Freitag, 2. Juli 2021
EL GRANDE
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Kramers Meisterstück: EL GRANDE
Seit dem Erfolg der SIEDLER VON CATAN scheuen Verlage weniger das Risiko mit komplexeren Spielsystemen. Ein durchaus mit dem Spiel des Jahres 1995 vergleichbares Spiel hat der Hans im Glück Verlag herausgebracht: EL GRANDE, ein strategisches Spiel für zwei bis fünf Spieler ab zehn Jahren, das die Autoren Richard Ulrich und der renommierte Wolfgang Kramer im 15. Jahrhundert in Spanien spielen lassen. Fünf Volksstämme ringen um die Macht in neun spanischen Provinzen. 30 Caballeros stehen dem Granden jedes Spielers zur Verfügung, geschickt eingesetzt, den Weg zur Macht zu ebnen.
Der Spielablauf in sechs oder neun Spielrunden wirkt anfangs recht kompliziert: Da werden Machtkarten ausgespielt, die die Zugreihenfolge festlegen und die Zahl der Ritter, die man am eigenen Hof zur Verfügung hat. Dann dürfen Aktionskarten ausgewählt werden, die gleichzeitig die Zahl der Ritter bestimmen, die man in die Provinzen einbringen kann, um dort Mehrheiten zu erreichen. Nach jeder zweiten oder dritten Runde gibt es eine Wertung der Mehrheitsverhältnisse.
Das Spiel ist aber stimmig umgesetzt, Spielplan und Spielmaterial sind fantastisch - das hat allerdings auch seinen Preis -, der Spielmechanismus funktioniert vorzüglich. Dies wird vor allem daran deutlich, dass dieses Spiel besonders zu zweit seine taktischen Qualitäten voll entfaltet.
Wolfgang Kramer, schon vielfach ausgezeichneter Autor (AUF ACHSE, HEIMLICH & CO.), hat mit EL GRANDE sein Meisterstück abgelegt. Für Liebhaber anspruchsvollerer Brettspiele kann eine uneingeschränkte Kaufempfehlung ausgesprochen werden. Das meinte wohl auch die Jury „Spiel des Jahres“, die EL GRANDE zum „Spiel des Jahres“ 1996 machte.
Titel: EL GRANDE
Autoren: Richard Ulrich, Wolfgang Kramer
Grafik: Doris Matthäus
Verlag: Hans im Glück
Spielerzahl: 2-5
Alter: ab 12 Jahre
Spieldauer: Bei sechs Runden ca. 60 Minuten, sonst 90 bis 120 Minuten
Preis: ca. 90.- DM
Spiel 27/1996 R106/2021
Die Rezension erschien 1996
Wertung Spielreiz damals von 10 Sternen,
das entspricht: Jederzeit wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der 79jährige Wolfgang Kramer ist neben Reinhold Wittig der dienstälteste Spieleautor in Deutschland und der erste, der sein Hobby zum Beruf gemacht hat. Der gelernte Betriebswirt und Informatiker hängte 1989, nach zwei Spiel des Jahres-Auszeichnungen seinen Beruf an den Nagel und lebte fortan vom Spielerfinden.
Sein erstes Spiel TEMPO erschien 1974 bei ASS. HEIMLICH & CO. war sein erstes Spiel des Jahres (1986), es folgte gleich danach AUF ACHSE. In vielen seinen späteren Erfolgen war er mindestens im Team unterwegs. Bei EL GRANDE (SDJ 1996) begleitete ihn Richard Ulrich und bei TIKAL und TORRES Michael Kiesling.
Mit EL GRANDE gewannen Kramer&Ulrich nicht nur den Pöppel für das Spiel des Jahres, sie landeten auch beim Deutschen Spielepreis auf dem ersten Platz. In einem Interview 2006 mit mir, schätzt Wolfgang Kramer den Erfolg von EL GRANDE so ein: „EL GRANDE gehört zweifellos zu meinen besten Spielen, die ich entwickelt habe. Es war mein erstes komplexes Spiel mit einer hohen Spieltiefe und alternativen strategischen Möglichkeiten. Es besitzt eine ganze Reihe von innovativen Mechanismen, die in den Folgejahren auch von anderen Autoren aufgegriffen und übernommen wurden. Der Einfluss von EL GRANDE auf andere Spiele wird am ehesten sichtbar durch die vielen danach folgenden Spielen mit Wertungen oder mit Mehrheiten in Regionen oder durch die Verwendung von Aktionskarten oder Einstellscheiben oder durch die Mechanismen zur Steuerung des Nachschubes, zur Steuerung der Spielerreihenfolge, zur Steuerung des Einsetzens von Figuren auf dem Spielplan. Das Spiel war und ist ein Meilenstein in meiner Tätigkeit als Spieleerfinder. Es hat meine Arbeit in den Folgejahren geprägt und beeinflusst.“
Bis heute hat Kramer mehr als 100 Spiele veröffentlicht. Ganz aktuell startet er im Team mit Michael Kiesling das Programm des neuen Verlages Deep Print mit RENATURE.
Auf dem Bild ist Wolfgang Kramer in EL GRANDE-Jahr in Göttingen mit seiner Gattin Ursula Kramer zu sehen.
Dienstag, 6. April 2021
DIE ABENTEUER DES ROBIN HOOD
Großes Kino: DIE ABENTEUER DES ROBIN HOOD
Inzwischen dürfte es ebenso viele Verspielungen von ROBIN HODD wie Verfilmungen geben. BGG verzeichnet fast 50 Spiele zu den Abenteuern von Robin Hood und Little John. Keines davon dürfte die epischen Ausmaße des neuesten genialen Wurfs Michael Menzels besitzen.
DIE ABENTEUER DES ROBIN HOOD bringt das ausgehende 12. Jahrhundert der englischen Geschichte anschaulich auf den Spieltisch und lässt ein kooperatives Eintauchen in die unterschiedlichsten Abenteuer Robin Hoods und seiner Freunde zu. Seine erste Welt von ANDOR hat Michael Menzel noch frei erfunden, aktuell knüpft er an die klassischen Erzählstränge von Robin Hood an.
Wir schlüpfen in die Rollen von Robin & Co. und werden wie schon in Andor spielend in die Regelabläufe eingeführt. Das Besondere diesmal ist aber der sich ständig wandelnde Puzzle-Spielplan, der aus acht Teilen zusammengesetzt wird. Wie auf einem großen Adventskalender öffnen sich immer wieder neue Felder, mit neuen Einblicken in Sherwood Forest oder in die Burg des Sheriffs von Nottingham. Manche Plättchen bekommen fast einen Drehwurm, weil sie als Wachen des Sheriffs einmal auftauchen und im nächsten Augenblick wieder verschwinden. Spitze Fingernägel sind jedenfalls neben der Treffsicherheit beim Bogenschießen durchaus gefragte Fähigkeiten in ROBIN HOOD.
Nicht nur der Wandel-Spielplan ist neu, auch die freie Bewegung der Figuren, deren Haare sogar bei weiten Wegen zu flattern anfangen, ergibt eine ganz eigene Dynamik. Hier schleichen wir uns irgendwie fast leibhaftig an die Burgmauern des Sheriffs an und hüten uns vor seinem Schergen Guy von Gisbourne, der uns nicht als Wendeplättchen, sondern beritten und bewaffnet ständig aufspürt und nachjagt. Die Bewegung in diesem Spiel mit mehreren Lauffiguren ist nicht nur genial gelöst, sie trägt auch zur Spieltaktik bei, denn kurze Entfernungen helfen Kraft sparen und bringen weiße Holzwürfel, die letztlich entscheidend bei Auseinandersetzungen sind.
Die gesamte Spielsteuerung läuft nämlich durchaus glückslastig über ein schwarzes Säckchen, das einerseits Holzscheiben für die Reihenfolge der Zugbewegungen einzelner Akteure enthält, dann weiße und violette Würfel für Kampfentscheidungen, wobei die Ausgangsposition im Verhältnis 1:6 mehr als ungünstig startet. Rundensiegel prägen zusätzlich den Spielablauf, der wie schon in Andor unter Zeitdruck abläuft.
Bei der Bewältigung der Abenteuer hilft uns ein dickes Buch, das uns Aufgaben stellt, Antworten handelnder Akteure anbietet und durchaus wandelbar und nicht geradlinig die Geschichten ablaufen lässt. Die narrative Komponente unterstützt das Buch überzeugend. Die Kooperation ähnelt der in ANDOR. Man muss sich gut absprechen, unterschiedliche Wege gehen und zum Teil auch verschiedene Aufgaben bewältigen, um eine Runde zu überstehen. Ein zweites Scheitern ist aber deutlich unwahrscheinlicher als in ANDOR. Zumal man bald erkennt, dass die Veränderung der Säckchenbilanz der Schlüssel zum Erfolg ist.
Die Erlebnisse sind grandios, der Wille, zu neuen Abenteuern aufzubrechen, ist groß. In Sherwood Forest kenne ich mich nun aus, wie Robin in seiner Westentasche, wenn er denn eine besessen hat. Nach dem wir den feuerroten Sonnenaufgang über Sherwoods Bäumen erleben durften und die Löwenbanner König Richards herannahen sahen, lehnen wir uns beseelt zurück und warten sehnsüchtig auf Menzels Verspielung der drei Musketiere, des Grafen von Monte Christo oder der Reise in 80 Tagen um die Welt.
Wertung: Jederzeit wieder (wenn Michael Menzel dieses Konzept auf andere Buchwelten überträgt)
Titel: DIE ABENTEUER DES ROBIN HOOD
Autor: Michael Menzel
Grafik/Design: Michael Menzel
Verlag: Kosmos
Alter: ab 10 Jahren
Spielerzahl: 2-4
Spielzeit: ca. 60 Minuten
Preis: ca. 50 Euro
Spiel 22/2021
Samstag, 10. Oktober 2020
DIE SIEDLER VON CATAN – DAS KARTENSPIEL
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Bei aller Genialität Klaus Teubers, es gibt auch einen Nachteil bei seinem Spiel des Jahres 1995, DIE SIEDLER VON CATAN sind nur zu dritt und zu viert spielbar. Was macht das Pärchen, wenn keine Freunde da sind? An größere Runden haben der Kosmos Verlag und Klaus Teuber schon im letzten Jahr gedacht und eine Erweiterung für fünf und sechs Siedler herausgebracht. Seit Herbst 1996 füllt eine Kartenspielvariation die Lücke für Duellanten.
DIE SIEDLER VON CATAN – DAS KARTENSPIEL ähnelt zwar dem großen Vorbild, ist aber ein ganz eigenständiger Spielansatz. Die zu besiedelnde Welt meinen wir zu kennen, es gibt Siedlungen, Städte und verbindende Straßen. Auch die Kosten sind uns mit Ressourcen wie Stein, Getreide und Holz nicht unbekannt. Rohstoffkarten sorgen nach Würfelwurf für die notwendigen Erträge. Die Bilanzierung der Einnahmen erfolgt durch Drehen der Karten, was eine Lagerung bis zu drei Rohstoffen zulässt. Auch hier kann der Räuber zuschlagen, wenn ein Spieler mehr als sieben Rohstoffe besitzt.
Die Interaktion wird nicht nur durch den ebenfalls vorhandenen freien Tauschhandel erhalten, dessen Option zu zweit aber seltener genutzt wird, sondern durch Aktionskarten verstärkt, die zum Angriff oder zur Verteidigung genutzt werden können. Überhaupt sind diese Ausbaukarten die Prise Pfeffer im neuen CATAN-Menü Teubers, mit ihnen werden Siedlungen und Städte erweitert, Badehäuser, Bibliotheken, Klöster und Kirchen kommen hinzu. So bringt ein Badhaus nicht nur einen zusätzlichen Siegpunkt, es schützt auch vor Ereigniskarten, wie einem Seuchenausbruch. Zwölf Siegpunkte definieren das Spielziel, die durch Siedlungen, Städte, die größte Rittermacht oder größte Handelsmacht erreicht werden können. Es dauert allerdings etwas bis einer der beiden Spieler sich in diese Punkteregion vorgearbeitet hat. 90 Minuten sind durchaus nicht selten, aber irgendwie gelingt es Klaus Teuber, dass diese Zeit einem nur halb so lang vorkommt.
DIE SIEDLER VON CATAN – DAS KARTENSPIEL entwickeln sich fast opulenter auf dem Spieltisch als der große Bruder. Mit Hilfe der Karten entsteht eine größere CATAN-Landschaft als im Brettspiel. Um zu gewinnen, macht es Sinn, drei Dörfer vor dem Gegner zu bekommen, dem dann nur zwei weitere zur Verfügung stehen. Auch das Handkartenlimit von drei Karten sollte man über den Klosterbau erweitern. Die Investition von zwei Rohstoffen für die gezielte Auswahl einer Karte von einem der Nachziehstapel lohnt meistens, zumal man bei dieser Aktion sämtliche Karten dieses Stapels kennenlernt.
Das Kartenspiel führt zu einem spannenden Duell, das nicht ganz die hohen Preiswürden seines Vorbilds erreicht hat, aber zurecht auf der Auswahlliste für das Spiel des Jahres 1997 landete.
Wieland Herold
Titel: DIE SIEDLER VON CATAN – DAS KARTENSPIEL
Verlag: Kosmos
Autor: Klaus Teuber
Grafik: Franz Vohwinkel
Spielerzahl: 2
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: 60 - 90 Minuten
Preis: ca. 25.- DM
Die Rezension erschien 1997 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 9 von 10 Sternen,
das entspricht: Jederzeit wieder
Spiel 15/ 1997 R 129/2020
Zum Spiel und zum Autor:
Die Marke CATAN gilt inzwischen als zweiterfolgreichste nach MONOPOLY. In diesem Jahr feiert das Kultspiel CATAN (früher DIE SIEDLER VON CATAN) seinen 25. Geburtstag. Zum Jubiläum ist auf der Insel Mainau ein überdimensionales CATAN-Feld mit der typischen Wabenstruktur entstanden, das im Juli 2020 feierlich eröffnet wurde.
Der gelernte Zahntechniker Klaus Teuber war schon vor CATAN einer der bekanntesten Spieleautoren Deutschlands, hatte er doch schon für sein Erstlingswerk BARBAROSSA 1988 das Spiel des Jahres gewonnen. Es folgten Doppelsiege 1990 und 1991 für ADEL VERPFLICHTET und DRUNTER & DRÜBER.
Den Weg zu dem Jahrhundertspiel CATAN beschreibt Klaus Teuber in dem ganz aktuell zum Jubiläum erschienenen Buch MEIN WEG NACH CATAN, mit dem er seine Leser auf eine Reise in seine persönliche Geschichte und die Spielgeschichte der 60er und der folgenden Jahrzehnte nimmt.
DIE SIEDLER VON CATAN – DAS KARTENSPIEL entwickelten sich zu einem fast ähnlichen Erfolgsspiel wie der große Bruder. Themen-Sets erweiterten das Spektrum, mit dem Turnier-Set (1997) näherte sich das System den damals beliebten Sammelkarten-Systemen, ohne den Zwang zum Booster-Kauf. 2010 veröffentlichte Teuber eine grundlegende Überarbeitung unter dem Titel DIE FÜRSTEN VON CATAN.
1997 landete das Spiel „nur“ auf der Auswahlliste zum Spiel des Jahres, erreichte den zweiten Platz beim Deutschen Spielepreis und auch nur den Silberplatz beim Kartenspielpreis der Fairplay. Beim Merz-Verlag unterlag Teuber nur dem eigenen Konkurrenzspiel LÖWENHERZ, bei der Fairplay dem Newcomer Uwe Rosenberg mit seinem ebenfalls genialen BOHNANZA.
Das Bild zeigt Klaus Teuber auf dem ersten Kosmos-Treffen 1996 bei der Vorstellung des Spiels.
Freitag, 24. Juli 2020
DIE SIEDLER VON CATAN
Es war einmal Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010">Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Geniestreich Klaus Teubers
Die Qualität der Spieleneuheiten '95 kann sich im Vergleich zu den letzten Jahren sehen lassen. Eine ganze Menge Spiele sind darunter, die mit Sicherheit nicht schon wieder im nächsten Jahr aus den Regalen verschwinden werden.
