Donnerstag, 24. Dezember 2015
FLYING KIWIS
Früher flogen Hütchen in Zielfelder, inzwischen sind es Kokosnüsse, Heuschrecken und sogar neuseeländische Kiwis. Bekanntlich sind die kleinen Schnepfenstrauße, wie sie auch genannt werden, nicht flugtauglich und nachtaktiv. Was liegt also näher, als sich zur Geisterstunde in einen Früchtetransport mit Kiwikisten einzuschmuggeln, um einen Flug in ferne Gefilde zu bekommen.
Soweit die an den Vogelhaaren herbeigezogene Vorgeschichte der FLYING KIWIS von Marco Teubner und Frank Bebenroth. Der Rest ist klassische Spielvorbereitung, Mechanik und Geschicklichkeit. Ein Zielgitter wird mit Pappstreifen in 16 Kiwikisten verwandelt. Für den Vogelflug dient keine Wippe, sondern eine Abschussrampe mit Gummizug. Die Kiwis fliegen auch nicht in voller plastischer Größe, sondern als runde Scheiben, 40 Vögeln in vier Spielerfarben, durch die Wohnzimmerlandschaft.
Das Spielziel zeigt, dass wir sehr eigenwillige Vögel vor uns haben, die beachten keine Zugreihenfolge und haben sogar Sonderwünsche. Am liebsten sitzen sie in Gruppen zusammen, deshalb beenden sie das Einchecken sofort, wenn eine Kiwi-Familie eng im Viererquadrat zusammengluckt. Sonst ist Schluss, wenn alle in der Kiste sind. Wer oben aufliegt, sammelt alle Kiwis darunter für seine Siegbilanz. Wer dann den höchsten Kiwiturm hat, gewinnt die FLYING KIWIS nach schnellen zehn Minuten.
Anfangs merken alle, dass es sich um besonders tollpatschige Schnepfenvögel handeln muss. Bei den ersten Versuchen wollen sie noch nicht so richtig von der Rampe abheben, trudeln durch die Luft oder rutschen über die Kante. Das ändert sich aber schnell. Schon nach wenigen Probeflügen landen sie im Kisten-Quadrat und nach ein paar Runden hat man das Gefühl, dass man tatsächlich das schnelle Spielende gezielt herbeiführen kann. Das ist auch notwendig, denn sonst macht das Aufheben der Spielreihenfolge keinen Sinn, da alle dann Kiwis für das Ende aufheben, um oben zu liegen.
Altersmäßig liegt Huch! & friends völlig neben der Empfehlungsspur. Für Kindergartenkinder ist das nichts! Die kommen mit dem Abzugmechanismus nur ganz selten klar. Schulkinder beherrschen das besser und haben Spaß daran. Das größte Vergnügen habe ich allerdings in reinen Erwachsenenrunden mit dem Spiel erlebt. Dort kann es tatsächlich zu einem Gerangel um das vorzeitige Spielende kommen. Was mir trotzdem nicht gefällt, ist die Aufhebung der Spielreihenfolge, die auch für das normale Abrechnungsende gilt. Da fehlt entweder eine Sanduhr oder man legt fest, dass die ersten acht KIWIS wild durcheinanderfliegen dürfen, die letzten aber nach Spielerreihenfolge, bei der der Spieler beginnt, der zu dem Zeitpunkt die meisten Kisten besetzt hält. Dann wird FLYING KIWIS zu einem guten Familienspiel, das aber gegen die Kokosnuss-Katapulte von CRAZY COCONUTS keine Chance besitzt.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: FLYING KIWIS
Autoren: Marco Teubner und Frank Bebenroth
Verlag: Huch!&friends
Spielerzahl: 2 - 4 Spieler
Alter: ab 5 Jahren
Dauer: ca. 10 Minuten
Preis: ca. 20 Euro
SAG'S MIR! JUNIOR
Das gelungene Partyspiel TIME’S UP ist umbenannt worden, unter SAG’S MIR! läuft nun die Reihe von Peter Sarrett erfolgreich weiter. Erfolgreich wahrscheinlich deshalb, weil die Hürde bis zur Pantomime durch zwei Vorrunden deutlich gesenkt wird. In der ersten Runde wird umfänglich umschrieben, wogegen die zweite Runde nur noch ein erklärendes Wort zulässt. Erst danach, wenn die ratende Gruppe den Begriff schon zweimal hören durfte, kommen darstellerische Fähigkeiten zum Einsatz.
Die Idee gibt es nun auch in einer Ausgabe „für die Kleinsten“. SAG’S MIR! JUNIOR ab vier Jahren vereinfacht das System durch Bildkarten und durch die Verkürzung auf zwei Spielrunden. In der ersten wird das Bild beschrieben, in der zweiten nur noch pantomimisch oder durch Geräusche zum Ausdruck gebracht.
20 von den insgesamt 220 Bildkarten kommen in die Raterunde. Innerhalb der Durchlaufzeit einer großen Sanduhr müssen die Kinder alle Bilder erraten. Die Spielregel legt nahe, dass der Vorführer in den ersten Runden und für die ganz Kleinen ein Erwachsener sein sollte. Sechsjährige können sich mit doppelter Sandrieselzeit auch schon alleine mit dem Spiel beschäftigen, allerdings macht es Sinn, einige schwerere Begriffe vorher auszusortieren.
