURT mit einem Kanzler, der an der Leine liegt.
Wieland Herold
Titel: FRANTIC FRANKFURT
Autor: Günter Burkhardt
Grafik: Tobias Goslar
Verlag: Kronberger Spiele (www.kronberger-spiele.de)
Spieler: 2-4
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 10 Minuten
Preis: ca. 10 €
Spiel 6/2004 R28/2021
Die Rezension erschien 2004 www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der Realschullehrer Günter Burkhardt startete 1997 als 36jähriger zu Beginn gleich richtig durch. Er durfte sich nicht nur über MANITOU freuen, sondern hatte mit LANG LEBE DER KÖNIG und BÜRO CRAZY (beide FX Schmid) gleich zwei weitere Spiele in seinem Erstveröffentlichungsprogramm. BGG verzeichnet vorher noch Eigenpublikationen wie die QUASSELSTRIPPE (1994) und DAS LIEBLINGSSPIEL DES ADAM RIESE 1996.
MANITOU gefiel nicht nur den Juroren von Spiel des Jahres, es erreichte den fünften Platz beim Kartenspielpreis der Fairplay und den zehnten Platz beim Deutschen Spielepreis. Im Jahresrhythmus folgten mindestens zwei bis drei weitere Veröffentlichungen. Mit KUPFERKESSEL (Goldsieber) landete er 2002 erneut auf der Auswahlliste der Jury, gewann den österreichischen Titel Spiele Hit für Zwei und erreichte den achten Platz des Kartenspielpreises der Fairplay. Die Spiele MAORI (Hans im Glück, 2009) und POTATO MAN (Zoch, 2014) kamen auf die Empfehlungsliste der Jury Spiel des Jahres.
Beim Kartenspielpreis der Fairplay war er noch erfolgreicher, sein VOLLTREFFER (Berliner Spielkarten) gelangte 2000 auf den vierten Platz und mit VOM KAP BIS KAIRO (Adlung Spiele) erreichte er 2002 den ersten Platz.
Sein bisher größter Erfolg im Team mit seiner Tochter Lena war 2018 die Auszeichnung mit dem Kinderspiel des Jahres für FUNKELSCHATZ.
Von seinem Lehrerberuf hat er sich schon vor einiger Zeit beurlauben lassen. Er arbeitet inzwischen hauptberuflich als Spieleautor, engagiert sich in seiner Heimat in der Nähe von Bad Ditzenbach im Sportverein und ist für Die Grünen im Gemeinderat.
Das Bild zeigt Günter Burkhardt 2004 im Veröffentlichungsjahr des Spiels in Göttingen.
Dienstag, 2. Februar 2021
KRIEG UND FRIEDEN
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
KRIEG UND FRIEDEN: Nicht immer ganz friedlicher Kathedralenbau
Hinter dem Verlagskürzel TM-Spiele stehen der renommierte Spieleautor Klaus Teuber und sein Lieblingsredakteur Reiner Müller. Der Kleinverlag startete 1993 mit Teubers Spiel VERNISSAGE, das den Bronzeplatz beim deutschen Spielepreis erreichte. Das dann folgende KNOCK OUT von Wolfgang Panning landete immerhin noch auf dem achten Platz. Weitere Spiele blieben erst einmal auf der Strecke, da das Team die Betreuung des neu gegründeten Goldsieber-Verlages von Simba Toys überaus erfolgreich übernahm. 1997 wechselte das TM-Team nach dem Erfolg mit CATAN dann zu Kosmos. Danach gab es dann auch wieder TM-Spiele. 1998 MINISTER von Rudi Hoffmann, das auf die Auswahlliste der Jury kam und in diesem Jahr KRIEG UND FRIEDEN von Gerald Mulder.