Ein echter Longseller könnte das neueste Spiel von Erfolgsautor Klaus Teuber werden, der mit BARBAROSSA, ADEL VERPFLICHTET und DRUNTER & DRÜBER schon dreimal den Titel für das Spiel des Jahres erhalten hat. Vier Jahre hat er an seinem neuen Spiel DIE SIEDLER VON CATAN gebastelt und es schließlich bei Franckh-Kosmos untergebracht, ein Verlag, der Garant für anspruchsvolle Spiele ist
Spielerisch geht es um die Entwicklung einer unbewohnten Insel, deren Rohstoffvorräte eine zügige Zivilisierung erwarten lassen. Drei bis vier Spieler treten den Wettlauf um die Besiedlung Catans an. Sie bauen Siedlungen, legen Straßen an und treiben regen Handel mit Rohstoffen.
Der Spielablauf ist vielschichtig, taktische Planung bei der Anlage von Siedlungen, Verhandlungsgeschick beim Rohstofftausch bringen ein abwechslungsreiches Spiel mit sich, das trotz seiner scheinbaren Komplexität schnell verstanden wird und auch nicht übermäßig lange dauert. Die kriegerischen Elemente, die in solchen Entwicklungsspielen stets eine dominierende Rolle spielen, fehlen zum Glück völlig.
Neue Wege beschreitet der Verlag auch mit der Spielregel. Auf einer Seite bekommen Einsteiger den notwendigen ersten Überblick. Für Detailfragen gibt es den ,,Kleine(n) Siedler-Almanach", der mit Beispielen weiterhilft.
Für Jugendliche und Erwachsene ein außergewöhnlich gutes Spiel, dessen variabler Spielplan zu immer neuen Experimenten herausfordert und die interessantesten CATAN-Landschaften entstehen lässt. Viele, die Feuer gefangen haben. erweitern inzwischen ihr CATAN durch Kauf eines zweiten Spiels, dann können auch mehr als vier Personen mitspielen.
Wieland Herold
SPIELETELEGRAMM:
Titel: DIE SIEDLER VON CATAN
Verlag: Franckh-Kosmos
Autor: Klaus Teuber
Spielerzahl: 3 bis 4,
Spieldauer: etwa 60 Min
Preis: ca. 59 Mark.
(Wieland Herold)
Die Rezension erschien 1995
Wertung Spielreiz damals 10 von 10 Sternen,
das entspricht: Jederzeit wieder
Spiel 2/1995 R 84/2020
Zum Spiel und zum Autor:
Die Marke CATAN gilt inzwischen als zweiterfolgreichste nach MONOPOLY. In diesem Jahr feiert das Kultspiel CATAN (früher DIE SIEDLER VON CATAN) seinen 25. Geburtstag. Zum Jubiläum ist auf der Insel Mainau ein überdimensionales CATAN-Feld mit der typischen Wabenstruktur entstanden, das in dieser Woche feierlich eröffnet wurde.
Der gelernte Zahntechniker Klaus Teuber war schon vor CATAN einer der bekanntesten Spieleautoren Deutschlands, hatte er doch schon für sein Erstlingswerk BARBAROSSA 1988 das Spiel des Jahres gewonnen. Es folgten Doppelsiege 1990 und 1991 für ADEL VERPFLICHTET und DRUNTER & DRÜBER.
Den Weg zu dem Jahrhundertspiel CATAN beschreibt Klaus Teuber in dem ganz aktuell zum Jubiläum erschienenen Buch MEIN WEG NACH CATAN, mit dem er seine Leser auf eine Reise in seine persönliche Geschichte und die Spielgeschichte der 60er und der folgenden Jahrzehnte nimmt.
Bei den Puzzlestücken, die Teuber in seinem Weg nach Catan zusammensetzt, spielen Menschen eine entscheidende Rolle, seine Familie, Redakteure und Journalisten, und die eigene Fantasie. Einer der wichtigsten Freunde ist Reiner Müller, der ihn mit BARBAROSSA auf den Weg gebracht hat und CATAN zu Kosmos.
Teubers Geschichte danach ist von dem einmaligen Erfolg geprägt, von den vielen Nachfolgespielen, aber auch der Parallelarbeit, die das TM-Team in den 90er Jahren für den Goldsieber Verlag leistete.
Das Foto mit Klaus Teuber stammt von der Spiel 1994. Ausgewählt habe ich es, weil er hier mit Reiner Müller, den für ihn wichtigsten Redakteur, zu sehen ist. Das TM-Team mit Wolfgang Lüdtke, hat wohl auf dieser Spiel das Programm für Goldsieber ausgeheckt. Das dritte Foto zeigt das Catan-Feld auf der Insel Mainau.
Sonntag, 12. Juli 2020
ACQUIRE
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
BESTSELLER-EDITION
Der Blick in die wöchentliche Bestsellerliste des Spiegels ist für viele eine Kaufhilfe. Auch Spieleverlage fangen an, sich an Bestseller-Spieleautoren zu orientieren. Ganz neue Maßstäbe setzt ein Spieleautor unter den Produktmanagern der großen Verlage, Roland Siegers nämlich, der bei Schmidt Spiel und Freizeit eine neue Autoren-Edition startet, der man nur viel Erfolg wünschen kann. Nicht kleckern, klotzen scheint Siegers Devise zu sein, der nicht erst vorsichtig den Markt abtastet, sondern gleich in die Vollen mit sechs großformatigen Spielen einsteigt.
Das Risiko scheint berechenbar: Die Planer bei Schmidt haben sechs Autoren ausfindig gemacht, die in den letzten Jahren allein 40 Prozent der Auszeichnungen aus der Auswahlliste "Spiel des Jahres" unter sich ausgemacht haben. Diese Ehrengarde der Spieleautoren hat insgesamt über 18 Millionen Spiele verkauft. Schmidt hat in der ersten Runde die renommierten Autoren Alex Randolph (1x Spiel des Jahres, 9x Bestenliste), Sid Sackson (1x Spiel des Jahres, 8x Bestenliste), Wolfgang Kramer (2x Spiel des Jahres, 4x Bestenliste), Reinhold Wittig (3x Sonderpreis für "Das schöne Spiel", 5x Bestenliste), Rudi Hoffmann (1x Spiel des Jahres, 4x Bestenliste) und Roland Siegers (6x Bestenliste) in den spielerischen Olymp mit aufgenommen.
Zum Teil Bewährte, zum Teil neue Spiele sind ausgewählt. So ist der Göttinger Geologe Wittig mit SANSIBAR vertreten, bei dem man sein Handelsgeschick im Indischen Ozean ausprobiert. Neben Wittigs Spiel werden Spieleklassiker wie das hochkarätige Wirtschaftsspiel ACQUIRE von Sid Sackson und das Cowboyspiel ABILENE von Roland Siegers wieder veröffentlicht. Vielversprechend scheint auch Wolfgang Kramers NIZZA zu sein. Atmosphärisch wird Hitchcocks "Über den Dächern von Nizza" mit einem ganz neuem Bewegungsmechanismus gut eingefangen.
Es fehlen eigentlich nur Klaus Teuber und Reiner Knizia, der neue Star am Autorenhimmel, in dieser Bestseller-Edition. Sie dürften wohl 1994 vertreten sein.
Die Autoren werden im Katalog und auf der Schachtel kurz mit Bild und Ihrer Spielvita vorgestellt. Inwieweit die Eigenwerbung der Autoren sinnvoll ist, die erklären, weshalb sie ihr Spiel besonders mögen, sollte der Verlag bei den nächsten Auflagen überdenken.
Die Spieleperle in der Bestseller-Edition stellt aber ein Klassiker dar: ACQUIRE von Sid Sackson - das Wirtschaftsspiel par excellence. 1962 wurde das Spiel in den USA von 3M erstmalig veröffentlicht, danach gab es viele weitere Auflagen, die deutschen Rechte landeten bei Schmidt Spiele. Der Verlag brachte es zuerst unter dem Originalnamen, später dann als HOTELKÖNIG und HOTEL-HAIE heraus. Jetzt läuft es in der neuen Edition wieder unter seinem Originaltitel, besitzt aber erstmalig eine besonders opulente Ausstattung.
ACQUIRE ist ein taktisches Legespiel gekoppelt mit Aktienhandel. Auf einem 9x12 Felder großen Plan, der durch Zahlen und Buchstaben gekennzeichnet ist, werden über Kartensteuerung kleine und größere Hotelsteine abgelegt. Sobald zwei Steine aneinandergrenzen kommt es zur Bildung einer Hotelkette, von denen maximal sieben auf dem Plan sein dürfen. Sobald eine Kette existiert, dürfen Aktien von dieser gekauft werden, wobei der Gründer der Kette eine kostenlos erhält. Berühren sich Ketten, fusionieren sie, die größere Hotelkette schluckt dabei die kleinere. Allerdings sind Ketten mit zehn und mehr Hotels sicher. Deshalb endet das Spiel, wenn kein Stein mehr gelegt werden kann oder eine Kette mehr als 41 Gebäude besitzt.
ACQUIRE ist Spekulation pur, ein Spiel, bei dem man meint, sein Glück in der Hand zu haben und die anderen zu steuern, wenn man die richtigen Fusionssteine im Hinterhalt hat. Andererseits ist man aber vom Aufnahmeglück von neuen Karten abhängig. Trotzdem bleibt die Spannung durchgehend erhalten, ein Spiel, das kribbelt und zu immer wieder neuen Wiederholungsrunden herausfordert.
Für Spielfreunde, die nicht nur beim MONOPOLY Hotels bauen möchten, zudem einen auch taktischen Spielgenuss erleben wollen, gibt es kein besseres Spiel. Dieses großartige Brettspiel von Sid Sackson, das den dreidimensionalen Charakter durch größere Steine stärker betont als das Original mit seinen flachen Steinen, ragt zwar auch preislich aus der gesamten Serie hervor, aber diese Investition lohnt!
Heo
Titel: ACQUIRE
Verlag: Schmidt
Autor: Sid Sackson
Spielerzahl: 2 - 6
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: ca. 90 Minuten
Preis: ca. 70.- DM
Die Rezension erschien 1993
Wertung Spielreiz damals 9 von 10 Sternen,
das entspricht: Jederzeit wieder
Spiel 4/1993 R 75/2020
Zum Spiel und zum Autor:
Sid Sackson (1920 – 2002) gehört zu den weltweit bekanntesten Spieleautoren des letzten Jahrhunderts. Sackson war einer der ersten Spieleautoren, die von dieser Berufung leben konnten. Ganz wesentlich hat dazu der Welterfolg von ACQUIRE beigetragen.
In seinem Haus in der New Yorker Bronx baute er sich ein wissenschaftliches Archiv auf mit einer riesigen Sammlung an Brett- und Kartenspielen, die auf knapp 20.000 Titel geschätzt wurde. Leider fand sich keine museale Lösung nach seinem Tod für diese einmalige Sammlung. Die Spiele wurden auf einer Reihe von Auktionen verkauft und die Sammlung zerschlagen.
Neben ACQUIRE ragen Spiele wie FOCUS (Spiel des Jahres 1981), CAN’T STOP, METROPOLIS und BAZAAR aus seinem umfangreichen Gesamtwerk heraus.
Das Foto zeigt Sackson 1989 in Essen bei der legendären CAFÉ INTERNATIONAL-Runde mit lauter Beteiligten aus der damaligen Bestseller-Serie von Schmidt. Rechts sitzt der Autor des Spiels Rudi Hoffmann, KMW moderiert, neben ihm sitzt Sackson, es folgen Kramer und Randolph.
Sonntag, 5. Juli 2020
EUPHRAT & TIGRIS
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Geschichte im Spiel
Nicht nur Geschichten werden in Spielen erzählt, sie lassen ein Eintauchen in Spielwelten zu, manchmal wird die Geschichte sogar selbst zum Thema. Der Trend zur Historie im Spiel lässt sich bei vielen Herbstneuheiten ablesen. Zurück zu den Ursprüngen scheinen sich die Spieleautoren zu sagen: In dem Spiel EUPHRAT & TIGRIS wird auf die Entwicklung erster Hochkulturen im Zweistromland zurückgegriffen, den universalen Start ins Leben auf diesem Planeten greift das Spiel URSUPPE auf.
URSUPPE habe ich gestern besprochen und es mit EL GRANDE verglichen. An den Erfolg des letztgenannten Spiels möchte der EL GRANDE-Verlag aus München mit EUPHRAT & TIGRIS von Reiner Knizia anknüpfen.
Zwei bis vier Spieler entwickeln auf dem großen Zweistromland-Spielplan ihre Dynastien. Sie müssen sich sowohl um den kulturellen Ausbau als auch um landwirtschaftliche Ressourcen und den Ausbau des Handels in ihren Königreichen bemühen. Machtwechsel waren historisch und sind auch im Spiel an der Tagesordnung. Der gezielte Einsatz der eigenen Anführer, gekoppelt mit dem geschickten Auslegen von Zivilisationsplättchen, deren Vorratshaltung auch von Bedeutung ist, kann den Spielsieg bringen, aber nur dann, wenn man es geschafft hat, sich in allen Zivilisationsbereichen relativ gleichmäßig fortzuentwickeln.
Das komplexe Spiel dauert mindestens neunzig Minuten, die aber wie im Fluge vergehen, da der abwechslungsreiche Spielverlauf den Spannungsbogen stets oben hält. Eine opulente Ausstattung und eine sehr gute Spielregel runden die spielerische Zivilisationsreise vollkommen ab.
Heo
Titel: EUPHRAT & TIGRIS
Verlag: Hans im Glück
Autor: Reiner Knizia
Grafik: Doris Matthäus
Spielerzahl: 2-4
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: ca. 90 Minuten
Preis: ca. 75.- DM
Die Rezension erschien 1997 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 9 von 10 Sternen,
das entspricht: Jederzeit wieder
Spiel 4/1997 R 72/2020
Zum Spiel und zum Autor:
EUPHRAT UND TIGRIS konnte die URSUPPE knapp schlagen und landete 1998 auf dem 1. Platz beim Deutschen Spielepreis. Dieses Spiel vergaß die Jury „Spiel des Jahres“ nicht und gewährte ihm immerhin einen Platz auf der Empfehlungsliste 1998. Für die Qualität des Spiels spricht, dass es mehrfach neu aufgelegt wurde. 2007 erschien eine Ausgabe von Pegasus, 2015 brachte der Heidelberger Spieleverlag eine Neuauflage zusammen mit Fantasy Flight heraus.
Reiner Knizia, der weltweit produktivste Spieleautor, der auf inzwischen über 700 Spieleveröffentlichungen stolz sein kann, hatte bis 1998 schon einige Auszeichnungen gewonnen, darunter 1993 für MODERN ART und TUTANCHAMUN und 1995 für MEDICI.
Die besondere Leistung für die spielerische Adaption von DER HERR DER RINGE zeichnete die Jury „Spiel des Jahres“ mit dem Sonderpreis „Literatur im Spiel“ 2001 aus.
2008 erhielt er für KELTIS erstmals den Titel „Spiel des Jahres“ und das gleichzeitig im Doppelpack, da WER WAR’S den blauen Pöppel bekam.
Das Bild stammt vom Goldsieber-Abend 1996, zu sehen sind die damaligen beiden Jungstars der Szene Klaus Teuber und Reiner Knizia.
Freitag, 3. Juli 2020
URSUPPE
Geschichte im Spiel
Nicht nur Geschichten werden in Spielen erzählt, sie lassen ein Eintauchen in Spielwelten zu, manchmal wird die Geschichte sogar selbst zum Thema. Der Trend zur Historie im Spiel lässt sich bei vielen Herbstneuheiten ablesen. Zurück zu den Ursprüngen scheinen sich die Spieleautoren zu sagen: In dem Spiel EUPHRAT & TIGRIS wird auf die Entwicklung erster Hochkulturen im Zweistromland zurückgegriffen, den universalen Start ins Leben auf diesem Planeten greift das Spiel URSUPPE auf.
Es muss schon ein eigenartiges Gebräu gewesen sein, aus dem das Leben auf der Erde entstand, aus dem wir hervorgegangen sind. Nach der Vorstellung von Doris Matthäus und Frank Nestel tummelte sich eine Reihe verschiedener Amöben in der Ursuppe, immer auf der Suche nach Nahrung, bestrebt sich weiterzuentwickeln. Jeder der drei oder vier Spieler kontrolliert einen urzeitlichen Amöbenstamm mit anfangs zwei Amöben. In sechs verschiedenen Spielphasen bewegen sich die Einzeller in der Ursuppe, sorgen für ihre Nahrung, entwickeln sich genetisch fort, können sich über Zellteilung vermehren, gehen in dem harten Überlebenskampf aber auch zugrunde, wenn sie nicht genügend Nahrung finden oder von fremden Amöben aufgefressen werden. In der abschließenden Wertungsphase dient die Anzahl der Amöben und der genetische Fortschritt zur Weiterbewegung von Spielfiguren auf einem Spielstandanzeiger.