Peter Sarrett bricht seine Klassiker-Idee ganz wunderbar auf Kinderniveau herunter. Die Einbindung von Eltern und Erziehern als Erklärende am Anfang ist ganz wichtig. Die Kinder werden mit den Begriffen vertraut gemacht und erkennen sie wieder. Danach müssen es aber nicht erst Sechsjährige sein, die sich nun selbst an der Erklärung versuchen. Vierjährige können das auch schon! Da wird dann zwar oft nur ein Begriff zur Erläuterung genannt, das reicht aber meist aus. Wichtig ist das gemeinsame Lachen über die pantomimischen Versuche, die den Kleinen auch Spaß machen. Für die Sprachentwicklung, für die Förderung der Kreativität ist SAG’S MIR! JUNIOR ein Muss für jede Familie mit Kleinkindern, für jeden Kindergarten und für jede Vorschule. Steht mit großer Berechtigung auf der Empfehlungsliste für das Kinderspiel des Jahres 2016.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: SAG’S MIR! JUNIOR
Autor: Peter Sarrett
Verlag: Asmodee / Repos
Spielerzahl: 2 - 12 Spieler
Alter: ab 4 Jahren
Dauer: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 20 Euro
BURG SCHLUMMERSCHATZ
Was Haba in die kleinen Mitbringschachteln packt, sind nicht nur tolle Kindergeburtstagsgeschenke, sondern oft genug überraschend gute Spielideen. Häufigster Autor ist Heinz Meister, der schon seit den frühen 80er Jahren Spiele erfindet. Die BURG SCHLUMMERSCHATZ reiht sich ein in eine Phalanx guter Kinderspiele, zu denen HOPPA GALOPPA (2012), ERTAPPT UND GESCHNAPPT (2012), KRIMS-KRAMS (2011), die KNUSPER-HEXE (2009), KLEINER TEDDY (2008) und viele noch ältere Spiele gehören.
Heinz Meister, der für SCHWEINSGALOPP und KARAMBOLAGE in den 90er Jahren den Sonderpreis Kinderspiel erhalten hat, ist neben Reiner Knizia der Autor, der es am besten versteht, klassische Grundideen geschickt zu variieren. Was er aus dem MEMO-Gedanken in BURG SCHLUMMERSCHATZ macht, ist hohe Kunst!
Die Burg in seinem Spiel lässt er nicht allzu gut bewachen. Das ist auch nötig, da die Spieler hier in die Rolle von Langfingern schlüpfen, gilt es doch, Schlafmünzen zu sammeln. 24 davon liegen zwischen zwölf Burgwächtern aus. Fuchs und Hase, Löwe und Maus, sehr witzig von Gabriela Silveira gezeichnet, wirken neben den Münzen noch ganz munter, aber die Wache dauert und dauert und Ablösung ist nicht in Sicht. Da klappt schon bei dem einen oder anderen Tier mal das Augenlid zu.
Das können die Kinder überprüfen, indem sie aus der Innenauslage passende eingeschlafene Tiere aufdecken. Liegen zwischen den entdeckten Schatzwächtern Schlafmünzen, dann wandern sie in den Besitz eines Kindes. Die kleinen Diebe suchen in BURG SCHLUMMERSCHATZ also nicht nach identischen Pärchen, sondern sind auf der Suche nach Paaren, die in Innenauslage und Bewachungskreis übereinstimmen und zudem noch nebeneinander Wache schieben. Eine ausgezeichnete Variante des schon unendlich variierten MEMO-Spiels.
Sobald alle Schlafmünzen weg sind, endet BURG SCHLUMMERSCHATZ und die Tiere finden ihre verdiente Ruhe. Das Kind, das am wachsten war, wird die meisten Münzen eingesammelt haben und organisiert vielleicht den Wachdienst neu. Nein, im Gegenteil, es wird zum Oberräuber, zum Robin von SLEEPY CASTLE ernannt und will natürlich diesen Titel in der nächsten Runde verteidigen.
Kinder sind begeistert, Erwachsene spielen bereitwillig mit und stellen sich immer wieder gern dieser raffinierten MEMO-Anforderung. Da sieht man auch als Älterer darüber hinweg, dass Diebe die Hauptrolle bei Heinz Meister spielen, solange es nur um Schlafmünzen und Schlafmützen geht, ist das noch hinzunehmen.
Auch den Kinderspieljuroren der Jury "Spiel des Jahres" hat dieses Spiel gefallen. Es ist 2016 das einzige von Haba stammende empfohlene Spiel auf der blauen Liste. Dafür hat der Verlag aus Bad Rodach es mit KARUBA immerhin zu einer Nominierung für den roten Pöppel geschafft.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: BURG SCHLUMMERSCHATZ
Autor: Heinz Meister
Verlag: Haba
Spielerzahl: 1 - 4 Spieler
Alter: ab 4 Jahren
Dauer: ca. 10 Minuten
Preis: ca. 8 Euro
MASKENBALL DER KÄFER
Das waren noch Zeiten, als die Firma Selecta ein echter Konkurrent der großen gelben Schachteln aus Bad Rodach war. Die Auszeichnungen der Jury „Spiel des Jahres“ im Kinderspielbereich starteten 1989 mit dem traumhaft schönen GUTE FREUNDE von Alex Randolph. 2002 und 2003 folgte ein Doppelsieg mit MASKENBALL DER KÄFER und VIVA TOPO, auch danach war Selecta mit hervorragenden Spielideen immer wieder auf vorderen Plätzen. Herausragend dabei die zum "Kinderspiel des Jahres" nominierten Spiele MARE POLARE, MAGO MAGINO, GIRO GALOPPO, PIRATISSIMO, RETTET DEN MÄRCHENSCHATZ, CURLI CULLER, ZOOWABOO und TURI-TOUR. Zehn Jahr lang, zwischen 2001 und 2011 setzte Selecta in Hinblick auf Materialqualität und Kreativität die entscheidenden Akzente. Danach zog sich der Verlag leider zurück und konzentriert sich seitdem wie früher auf Spielzeugproduktion und einfache MEMO- und DOMINO-Varianten.
Claudia Geigenmüller hat als Redakteurin, bevor sie zur Konkurrenz Drei Magier Spiele nach Berlin wechselte, zur Qualität dieses Programms beigetragen. Nach Mutterschutz und Elternzeit ist Geigenmüller nun für Ravensburger als Spieleagentin und für Pegasus als Redakteurin tätig. Was passt besser zu ihrem Start, als dass sie mit VIVA TOPO, MASKENBALL DER KÄFER und ZOOWABOO gleich drei Highlights aus dem attraktiven Programm Selectas neu präsentieren darf. Grafisch sind die Ideen völlig überarbeitet, knüpfen aber vom Holzmaterial an alte Selecta-Qualität an. Die Firma aus Edling liefert nämlich die Spielfiguren.