Optisch verpackt wie ein großes Buch mit angedeuteten Leinenrücken und einer opulenten Kathedralen-Grafik auf dem Cover kommt das Spiel eindrucksvoll daher. Um den Bau dieser Kathedrale geht es in dem Spiel von Gerald Mulder. Bis zu vier Fürsten wetteifern um die Gunst ihres Königs im Ablauf der Jahreszeiten, in dem sie königliche Berater stellen, Arbeiter zum Bau der Kathedrale delegieren, eigene Höfe und Hütten bauen und gegnerische Ritter herausfordern. Für Bauteile der Kirche gibt es königliche Siegel, wer davon nach Errichtung der Kathedrale am meisten hat, gewinnt das Spiel.
Entscheidendes Steuerungselement sind Macht- und Schicksalskarten, mit denen man um die Position des Beraters steigert, Häuser und Arbeiterhütten baut oder kämpft
und sich verteidigt. Man muss Sorge tragen, dass der Kartennachschub nicht ausbleibt, sonst muss man den König um Gnade anflehen. Kartenglück und strategische Planung halten sich die Waage. Das Spiel bietet viel Interaktion, hat tolles Material und besitzt einen schönen Spielrhythmus in seiner Orientierung am Jahresablauf. Trotzdem stört mich die abschließende Dachabdeckung, die fast jedes Mal den Gewinner bestimmt. Damit hängt zu viel von der letzten Bietrunde ab und den Karten die man genau in diesem Moment auf der Hand hat. Das liegt auch daran, dass man drei Siegel für das Dach erhält, was meistens für den Schlusssieg reicht.
(Wieland Herold)
Spieletelegramm:
Titel: KRIEG UND FRIEDEN
Autor: Gerald Mulder
Grafik: Franz Vohwinkel
Verlag: TM-Spiele
Spielerzahl: 2-4
Alter: ab 12 Jahre
Spieldauer: etwa 90 min
Preis: ca. 59.00 DM
Spiel 21/1999 R27/2021
Die Rezension erschien 1999 unter www.spielundautor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Gerald Mulder ist ein 51jähriger holländischer Spieleautor, der zwischen 1998 und 2000 eine besonders erfolgreiche Phase hatte.
KRIEG UND FRIEDEN veröffentlichte er 1998 als CHARLEMAGNE, da wurde statt der Kathedrale noch eine Burg errichtet. Es folgte WORTELBOER für den Eigenverlag Think-Games, ein Jahr später kam dann sein größter finanzieller Erfolg mit BIG BROTHER: DAS SPIEL für Jumbo, das dann auch Verlage wie Hasbro und Clementoni übernahmen.
Montag, 1. Februar 2021
ALI BABA
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Scheherezade als Spielautorin
In der Vorgeschichte dieses im April '93 bei Abacus erschienenen Spieles von Ian Livingstone, dessen Vorläufer das Versicherungsspiel CALAMITY ist, taucht Scheherezade ausnahmsweise einmal nicht als Geschichtenerzählerin, sondern als Spieleautorin auf. Sie lenkte ihren Sultan über einige Nächte mit dem zauberhaften Spiel von ALI BABA ab. In Livingstones Spiel übernehmen die Spieler Räuberrollen und ergaunern sich ein möglichst großes Vermögen.
Sieht man einmal von diesem verwerflichen Tun ab, das nur dadurch relativiert wird, dass ALI BABA von Zeit zu Zeit einige Banditen zur Strecke bringt, hat der Abacus Verlag ein spannendes Familienspiel für 2 bis 6 Spieler produziert, das viel Spielspaß bringt.