Die Spielspannung ergibt sich aus der genetischen Ausstattung der eigenen Amöben. Sogenannte „Genkarten“ können mit Hilfe von „Biopunkten“ erworben werden und helfen den Amöben mit ihren unterschiedlichen Fähigkeiten beim Überleben in der Ursuppe. Da gibt es die eher aggressiven Einzeller, die sich auch an ihre Artgenossen heranmachen, aber auch die Genügsamen, die mit weniger Nahrung vorliebnehmen. Eine eindeutige Gewinnstrategie gibt es nicht. Immer wieder gilt es, neu zu überlegen, wie man in diesem quirligen Durcheinander bestehen kann.
URSUPPE ist ein exzellentes Spiel mit einem ungewöhnlichen Thema und Spielablauf. Die Zielgruppe: Jugendliche ab 14 Jahren und Erwachsene werden an diesem Spiel vergleichbaren Spielspaß wie mit den SIEDLERN VON CATAN oder EL GRANDE finden.
Wieland Herold
Titel: URSUPPE
Verlag: Spiele von Doris&Frank, Obere Büch 24, 91054 Buckenhof
Autor: Doris Matthäus und Frank Nestel
Grafik: Doris Matthäus
Spielerzahl: 3-4
Alter: ab 14 Jahren
Spieldauer: ca. 120 Minuten
Preis: 74.- DM
Die Rezension erschien 1997 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 9 von 10 Sternen,
das entspricht: Jederzeit wieder
Spiel 3/1997 R 72/2020
Zum Spiel und zu den Autoren:
Ein kleiner Igel war das Maskottchen auf den Spielen von Doris & Frank. Sie starteten 1989 mit eher seichter Unterhaltung in Tierwettläufen von Eseln und Igeln, entwickelten aber auch bald Hochkaräter wie FUGGER, WELSER, MEDICI und ihr erfolgreichstes Spiel URSUPPE, das 1998 den 2. Platz beim Deutschen Spielepreis erreichte. Daneben ist ihr MÜ & MEHR unvergesslich, das beim Spielepreis auf Platz 4 kam und den Sieg beim Kartenspielpreis der Fairplay 1996 davontrug. Doris Matthäus ist allerdings noch berühmter durch ihre Spielillustrationen für Klassiker wie CARCASSONNE, EL GRANDE, ELFENLAND, SPINDERELLA und TIEF IM RIFF. Für das letzte Spiel wurde sie 2018 mit dem Designpreis Graf Ludo in Leipzig ausgezeichnet.
Das Bild zeigt Doris & Frank 1993 auf dem Autorentreffen in Göttingen zusammen mit Volker Schäfer. Das obere Bild stammt von der Erstvorstellung des Spiels in Essen 1997.
Freitag, 26. Juni 2020
TIKAL
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
TIKAL – abenteuerliche Entdeckungsreise im Urwald Guatemalas
Lang, lang ist’s her, dieses Gefühl, nach der ersten Spielrunde sagen zu können: Wahnsinnig gutes Spiel, sofort noch einmal! EL GRANDE und SIEDLER müssen mit dem Rückblick auf 1995 und 1996 herhalten, und dann erinnere ich mich fast nur noch an alte Klaus Teuber-Spiele. Brettspielerlebnisse, bei denen man feuchte Hände während des Spielverlaufs bekommt, sind wahrlich nicht so häufig anzutreffen und von der großen Firma aus Ravensburg haben wir sie fast eine Ewigkeit nicht mehr erlebt. 1999 ist alles anders. Das Spitzenspiel dieser Spielesaison, ausgezeichnet mit dem Titel „Spiel des Jahres“, kommt vom Bodensee. Mit TIKAL von Wolfgang Kramer und Michael Kiesling werden zwei bis vier Spieler in den Urwald Guatemalas entführt, um sich dort auf die Suche nach Mayatempeln zu begeben.
Größtenteils unerforschte Urwaldlandschaft liegt vor den Spielern, nur auf vier sechseckigen Feldern lüftet der mittelamerikanische Dschungel sein Geheimnis. Ein Basiscamp zum Start großer Expeditionen ist sichtbar, und jeder Spieler verfügt über einen Expeditionsleiter und 18 weitere Teilnehmer, außerdem erhält er zwei Zelte zur Errichtung neuer Camps. Neben dem Zeltlager befinden sich links und rechts zwei Tempelstätten der Mayas mit dem Wert 1, abgeholzt liegt zwischen ihnen eine freigelegte Urwaldfläche brach. Sonst blicken die Spieler auf eine undurchdringliche Waldlandschaft, begrenzt durch Flüsse, Gebirge und Vulkane. Neben dem Spielplan liegen 36 sechseckige Geländetafeln bereit, die nach Buchstaben von A bis G geordnet sind, sie verbergen die Geheimnisse dieses Dschungels. Außerdem liegen am Spielplanrand quadratische Tempelplättchen mit aufsteigenden Zahlenwerten von zwei bis zehn und 24 Schatzkärtchen.
Im Grundspiel decken die Spieler reihum eine Geländetafel auf und legen sie an bereits vorhandene Tafeln an. Über Steinplatten muss dabei die neu gelegte Tafel mindestens von einer Seite her begangen werden können. Die Geländekarten können einfache Urwaldkärtchen sein, auf denen neue Camps errichtet werden dürfen, außerdem findet man unter ihnen weitere Tempelanlagen, Schatzfelder und drei Vulkantafeln in den Buchstabenphasen B, D und F, die stets Wertungsrunden einleiten.
Nach Legen der Geländekarte darf der Spieler insgesamt zehn Aktionspunkte für unterschiedliche Aktivitäten verbrauchen. Dabei muss man wissen, dass in den Wertungsphasen vor allem die Tempelpunkte der Anlagen zählen, bei denen ein Spieler die Mehrheit von Expeditionsteilnehmern besitzt, außerdem zählen gefundene Schätze, von denen es insgesamt acht verschiedene gibt, die jeweils dreimal vorhanden sind. Für einzelne Schätze erhält man einen Punkt, Pärchen bringen drei Punkte und ein Drilling 6 Punkte. Auf die Wertungen hinarbeitend, versuchen die Spieler, ihre zehn Punkte geschickt einzusetzen.
Das Spiel bietet dabei vielfältige taktische Möglichkeiten, die schon beim geschickten Platzieren der Geländekarte beginnen. Expeditionsteilnehmer ins Spiel zu bringen kostet einen Punkt, möglich ist dies nur im Basiscamp und später errichteten eigenen Camps. Das Bewegen der Forscher kostet pro Steinplatte einen Punkt. Manche Zugänge über drei Steinplatten sind recht teuer, bei entsprechender Kartenablage können die Kosten sogar noch weiter gesteigert werden. Die freigelegten Tempelanlagen besitzen Werte von eins bis sechs, durch Spateneinsatz können weitere Ebenen bis zum Wert zehn freigelegt werden. Pro Zug können dies maximal zwei Ebenen einer Pyramide sein, sofern zwei Arbeiter zur Verfügung stehen und vier Aktionspunkte geopfert werden. Auf den Schatzfeldern liegen maximal vier Schätze versteckt, die für drei Aktionspunkte pro Schatz gehoben werden dürfen. Auch hier gibt es eine Begrenzung von zwei Schatzkarten pro Zug und Feld. Für drei Punkte darf man die Mitspieler zum Schatztauschhandel zwingen, um an Pärchen oder Drillinge zu gelangen. Noch teurer kommt die Einrichtung eines neuen Camps, das einerseits fünf Aktionspunkte kostet, andererseits aber zu erheblichen Einsparungen bei den Wegekosten führt. Zweimal im Spiel besitzt man außerdem die Möglichkeit, einen Tempel mit einem Wächter zu schützen, so dass bei einem teuer erkauften Zehner- oder Neunertempel die Mehrheitsverhältnisse nicht mehr verändert werden können. Voraussetzung für eine solche Übernahme ist allerdings, dass der Spieler zu diesem Zeitpunkt die Mehrheit am Tempel besitzt. Ein Expeditionsteilnehmer wird zur Kennzeichnung auf die Spitze des Tempels gesetzt, alle anderen, die zur Mehrheitsbildung nötig waren, gehen verloren.
Die Möglichkeiten, seine zehn Aktionspunkte einzusetzen, spiegeln die Vielfältigkeit im Spielablauf wider. Das erst allmähliche Eindringen in den Urwald eröffnet immer neue Perspektiven, zumal die ersten Pyramiden mit Zweierwerten noch wenig attraktiv sind. Von zentraler Bedeutung ist im weiteren Spielverlauf die strategisch günstige Einrichtung neuer Camps, zumal damit automatisch Geheimgänge zwischen dem Basiscamp und allen eigenen eingerichtet werden, die kostengünstige Bewegungssprünge ermöglichen.
Für die Wertungsphasen haben sich Kramer und Kiesling einen interessanten Ablauf einfallen lassen. Beim Aufdecken einer Vulkankarte wird nicht der Ist-Zustand gewertet, sondern jeder Spieler macht für sich eine Wertung, nachdem er zehn Aktionspunkte eingesetzt hat. So können in einer Wertungsrunde Pyramiden einmal für den einen, dann wieder für den anderen Spieler gewertet werden, wenn die Mehrheitsverhältnisse geändert wurden. Die jeweiligen Punkte werden auf einer Außenskala angezeigt. Dieser Wertungsmechanismus gilt auch für die Schlusswertung nach Legen der letzten Geländetfafel. Die Zugreihenfolge ergibt sich durch den Punktestand, so dass der hinten liegende Spieler zuerst werten darf und damit in eine etwas günstigere Position kommt als die vor ihm liegenden.
Nach einer ersten Partie TIKAL empfehle ich, nur noch die Profiversion zu spielen, die sich insofern von der Grundfassung unterscheidet, dass jeder Spieler mit einem Vorschusskapital von zwanzig Punkten startet, um die Geländetafeln ersteigern zu können. Pro Spielrunde werden so viele Tafeln aufgelegt, wie Spieler teilnehmen. Der Spieler, der in der dann folgenden Versteigerungsrunde am meisten bietet, hat die freie Auswahl unter den ausliegenden Karten und erhält den ersten Zug, was von großer Bedeutung sein kann. Danach werden die restlichen Karten versteigert. Der gezielte Einsatz von Karten ist mit dieser Versteigerungsvariante viel besser möglich.
Spannung vom Spielanfang bis zum Schluss! Auf längere Grübelphasen muss man bei TIKAL aber eingestellt sein. Viel besser kann ein Spiel nicht sein, wobei die Umsetzung der Ravensburger vom Spielmaterial her (Holzsteine, Holzzelte, Spielbrett und –Karten in der gewohnten Qualität) und von der optischen Gestaltung (Franz Vohwinkel) zusätzlich zur gelungenen Spielatmosphäre beitragen.
Heo
Titel: TIKAL
Verlag: Ravensburger
Autoren: Wolfgang Kramer und Michael Kiesling
Grafik: Franz Vohwinkel
Spieler: 2-4 Spieler
Alter: ab 10 Jahren
Dauer: 90 bis 120 Minuten
Preis: ca. 50.- DM
Die Rezension erschien 1999 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 9 von 10 Sternen,
das entspricht: Jederzeit wieder
Spiel 12/1999 R 68/2020
Zum Spiel und zu den Autoren:
Die erfolgreiche Zusammenarbeit des Autorenteams Kramer& Kiesling begann 1997 mit HASTE WORTE (F.X. Schmid). TIKAL war 1999 der erste ganz große Erfolg, dem dann sofort der zweite mit TORRES folgte. Mit Spielen wie VERFLIXXT! und PALÄSTE VON CARRARA sind die beiden Autoren nur knapp an der großen Auszeichnung vorbeigeschrammt.
Mit TIKAL gelang Kramer&Kiesling ein Doppelerfolg, Sie gewannen nicht nur den Pöppel für das „Spiel des Jahres“, sondern landeten auch auf dem ersten Platz beim Deutschen Spielepreis. Das Foto zeigt bei de Autoren bei der Preisverleihung in Essen.
Freitag, 10. April 2020
PUERTO RICO
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Nominiert für das Spiel des Jahres 2002: PUERTO RICO
Wirtschaftsspiel par excellence
Wie viel Regeln braucht der Mensch? Wir haben unsere Verkehrsregeln, die wir in der Regel berücksichtigen. Wir haben Gesetzesregeln und Steuerregeln, bei denen nicht einmal die Fachleute den nötigen Durchblick haben. Wir haben kurze und lange Spielregeln für viele, viele Brett- und Kartenspiele. Was ist dem Durchschnittsspieler zuzumuten? Ein zwölfseitiges, sehr gut strukturiertes Regelwerk? Oder werden viele in der Erwartung einer gut halbstündigen Lektüre passen? Schade wär’s, denn die Lektüreergebnisse bescheren ein Spielvergnügen, das zuletzt die SIEDLER VON CATAN vermittelt haben.
Das Spielerlebnis der besonderen Art liefert uns PUERTO RICO von Andreas Seyfarth, erschienen im Alea-Verlag, einen Ableger der Firma Ravensburger, der sich der gehobeneren Spielkost verschrieben hat. Drei bis fünf Spieler tragen zur Entwicklung Puerto Ricos bei. Jeder besitzt dabei sein eigenes Territorium, das er auf zwei Spielplänen bei der Anlage von Plantagen und bei seiner Stadtentwicklung mit Verarbeitungsbetrieben, Wirtschaftsgebäuden und Bildungseinrichtungen voranzubringen versucht. Die Strategien, die dazu eingeschlagen werden, sind äußerst vielschichtig, daraus ergibt sich auch die umfangreiche Regel. Der Spielablauf selbst ist aber schnell verinnerlicht. PUERTO RICO “ ist einerseits ein Wirtschaftsspiel, andererseits ein Rollenspiel. Denn immer wieder müssen die Spieler entscheiden, mit welcher Rollenübernahme sie ihre wirtschaftliche Entwicklung forcieren wollen. Da gibt es die Siedler-Rolle, die neue Plantagen bringt, oder den Bürgermeister, der neue Kolonisten, die für die Arbeit auf den Plantagen und in den Manufakturen benötigt werden, an Land holt. Wichtig ist auch der Baumeister, der für die städtebauliche Erweiterung sorgt. Schließlich muss irgendwann einmal produziert und verkauft werden, dazu stehen die Rollenkarten des Aufsehers, Händlers oder Kapitäns zur Auswahl. Ab und zu ist es hilfreich in die Rolle eines Goldsuchers zu schlüpfen, denn der Ausbau der Stadt kostet viel Geld. Das Spiel endet, wenn ein Spieler seine 12 Stadtfelder bebaut hat, der Kolonisten-Nachschub versiegt oder keine Siegpunkte mehr verteilt werden können. Das ist bei der ersten Runde erst nach knapp drei Stunden der Fall. Geübte Spieler werden aber schon nach 60 bis 90 Minuten eine Revancherunde fordern.
Kaum ein Spiel der letzten Jahre besaß einen solchen Tiefgang wie PUERTO RICO. Die Gewinnstrategien sind so vielschichtig wie das Spiel selbst. Jeder spielt zwar für sich, eine direkte Interaktion wie bei den SIEDLERn VON CATAN findet nicht statt, trotzdem achten alle genau darauf, was die Mitspieler planen. Da wird kräftig diskutiert am Spieltisch, da werden nicht immer ganz uneigennützige Tipps gegeben, damit sich die eigene Wirtschaftswelt von PUERTO RICO lukrativ entfalten kann. Im Übrigen bietet die Entwicklung der puertoricanischen Welten vor den Spielern auch optischen Genuss. Der Grafiker Franz Vohwinkel hat das Spiel hervorragend umgesetzt.
PUERTO RICO ist ein absolutes Muss für Liebhaber anspruchsvollerer Spiele. Es könnte auch viele Menschen zu komplexeren Spielen hinführen, wenn sie sich der Regellektüre stellen. Der Autor, Andreas Seyfarth, hat sich 1994 für das Spiel MANHATTAN schon einmal über den Titel „Spiel des Jahres“ freuen dürfen. Es wäre ihm und seinem fantastischen Spiel zu gönnen, wenn er sich acht Jahre danach wieder freuen könnte.