MASKENBALL DER KÄFER eröffnete zu Beginn des neuen Jahrtausends eine ganze Flut von Magnetspielen. Für den Autor Peter-Paul Joopen war es erst sein drittes Spiel und gleich die zweite Auszeichnung. Hätte es 1997 schon die Auswahlliste gegeben, wäre sein erstes Spiel WILLI WICHTEL (Amigo) mit Sicherheit mindestens auf der Liste gelandet. Zwei Jahre später hat er für das kreative Eisstochern in KAYANAK (Haba) den Kinderspielpreis erhalten.
Joopen arbeitet auf besonders sympathische Art und Weise mit dem magnetischen Prinzip der Abstoßung und Anziehung. Thematisch und gestalterisch wurde das wahrscheinlich nie so schön dargeboten wie im MASKENBALL DER KÄFER. Acht Marienkäferfiguren sind mit Magnetmündern ausgestattet, die die Anziehungskraft durch einen plastischen „Kuss“ zum Ausdruck bringen, die Ablehnung mit einer deutlichen Kehrwendung.
Die acht Marienkäfer starten von Blütenblättern aus zum Maskenball. Damit sie möglichst bunt verkleidet dort erscheinen, tauschen sie ihre anfangs fünf einfarbigen Käferpunkte – kleine Holzstäbchen – in verschiedenfarbige. Dazu müssen sie sich untereinander besuchen, mögen sie sich, dürfen sie Stäbchen tauschen, falls sich einer abwendet, geht’s zurück zum eigenen Blütenblatt. Der Spielmotor ist ein Drehpfeil, der auf dem Spielplan angebracht ist. Solange der Pfeil auf ein Blütenblatt gedreht wird, darf der dort sitzende Marienkäfer zu einem anderen Käfer fliegen und sein Tauschglück versuchen. Bleibt der Pfeil aber zwischen zwei Blütenblättern stehen, kommen Ameisen ins Spiel, die sich ebenfalls am Maskenballbüfett laben wollen. Dadurch wird der MASKENBALL DER KÄFER zum kooperativen Miteinander.
Das Bestreben der Kinder ist groß, mit den acht Marienkäfern schneller vollständig zum Fest zu erscheinen als die Ameisen. Da helfen sich die Kinder gern untereinander und geben die richtigen Tipps, bei welchen Käfern Kusserfolge garantiert sind. Die Spielgeschichte kommt ganz toll an, sie sorgt für Spielspannung und Spielatmosphäre, die auch erwachsene Mitspieler in ihren Bann zieht. Viel besser kann Spielfreude über das Spielmaterial und über die Spielgeschichte nicht transportiert werden.
Die neue Umsetzung mit den Grafiken von Anne Pätzke ist gelungen und an den fantastischen Holzfiguren hat sich nichts geändert. Auszeichnungen kann dieses Spiel zwar nicht mehr ernten, aber es ist schön, dass es wieder auf dem Markt ist. Wir dürfen nun gespannt sein, wie Claudia Geigenmüller bei Pegasus mit neuen Ideen an ihre vielen Erfolge bei Selecta und Drei Magier Spiele anknüpfen wird.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: MASKENBALL DER KÄFER
Autor: Peter-Paul Joopen
Verlag: Pegasus
Spielerzahl: 2 - 6 Spieler
Alter: ab 4 Jahren
Dauer: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 25 Euro
DIE GUTEN UND DIE BÖSEN GEISTER
Der vor elf Jahren verstorbene Altmeister der Spielautoren, Alex Randolph, geistert immer noch durch die Spielewelt. Nicht nur mit seinen Klassikern TWIXT und SAGALAND, sondern wieder und wieder mit Neuauflagen. 2015 hat das schon vor 40 Jahren erschienene WÖRTERKLAUER bei Steffen Spiele eine Neubelebung erfahren. Ein weiteres Spiel von ihm begeistert anscheinend besonders. Seine GEISTER sind 1982 in der Erstauflage von Bütehorn auf der „Empfehlungsliste Spiel des Jahres“ gelandet. Schmidt Spiele hat sie dann 1984 übernommen, aus den ursprünglichen GEISTER(n) waren DIE GUTEN UND DIE BÖSEN GEISTER geworden. So kam das Spiel 1992 zu Noris und 2001 zu Drei Magier, damals noch unter der Ägide Johann Rüttingers. Ganz aktuell liegt eine Asmodee-Ausgabe auf dem Spieltisch.
Obwohl so viel Zeit seit dem ersten Erscheinen ins Land gegangen ist, an der Spielvorbereitung hat sich nichts geändert. Da müssen 16 jungfräuliche Geisterfiguren durch rote und blaue Stecker erst einmal zu guten und bösen Geistern werden. Randolphs Regel gehört zu den kürzesten der Spielgeschichte. Auf einem 6x6 Feld stehen sich jeweils acht Geister im rechteckigen Block gegenüber. Wechselseitig werden die Gespenster orthogonal gezogen. Trifft dabei ein Geist einen anderen, wird dieser unabhängig von seinem Charakter geschlagen. Wer so vier gute Geister des Gegners schlägt, gewinnt sofort, umgekehrt gilt das auch, wer vier böse Geister fängt, verliert sofort. Schließlich können die Kontrahenten versuchen, einen guten Geist über die gegnerischen Eckfelder aus dem Spielfeld zu führen.
Das ist schon das ganze Regelwerk, aus dem sich immer wieder ein hochspannendes Duell ergibt. Das geht mit dem Aufbau der Figuren los, wo kommen die guten Geister hin, wo die bösen? Presche ich Richtung Ausgang vor, damit der Gegner in der Figur einen guten Geist vermutet und ich ihm einen bösen unterjubeln kann? Ganz wichtig, die Ausgänge müssen bewacht bleiben. Haarig wird es immer dann, wenn man schon drei böse Geister gefangen hat, und dann wandert schon wieder einer auf den Ausgang zu.