Insgesamt zweimal wird die schöne ALI BABA-Figur über einen 52-Felder-Kurs in Basra gesteuert. 24 Bewegungskarten mit unterschiedlicher Zugweite von 1 bis 5 Feldern stehen den Spielern pro Runde zur Verfügung. ALI BABA kann auf leere Felder gesteuert werden, auf denen man Beute machen kann, auf Felder mit farbigen Symbolen oder auf Ereignisfelder. Die Verbrecherbanden Basras, derer man sich bedienen kann, sind Schwindler, Diebe, Betrüger und Räuber. Jede Bande besteht noch aus vier weiteren Untergruppen. Besitzt man alle vier Mitglieder einer Gruppe, kann man das Doppelte erbeuten, geht aber auch ein höheres Risiko, erwischt zu werden, ein. Auf den leeren Feldern dürfen bis zu drei Banditenkarten erworben werden. Landet Ali Baba auf einem farbigen Symbolfeld, dann ist er der Bande in dieser Farbe auf der Spur. Alle Bandenbesitzer dürfen sich loskaufen, pro Bandenkarte kostet das 20 Piaster. Die Spieler können auch untereinander Karten frei verkaufen. Jeder Räuber besitzt eine persönliche Schicksalsrolle in einem 6x6-Raster. Je nach Beutewert der Räuberkarte sind mehr oder weniger Zahlen gekennzeichnet. ALI BABA würfelt mit zwei Würfeln die "Trefferzahl' aus. Dies geschieht in zwei Stufen. Nach dem ersten Wurf, der die Zahlenreihe festlegt, kann man immer noch seine Räuberkarte abstoßen, nun aber gegen 100 Piaster. Sollte man nach dem zweiten Wurf mit einer entsprechenden Karte erwischt worden sein, muss man vor den Kadi. Jetzt wird es teuer: Teure 200 Piaster kostet die Bestechung des Kadis.
Am Ende der ersten Runde wird ausgezahlt. Für jedes Bandenmitglied erhält man den Wert der Beute, besitzt man die gesamte Bande, gibt es den doppelten Wert. Dann geht es in die zweite Runde, die nach dem gleichen Schema, wie oben beschrieben, abläuft.
Das Abwägen zwischen dem Risiko, erwischt zu werden oder doch noch durchschlüpfen zu können, macht den großen Spielreiz dieser Spielentwicklung aus. Die Steuerungsmechanismen über die Bewegungskarten lassen gewisse taktische Freiräume zu, obwohl das Spiel hauptsächlich von den Schicksalswürfen der beiden Würfel abhängt. Hier liegt aber auch die enorme Spielspannung, der es wohl zuzuschreiben ist, dass Scheherezade über mehrere Monate hin auf das Geschichtenerzählen verzichten durfte, da der Sultan ganz wild auf die Schatzjagd bei Ali Baba war.
(Wieland Herold)
Spieletelegramm:
Titel: ALI BABA
Verlag: Abacus
Autor: Ian Livingstone
Grafik: Hartmut Gärling
Spielerzahl: 2-6
Alter: ab 10 Jahre
Spieldauer: etwa 90 min
Preis: ca. 50.00 DM
Spiel 23/1993 R26/2021
Die Rezension erschien 1993
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der 71jährige Ian Livingstone ist vor allem als Gründer von Games Workshop bekannt. Zusammen mit seinem Partner Steve Jackson brachte er DUNGEONS & DRAGONS 1975 nach Europa und übernahm 1977 den Vertrieb von Citadel-Figuren. 1978 wurde der erster Laden eröffnet.
1982 erschien das erstes Fantasyabenteuerbuch der beiden Autoren, DER HEXENMEISTER VOM FLAMMENDEN BERG. Innerhalb weniger Monate wurden zehn Auflagen davon verkauft, auch in Deutschland war das Buch ein riesiger Erfolg, der Thienemann Verlag übernahm die Rechte. Die Reihe wurde fortgesetzt und ist inzwischen weltweit über 15 Millionen Mal verkauft worden.
Mitte der 90er Jahre wechselte Livingstone in den Computerspielsektor. Er war vor allem für Eidos Interactive tätig.
Livingstone hat einige Spiele veröffentlich, darunter BOOM TOWN (1990), LEGEND OF ZAGOR (1993) und eben ALI BABA (1993). Keines seiner Spiele konnte an die Erfolge der Bücher heranreichen
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