Wieland Herold
Titel: Puerto Rico
Autor: Andreas Seyfarth
Grafik: Franz Vohwinkel
Verlag: Alea / Ravensburger
Spieler: 3-5
Alter: 12 Jahre
Spieldauer: 90 Minuten
Preis: ca. 29 Euro
Die Rezension erschien 2002 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 9 von 10 Sternen,
das entspricht: Jederzeit wieder
Spiel 5/2002 R 37/2020
Das zweite Bild zeigt Stefan Brück (Alea) bei der Präsentation von PUERTO RICO auf der Spiel in Essen 2001.
Den Kennerspielpreis gab es damals leider noch nicht, deshalb reichte es für PUERTO RICO nur für einen Platz auf dem Treppchen.
Nominiert waren:
Montag, 24. Februar 2020
TUTANCHAMUN
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Weg vom Würfeleinerlei
Kreativität ist wohl die gefragteste Eigenschaft bei unseren bundesdeutschen Spieleerfindern. Weg vom Würfeleinerlei, hin zu immer wieder unkonventionellen Spielmechanismen, die neue Spielreize entdecken lassen, scheint ein Markenzeichen der guten Vertreter dieser Zunft zu sein.
Ein Spieleautor aus München fällt dabei seit zwei Jahren durch stets überraschende Neuerungen in seinen Spielen auf. Reiner Knizia, 35 Jahre alt, verheiratet, noch kinderlos, bei einer großen deutschen Bank in München beschäftigt, ist dieser Stern am Autorenhimmel, dessen Spiele immer mehr beweisen, dass er neben den ganz Großen, wie Teuber, Randolph und Kramer genannt werden muss.
Spielspannung und kommunikative Elemente sind ihm besonders wichtig. Bis zum Schluss bleibt offen, wer als Sieger aus einer Spielrunde hervorgeht. Hoffnung auf den Spielsieg können sich bei Knizia-Spielen meist alle noch machen, für Aufregung bis zum Ende ist stets gesorgt.
Nur wenige Ereignisse fesselten in unserem Jahrhundert das Interesse und die Fantasie der Menschen so intensiv und über eine sehr lange Zeit, wie die Auffindung des Tutanchamun-Grabes 1922 im Tal der Könige. Hat im letzten Jahr Franckh-Kosmos dort nach Schätzen gegraben, bzw. eher umgekehrt die Pyramiden wiedererstehen lassen, so wenden wir uns bei Amigo den echten Schätzen des Kindkönigs zu, der mit 17 Jahren das Zeitliche segnete.
Folgen wir Knizias Spuren nach Ägypten. Treten wir in die Fußstapfen des Archäologen Howard Carters und seines Auftraggebers Lord Carnarvons, Entdecker der Schätze Tutanchamuns, nähern wir uns der bekannten Goldmaske des Pharaos.
Die Goldmaskenabbildung Tutanchamuns auf einer großen Spieltafel hat die Funktion eines Spielstandsanzeigers. Sonst kommt TUTANCHAMUN ganz ohne festen Spielplan aus. Jedes Mal neu werden trapezförmige Schatzkarten aneinandergelegt, so dass ein schlangenartiger Weg hin zu einer kleinen Pyramide führt. Die ausgelegten Grabbeilagen gilt es einzusammeln. Die Spieler würfeln sich als Schatzgräber nicht auf den Schatzkarten vorwärts, sondern kommen ganz ohne den Zufallsgenerator aus und dürfen sich völlig frei, beliebig weit in Richtung Pyramide bewegen, um Schatzkarten einzusammeln. Sie dürfen aber nicht umkehren. Eine raffinierte Grundidee, deren spieltechnische Steuerung durch einen ausgefuchsten Wertungsmechanismus erfolgt.
Von den Schatzkarten gibt es nämlich unterschiedliche Mengen, die dem jeweiligen Wert einer Karte entsprechen, so gibt es 1er, 2er, 4er, 6er und 8er Schätze im Spiel. Immer wenn der letzte Schatz einer Schatzart abgeräumt werden kann, wird gewertet. Der Spieler, der die meisten Schätze zum Beispiel des schönen SENET-Spieles besitzt, darf die volle Wertungspunktzahl auf der Goldmaske vorwärtsschreiten. Da es SENET achtmal gibt, sind das immerhin 8 Felder. Der Zweitplatzierte wandert immerhin noch die Hälfte der Felder voran. Gibt es zwei Sieger, teilen sich diese die maximale Punktzahl. Gibt es zwei oder mehrere Zweite, gehen diese alle leer aus. Besondere Schatzkarten helfen hier zum Teil weiter. Beim Patt nutzt ein Kanopen-Deckel - im Anhang der Regel gibt es übrigens ein nützliches kleines ägyptisches Lexikon. Wer also mit einem "Kanopen-Deckel" nichts anfangen kann, der sieht nach und erfährt, dass dies die Verschlussdeckel für die Eingeweidekrüge der Verstorbenen waren - , er kann den Ausschlag für die volle Wertung ergeben. Mit Goldklumpenkarten, von denen drei im Spiel sind, berauben sich die Schatzgräber untereinander. Zum Schluss gilt es, die Goldmaske Tutanchamuns zu erwerben, die als Joker eingesetzt werden kann. Der erste Spieler, der die Pyramide erreicht, erhält diesen wertvollen Schatz, da lohnt manchmal auch ein weiter Sprung nach vorn, wenn man weiß, dass eine entscheidende 8er-Wertung bevorsteht.
Ein faszinierendes Spiel, bei dem man genau die Sammelaktivitäten der Mitspieler im Auge haben muss. Jedes Mal muss man neu entscheiden, ob man zum großen Sprung nach vorn ansetzt oder doch lieber kleinschrittig noch einige Schätzchen sammelt. Spielspaß vom Anfang - schon das Zusammenlegen der Schatzkartenschlange bereitet Vergnügen - bis zum Ende. Wer konnte denn nun am weitesten vorrücken? Auch hier liegt eine zusätzliche Dynamik, da das Spiel nicht unbedingt erst endet, wenn alle bei der Pyramide sind. Das Erreichen der Uräusschlange auf der Wertungstafel beendet ebenfalls das Spiel.
Reiner Knizia hat jedenfalls einen Spielschatz gehoben, der ihm sicherlich Autorenehrungen einbringen wird. Ob es der Titel für das beste "Spiel des Jahres" 1993 sein wird, bleibt allerdings fraglich, da er sich selbst mit weiteren hervorragenden Brettspielen Konkurrenz macht. Für den Käufer, der sich vielleicht nur einen Knizia leisten kann, spricht vieles für das hier vorgestellte Spiel. Denn preislich macht dieses hervorragende Spiel das Rennen um die in letzter Zeit oft überschrittene 60.-, 70.-DM-Hürde nicht mit. Es kostet nicht einmal die Hälfte. Das Preis-/Leistungsverhältnis kann also gar nicht besser sein.
Gereicht hat es 1993 tatsächlich nicht für die ganz großen Würden, TUTANCHAMUN kam aber auf die Auswahlliste und erreichte den zweiten Platz beim Deutschen Spielepreis. Die vielen Würfel, auf die Knizia bewusst verzichtet hat, die Richard Borg in BLUFF wichtig waren, machten das Rennen. Die eigene Konkurrenz, auf die ich damals angespielt habe, betrifft das heute immer noch beliebte MODERN ART und die Kartenspiele ATTTACKE und EN GARDE.
Titel: TUTANCHAMUN
Autor: Reiner Knizia
Grafik/Design: Franz Vohwinkel
Verlag: Amigo
Alter: ab 9 Jahren
Spielerzahl: 2 - 6
Spielzeit: 30 Minuten
Preis: ca. 35 DM
Die Rezension erschien 1993 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals sehr freundliche 9 von 10 Sternen,
das entspricht: Jederzeit wieder
Spiel 1/1993 R 11/2020
Mittwoch, 19. Februar 2020
AKABA
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Frischer Wind im Spielkarton
Spielpläne, Spielfiguren aus Holz bestimmen das Ambiente der meisten Kinderspiele, die, gesteuert durch Karten oder Würfel, manchmal auch durch die Gedächtnisleistung, thematisch in Abenteuer-, Märchen- oder Tiergeschichten eingebunden, unseren Kleinen mehr oder weniger hohe spielerische Anforderungen stellen. Austauschbare Produkte entstehen, bei denen es schwerfällt, echte Kaufempfehlungen auszusprechen. Innovationen? Fehlanzeige!
Seit einigen Wochen bin ich wieder optimistischer. Da taucht auf einmal ein Blasebalg im Spiel auf: Frischer Wind im Spielkarton und alles in einem orientalischen Basar. AKABA heißt dieses innovative Haba-Spiel von Guido Hoffmann. Eigentlich wäre es nur ein einfaches Einkaufspiel, wenn wir nicht in den Basar versetzt würden und unsere Einkäufer nicht mit fliegenden Teppichen unterwegs wären. Fliegende Teppiche, die luftangetrieben über den Spielplan dahinschweben. Hier wird Spielgeschichte nicht nur durch das Spielplanambiente atmosphärisch umgesetzt, hier wird Spielgeschichte erfahrbar - hier wird Spielgeschichte geschrieben!
Ein kleiner roter Gummiblasebalg bringt vier Teppichflieger mit einem Windstoß in Fahrt. Mit entsprechendem Druck „fliegen“ die Spielfiguren über den Basar und bahnen sich ihre Wege zu den Ständen der Händler, um dort nach passenden Geschenken für ihre Angehörigen zu suchen. Die Flugzeit ist begrenzt. Ein Saati, ein Meister der Zeit, würfelt mit zwei Farbwürfeln. Sobald er zwei gleiche Farben wirft, darf der Blasebalg nicht mehr gedrückt werden. Wird der Teppich nicht durch den Saati gestoppt, endet der Spielflug, wenn der Spieler bei einem Händler gelandet ist oder wenn der Teppich abstürzt, d.h. umkippt oder im Basarbrunnen verschwindet. Gepustet wird solange, bis ein Spieler fünf verschiedene Geschenke für seine liebe Verwandtschaft finden konnte, was nach meist 15 Minuten, die im Fluge vergehen, der Fall ist.
Vorschulkinder kommen schon gut klar mit Blasebalg und Zielorientierung. Zwar kippt in der Hektik, mit der die Kinder gegen den würfelnden Mitspieler schnell anpusten, der leichte Teppich häufiger um, das erhöht aber nur die Spielfreude. Bei aller Aufregung ist auch etwas Konzentration gefragt, da immer nur zwei Geschenke, die verdeckt in den Basaren ausliegen, gesucht werden können, so dass Fehleinkäufe der Mitspieler hilfreich für die eigene Suche sind. AKABA ist ein spielerischer Leckerbissen. Eine fantastische Spielidee des Autors, der daneben für die stimmungsvolle grafische Umsetzung gesorgt hat. Für das gut funktionierende Spielmaterial zeichnet Haba in gewohnter Weise verantwortlich. Verlag und Autor ein herzliches Chapeau!
Wieland Herold
Titel: AKABA
Autor: Guido Hoffmann
Grafik/Design: Guido Hoffmann
Verlag: Haba
Alter: ab 5 Jahren
Spielerzahl: 2 - 4
Spielzeit: 15 - 20 Minuten
Preis: ca. 30 Euro
Die Rezension erschien 2004 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals euphorische 9 von 10 Sternen,
das entspricht: Jederzeit wieder
Spiel 1/2004 R 5/2020
Sonntag, 16. Februar 2020
ABUSIR
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Geschichte live: ABUSIR
Marion und Andreas Dettelbach waren schon immer für Überraschungen gut, ihre handgearbeiteten, liebevoll gezeichneten Spiele zeichnete eigentlich meistens eine große Originalität aus, am überzeugendsten für mich bisher in SCHWIMMER IN DER WÜSTE umgesetzt. ABUSIR, ihre neueste Spielentwicklung, stellt alles Bisherige in den Schatten. Den Stuttgartern gelingt mit diesem Pyramidenbauspiel eine historische Authentizität, die außergewöhnlich ist.
Die Dettelbachs mischen Geschicklichkeitselemente in ihr taktisches Familienspiel. Eigentlich nichts Neues im Ägyptengenre, wenn wir an CAIRO denken, nur waren dort die Schnippsereien beim Pyramidenbau völlig an den Haaren herbeigezogen. Das sieht bei ABUSIR ganz anders aus.
Einen riesigen Spielplan (84x60 cm) haben die drei bis fünf Pyramidenbauer vor sich, die Nekropole von ABUSIR, südlich von Kairo gelegen, mit direktem Nilzugang. Der war auch wichtig, da über den Fluss die wichtigsten Rohstoffe angeliefert wurden: Kalkstein aus den Steinbrüchen von Maasara und Tura, Rosengranit aus Assuan, notwendiges Material für den Bau der Pyramiden der 5. Dynastie.
Jungfräulich liegt das Tal vor uns, aber Grabmäler werden zu Lebzeiten der Herrscher erbaut und die wollen Fortschritte sehen, möglichst bevor sie das Zeitliche segnen. Gleich an sieben Stufenpyramiden dürfen die Spieler werkeln. Dafür besitzt ABUSIR eine opulente Ausstattung. 93 zum Teil mehrteilige Baukörper in drei Farben, die in der Realität 2,5 Tonnen wogen. Solche Massen wollten bewegt sein. Die geniale Erfindung dafür war ein Steinschlitten, der gezogen wurde. Eine Zugvorrichtung und eben diese Steinschlitten liegen diesem Spiel bei. Jeder Spieler erhält neben einem Boot zum Anfahren der Steinquader einen solchen Steinschlitten. Außerdem werden den Spielern noch drei Arbeiter zugeteilt, die wir uns in der Realität eher vertausendfacht vorstellen müssen, eine so genannte Aktions-Pyramide und Punktemarker.
Zu Spielbeginn platzieren die Spieler ihre Boote an Landeplätzen am Nil, dorthin wird auch der Steinschlitten gestellt. Stets sind alle Boote im Spiel, auch wenn weniger Spieler beteiligt sind, zusätzlich gibt es noch ein neutrales Boot. Fünf beliebige Bausteine werden aus einem vorher festgelegten Steinvorrat auf alle Boote geladen. Zusätzlich dürfen die Spieler ihren Schlitten schon einmal mit einem Pyramidenbaustein beladen, ob dies ein einfacher, ein doppelter oder gar ein dreifacher ist, spielt keine Rolle.
Im Spielverlauf dürfen die Spieler zwei Aktionen in beliebiger Reihenfolge durchführen. So dürfen sie ihre Steinschlitten beladen, dabei müssen sie nur beachten, dass der Schlitten genau am Landeplatz zu stehen hat und dass vom eigenen Boot drei und von fremden Booten zwei Steine abtransportiert werden dürfen. Für den Steinnachschub wird immer dann gesorgt, wenn zwei Boote keine Steine mehr geladen haben. Die zu beachtende maximale Ladekapazität eines Schlittens beträgt fünf Steine. Dann wird er bewegt, auch das gehört zu der Aktion dazu. Das Ziehen der Schlitten ist die besonders innovative Entwicklungsleistung nicht nur der Ägypter, sondern spieltechnisch gesehen auch der Dettelbachs. Verblüffend ist, dass genau zeitgleich bei Haba mit POLLY POTTWAL ein ähnlicher Zugmechanismus auftaucht. Ein Metallring wird über den Schlittenführer gelegt, an diesem Ring ist ein Zugseil, das mit einer Zugplatte verbunden ist. Diese wird an eine beliebige Kante des Spielfeldrandes gestellt und damit wird die Zugrichtung für den Schlitten vorgegeben. Der Steintransporter kann beliebig weit gezogen werden, einmal darf dabei der Zugpunkt durch Versetzen der Zugplatte verändert werden. Einmal in Gang gesetzt, preschen die Schlitten relativ rigoros durch die Landschaft, fremde Schlitten drängen sie beiseite, Arbeiter springen aus dem Weg. Allerdings endet die Zugaktion, wenn der Schlitten an Steine gebauter Pyramiden stößt, mit dem Zugseile Steine verschoben werden, Steine beim Rempeln ins Poltern kommen oder das fremde Schlitten in den Fluss oder über den Spielfeldrand abgedrängt werden.