DIE GUTEN UND DIE BÖSEN GEISTER sind ein herrliches intellektuelles Geplänkel mit etwas Psychologie oder einfach nur Bluff. Das Spiel hat auch nach 33 Jahren seinen Reiz nicht verloren und wird ihn auch in 50 Jahren noch besitzen. Ein zeitloser Klassiker, der in jede Spielesammlung gehört. Wer kann, sollte allerdings versuchen, eine ältere Ausgabe gebraucht zu erwerben. Mir ist die Asmodee-Fassung viel zu überladen für die klaren Strukturen die Randolphs Idee besitzt. Das konnte vor allem Rüttinger in der Ausgabe von Drei Magier besser, deren Cover und Spielplan am meisten begeistert.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: DIE GUTEN UND DIE BÖSEN GEISTER
Autor: Alex Randolph
Verlag: Asmodee
Spielerzahl: 2 Spieler
Alter: ab 6 Jahren
Dauer: ca. 15 Minuten
Preis: ca. 19 Euro
Mittwoch, 23. Dezember 2015
CRAZY COCONUTS
Wer einen Nachfolger für LOOPING LOUIE sucht, sollte sich unbedingt CRAZY COCONUTS anschauen. Ein Spiel von Walter Schneider, auf dem Autorentreffen in Göttingen entdeckt und 2013 zuerst in Korea erschienen. Über Korea Board Games ging es seinen Weg zurück nach Deutschland und landete 2015 bei Pegasus. Auf der Liste der besten Kinderspiele bei BGG hat COCONUTS, wie es ursprünglich hieß, inzwischen den Hühnerjäger LOUIE vom ersten Platz vertrieben.
Wie beim Klassiker von Hasbro kommt es auf den richtigen Fingerdruck an. Wird dort das Flugzeug in die Höhe gejagt, um im Sturzflug die Hühner des Gegners von der Leiter zu kippen, ist hier der sensible Druck entscheidend, um mit einem Affenkatapult Kokosnüsse in Becher zu schnippen.
Acht Weichplastiknüsse haben alle zu Beginn, dazu einen Affen mit Schleuderhand und ein Spielbrett, auf dem am Ende eine Becherpyramide mit sechs Gefäßen errichtet sein muss. Anfangs stehen zehn gelbe und vier rote Becher zwischen den Spielbrettern. Landet eine Nuss in ihnen, kommt der Becher auf das Spielbrett des erfolgreichen Schützen. Trifft er in einen roten, ist er noch einmal an der Reihe. Bald werden natürlich auch die gewonnenen Becher der Mitspieler ins Visier genommen, denn das Spiel endet sofort, wenn das sechste Gefäß auf der Pyramide steht. Da die Nüsse in ihren Behältern bleiben müssen, kann auch irgendwann die Munition ausgehen. Dann gewinnt der Spieler, der die meisten Kokosnüsse vor sich hat. Wer will, kann auch mit Handicap-Karten spielen, mit denen der Abschuss für gegnerische Spieler meistens erschwert wird.
CRAZY COCONUTS ist ruckzuck erklärt und wenn einmal die Nüsse geflogen sind, will keine Spielrunde aufhören. Mit etwas Übung sind diese Affen nämlich zielsicher zu gebrauchen, sodass der Kampf um die entscheidenden Becher oft ein Auf und Ab der Führenden ergibt. Ein Kinderspiel? Mitnichten! Wie schon LOOPING LOUIE macht CRAZY COCONUTS vor allem Erwachsenenrunden Spaß.
Das ist auch gut so, denn selten ist der übliche Warnhinweis, „Nicht für Kinder unter 3 Jahren geeignet. Erstickungsgefahr!“, so nötig wie hier. Die fast lebensmittelecht wirkenden Nüsschen ähneln schon stark Schokolinsen, die früher Treets hießen und jetzt als M&M’s auf dem Markt sind. Karten- und Schachtelqualität sind grottenschlecht. Die Faltschachtel geht ständig auf, sodass die Teile immer herumfliegen. Das kann Pegasus besser!
Die Qualitätsmängel sind für ein Kinderspiel inakzeptabel. Wiegt man das Ganze aber gegen den Spielspaß für die Großen auf, dann bewegt sich diese Idee von Walter Schneider tatsächlich in der Region von LOOPING LOUIE: Extremer Spielspaß mit Suchtfaktor!
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: CRAZY COCONUTS
Autor: Walter Schneider
Verlag: Pegasus
Spielerzahl: 2 - 4 Spieler
Alter: ab 5 Jahren
Dauer: ca. 10 - 20 Minuten
Preis: ca. 25 Euro
Mittwoch, 16. Dezember 2015
INDUKTO
Harmut Kommerell, ein Berliner Spieleautor und augenblicklicher zweiter Vorsitzende der SAZ, feiert 2016 sein zwanzigjähriges Autorenjubiläum. Obwohl er schon über 40 Spiele veröffentlicht hat, ist er relativ unbekannt. Das liegt vor allem daran, dass er sich überwiegend dem spannenden, aber wenig lukrativen Genre der Zweipersonen-Spiele widmet. Er war so etwas wie der Hausautor bei HiKu-Spiele und hat allein dort bis zur Einstellung des Verlags 2010 zehn Spiele veröffentlicht. Diese Tradition hat er bei Clemens Gerhards (QUINT-X)) und Rombol fortgesetzt. Dort ist u.a. 2015 INDUKTO erschienen.
Für INDUKTO hat der Autor zwei Varianten entwickelt. Das Grundspiel, das Achtjährige schon ans Brett holt, wird in einem Holzbrettrahmen auf 7x7 Feldern mit zwölf Spielsteinen gespielt. INDUKTO II nutzt identische Spielsteine, das Spielfeld vom Grundspiel, ergänzt dieses aber durch eine dreistufige Stufenpyramide.
Wie immer bei Kommerell ist der Regelzugang ganz einfach, der sich daraus entwickelnde Denkanspruch recht hoch. Jeder startet mit sechs Spielfiguren, kleine Türmchen in drei Größen. Sie beginnen meist aus den Eckfeldern heraus ihre Spielzüge, die Startaufstellungen können aber variiert werden. Pfiffig gelöst ist die Bewegung der Steine. Isoliert stehende Türme ziehen je nach Größe orthogonal oder diagonal ein bis drei Felder weit. Steine mit Nachbarn orientieren sich in ihrer Zugweite ausschließlich an den Nachbarsteinen. Dadurch können große Steine in ihrer Bewegung behindert werden und kleine plötzlich den Turbo einlegen. Dies geschickt zu nutzen, um damit Bewegungsvorteile herauszuschlagen, entscheidet letztlich über den Spielsieg. Dieser tritt dann ein, wenn alle eigenen Steine gleicher Höhe benachbart stehen.
Man muss höllisch aufpassen. Anfangs übersehen die Spieler häufig die diagonalen Kopplungsmöglichkeiten, da machen sie auch Fehler. Spätestens in der zweiten Partie sitzt der Zugmechanismus und sorgt meist für einen knappen Spielausgang, wobei zu beachten ist, dass die Spielrunde beendet werden muss. Gewinnt der Startspieler, sollte sein Gegenspieler noch eine Kontermöglichkeit besitzen. Das sieht die Regel aber nicht vor. In unseren Runden hat sich gezeigt, dass der Nachziehende dann häufig doch noch ein Unentschieden erreichen kann.
INDUKTO II folgt dem identischen Zugmechanismus, die Siegbedingungen sind aber andere. Die Steine werden nun so aufgestellt, dass jeweils ein Stein eine Vertiefung zeigt, der andere aber nicht. Wie bisher müssen am Ende Partnersteine die gleiche Farbe besitzen, aber eine andere Markierung. Da benachbarte Türme am Ende gleich hochstehen müssen, können das durch das pyramidale Spielfeld Steine auch auf unterschiedlichen Ebenen erreichen. Bei der Bewegung zählt das Treppensteigen nicht mit, da werden alle Felder so behandelt, als stünden sie in einer Ebene. Der Anspruch ist deutlich höher. Hier stehen sich bei der Nutzung der Treppenstufen die Spieler schneller im Weg und sie müssen gut planen, die Siegbedingungen zu erfüllen. Kann INDUKTO I durchaus schon nach zehn Minuten beendet sein, darf eine Partie INDUKTO II auch eine halbe Stunde dauern.
Das Holz ist sauber verarbeitet, kommt aber nicht an die Qualität der Spiele von Clemens Gerhards heran. Die hellen Teile stammen vom Kautschukbaum, die dunklen Teile sind aus Cassia-Holz. Verpackt ist das Spiel in einem Faltkarton. Die doppelseitige Regel mit Bildern für die Startaufstellung und für die Siegbedingung ist bis auf die mir fehlende Nachziehregel in Ordnung. Wer anspruchsvolle Strategiespiele mag, ist mit INDUKTO in der Bearbeitung von Rombol gut bedient, muss aber für diese edle Holzausgabe auch etwas tiefer in die Tasche greifen.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: Indukto
Autor: Hartmut Kommerell
Verlag: Rombol
Spielerzahl: 2 Spieler
Alter: ab 8 Jahren
Dauer: ca. 10 - 30 Minuten
Preis: ca. 45 Euro
Montag, 14. Dezember 2015
FENDO
Dieter Stein ist inzwischen so etwas wie der Hausautor bei Clemens Gerhards. Kaum ein Jahr, in dem nicht von ihm eine Idee in der Spiel- und Design-Manufaktur aus dem Westerwald veröffentlicht wird. Vor zwei Jahren konnte er mit MIXTOUR gleich einen doppelten Erfolg landen. Die Jury „Spiel des Jahres“ hatte es auf ihrer Empfehlungsliste der besten Spiele des Jahrgangs und der deutsche Mensa-Verein zeichnete das raffinierte Strategiespiel mit dem „MinD Spielepreis“ aus.
An die Qualität von MIXTOUR kommt Steins neues Spiel FENDO durchaus heran. Ging es in dem Spiel vor zwei Jahren noch um die dritte Dimension und einen raffinierten Bewegungsmechanismus, der Umdenken erforderte, bleibt Stein bei dem neuen Spiel auf einem 7x7-Felder großen Holzbrett in der Fläche. Es geht um Grenzziehungen und Raumgewinn.
Die Grundregeln sind einfach: Jeder startet mit einer von sieben Spielfiguren, die er beliebig weit und mit einer Abwinkelung bewegen darf. Im Zielgebiet wird eine Grenze in Form eines Stäbchens gezogen. Wer sich nicht bewegen möchte, bringt eine neue Figur ins Spiel. Die darf ohne anschließende Grenzziehung auf jedes Feld gesetzt werden, das eigene andere Figuren erreichen können.
Durch dieses Vorgehen entstehen mit der Zeit abgeschlossene Gebiete, die klar einem Besitzer zugeordnet sind. Deshalb darf sich dort auch nur eine einzige Figur befinden. Diesen Gebieten, die wichtig für die Endabrechnung sind, steht das anfangs große offene Gebiet gegenüber. In dem tummeln sich die restlichen Spielfiguren, dort starten auch neue Figuren. Sobald ein Spieler 25 Felder in seinem Besitz hat, endet das Spiel. Das ist auch dann der Fall, wenn durch eine Schlussaktion das offene Gebiet durch durchweg geschlossene aufgelöst wird.
Die Übersicht zu behalten, wird im Fortlauf des Spiels immer schwerer. Das gilt vor allem für das offene Gebiet. Dort dürfen keine Gebiete abgeschlossen werden, die keinem Besitzer zugeordnet werden können oder in denen mehr als eine Figur steht. Wer im Übrigen anfangs nicht aufpasst, kann durch einen selbst eingeleiteten „Schäferzug“ völlig blamiert dastehen.
Wenn sich die rote Figur vor die weiße setzt, kann diese eingeschlossen werden und Rot gewinnt die Partie 48:1.
FENDO empfinde ich ebenso anspruchsvoll wie MIXTOUR. Die Zwänge gegen Ende des Spiels sind ziemlich hoch, sodass die Überlegungszeiten wachsen.
Sind die Spielpartner sich nicht ganz ebenbürtig, schlägt Stein eine geschickte Handicap-Regel vor. Der stärkere Spieler setzt einfach weniger Figuren ein, dann stehen ihm beispielsweise nur noch fünf oder sechs für die Gebietsgewinnung zur Verfügung. Das Material ist gerhardsspezifisch hervorragend. Ein fast ein Kilo schweres geöltes Buchenbrett, ganz saubere Fräsungen der Spielfelder und des Spielfeldrandes, schöne Spielfiguren und passende Grenzstäbe. Da stimmt wieder alles: Tolles Material, gute Regel und ein taktischer Leckerbissen!