Eine zweite Aktionsmöglichkeit besteht in der Bewegung der Arbeiter, die maximal zwei Wege weit zwischen den Pyramiden verrückt werden dürfen. Die dritte Aktion bezieht sich dann auf den Pyramidenbau. Gebaut werden darf dann, wenn ein Steinschlitten an einem der sieben Bauplätze steht und mindestens ein eigener Arbeiter dort ist. Dieser darf drei Steine unterschiedlicher Größe nach fest gelegten Bauregeln verbauen. So muss stets angebaut werden, die Form der Stufenpyramide mit einer Basis von 16 Steinquadern in der ersten Ebene, vier in der zweiten und einem Abschlussstein in der dritten muss gewahrt bleiben. Pyramidenbau bringt Punkte. Jeder verbaute Stein wird als positiver Beitrag auf einer Bautafel vermerkt, auch hier ist die Größe der Steine gleichgültig, ein Quader bringt ein Wertungsfeld, genauso wie eine Dreierkombination. Da die Spieler nur fünf Markierungssteine besitzen, müssen sie sich auf fünf Baubeteiligungen beschränken.
Ein Sonderzug, die Wiederholung einer beliebigen Aktion, ist gegen Abgabe der Aktions-Pyramide möglich. Diese erhalten die Spieler zurück, wenn sie bei einem späteren Zug auf eine Aktion verzichten. Im Laufe des Spieles kommt es bei Fertigstellung eines Bauwerkes zu Wertungen. Der Spieler, der am meisten beigetragen hat, erhält sechs Punkte, der zweite vier und der dritte immerhin noch zwei Punkte. Derjenige, der den Schlussstein gesetzt hat, erhält noch einen Punkt. Stimmte die Kooperation der Baugesellschaften, dann haben sie es vielleicht geschafft, alle Außensteine einfarbig zu platzieren. Ist das der Fall, erhält jeder drei Zusatzpunkte.
Das Spiel endet entweder, wenn fünf Pyramiden erbaut sind, ein Boot nicht mehr vollständig beladen werden kann oder wenn klar ist, dass mit den Reststeinen ein korrekter Pyramidenbau nicht mehr möglich ist. Auch die nicht fertiggestellten Pyramiden werden nun gewertet, allerdings mit halbierter Punktzahl und ohne Farbbonus. Der große Baumeister von ABUSIR
ist natürlich der Punktbeste, der nach 120 spannenden, vergnüglichen und wie im Fluge vergehenden Minuten feststeht.
ABUSIR ist in mehrfacher Hinsicht ein besonderes Spiel. Einerseits ist es ein hochkarätiges taktisches Bauspiel, das durch die Beschränkung auf fünf Baubeteiligungen besonderen Pfiff erhält. Da man nicht bei allen Pyramiden beteiligt ist, sollte man bei den fünf Pyramiden natürlich gut abschneiden. Zusätzlich stehen die Spieler unter dem Druck, auf Fertigstellung zu drängen, weil sie dadurch die doppelte Punktzahl einfahren. Das bringt weitere Dynamik. Geschickt gelöst hat das Autorenpärchen auch die Bausteinregelung, die unterschiedlichen Formen und Größen gilt es im Blick zu haben, sie sind in den Abschlussphasen der Pyramidenerstellung bauhinderlich oder -fördernd. Ein Blick auf die Ladungen der Mitspieler ist immer vonnöten. Und zu allem kommt die Bewegung der Schlitten hinzu, denn die wollen richtig gelenkt werden. Ein gutes Auge ist notwendig bei der richtigen Platzierung der Zugvorrichtung. Das Abdrängen und Blockieren gegnerischer Schlitten ist nicht nur Geschicklichkeit, sondern gehört auch ins taktische Programm des Spiels. Die in Heimarbeit der Dettelbachs erfolgte Ausstattung von ABUSIR ist vorzüglich, die Korkschlitten und –Boote funktionieren gut. Auch das Regelwerk ist gut gegliedert, anschaulich bebildert und durch eine Kurzspielregel fast professionell zu nennen. Spielen sollten Sie am besten zu dritt oder zu viert, da es in voller Besetzung doch etwas dauert bis man wieder an der Reihe ist. Als kleiner Wermutstropfen bleibt eigentlich nur der hohe Preis (49 €). Dafür erhalten Sie aber auch nicht das sonst Übliche, sondern ein originelles, individuelles Sammlerobjekt, das Sie zu den besonderen Perlen Ihrer Spielesammlung zählen können.
Titel: ABUSIR
Autor: Andreas und Marion Dettelbach
Grafik/Design: Andreas Dettelbach
Verlag: Spielteufel GmbH
Alter: ab 10 Jahren
Spielerzahl: 3 - 5
Spielzeit: 90 Minuten
Preis: ca. 49 Euro
Die Rezension erschien 2005 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 9 von 10 Sternen,
das entspricht: Jederzeit wieder
Spiel 1/2005 R 2/2020
Samstag, 4. Januar 2020
AZUL: DER SOMMERPAVILLON
Zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten! Die Versteigerung bunter Plastiksteine geht in die dritte Runde. Ging es in dem grandiosen AZUL um die Fliesen des Palastes von Evora, mutierten die Fliesenleger in AZUL II zu Glasmeistern der Weltkulturerbe-Stadt Sintra. In AZUL III scheinen Autor und Verlag die konkreten portugiesischen Orte ausgegangen zu sein, nebulös arbeiten wir an einem fiktiven SOMMERPAVILLON im frühneuzeitlichen Portugal.
Dafür werden allerdings wieder „die besten Materialien“ verwendet, wie die Spielregel verspricht. Die gelobte Haptik von AZUL I ist jedenfalls aufs Neue in AZUL III erfahrbar, nachdem die Bonbons von Sintra ausgelutscht sind und erneut wertige Fliesen, diesmal in Form einer Raute, im Spiel sind.
Als Handwerker bewegen wir uns auf ausgetretenen Pfaden. Wir haben unsere Manufakturen für den Fliesenerwerb, bedienen uns, wie gewohnt, aus Monokulturen, füllen dadurch die Tischmitte, deren Erstzugriff wieder Strafpunkte bringt. Neu im Procedere ist eine Jokerfarbe, die sich über die sechs Runden stets ändert. Von den Jokersteinen muss immer einer mitgenommen werden, es dürfen allerdings nicht mehr sein. Daher laufen diese Steine eher als lukrativer Beifang mit.
Aufgenommene Rauten werden nicht sofort platziert, sondern erst, wenn alle Manufakturen und die Tischmitte leer sind. Dann füllt jeder nach Belieben seinen Sternplan des SOMMERPAVILLONS. Dort befinden sich passend zu den sechs Steinfarben Sternfelder, die mit ein bis sechs Rautensteinen gefüllt werden. Es wird zwar immer nur ein Stein gelegt, aber wer das 6er-Feld eines Sterns belegt, um dafür entsprechend viele Punkte zu bekommen, muss sechs Steine dieser Farbe abgeben.
Die Konstellation des Pavillons ergibt, dass die Sterne Säulen, Statuen und Fenster einrahmen, zusätzlich einen mittleren Stern, der Rauten aller Fliesenfarben erfordert. Daraus entwickelt Kiesling ein attraktives Bonusprogramm für Azul III. Auf Vorratsfeldern in einer Bonus-Rosette im Zentrum der Wertungsskala liegen Steine aus, von denen sich die Spieler bedienen, wenn sie Figuren und Fenster umschließen. Am schwierigsten ist dies bei den Fenstern, dafür werden die 5er und 6er Felder benötigt, deshalb gibt es hierfür drei Steine zusätzlich. Die Statuen bringen zwei Extrasteine, die Säulen nur einen, obwohl die meisten schwerer zu umfliesen sind. So gibt es nur eine einzige Säule, die zur Vorbereitung acht Fliesen braucht, alle anderen kosten zehn bis 16 Fliesen.
Das Spiel endet nicht, wenn ein Spieler ein bestimmtes Ziel erreicht, sondern ganz simpel nach der sechsten Runde, sobald alle ihre Steine verbaut haben. Wer dann Fliesen hat, die er nicht unterbringt, bekommt Minuspunkte. In den Vorrunden durfte man stets vier Rauten für die Folgerunde aufsparen. Vollständige Sterne und Sets in der Belegung aller 1er-, 2er-, 3er- und 4er-Felder bringen zusätzliche Punkte. Bester Fliesenleger ist wieder der, der auf der Kiesling-Leiste am weitesten vorne steht.
Wer meinte, das „Spiel des Jahres“ 2017 könne nicht getoppt werden, wird von dem SOMMERPAVILLON eines Besseren belehrt. Die Jokerfarben, das Bonus-System, die Möglichkeit, Steine aufzuheben, und die Wertungsboni für geschlossene Sterne oder vollständige Zahlensets führen AZUL auf eine neue Ebene. AZUL III ist nicht ganz so gemein, wie Kieslings erster Ausflug nach Portugal, dafür spielt es sich taktischer in der Anlage der Steinsammlungen. Die vielen Sternfelder bieten deutlich mehr Optionen als das enge Raster des Fliesenkaros von Evora.
Materialmäßig bewegen wir uns wieder auf dem hohen Niveau des ersten Spiels, zusätzlich empfinde ich optisch den symmetrischen Sternaufbau in AZUL III attraktiver, was vielleicht auch mit den Rautensteinen zusammenhängt, die ich den quadratischen vorziehe. Ich ziehe meinen Hut vor Michael Kiesling, dem nicht nur eine einfache Erweiterung gelingt, sondern der mit diesem Spiel die AZUL-Trilogie auf einer neuen Ebene perfekt abschließt.
Wertung: Jederzeit wieder
Titel: AZUL: DER SOMMERPAVILLON
Autor: Michael Kiesling
Grafik/Design: Matt Paquette
Verlag: Next Move Vertrieb: Pegasus Spiele
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 2 – 4
Spielzeit: ca. 45 Minuten
Preis: ca. 45 Euro
Spiel 03/2020
Dienstag, 1. Oktober 2019
DIE CREW REIST GEMEINSAM ZUM 9.PLANETEN
Seit fünf Tagen gehört ein Spiel, das ich auf den Kosmos Pressetagen im Kloster Haydau kennengelernt habe, zum täglichen Brett-Menü. Nicht die RIETBURG aus der Welt von Andor, auch nicht CITIES SKYLINES, das sechs Millionen Mal als Computerspiel verkauft wurde. Beide Spiele sind solide, reichen aber nicht an die Originalität der CREW heran. Eine kooperative Idee, in der wir den Pluto-Nachfolger suchen, da unser Sonnensystem seit 2006 nur noch über acht Planeten verfügt. Planet Neun soll sich im äußeren Sonnensystem außerhalb der Umlaufbahn von Neptun befinden.
Thomas Sing, Konstanzer Autor, der vor acht Jahren mit MISS LUPUN seine Karriere erfolgreich bei Winning Moves startete, gelingt einerseits der geniale Entwurf eines kooperativen Stichspiels, andererseits schafft er es, in Form eines Logbuchs seine Spieler auf eine erzählerische Stichspielreise mit ins Universum zu nehmen. Hier stimmt einfach alles. Auch wenn manche Expeditionen schon nach 60 Sekunden vorüber sind, Freunde der Kooperation wollen immer gleich mehr.
Sing arbeitet mit dem klassischen Kartenspiel-Setting: Vier Farben mit den Werten 1-9, dazu vier Trumpfkarten in den Werten 1-4, zum Thema passend natürlich Raketen. Es gelten die üblichen Bedienpflichten, Ausspielender ist der Spieler mit der Viererrakete. Wie beim SKAT darf nichts über die eigenen Karten verraten werden. Eine reduzierte Kommunikation ist aber einmalig während der Mission für jeden Spieler erlaubt. Sie genehmigt nonverbal durch Anzeige eines Funkplättchens eine Information über eine Karte, die als niedrigste, höchste oder einzige markiert wird.
Jede Mission mit steigendem Schwierigkeitsgrad ist mit der Erfüllung von Aufgaben verbunden. Meist sind Auftragskarten bestimmten Spielern zugeordnet, die sie manchmal beliebig, oft aber in bestimmter Reihenfolge im Laufe des Stichspiels erfüllen müssen. Die Auftragskarten entsprechen den Farbkarten der Spieler. Ein Auftrag gilt als erfüllt, wenn ein Crewmitglied einen Stich gewinnt, in dem seine Auftragskarte auftaucht.
Klingt simpel, ist auch einfach, solange wir uns im Bereich von drei oder vier Aufgabenvorgaben bewegen. Sogar Spezialmissionen machen keine Schwierigkeiten, wenn zum Beispiel in der 9. Mission gefordert wird, dass eine 1er-Karte einen Stich gewinnen muss. Etwas schwieriger scheinen Aufgaben wie die der 16. Mission, dass keine 9er-Karte einen Stich machen darf. Durch richtiges Abwerfen klappt auch das. Für solche Aufträge können die Spieler ein Notsignalplättchen nutzen, dabei dürfen sie jeweils eine Karte zur Entlastung draften. Ab sechs zugeteilten Aufgaben sind die Missionen fast nur noch in SKAT-Konstellation zu dritt zu schaffen, in maximaler Besetzung zu fünft nur mit viel Gehirnschmalz und Glück. Für die ganz hohen Missionsbereiche braucht es generell „Oma-Blätter“.
Kosmos hätte DIE CREW REIST GEMEINSAM ZUM 9.PLANETEN durchaus auch als Legacy-Spiel anlegen können mit 50 Briefumschlägen, kleinen Paketen mit Funk- und Auftragsplättchen und dem Notsignal. Ein Stickerheft für erfüllte und nicht erfüllte Aufträge könnte die nächsten Missionen freischalten und auch die Buchführung über das Notsignal übernehmen. Sing und Redakteur Lüdtke haben sich für die klassische Umsetzung entschieden und bieten damit Stichspiel-Herausforderungen wie lange nicht mehr. Diese Mischung aus THE MIND und TRICK’N TROUBLE ist ein äußerst raffinierter Ausflug ins Kartenspiel-Universum, dem ich nur einen weniger umständlichen Titel gewünscht hätte.
Wertung: Jederzeit wieder
Titel: DIE CREW REIST GEMEINSAM ZUM 9.PLANETEN
Autor: Thomas Sing
Grafik/Design: Marco Armbruster
Verlag: Kosmos
Alter: ab 10 Jahren
Spielerzahl: 2- 5
Spielzeit: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 13 Euro
Spiel 65/2019
Mittwoch, 6. März 2019
WERWÖRTER
Vier Trends prägen den aktuellen Spielejahrgang. An erster Stelle steht die nicht anhaltende Flut der Krimirätselspiele, gleich dahinter befinden sich nach dem Erfolg von GANZ SCHÖN CLEVER unheimlich viele Roll and Write-Varianten, an dritter Position wird TETRIS eine Wiederauferstehung in vielen Variationen beschert. Und dann haben wir da noch Wortspiele wie HASTE WORTE, TAGS, JUST ONE und WERWÖRTER. Echte Spieleperlen, von denen man auch in drei Jahren noch spricht, befinden sich nach meiner Meinung nur unter den Spielideen aus der letzten Kategorie.
WERWÖRTER steht dabei ziemlich weit oben. Es ist eine Mischung aus dem Begrifferaten von 20 QUESTIONS und der WERWOLF-Welt. Die bekannten DÜSTERWALD-Charaktere tauchen auch hier auf, kein Wunder der Autor ist in beiden Fällen der Amerikaner Ted Alspach. Auch beim Worteraten geht es um den Sieg der Dorfgemeinschaft oder der Werwölfe.
Um Regeln braucht man sich eigentlich nicht zu kümmern, denn die Spielgruppe kann sich auf eine hervorragende App verlassen, die durch das Spiel lenkt. In der Regel sind bei den Spielen bis zu sechs Spielern ein Bürgermeister, Dorfbewohner, die Seherin und ein Werwolf beteiligt. Mit mehr Spielern kommt ein Werwolf dazu, außerdem können zwei Freimaurer und eine Wahrsagerin mitspielen.
Es ist stets eine Rollenkarte mehr im Spiel als Spieler beteiligt sind. Die Doppelrolle übernimmt der Bürgermeister. Er sucht mit App-Unterstützung einen Begriff aus, den die Dorfbewohner erraten sollen. Werwolf und Seherin wissen ebenfalls, um welchen Begriff es geht, nur die Normalos im Dorf sind ahnungslos. In vier Minuten dürfen nun alle über 40 Fragen stellen, die der Bürgermeister mit Ja- oder Nein-Chips beantwortet, zehnmal darf er auch auf ein „Vielleicht“ ausweichen.