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: Fendo
Autor: Dieter Stein
Verlag: Gerhards Spiel und Design
Spielerzahl: 2 Spieler
Alter: ab 10 Jahren
Dauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 40 Euro
Sonntag, 13. Dezember 2015
WUNSCHMASCHINE
Oliver Igelhaut erfüllt sich eigene Wünsche. Immer dann, wenn die Ideen nur so sprudeln, schafft er dafür einen eigenen Verlag. Ende der 90er Jahre war er der "Glücksritter" und brachte wunderbare Spiele in kleinen Holzschubern heraus. Da hat er mit echten Nudeln experimentiert (RIGATONI INTRIGANTI) oder FLOWER POWER wieder aufleben lassen.
Schon damals waren neben eher experimentellen Ideen auch besondere Kartenspiele in seinem Programm dabei, wie zum Beispiel Igelhauts Ausflug in die GALAXIS mit einem ganz besonderen Bietmechanismus.
In der Zwischenzeit hat der Autor aus Cadolzburg in der Nähe von Nürnberg einige Spiele bei anderen Verlagen veröffentlicht. Am erfolgreichsten war er mit KRAKENALARM (Kosmos), das 2010 zum „Kinderspiel des Jahres“ nominiert war. 2015 gibt es nun nicht mehr Spiele vom "Glücksritter", sondern Igel-Spiele von Igelhaut.
Keine Angst, stachelig geht es nicht zu bei seinen Spielideen, er spielt vielmehr mit unseren Wahrnehmungsmöglichkeiten. Die WUNSCHMASCHINE folgt dabei dem aktuellen Trend von raffinierten Deduktionsspielen (DIE UNÜBLICHEN VERDÄCHTIGEN, CODENAMES, MYSTERIUM, MAFIA DE CUBA usw.). Igelhaut arbeitet allerdings weniger mit verbalen und assoziativen Mitteln, sondern bemüht die reine Logik. Einfach? Nun ja, da alles ganz schnell gehen muss und der Konkurrenzdruck groß ist, sind auch seine Aufgaben ganz schön vertrackt.
Seine WUNSCHMASCHINE spuckt neun traumhafte Wünsche aus, da ist die Reise auf die Malediven ebenso dabei wie die große Liebe und der überdimensionale Achtkaräter. Wer die Maschine besitzt, sucht sich einen Traumwunsch aus, alle anderen agieren als Agenten und versuchen, so schnell wie möglich diesen Wunsch zu entschlüsseln. Die entsprechende Karte wird vorher geheim aus einem Stapel mit 33 Wunschkarten herausgesucht und verdeckt und für alle erreichbar auf den Tisch gelegt. Jeder Wunsch ist insgesamt dreimal im Kartenstapel versteckt, außerdem tauchen die Wünsche je zweimal in Dreierkombinationen auf einer Karte auf. Der Wünschende deckt dann recht zügig immer wieder Viererreihen dieser Karten auf und liefert passende Informationen: „Da ist mein Wunsch dabei! Da ist er nicht dabei!“
Wer diese Hinweise am schnellsten über Übereinstimmungen und Ausschlussverfahren verarbeiten kann, wird dann irgendwann auf die geheime Wunschkarte schlagen und den Wunsch nennen. Liegt er richtig, bekommt er einen Wunschtaler. Stimmt sein Tipp nicht, muss er einen Taler an den Bedürftigsten abgeben. Hat er noch keinen erhalten, bekommen alle anderen einen. Das Spiel endet, sobald ein Spieler fünf Taler gewinnen konnte.
Wem das zu einfach ist, der kann mit der Links-Rechts-Variante eine zusätzliche Anforderung ins Spiel bringen. Je nach Anzahl des ausliegenden geheimen Wunsches wird dann nämlich mit der linken (ungerade Zahl) oder rechten Hand (gerade Zahl) auf eine Spezialkarte geschlagen. Berechnet werden dabei nur die ersten drei Reihen. Spätestens jetzt kommt auch der ruhigste Zeitgenosse durcheinander. Fehlerfrei in dem Spiel zu bleiben, ist unheimlich schwer.
Igelhauts Idee wirkt wie ein echter Staupe, der bekannt für viele pfiffige Spiele ist, in denen Schnelligkeit und genaue Beobachtung eine Rolle spielen (SPEED, IKARUS, MERLIN usw.). Das ist als ausdrückliches Lob gemeint, denn die WUNSCHMASCHINE kann mit den Klassikern von Staupe gut mithalten.
Intellektuell fordert er seine Spieler ganz schön heraus. Im Ausschlussverfahren neun Wünsche immer im Blick zu behalten, ist schwer. Bei den Übereinstimmungen ist es auch nicht ganz einfach, da es oft mehrere gibt. Die Geschwindigkeit der Entschlüsselung hängt natürlich von der Kartenfolge ab. Wer mit zwei Reihen starten muss, in denen sein Wunsch nicht auftaucht, macht es den Agenten leichter. Bei ganz glücklicher Konstellation kann dann schon ein korrekter Tipp abgegeben werden. Trotzdem sorgt der Konkurrenzdruck immer wieder für Fehler. Das ist auch gut so, denn die Spieler, die nicht so schnell sind, bekommen durch den Armenbonus dann immer noch eine Chance.
In Oliver Igelhauts persönlicher WUNSCHMASCHINE hätte wahrscheinlich auch noch "erfolgreicher Kleinverlag" gestanden. Den Wunsch hat er sich nun erneut erfüllt. Der Start ist vielversprechend! Auch das zweite Spiel MEIN SCHATZ erweist sich als Memo-Kleinod mit viel Pfiff und für den Herbst 2016 plant er mit HI FISCH schon seine nächste Veröffentlichung.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: WUNSCHMASCHINE
Autor; Oliver Igelhaut
Verlag: Igel-Spiele
Spielerzahl: 3 – 6 Spieler
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 12 Euro
Freitag, 11. Dezember 2015
DIE FIESEN 7
Der Luxemburger Spieleautor Jaques Zeimet spielt gern mit den Wahrnehmungsmöglichkeiten von uns Spielern. Immer wieder zeigt er auf, dass eigentlich simple Prozeduren in unseren Gehirnwindungen ganz schön durcheinanderkommen können. Die Jury „Spiel des Jahres“ war schon einige Male angetan von seinen Ideen, so landete KAKERLAKENSALAT 2008 und drei Jahre später GEISTESBLITZ auf der Empfehlungsliste. Nun könnte nach fünf Jahren wieder ein ähnlicher Spielansatz gewürdigt werden.
Zeimet macht deutlich, dass wir nicht einmal bis „7“ zählen können. Glauben Sie nicht? Eine Runde DIE FIESEN 7 wird Sie überzeugen, dass dem so ist! Johann Rüttinger und Kathi Kappler haben die Rahmenbedingungen für dieses mehr als unterhaltsame Spiel mit unserem Gedächtnis geschaffen. Verpackt in der kleinen quadratischen Schachtel des Verlags Drei Hasen in der Abendsonne sind 110 von Rolf Vogt illustrierte Gaunerkärtchen.
Die Karten liegen alle gleichmäßig verteilt auf verdeckten Stapeln vor zwei bis sechs Spielern. Reihum werden sie aufgedeckt und dann gilt es, scheinbar simpel, nur auf fünf verschiedene Kartenarten zu reagieren. Bei den einfachen Ganovenkarten wird nur von eins bis sieben und dann wieder rückwärts gezählt. Ein Gauner mit Handy zählt nicht, sondern räuspert sich nur, alle anderen müssen ihn aber in der Weiterzählung berücksichtigen. Ähnlich funktioniert das bei dem durch eine Pistole bedrohten Gangster, der ist allerdings sprachlos ob der Bedrohung. Doppelganoven werden doppelt gezählt. Für den aufdeckenden Spieler ist das noch einfach, aufpassen müssen die folgenden Spieler, der nächste wird nämlich übersprungen. Sollten die beiden Ganoven zusätzlich noch telefonieren, läuft das ebenso ab, allerdings mit doppeltem Räuspern. Das war es schon, nur fünf Kartentypen bringen Spieltische zum Kreischen.
Wenn alle auch ganz schnell verstehen, was sie machen müssen, läuft es am Tisch trotzdem ständig quer. Da muss in Gedanken mitgezählt werden, da wartet man, an der Reihe zu sein und wird dann doch übersprungen. Wer einen Fehler macht oder zu lange zögert, erhält alle bisher gespielten Karten aus der Mitte. Außerdem dürfen die Beteiligten anzweifeln, ob die gerade genannte Zahl überhaupt richtig ist. Gewinner wird der Spieler, der am besten reagieren und die gedanklichen Hürden nehmen kann, um damit nach einer guten Viertelstunde seine Karten als erster loszuwerden.
Für die Meisterganoven empfiehlt Zeimet, eine Schippe draufzulegen. Da wird Runde für Runde ein neues Geräusch oder es werden sogar Sätze für die Handykarten erfunden. Dann wird es total schwierig, wenn der Handyton „1,2,3,4,5,6,7, wo ist meine Frau geblieben?“ lautet oder die Gruppe sich andere verrückte Dinge ausdenkt. DIE FIESEN 7 sind ein hervorragender Nachfolger von dem Gehirnverdreher KAKERLAKENSALAT und machen in jeder Runde mit mehr als zwei Spielern riesigen Spaß. Das reichte auch für die Empfehlungsliste der Jury "Spiel des Jahres".
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: DIE FIESEN 7
Autor: Jaques Zeimet
Verlag: Drei Hasen in der Abendsonne
Spielerzahl: 2 – 6 Spieler
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 15 - 25 Minuten
Preis: ca. 13 Euro
DIE HOLDE ISOLDE
Da hat Thorsten Gimmler, Redakteur bei Schmidt Spiele, spieltiteltechnisch einen Volltreffer gelandet. Was einst akademisch klang, kommt eingängig eingedeutscht als HOLDE ISOLDE daher. Vor einem Jahr hieß diese Erstveröffentlichung des französischen Informatikers Nicolas Poncin noch MEDIEVAL ACADEMY und war das erste Spiel des Verlags Blue Cocker aus Toulouse. In der deutschen Fassung sind die zwei bis fünf Recken schon ausgebildete Ritter und messen sich in allem, was die Ritterehre so erfordert. Sie treten zum Lanzenstechen und Turnierkampf an, suchen den Gral, huldigen dem König, studieren fleißig und üben sich in Barmherzigkeit. Immer wieder himmeln sie aber DIE HOLDE ISOLDE an und die dankt es ihnen mit besonders spielentscheidenden Gaben.
Alle Fehden um die Ritterehre werden auf eigenen Spielbrettern ausgetragen, auf denen sich Lauffelder befinden, die für positive Wertungen vordere Positionen erfordern. Der ritterliche Kampf währt sechs Runden, wobei einige Disziplinen wie der klassische Turnierkampf und das Lanzenstechen, aber auch die Studien und die Huldigung Isoldes Runde für Runde ausgewertet werden. Nur in der letzten Runde werden die Barmherzigkeitstafel und der heilige Gral gewertet, das gilt auch für die Königswertung, die es aber zusätzlich noch einmal in der dritten Runde gibt. Diese Runde bringt allen bis auf die Gralssuche und Barmherzigkeit zusätzlich ein „zurück zum Start“, sodass erworbene Fortschritte wieder verloren gehen.
Gesteuert wird DIE HOLDE ISOLDE über ein ganz einfaches Drafting-System. Von insgesamt 52 Spielkarten, die alle farblich und ikonographisch einem Spielbrett zugeordnet sind, erhält jeder Recke fünf Handkarten, die je nach Runde rechts oder links weitergeschoben werden, bis jeder wieder fünf zur Verfügung hat. Die Karten bewirken ein Voranschreiten der Ritter von zwei bis fünf Feldern auf den Einsatztafeln. Von den fünf Karten werden bis auf eine alle ausgespielt und schon ist eine Runde vorbei. Viel einfacher geht es wirklich nicht und trotzdem schafft es Nicolas Poncin hohe Interaktion und enorme Spielspannung aufzubauen.