Strategisch muss die Seherin den Dorfbewohnern auf die Sprünge helfen und die Werwölfe versuchen die Antwortchips durch viele falsche Spuren zu reduzieren, denn wenn die alle sind, kann der Bürgermeister auch nicht mehr antworten. Beide Gruppen sollten aber nicht zu offensichtlich agieren, denn wenn die Dorfbewohner das richtige Wort erraten, gewinnt der Werwolf trotzdem, wenn er abschließend die Seherin entlarvt. Das gilt auch umgekehrt, sollte die Zeit ohne Lösung verstreichen, gewinnen die Dorfbewohner, wenn sie den Werwolf enttarnen.
Daraus entwickelt sich eine ganze besondere Spielspannung. Da werden Fragen doppelt gestellt, nur um Chips zu verbrauchen, da nimmt man auch kritische Bemerkungen, wie Alzheimer stünde wohl ins Haus, in Kauf. Besonders brisant wird es, wenn der Bürgermeister die Werwolfrolle zusätzlich übernehmen muss. Antworten muss er wahrheitsgemäß, aber, was die Wahrheit ist, ist in solchen Runden oft Auslegungssache.
Das Spiel ist großartig und klappt auch deshalb hervorragend, weil es endlich einmal von einer App begleitet wird, die hervorragend funktioniert. Die Wortdatenbank ist im Prinzip unbegrenzt und kann auch durch eigene Wortlisten ergänzt werden. Schwierigkeitsgrade von „leicht“ bis „unmöglich“ bieten hohe Auswahlvarianz. Reizvoll sind Rollen wie die der Wahrsagerin, die nur Buchstabenfetzen zu sehen bekommen. Dieses Prinzip wird ebenfalls im Speed-Modus verwandt, der die Spielzeit um die Hälfte verkürzt. Wie beim Galgenraten, sieht man die Länge des Wortes und einen Lösungsbuchstaben. Sogar eine Variante mit zwei Spielern mit Werwolf und Dorfbewohner gibt es. Für große und für kleinere Runden ein geniales Spiel, das ich auch mehrmals am Tag gerne spiele.
Wertung: Jederzeit wieder
Titel: WERWÖRTER
Autor: Ted Alspach
Grafik/Design: Jason Boles
Verlag: Ravensburger
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 2 - 10
Spielzeit: ca. 10 Min.
Preis: ca. 13 Euro
Spiel 15/2019
Freitag, 3. November 2017
AZUL
Der in Achim in der Nähe von Bremen lebende Autor Michael Kiesling musste Sechzig werden, um sich 2017 als erfolgreichster Autor von der Essener Spielemesse zu verabschieden. Seine Karriere währt schon über zwanzig Jahre. Die Wenigsten wissen, dass er einst in Essen mit einem Kleinverlag startete, wobei seine drei Spiele im 1x1 Verlag nicht wirklich für ZÜNDSTOFF sorgten. Danach war er über lange Zeit Partner Wolfgang Kramers. Mit TIKAL und TORRES landeten die beiden gleich einen Doppelerfolg beim „Spiel des Jahres“ 1999 und 2000. Vor zehn Jahren zeigten sich erstmals seine Solostärken wieder, da nahm er den späteren Trend der WIKINGER-Spiele überzeugend vorweg.
Ganz aktuell ist sein taktisches Legespiel AZUL das beliebteste Spiel der Messe, zumindest wenn man GeekBuzz-Wertung von BGG und die Fairplay-Liste zugrunde legt. Beim GeekBuzz landete AZUL auf dem ersten Platz, die Stimmberechtigen der Fairplay wählten es immerhin noch aufs Podium, dort erreicht das Spiel den dritten Platz. Dabei blieb es aber nicht, mit HEAVEN & ALE (eggertspiele) verzeichnete er mit seinem Bremer Koautor Andreas Schmidt noch einen weiteren Platz in der Top-Ten-Wertung der Fairplay. Außerdem war er mit seinem gewohnten Partner Kramer mit REWORLD (eggertspiele) im Weltraum unterwegs. Schließlich schippern wieder einmal Schiffe auf dem Mississippi. Sein RIVERBOAT (Lookout Spiele) ist ein landwirtschaftliches Logistikspiel, das ausschließlich aus seiner Feder stammt.
Zurück zu AZUL. An Kieslings Idee lässt sich trefflich die aktuelle Marktentwicklung ablesen. Die kanadische Firma Plan B Games, die bisher nur durch den ersten Teil der CENTURY-Trilogie im Vertrieb von Abacus auf dem deutschen Markt auffiel, sorgte Anfang Juli für Schlagzeilen. Der Verlag um Sophie Gravel übernahm eggertspiele und erhielt damit Zugriff auf viele herausragende Kenner- und Expertenspiele. Peter Eggert kündigte damals an, noch drei Jahre aktiv an Entwicklung und Herausgabe von Spieleneuheiten mitwirken zu wollen. Das Kerngeschäft mit den anspruchsvollen Spielen wird den Hamburgern erhalten bleiben, die einfacheren Familienspiele scheint Plan B übernehmen zu wollen. Denn redaktionell ist AZUL von den eggertspiele-Redakteuren Viktor Kobilke und Philippe Schmit betreut worden und wäre sonst mit Fuchs-Logo herausgekommen. Vertriebstechnisch schwenken die Kanadier nun auch um und schließen sich Pegasus an, für eggertspiele bleibt damit alles wie gehabt.
Für den Start des in Deutschland noch unbekannten Verlags konnte nichts Besseres passieren. AZUL wird das Ast-Logo mit dem angelehnten „B“ von Garmisch bis Flensburg bekannt machen. Warum der Erfolg? Kiesling gelingt mit AZUL das, was 2016 Bruno Cathala mit KINGDOMINO erreichte. Beide Legespiele sind in wenigen Minuten erklärt, die Spiele selbst entwickeln dann genügend Spieltiefe, dass der Spannungsbogen für die notwendige halbe Stunde ausreicht. Auch optisch wissen beide Spiele zu gefallen, wobei AZUL im haptischen Bereich das „Spiel des Jahres“ 2017 klar schlägt.
Und die Haptik ergibt sich aus den 100 Azulejo, quadratische Fliesen, die im spanischen oder portugiesischen Umfeld aus Keramik sind und im Spiel kongenial in Kunstharz umgesetzt wurden. Etymologisch hat der Begriff nichts mit dem portugiesischem „azul“ für blau zu tun, sondern ist ein Überbleibsel des maurischen Einflusses, stammt damit aus dem Arabischen und steht für Fayence.
Die 100 Fliesen gibt es in fünf verschiedenen Gestaltungen, wobei zur Abgrenzung deutlichere Kontraste gewählt wurden als beispielsweise auf der Spielregel, deren Kachelwerk ganz in Blau gehalten bleibt. Zwei bis vier Spieler dürfen sich als Fliesenleger fühlen und eine 5x5-Felder große Wand nach Vorgabe oder recht frei gestalten. Jeder erhält dafür eine Palastwand, die sein Spiels steuert und seine Punkte bilanziert. Kacheln in der obersten Reihe brauchen dabei nur einen Musterstein, darunter wird es stets eine Kachel mehr, sodass in der fünften Reihe fünf Kacheln einer Sorte nötig sind, um ein Feld zu belegen. Jede Kachel an der Wand bringt einen Siegpunkt und Zusatzpunkte für orthogonal angrenzende Reihen, ein fünfter Stein in Reihe oder Spalte bringt daher immer fünf Siegpunkte.
Der besondere Reiz ergibt sich aus dem Erwerb der Steine. Je nach Spielerzahl fabrizieren fünf bis neun Keramik-Manufakturen Angebote und zwar stets vier zufällig gezogene Fliesen. Wer sich bei einer Manufaktur bedient, muss alle Steine einer Sorte nehmen und die in eine Musterreihe seiner Auslage legen. Alle restlichen Steine kommen in ein zentrales Angebot, aus dem sich die Spieler analog der Manufakturregel bedienen.
Abhängig vom Angebot muss daher die Füllung der Musterreihen gut überlegt sein. Dabei bleibt die Wertung im Blick, damit man möglichst nicht Kacheln isoliert anbringen muss. Andererseits müssen die Fliesenleger im Laufe des Spiels aufpassen, da die Aufnahme aus dem zentralem Angebot nicht immer mit den freien Plätzen der Musterreihen korreliert. Nicht unterzubringende Kacheln verhageln die Bilanz und bringen Minuspunkte.
Das Spielende tritt recht schnell ein. Frühestens nach fünf Runden, wenn ein Spieler eine horizontale Linie durchgängig mit Fliesen kacheln konnte. Wer auf mehr Punkte aus ist, achtet aber eher auf Vollendungen der Spalten, denn diese bringen neben der normalen Bepunktung sieben Zusatzpunkte gegenüber zwei Punkten in der Reihe. Wer es schafft, alle fünf Kacheln einer Sorte zu setzen, der bekommt sogar zehn Punkte zusätzlich.
Optisch ein Traum, haptisch ein Vergnügen und vom Spielablauf durchgehend spannend: AZUL hat alles, was ein herausragendes Familienspiel ausmacht!
Wertung: Jederzeit wieder
Titel: AZUL
Autor: Michael Kiesling
Verlag: Plan B Games
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 2 - 4 Spieler
Spielzeit: ca. 30 Min.
Preis: ca. 40 Euro
Spiel 68/2017
Samstag, 6. Mai 2017
GREAT WESTERN TRAIL
Diesmal gibt es keine Probleme mit dem Cover. Dabei ist der historische Hintergrund fast identisch. Alexander Pfister wechselt nur den Kontinent und springt aus der imperialistischen afrikanischen Phase von MOMBASA in die Pionierzeit der amerikanischen Geschichte und folgt den Trails von Texas nach Kansas City. Da taucht zwar ein unverfängliches Tipi ganz unten links im Bild auf, aber im dominierenden Zentrum stehen ein Cowboy, ein Ingenieur und ein Handwerker. Unterdrückung nur auf der Basis friedlichen Handelns, wenn die Cowboys durchs Indianerdorf reisen.
Von der Vielschichtigkeit der Verzahnung des Spiels her verspricht GREAT WESTERN TRAIL das Niveau, das Pfister schon in MOMBASA erreicht hat, zu halten. Waren wir in Afrika Buchhalter, Aktien- und Diamantenhändler, die vorausschauend ihre Aktionskarten managen mussten, sind wir im mittleren Westen nun Viehtreiber, die etwas von Personalmanagement und Logistik verstehen müssen, diesmal auf der Basis einer klugen Kartendeckentwicklung.
Das Deck spiegelt unseren Viehbestand wider, der anfangs wenig wertvoll ist, weil die unterschiedlichen Rindersorten vom einfachen Jersey-Rind bis zum Black Angus erst einmal nur Werte von ein bis zwei Geld erbringen. 14 solche billigen Rinder in vier Sorten besitzen alle am Anfang, vier davon halten sie auf der Hand. Das Problem an der Abnahmestation in Kansas City ist, dass dort nur für verschiedene Sorten gezahlt wird. Vier Jersey-Rinder bringen mir deshalb nicht vier Geld, sondern nur einen Dollar. Deshalb ist der Weg nach Kansas City wichtig, weil der Besuch bestimmter Ort hilft, mein Deck zu verbessern, Rinder zu veräußern und neue, wertvollere zu kaufen. Anfangs liegen nur einige allgemein zugängliche Orte auf den verschiedenen Wegen, die nach Kansas führen. Mit der Zeit ergänzen die Spieler durch Zukäufe diese Stationen, die ihre Optionsauswahl deutlich verbessern.
Dabei haben sie auch im Blick, dass in Kansas nicht nur verkauft wird, sondern die Herde an die an die Eisenbahn angeschlossenen Städte wie Santa Fe oder San Francisco geliefert wird. Die Länge der Strecke hängt vom Wert der Rinder ab, gleichzeitig muss eine eigene Eisenbahn entsprechend vorangebracht werden, sonst fallen Transportkosten an. All meine Maßnahmen werden unterstützt durch Personaleinstellungen. Die Cowboys erleichtern mir den Rindererwerb, die Ingenieure bringen meine Lokomotive voran, schließlich helfen die Handwerker beim Bau weiterer Orte. Wichtiges Steuerungselement ist dabei eine persönliche Ablage für jeden Spieler, auf der der Personalbestand angezeigt wird und mit der Zeit immer mehr sogenannte Hilfsaktionen freigeschaltet werden. Sobald am Arbeitsmarkt das letzte Feld belegt ist, kommt es zu abschließenden Zügen der restlichen Spieler. Bevor eine vielschichtige Schlusswertung durchgeführt wird. Der Auswertungsblock gibt beachtliche elf Bereiche vor, die Siegpunkte bringen.
Der Ablauf ist gar nicht so komplex, wie es am Anfang scheint. Zumal die wenigen Gebäude und die erst allmähliche Entwicklung des Spielplans, des Eisenbahnaufbaus und des Personalbestandes auch Neulinge gut in das Spiel einführen. Trotzdem dauern erste Runden in Vollbesetzung durchaus drei Stunden. Aber, so wie das Spiel sich erst allmählich entwickelt und sich immer weiter steigert, verfliegt auch die Zeit, sodass aus drei Stunden gefühlte zwei werden.
Schnell wird klar, dass Mischstrategien nicht so erfolgreich sind und Schwerpunkte gesetzt werden müssen. Nur diese Akzente können ganz unterschiedlich ausfallen. Da sind die Optimierung der Herde, der geschickte Ausbau von Stationen und die Bahnentwicklung, die viel Punkte bringen können. Manche greifen auch ständig auf lukrative Auftragskarten zurück, andere setzen auf einen Turbo-Rindtrieb nach Kansas und schaffen statt der meist üblichen sechs Runden sieben. Auch 18 Punkte für eine Herde zu erreichen, ist ein wichtiges Ziel, denn nur so gelangt man nach San Franzisco.
Alexander Pfister versteht sein Handwerk. Dieses Arrangement verschiedener Spielstrategien einpackt in eine passende Geschichte hält das Niveau von MOMBASA. Viktor Kobilke von eggertspiele hat das Projekt erneut perfekt begleitet und unter Zuarbeit des Grafikers Andreas Resch wundervoll umgesetzt. Im letzten Jahr habe ich Pfister schon sehr früh in meiner spielbox-Besprechung im ersten Heft 2016 den Deutschen Spielepreis vorausgesagt. Das wird 2017 schwerer, da mit TERRAFORMING MARS ein (fast) ebenbürtiger Konkurrent auftritt. Ginge es nach mir, wäre Pfister allerdings erneut bei seinem diesjährigen Spiel-Trieb erfolgreich.
Wertung: Jederzeit wieder
Titel: GREAT WESTERN TRAIL
Autor: Alexander Pfister
Verlag: eggertspiele / Pegasus
Alter: ab 12 Jahren
Spielerzahl: 2 - 4 Spieler
Spielzeit: ca. 90 bis 180 Min.
Preis: ca. 40 Euro
Spiel 28/2017
Montag, 27. Juni 2016
MOMBASA
MOMBASA kann durchaus als neuer Geniestreich Alexander Pfisters bezeichnet werden. Für seine österreichischen Landsleute um die de Cassans ist es 2016 DER Spielehit für Experten und die Chancen auf den Deutschen Spielepreis, der in den letzten Jahren stets deutlich über Kenner-Niveau lag, stehen gut.
2011 konnte Pfister mit dem Vorläufer des Spiels den ersten Platz im Hippodice Autorenwettbewerb gewinnen. Dann musste er allerdings vier Jahre warten, bis sein AFRIKA 1830 von dem Redakteur Viktor Kobilke bearbeitet nun als MOMBASA bei eggertspiele erschien.
Pfister führt in die Zeit des Kolonialismus, als Handelskompanien und imperialistische Staaten Afrika unter sich aufteilten. Der Autor reduziert diese Thematik hauptsächlich auf die wirtschaftliche Komponente. Die Spieler sind Investoren von Kompanien, die sich RISIKOartig auf dem Kontinent verbreiten, sie handeln mit den klassischen Waren der Kolonien, lieben vor allem die Diamanten. All das verlangt eine hochexakte Buchhaltung. Was fasziniert, ist die perfekte Verzahnung unterschiedlicher Mechanismen. Raffiniert ist das spielsteuernde Kartenmanagement, das anfangs über drei Kartenslots abläuft, die Aktionsmöglichkeiten regeln. Spannend ist durchweg das konkurrierende Gerangel bei der Ausbreitung der Handelsgesellschaften, das gleichzeitig eine Art Aktienwert der Kompanien regelt. Fein austariert ist die Siegpunktsammlung über die Buchhaltungsleiste und das leichtere Sammeln von Punkten auf der Diamantenleiste. Am Ende entscheidet nicht nur das perfekte Aktienmanagement über den Spielsieg, hilfreich ist zumindest ein Durchmarsch auf einer der Zusatzleisten.
Die Vielfältigkeit sorgt dafür, dass es nicht DIE Strategie in MOMBASA gibt, aber ein ständiges Reagieren auf das Vorgehen der anderen. Oft helfen sinnvolle Koalitionen weiter, die aber oft für eine gewisse Nivellierung der Aktienwerte sorgen. All das braucht Zeit. MOMBASA spielt sich nicht schnell in sechzig Minuten. In voller Besetzung muss man durchaus drei Stunden Zeit einkalkulieren, aber die spürt keiner der Spieler. Langeweile kennt das Spiel nicht. Das ist alles ganz dicht verzahnt und eine in sich stimmige Komposition, die bisher nur wenige Spiele erreicht haben.
Wertung: Jederzeit wieder
Titel: MOMBASA
Autoren: Alexander Pfister
Verlag: eggertspiele
Alter: ab 12 Jahren
Spielerzahl: 2-4 Spieler
Spielzeit: ca. 120 Min.
Preis: ca. 40 Euro
Sonntag, 26. Juni 2016
ISLE OF SKYE
Chapeau! Was 1999 und 2000 das damalige Autorenduo Wolfgang Kramer und Michael Kiesling vorgemacht haben, könnte das aktuelle Traumduo Alexander Pfister und Andreas Pelikan 2015 und 2016 wiederholen. Ging es bei Kramer&Kiesling noch um den roten Pöppel, einen anderen gab es damals nämlich noch nicht, treten die beiden österreichischen Autoren zum zweiten Mal um den Kampf um das Kennerspiel an. BROOM SERVICE war die große Überraschung 2015, der könnte nun ISLE OF SKYE folgen.
Was wie eine einfache schottische CARCASSONNE-Variante aussieht, ist ein deutlich komplexeres Legespiel, in dem jeder an seiner persönlichen Hebriden-Insel basteln darf. Die Haupteinnahmequellen auf Skye sind der Tourismus, die Landwirtschaft, die Fischerei und die Produktion von Whisky. All das spiegelt sich in ISLE OF SKYE wider. Da gibt es Burgen, die touristisch durch Wege erschlossen werden, Schafe und Schiffe kommen auch vor, viel eindrucksvolle Landschaften mit Wiesen, Seen und Gebirgen und immer wieder Whisky-Fässer.
Ausgehend von einem Burgplättchen erweitern bis zu fünf Clan-Häuptlinge in sechs Spielrunden ihre Inseln. Pfister&Pelikan haben sich einen hochinteressanten Kartenerwerb ausgedacht. Dazu zieht jeder drei Plättchen aus einem Beutel und legt diese vor seinen Sichtschirm. Dahinter herrscht Spannung pur, denn ein Plättchen fliegt raus, es erhält einen Abwurfmarker. Für die anderen werden Preise festgelegt. Kärtchen, die man selbst behalten möchte, setzt man natürlich höher an, verschleudert wird aber nichts. Da jeder nur eine Karte kaufen darf, kann so ein Spieler am Ende mit Glück drei Karten an seine Burg legen, weil nichts bei ihm eingekauft wurde. Wenn er Pech hat, wird er aber alle los und erweitert sein Dominium um nur ein Plättchen. Der eine wird danach ganz arm sein, der andere hat immerhin viel Geld. Beim Erwerb und beim Legen gilt es immer, Zwischenwertungen im Blick zu behalten. Da geht es um die meisten Schiffe, geschlossene Bergketten oder viele Schafe. Der Wertungen sind viele, sodass kein Spiel dem anderen gleicht, zumal diese Wertungen sich auch an unterschiedlichen Stellen dreimal wiederholen. Mit 16 Wertungskarten, von denen nur vier in unterschiedlicher Reihenfolge ins Spiel kommen, ist eine extreme Varianz möglich.
Kartenerwerb und variabler Wertungsrhythmus machen aus ISLE OF SKYE ein ganz besonderes Spiel. Aber auch die Feinabstimmung stimmt, da gibt es Geldnachschub, wenn die Clan-Burg mit besonders vielen Whiskyfässern verbunden ist, zusätzlich gibt es einen Nachteilsausgleich für hinten liegende Häuptlinge, für die damit der Einkauf in der nächsten Runde erleichtert wird. Abwechslungsreich und durchweg spannend ist dieses Legespiel von Pfister und Pelikan. Die elegante Verzahnung vieler innovativer Mechanismen und Ideen grenze an Perfektion, meint die Jury „Spiel des Jahres“. Eine Perfektion, die die beiden Österreicher vielleicht wieder zu einer Pöppel-Übergabe führt.
Wertung: Jederzeit wieder
Titel: ISLE OF SKYE
Autoren: Alexander Pfister, Andreas Pelikan
Verlag: Lookout Games
Alter: ab 10 Jahren
Spielerzahl: 2-5 Spieler
Spielzeit: ca. 60 Min.
Preis: ca. 30 Euro
Dienstag, 14. Juni 2016
PANDEMIC LEGACY
Seit Juli 2014 lebt Matt Leacock ausschließlich vom Spieleerfinden. Der Amerikaner wohnt mit seiner Frau und seinen beiden Kindern im Zentrum des Silicon Valley, dort hat er auch vor 2014 mit Arbeiten für Sococo, Yahoo!, AOL, Netscape und Apple einen Großteil seines Geldes verdient. Leacock ist ein Teamplayer, bekannt gemacht haben ihn vor allem kooperative Spiele wie PANDEMIE, DIE VERBOTENE INSEL und DIE VEGESSENE STADT. Vor allem der PANDEMIC-Virus pflanzt sich in gut der Hälfte seiner Spielentwicklungen fort. Das Schöne daran, dieser Virus muss nicht bekämpft, er darf gespielt werden.
Sein Partner, Rob Daviau, aus Massachusetts hat fast 15 Jahre lang Spiele für Hasbro entwickelt. Da saß er dann an der 113. TRIVIAL PURSUIT-Variante, hat MONOPOLY- und RISIKO-Welten bedient und dabei auch das LEGACY-Prinzip entwickelt. Seit drei Jahren arbeitet er selbständig vor allem vom LEGACY-Virus infiziert. Daviaus Grundidee geht von einem sich ständig entwickelnden, ständig verändernden Brettspiel aus, indem es (so gut wie keinen) Reset-Knopf gibt, sondern alle Entscheidungen Folgewirkungen für die nächsten Spielrunden haben.
Wenn zwei derartig angesteckte, entflammte Autoren aufeinandertreffen, ihre beiden Grundideen miteinander vermischen, dann entsteht ein neuer Virus, der sich global rasend schnell ausgebreitet hat. Ihr PANDEMIC LEGACY SEASON 1 hat innerhalb kürzester Zeit mit fast 10.000 Bewertungen das lange führende TWILIGHT STRUGGLE vom ersten Platz der BGG-Liste verdrängt.
Rund um den Globus sind alle begeistert. Die Franzosen, die Italiener und die Deutschen würdigen die kreative Leistung der beiden Autoren und viele, viele Preise werden noch folgen. Dabei wird von den Spielern einiges abverlangt. Der Wiedererkennungswert an PANDEMIE ist erst einmal groß. Wieder müssen für vier gefährliche Seuchen möglichst schnell von Wissenschaftlern und Forschern Heilmittel entwickelt werden, die meist erfolgreich in den Forschungszentren arbeiten, wenn sie logistische Unterstützung haben. Da sind aber ständig neue Hürden im Weg, der über 12 Monate hinweg möglichst mit gleicher Mannschaft begangen wird. Spielästheten graut es, wenn schon nach zehn Spielminuten die Aufforderung erfolgt, eine Spielkarte zu zerreißen, weil sie nicht mehr gebraucht wird. Da werden Spielplan und Spielregel beklebt, da werden Geheimdosiers wie Adventskalender geöffnet, oft mehrfach hintereinander, sodass man das Gefühl hat, eine ganze Woche nachzuholen, die großen Überraschungen stecken dann noch in kleinen Päckchen, sodass man sich wie unter dem Weihnachtsbaum fühlt. Aus dem Allerweltspiel, das demnächst vielleicht eine Million Mal auf den Spieltischen liegt, wird ganz schnell ein sehr individuelles auf die Spielgruppenerfahrungen zugeschnittenes Unikat, das am Ende dann aber in der Mülltonne verschwinden kann, denn es ist nicht mehr spielbar. Da existieren Logistiker und Forscherin nur noch als Papierschnipsel, da sind Städte zugrunde gegangen oder zerstört. Diese Dezemberwelt hat nichts mehr mit der vom Januar zu tun.
Leacock und Daviau nehmen ihre Akteure wie in einer Filmserie á la „Game of Thrones“ gefangen. Das Schöne an diesem erzählerischen Ansatz ist, dass die Spieler die fesselnd erzählte Geschichte stets selbst miterleben und mitgestalten. So gesehen ist nach ca. 18 Spielen (jeder Monat darf maximal zweimal gespielt werden) zwar Schluss, aber vergleichbare Spielerlebnisse findet man sonst nirgends. Wie bei den Filmserien werden SEASON 2 und 3 folgen und die Zahl der wartenden Seuchenbekämpfer wächst weiter an. „Das eh schon grandiose PANDEMIE wird nun zum Meisterwerk“, meint die Jury „Spiel des Jahres“, das gilt natürlich auch für das LEGACY-Prinzip. Hier ist symbiotisch etwas entstanden, was unbedingt zusammengehören sollte.
Wertung: Jederzeit wieder
Titel: PANDEMIC LEGACY
Autoren: Matt Leacock, Rob Daviau
Verlag: Z-Man Games/ Asmodee
Alter: ab 14 Jahren
Spielerzahl: 2-4 Spieler
Spielzeit: ca. 40 Min.
Preis: ca. 45 Euro
Sonntag, 13. Dezember 2015
CODENAMES
Vlaada Chvátil, der wohl namhafteste tschechische Spieleautor und Mitbegründer von Czech Games Edition (CGE), steht für anspruchsvolle Kost. Bekannt wurde er vor allem durch GALAXY TRUCKER, IM WANDEL DER ZEITEN und MAGE KNIGHT. Der Informatiker steht für besonders kreative Ideen, dass er allerdings auch ganz simple Spielansätze beherrscht, beweist sein neuester Coup: CODENAMES.
Im Oktober in Essen erschienen, zwei Monate danach mit fast 5000 Wertungen bei BGG auf Platz 1 der Partyspiel-Liste, DIE UNÜBLICHEN VERDÄCHTIGEN, MAFIA DE CUBA und MYSTERIUM weit hinter sich lassend, nur AGENT UNDERCOVER kann ihm, zurzeit auf dem 13. Platz liegend, einigermaßen folgen. Irgendwie hat Chvátil wieder einmal Vieles richtig gemacht. Er hat den Trend der kommunikativen Deduktionsspiele erkannt und eine einfache Zugangsform gefunden, die vergleichbare Spiele alt aussehen lässt.
Ich sage nur „Bond 9“! Und mein Team jubelt, da sprudelt es nur so: „Spion, Laser, Kasino, Roulette, Antarktis, Katze, Wanze, Mond“, nur bei der „Dame“ ist Feierabend, ich hätte viel lieber die „Pistole“ gehört. Einen solchen Start in eine Runde CODENAMES durfte ich tatsächlich erleben. Mein Agententeam musste neun von 25 Begriffen entschlüsseln und schaffte auf Anhieb uneinholbare acht!
25 Begriffskarten liegen in einem 5x5 Raster aus. Zwei Geheimdienstchefs blicken auf eine Codekarte, die die Positionen der Begriffe anzeigt, die die zugehörigen Teams herausbekommen müssen. Beim Startteam geht es um neun Begriffe, das gegnerische Team braucht nur acht zu finden. Dann gibt es noch sieben Begriffe, die als unbeteiligte Zuschauer fungieren, die „Dame“ war ein solcher Begriff und einen Attentäter. In der Bond-Runde war der Schlüsselbegriff für den Meuchelmörder „Drossel“ zum Glück weit weg von den Bond-Assoziationen.
Der Tippgeber, der Teamchef, hat die schwerste Rolle inne, er darf einerseits nicht mehr als einen Begriff und eine Zahl nennen. Anderseits muss er seinen Tipp auch so abstimmen, dass keine gegnerischen Karten erraten werden und vor allem nicht der Attentäter. Fauna-Assoziationen dürften also im gewählten Beispiel gefährlich sein. Das Team muss mindestens einen Rateversuch machen, darf insgesamt aber so viele Versuche unternehmen, die der genannten Zahl entsprechen. Solange die Tipps richtig sind, geht es weiter. Erratene Karten werden abgedeckt. Wird eine neutrale Karte oder eine gegnerische geraten, wird auch diese entsprechend verdeckt und der andere Geheimdienstchef ist an der Reihe. Beim Attentäter ist sofort Schluss, sonst endet die Runde, wenn ein Team alle seine Wortkarten abgedeckt hat.
Wer Druck ins Spiel bringen möchte, nutzt die beiliegende Sanduhr, die dann die Grübelphasen für den gegnerischen Chef abkürzt. So schwer es den Bossen fällt, sie müssen sich zurückhalten, bei der Einwortregelung bleiben und auch mimisch keine Tipps geben. Das ist in der Hektik des Spiels nicht immer ganz einfach, besonders dann, wenn es, was oft passiert, auf einen knappen Spielausgang hinausläuft. Es gibt zwar Regeln für zwei und drei Spieler, im Grunde funktioniert CODENAMES aber so richtig erst mit vier Spielern aufwärts.
CODENAMES ist ein geniales Kommunikationsspiel, das mit den Einwortsätzen scheinbar gar nicht elaboriert daherkommt, aber intellektuelle Höchstleistung verlangt. Spieler, die anfangs nur mit „Küche 1“ oder „Märchen 1“ agieren, kommen im Laufe der Runde auf immer mehr Zusammenhänge. Da sprüht der Geist und die Erfolgskurve zeigt steil nach oben, zumal ja ständig kleine Erfolgserlebnisse zu verzeichnen sind. Am ehesten ist CODENAMES noch mit Erik Nielsen assoziativen LINQ zu vergleichen, das die Jury „Spiel des Jahres“ 2008 auf der Empfehlungsliste hatte. Da sehe ich Chvátils Idee mindestens auch im nächsten Jahr. Durch die hohe Varianz hat es eindeutig die Nase vor Spielen wie MYSTERIUM, bei dem sich doch bestimmte Bildkombinationen einschleifen und arbeitet auch nicht mit Vorurteilen wie DIE UNÜBLICHEN VERDÄCHTIGEN.
Nachtrag Mai 2016: Qualität setzt sich durch - CODENAMES ist für das "Spiel des Jahres" 2016 nominiert.
Wertung: Jederzeit wieder
Titel: CODENAMES
Autor: Vlaada Chvátil
Verlag: Czech Games Edition, Vertrieb: Heidelberger
Alter: ab 14 Jahren
Spielerzahl: 2-8 Spieler
Spielzeit: 15 Min.
Preis: ca. 15 Euro
Dienstag, 19. Mai 2015
ARLER ERDE
Spieler sind verrückte Menschen. Sie bewegen sich in allen Zeitaltern von der Frühgeschichte der Menschheit bis in die ferne Zukunft zum Angriff der Zylonen auf Galactica. Sie bewegen sich in mexikanischen Tempeln, auf der chinesischen Mauer, spielen Jule Vernes „Reise um die Welt in 80 Tagen“ nach oder Serien wie „Walking Dead“. Dass sie sich auch in das kleine ostfriesische Örtchen Arle verirren könnten, um mit Begeisterung das mühselige Leben an der Nordseeküste zu Beginn des 19. Jahrhunderts nachzuempfinden, hätte vor AGRICOLA wahrscheinlich niemand geahnt. Am wenigsten die Arler selbst, deren Kirchturm in Spielerkreisen nun genauso bekannt ist wie die Doppeltürme von NOTRE DAME. Als 1163 der Baubeginn der Kathedrale des Erzbistums Paris startete, war die kleine Kirche in Arle urkundlich schon 1106 erstmals erwähnt worden.