Das hängt mit der Reihenfolge der Wertungen und auch der langfristigen Planung zusammen. DIE HOLDE ISOLDE wird stets als erste betrachtet. Wer hier vorne liegt, darf seinen Spielstein auf einem beliebigen anderen Einsatzort drei Felder voranbringen, auch der zweite und im Spiel zu viert und zu fünft der dritte Platz wird noch belohnt. Beim Lanzenstechen und Turnierkampf, für die es im Übrigen identische Karten gibt, werden entsprechend ein bis drei Siegpunkte verteilt. Analog dazu wird die Gralssuche am Ende ausgewertet, bringt aber bis zu 17 Siegpunkte auf einen Schlag. Wer nicht genug studiert, erhält ein oder drei Minuspunkte und wer die Almosen für die Bedürftigen vergessen hat, kann in der sechsten Runde sogar zehn Minuspunkte kassieren. Die Huldigung des Königs wird je nach Standposition auf seiner Leiste abgerechnet. Wer sechs Felder vorankommt, erhält auch sechs Siegpunkte, bei 12 Feldern gibt es entsprechend 12 Punkte. Es gibt keine Siegpunktleiste, sodass sich niemand auf im Augenblick Führende einschießen kann. Die Punktbilanz wird über kleine Schilde abgerechnet, über die man spätestens nach der zweiten Runde den Überblick verloren hat.
Ein rundum gelungenes Spielvergnügen für die ganze Familie, aber auch für Vielspieler. Schmidt hat gut daran getan, die Originalgrafik von Pierre Lechevalier alias Pierô zu übernehmen. Das Material ist bis auf die fitzlig kleinen Wappenchips gut. Zusätzlich bietet der Verlag unendlich viele Erweiterungen unterschiedlicher Qualität an. Ob das so sinnvoll ist, da gehen die Meinungen auseinander. Beim Turnier um den roten Pöppel 2016 könnte dieser scheinbare Vorteil, für die holde Maid zum Nachteil werden. Gäbe es nur das Grundspiel, müssten sich die Konkurrenten ganz schön anstrengen DIE HOLDE ISOLDE auszustechen.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: Die Holde Isolde
Autor: Nicolas Poncin
Verlag: Schmidt Spiele
Spielerzahl: 2 – 5 Spieler
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 20 Euro
Dienstag, 8. Dezember 2015
QWINTO
Es ist erstaunlich, wie der Redakteur Reinhard Staupe in den eher angestaubten Nürnberger-Spielkarten-Verlag seit einigen Jahren frischen Wind bringt. Und das mit großem Erfolg: 2013 war der Verlag mit Steffen Benndorfs QWIXX knapp am Hauptpreis „Spiel des Jahres“ vorbeigeschrammt, ähnlich erging es diesem Autor 2015 mit THE GAME.
In die Fußstapfen dieser erfolgreichen Spiele könnte nun QWINTO treten. Die Autoren sind Uwe Rapp und Bernhard Lach, die seit zehn Jahren vor allem mit der AUSGERECHNET-Reihe von Huch unterwegs sind. Anfangs hatte sie die Idee nach Deutschland rund um BUXTEHUDE geführt, inzwischen plagt sie das FERNWEH in UPSALA und HONOLULU.
Mit QWINTO liegen sie ganz auf QWIXX-Linie. Die Utensilien Block, Würfel, Ergebnisse, die für alle nutzbar sind, tauchen auch hier auf. Man achte aber auf die Nuancen: Der QWINTO-Block enthält drei Farbreihen mit neun Eintragungsfeldern. Die Reihen sind versetzt angelegt und enthalten jeweils eine Lücke, sodass nur fünf Spalten mit drei Feldern direkt untereinander stehen. Reihen- und Spaltenergebnisse bringen Siegpunkte. In lückenlosen Reihen wird die höchste Endzahl gewertet, in vollständigen Spalten jeweils ein besonders markiertes Feld. Keine Zahl darf in Reihen und Spalten doppelt vorkommen, wobei die aufsteigende Folge zusätzlich noch in den Reihen beachtet werden muss.
Die Eintragungen ergeben sich durch drei den Farbreihen zugeordnete Farbwürfel. Die Spieler entscheiden, ob sie alle drei oder weniger Würfel nutzen, wobei einmaliges Nachwürfeln erlaubt ist. Das Ergebnis dürfen alle Spieler vollständig nutzen, der aktive Spieler muss es übernehmen. Eingetragen wird immer die vollständige Summe aller benutzten Würfel, die passende Reihe muss den Würfelfarben entsprechen. Fehlwürfe gegen Ende des Spiels kann sich damit nur der aktive Spieler einhandeln. Das wird ebenso wie in QWIXX mit fünf Strafpunkten geahndet. Das Spiel endet, wenn ein Spieler zwanzig Strafpunkte kassiert oder wenn er zwei Reihen vollendet hat. Siegentscheidend sind dabei meist gar nicht die Reihenpunkte, die bei unvollständigen Reihen übrigens nur einen Punkt pro Eintragung bringen, sondern die fünf Spaltenwertungen, die man möglichst vollständig in die Schlusswertung bringen sollte.
Der besondere Spielreiz ergibt sich aus der Verknüpfung der beiden Wertungsbereiche. Das QWIXX-Gefühl stellt sich schnell ein, aber die Abrechnungsspannung ist eine andere. QWINTO hat den Vorteil, dass die Optionen für aktive Spieler identisch sind und kennt damit nicht die Einschränkungen, die QWIXX noch hatte, weil nur bestimmte Würfelkombinationen genutzt werden durften. Die Befürchtung, dass damit auch identische Spielabläufe eintreten, bewahrheitet sich zum Glück nicht. Jeder geht letztlich dann doch seinen eigenen Weg.
Ein Würfelspiel auf Augenhöhe zu seinem Vorläufer, schnell erklärt, verbunden mit hohem Widerspielreiz, mit dem einzigen Nachteil, dass der Punkteblock nur begrenzt reicht. Da helfen nur Laminieren und nicht wasserfeste Folienschreiber nutzen oder die Nachbestellung.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: QWINTO
Autoren: Uwe Rapp und Bernhard Lach
Verlag: Nürnberger-Spielkarten-Verlag
Spielerzahl: 2 - 6 Spieler
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 15 Minuten
Preis: ca. 9 Euro
(Seite 1 von 1, insgesamt 12 Einträge)