Uwe Rosenberg hat der Region, in der er aufwuchs, mit dem Spiel ARLER ERDE ein gewichtiges Denkmal gesetzt. Wenn die Jury „Spiel des Jahres“ noch Sonderpreise wie „Geschichte im Spiel“ verleihen würde, hätte diese Idee durchaus einen Sonderpreis „Regionalgeschichte im Spiel“ verdient. Dem Gesamtprodukt merkt man an, dass es ein Herzblutspiel Rosenbergs ist: Detailverliebt, gespickt mit regionalen Anspielungen und ergänzt durch ein 36seitiges Kompendium, in dem der Autor allen Spielern seine Heimat nahebringt. Es reicht vom Grünkohlessen über die „Bohntjesopp“ und Teezeremonie zur Deichwirtschaft und Moorkolonisation.
Das sind die Spannungsbögen die ARLER ERDE auch im Solo- oder Zweipersonenspiel kennzeichnen. Damit die Spieler im Halbjahrestakt über knapp fünf Jahre hinweg ihre Höfe erfolgreich bewirtschaften, brauchen sie für Gebäude, Ackerflächen, Schaf- und Rinderzucht mehr Land. Das müssen sie dem Meer durch Deichbau abringen und dem Moor durch Trockenlegung.
Rosenberg hat sich dazu 30 verschiedene Aktionsbereiche ausgedacht, die die Spieler hälftig im Winter- und im Sommerhalbjahr nutzen. Vier Familienmitglieder stehen dafür zur Verfügung. 36 Aktivitäten sind das damit über die gesamte 120minütige Spielzeit, die natürlich nach Punkten abgerechnet wird. Wer anfangs von der Vielfalt erschlagen ist, stellt schnell fest, dass ARLER ERDE einfach ausprobiert werden muss. Es gibt eigentlich keine schlechten Aktionen. Für den Winter müssen die Spieler beachten, dass Heizmaterial und Nahrung im Hause ist. Schnell wird auch klar, dass Reisen lohnt, Fuhrwerke in die Umgebung fahren sollten.
Als Oldenburger bin ich allerdings empört, dass Rosenbergs Karren zwar von Arle bis Bremen unterwegs sind, aber das Großherzogtum an der Hunte nicht bereist wird. Trotz der Ungehaltenheit, ARLER ERDE spiele ich zu jeder Zeit wieder. Die Vielschichtigkeit fasziniert, Rosenberg hat wieder einmal ein perfektes Spiel erfunden!
Wertung: Jederzeit wieder
Titel: ARLER ERDE
Verlag: Feuerland
Autor: Uwe Rosenberg
Spieleranzahl: 1-2
Alter: ab 14 Jahren
Dauer: ca. 90 Minuten
Preis: ca. 50 Euro
PATCHWORK
Uwe Rosenberg, 45jähriger Autor aus Ostfriesland, ist für seine hochkomplexe AGRICOLA-Welt vielfach ausgezeichnet worden, dabei hat er auch ein gutes Händchen für einfache Ideen. Seine Bandbreite zeigen die beiden Empfehlungen der Jury „Spiel des Jahres“ 2015. Da ist sein ostfriesisches Epos ARLER ERDE, aber auch das pfiffige Legespiel PATCHWORK.
Man stelle sich Rosenbergs Großmutter vor, die nach dem Zweiten Weltkrieg regelmäßig nach Wilhelmshaven fuhr, um Stoffe für ihre Kundschaft einzukaufen. Verwertet wurde alles, sogar der kleinste Rest ließ sich noch verarbeiten. Diesem Recyceln von Stoffresten setzt Rosenberg mit PATCHWORK ein spielerisches Denkmal.
Dazu nutzen zwei Spieler 33 unterschiedliche Stoffreste, die aus zwei bis acht zusammenhängenden Quadraten bestehen. Mit denen und fünf Bonusteilen können sie maximal 81 Felder auf der quadratischen Patchworkdecke belegen. Ein Stoff-Puzzle mit Pappteilen, Knopfgeld und viel Zeit, die für Handarbeit nun einmal nötig ist. 53 Zeiteinheiten stehen auf einer spiraligen Zeitleiste zur Verfügung, in Spielzeit umgerechnet sind das etwa 30 Sekunden pro Einheit. Umrahmt ist die Zeituhr von den 33 Stoffteilen, die ein Einkäufer, den beide Spieler bewegen, gegen Zahlung von Knöpfen und Zeit erwerben kann. Jeweils drei Teile sind erreichbar, die aus der Porto-, pardon Knopfkasse bezahlt werden, die anfangs mit nur fünf Knöpfen bestückt ist. Gleichzeitig kostet das Einnähen Zeit, sodass der eigene Zeitstein voran wandert. Wer hinten liegt, darf sich immer weiter bedienen, auch mehrmals hintereinander. Spieler, die auf der Zeitleiste ein Knopffeld überspringen, bekommen für jeden schon verarbeiteten Flicken mit Knöpfen Nachschub für die Kasse. Außerdem gelten die Knöpfe als Siegpunkte. Fünf kleine Flickenfelder erhalten als Belohnung nur die Führenden. Das gilt auch für ein nicht unwichtiges Zwischenziel: Wer als erster ein Quadrat mit 49 Feldern schließen kann, erhält sieben Knopfpunkte für die Endwertung. Spieler, denen die Zeit ausgegangen ist, rechnen Knopfeinnahmen gegen nicht belegte Felder gegeneinander auf.
PATCHWORK ist nicht einfach ein belangloses 08/15 Legespiel. Die pfiffige Mischung aus Zeit- und Knopffaktoren, die die alternierende Reihenfolge aufhebt, sorgt für ein spannendes Flicken-Duell. Auch das Endergebnis ist ansehnlich, es genügt auch hohen ästhetischen Ansprüchen. Klemens Franz, der Grafiker, hat gut Arbeit abgeliefert. Die Jury konnte an diesem Kunstwerk aus Ostfriesland nicht vorbeigehen und hat es zu Recht auf die Empfehlungsliste der besten Spiele des Jahres 2015 gesetzt.
Wertung: Jederzeit wieder
Titel: PATCHWORK
Verlag: Lookout Spiele
Autor: Uwe Rosenberg
Spieleranzahl: 2
Alter: ab 8 Jahren
Dauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 20 Euro
Sonntag, 10. Mai 2015
AUF DEN SPUREN VON MARCO POLO
Daniele Tascini und Simone Luciani haben ein fantastisches Gespür für die Umsetzung historischer Themen. TZOLK‘IN, das Spiel um den Maya-Kalender, war schon grandios. Jetzt setzen sie sich auf die SPUREN VON MARCO POLO und erneut erliegen die Spielefreaks der Faszination ihres historischen Entwurfs.
Hans im Glück hat diesmal das Glück gehabt, ein Spiel des italienischen Erfolgsduos veröffentlichen zu dürfen. Redaktionell gibt es zwar kleinere Fehler, aber an der Vielfalt des Gesamtentwurfs ist überhaupt nichts zu kritisieren. MARCO POLO will immer wieder ausprobiert werden, da keine Spielerfahrung der anderen entspricht.
Thematisch geht es um Marco Polos Reise in das Reich der Mitte. Spielerisch geht es, wie so oft, um Siegpunkte, die Spieler sogar, ohne die Reise ansatzweise durchzuführen, gewinnen können. Punkte gibt es für das Erfüllen von Handelsaufträgen und für die meisten Aufträge, die schafft man auch ohne zu reisen. Die Reise von Venedig nach Beijing wird ebenfalls belohnt, wobei die frühe Ankunft besonders viele Punkte bringt. Nur wer Beijing erreicht hat, darf am Ende Waren in Siegpunkte tauschen. Jede Handelsstation, die auf dieser Reise errichtet wird, bringt Vorteile, zum Teil auch Siegpunkte, vor allem wenn man acht oder neun Stationen errichten konnte. Wer durch sein Reisen zu bestimmten durch zwei Zielkarten vorgegebenen Städten gelangt, verbucht zusätzlich Punkte. Schließlich bringt am Ende Geld im Verhältnis 10:1 Wertungspunkte ein.
Gesteuert wird das alles durch Würfeleinsatz. Jeder besitzt dafür fünf eigene Farbwürfel, die die Spieler mit schwarzen oder einen weißen Würfel ergänzen können. Zu Beginn jeder der nur fünf Runden würfeln die Reisenden alle Würfel und steuern ihre Handlungen, indem sie sie auf Aktionsfelder setzen. So kommt man durch Platzieren von ein bis drei Würfeln an Geld, Rohstoffe, Kamele, an Aufträge und schließlich kann man auch Reisen durchführen. Manche Aktionsfelder dürfen nur einmal besetzt werden, die meisten mehrmals, wobei nachfolgende Spieler, den Wert ihres dort eingesetzten kleinsten Würfels bezahlen müssen. Am teuersten ist das Reisen. Zwei Würfel müssen dafür investiert werden, wobei die kleinste Würfelzahl die maximale Bewegungsweite vorgibt. Wer drei Stationen Richtung Beijing laufen möchte, muss erst einmal 12 Geld zahlen, hinzukommen drei Taler, wenn man nicht der erste Reisende ist. Auf vielen Strecken fallen weitere Ausgaben an. Seereisen kosten meist zusätzlich, vor allem die Südroute über Kochi geht richtig ans Portemonnaie. Auch auf den Landstrecken benötigen die Spieler oft weitere Kamele. Wer beispielsweise am Anfang mit drei Schritten von Venezia über Moscow nach Anxi reisen möchte, muss drei Kamele im Stall haben. Wohin man reisen möchte, hängt von den eigenen Zielkarten ab, aber auch von den lukrativen Angeboten, die manche Stationen bieten. Da gibt es einen Bonus für den, der zuerst in eine große Stadt kommt, in kleineren Städten fallen Belohnungen in jeder Runde an. In Anxi hätte zum Beispiel eine Gratifikation mit Siegpunkten ausliegen können. Die großen Städte verfügen zusätzlich über Stadtkarten, die durch Würfeleinsatz von denjenigen aktiviert werden können, die ein Kontor in dieser Stadt haben. Für Geld- und Siegpunkterwerb sind das nützliche Felder, wobei von 31 Stadtkarten in jedem Spiel nur neun zum Einsatz kommen.
Wer jetzt meint, dass man da doch total dem Würfelglück ausgesetzt sei, hat nur bedingt recht. Mit Hilfe von Kamelen lassen sich Würfel neu werfen, rauf oder runter drehen, für drei Kamele gibt es sogar einen schwarzen Würfel zusätzlich. Dann gibt es noch Raschid ad-Din Sinan, eine Charakterkarte, die alle Würfelgesetze aufhebt und die Würfel so dreht, wie der Spieler es möchte. Damit sind wir bei einer wichtigen Zusatzkomponente des Spiels, die es bewusst nicht mehr ausbalanciert, sondern ungleiche Startbedingungen durch ganz unterschiedliche Fähigkeiten schafft. Jeder will sich hier anfangs Raschid schnappen und stellt dann bald fest, dass es gar nicht einfach ist, mit diesem idealen Würfler zu gewinnen. Die anderen Charaktere haben auch ihre Reize. Da ist Matteo Polo, der Onkel Marco Polos, der einen zusätzlichen weißen Würfel zur Verfügung hat und ständig neue Aufträge bekommt. Mercator ex Tabriz ist ein erfolgreicher Schnorrer, wenn ein Mitspieler Waren oder Kamele auf dem Markt bekommt, erhält er ebenfalls eine Ware oder ein Kamel. Johannes Caprini ist seiner Zeit voraus, er ist der ideale Erfüller sämtlicher Zielaufträge und stets der erste in Beijing, wenn nicht Kubilai Khan mit spielt. Er beamt sich von Oase zu Oase und tanzt von einer lukrativen Stadt zur anderen. Kubilai Khan kassiert von vornherein zehn Siegpunkte, denn er startet nicht von Venedig, sondern von Beijing aus. Berke Khan muss nicht zahlen, wenn er ein besetztes Aktionsfeld nutzen möchte. Wilhelm von Rubruk besitzt gleich 11 Handelsposten, für die er zehn Siegpunkte zusätzlich erhält, wenn er sie alle platzieren kann. Das Gute bei ihm, er lässt en passant die Hütten stehen, wenn er sich auf Durchreise befindet. Schließlich taucht natürlich auch der Namensgeber des Spiels auf, er bringt seinen Vater mit und darf mit beiden Figuren übers Spielfeld wandern.
Das alles auszuprobieren, macht richtig viel Spaß. Selten war der Wiederspielreiz bei einem Spiel so hoch wie bei MARCO POLO. Die Varianz bringen nicht nur die Charaktere, sondern die unterschiedlichen Reiserouten und verschiedenen Ausgangslagen durch die Städtekarten und Boni, die stets neue Strategien erfordern. Das Erfüllen von Handelsaufträgen, auf das bisher nur kurz eingegangen wurde, ist für die Gesamtbilanz auch nicht zu unterschätzen. Viele Handelsaufträge bringen bis zu neun Siegpunkten und teilweise sogar zusätzliche Bewegungen für das Reisen. Die Mischung macht’s und diese ist immer wieder unterschiedlich. Oft will man bei MARCO POLO der erste sein, vor allem auf den Reiserouten. Andererseits wird nur der Startspieler, der als letzter in einer Runde gereist ist. Das erfordert geschicktes Taktieren. Da jeder Aktionsbereich im Prinzip immer nur einmal pro Runde von einem Spieler genutzt werden kann, sind dabei diejenigen gut dran, die über Zusatzwürfel verfügen. Mit zwei schwarzen Würfeln darf die Reise fortgeführt werden. Matteo Polo hat mit seinem zusätzlichen weißen Würfel gute Karten. Die Varianz führt allerdings auch zu Situationen, die langweilige Schleifen in den Aktionen zur Folge haben können. So habe ich eine Runde erlebt, in der der Raschid-Spieler in Moscow ständig 24 Punkte kassieren konnte. Er musste nur sechs Gold und sechs Kamele abgeben, sodass er stereotyp seine Würfel in den Gold- und Kamelebereich setzte. Da mussten alle zusammenstehen und den Druck auf ihn erhöhen, damit er nicht uneinholbar davon eilte.
Man braucht Spielerfahrung, um die Möglichkeiten der Charaktere voll auszureizen. Ich hätte mir gewünscht, dass es in Einführungsrunden neutrale Charaktere gegeben hätte, sodass sich unerfahrene Spieler erst allmählich an die Unausgewogenheiten machen können. Denn Zwänge gibt es genug. Einmal hat man zu wenig Geld für die Reiseschritte, das andere Mal fehlen die Kamele, dann wieder eine bestimmte Ware, um einen Auftrag zu erfüllen. Ständig herrscht Mangel, vor allem wenn man die Reiseziele im Blick behalten will und merkt, dass fünf Runden schnell vorbei sind. Obwohl das Spiel zu viert gut anderthalb Stunden dauert, vergeht die Zeit wie im Fluge.
AUF DEN SPUREN VON MARCO POLO fasziniert bisher jeden, der mit ihm in Berührung kam. Kritik gibt es wenig. Die redaktionellen Mängel sind marginal, bis auf die falsche Schreibweise von Beijing und die fehlende Zahl 48 auf der Zählleiste und Ungenauigkeiten bei der Angabe der vorhandenen Kamele und Pfeffersäcke, stört mich eigentlich nur, dass Hans im Glück bei der Größe der Waren etwas mehr Geld in die Hand hätte nehmen sollen. Einer- und Dreierwaren lassen sich nämlich fast gar nicht unterscheiden, das führt ständig zu falschen Abrechnungen. Das nehmen wir aber in Kauf, denn das Gesamtprodukt ist mehr als stimmig. Der Sieg beim Deutschen Spielepreis dürfte daher wieder einmal nach München gehen.
Wertung: Jederzeit wieder
Titel: Auf den Spuren von Marco Polo
Verlag: Hans im Glück
Autoren: Daniele Tascini und Simone Luciani
Spieleranzahl: 2-4
Alter: ab 12 Jahren
Dauer: ca. 20-25 Minuten pro Spieler
Preis: ca. 40 Euro
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