
Diesmal gibt es keine Probleme mit dem Cover. Dabei ist der historische Hintergrund fast identisch. Alexander Pfister wechselt nur den Kontinent und springt aus der imperialistischen afrikanischen Phase von MOMBASA in die Pionierzeit der amerikanischen Geschichte und folgt den Trails von Texas nach Kansas City. Da taucht zwar ein unverfängliches Tipi ganz unten links im Bild auf, aber im dominierenden Zentrum stehen ein Cowboy, ein Ingenieur und ein Handwerker. Unterdrückung nur auf der Basis friedlichen Handelns, wenn die Cowboys durchs Indianerdorf reisen.
Von der Vielschichtigkeit der Verzahnung des Spiels her verspricht GREAT WESTERN TRAIL das Niveau, das Pfister schon in MOMBASA erreicht hat, zu halten. Waren wir in Afrika Buchhalter, Aktien- und Diamantenhändler, die vorausschauend ihre Aktionskarten managen mussten, sind wir im mittleren Westen nun Viehtreiber, die etwas von Personalmanagement und Logistik verstehen müssen, diesmal auf der Basis einer klugen Kartendeckentwicklung.
Das Deck spiegelt unseren Viehbestand wider, der anfangs wenig wertvoll ist, weil die unterschiedlichen Rindersorten vom einfachen Jersey-Rind bis zum Black Angus erst einmal nur Werte von ein bis zwei Geld erbringen. 14 solche billigen Rinder in vier Sorten besitzen alle am Anfang, vier davon halten sie auf der Hand. Das Problem an der Abnahmestation in Kansas City ist, dass dort nur für verschiedene Sorten gezahlt wird. Vier Jersey-Rinder bringen mir deshalb nicht vier Geld, sondern nur einen Dollar. Deshalb ist der Weg nach Kansas City wichtig, weil der Besuch bestimmter Ort hilft, mein Deck zu verbessern, Rinder zu veräußern und neue, wertvollere zu kaufen. Anfangs liegen nur einige allgemein zugängliche Orte auf den verschiedenen Wegen, die nach Kansas führen. Mit der Zeit ergänzen die Spieler durch Zukäufe diese Stationen, die ihre Optionsauswahl deutlich verbessern.
Dabei haben sie auch im Blick, dass in Kansas nicht nur verkauft wird, sondern die Herde an die an die Eisenbahn angeschlossenen Städte wie Santa Fe oder San Francisco geliefert wird. Die Länge der Strecke hängt vom Wert der Rinder ab, gleichzeitig muss eine eigene Eisenbahn entsprechend vorangebracht werden, sonst fallen Transportkosten an. All meine Maßnahmen werden unterstützt durch Personaleinstellungen. Die Cowboys erleichtern mir den Rindererwerb, die Ingenieure bringen meine Lokomotive voran, schließlich helfen die Handwerker beim Bau weiterer Orte. Wichtiges Steuerungselement ist dabei eine persönliche Ablage für jeden Spieler, auf der der Personalbestand angezeigt wird und mit der Zeit immer mehr sogenannte Hilfsaktionen freigeschaltet werden. Sobald am Arbeitsmarkt das letzte Feld belegt ist, kommt es zu abschließenden Zügen der restlichen Spieler. Bevor eine vielschichtige Schlusswertung durchgeführt wird. Der Auswertungsblock gibt beachtliche elf Bereiche vor, die Siegpunkte bringen.
Der Ablauf ist gar nicht so komplex, wie es am Anfang scheint. Zumal die wenigen Gebäude und die erst allmähliche Entwicklung des Spielplans, des Eisenbahnaufbaus und des Personalbestandes auch Neulinge gut in das Spiel einführen. Trotzdem dauern erste Runden in Vollbesetzung durchaus drei Stunden. Aber, so wie das Spiel sich erst allmählich entwickelt und sich immer weiter steigert, verfliegt auch die Zeit, sodass aus drei Stunden gefühlte zwei werden.
Schnell wird klar, dass Mischstrategien nicht so erfolgreich sind und Schwerpunkte gesetzt werden müssen. Nur diese Akzente können ganz unterschiedlich ausfallen. Da sind die Optimierung der Herde, der geschickte Ausbau von Stationen und die Bahnentwicklung, die viel Punkte bringen können. Manche greifen auch ständig auf lukrative Auftragskarten zurück, andere setzen auf einen Turbo-Rindtrieb nach Kansas und schaffen statt der meist üblichen sechs Runden sieben. Auch 18 Punkte für eine Herde zu erreichen, ist ein wichtiges Ziel, denn nur so gelangt man nach San Franzisco.
Alexander Pfister versteht sein Handwerk. Dieses Arrangement verschiedener Spielstrategien einpackt in eine passende Geschichte hält das Niveau von MOMBASA. Viktor Kobilke von eggertspiele hat das Projekt erneut perfekt begleitet und unter Zuarbeit des Grafikers Andreas Resch wundervoll umgesetzt. Im letzten Jahr habe ich Pfister schon sehr früh in meiner spielbox-Besprechung im ersten Heft 2016 den Deutschen Spielepreis vorausgesagt. Das wird 2017 schwerer, da mit TERRAFORMING MARS ein (fast) ebenbürtiger Konkurrent auftritt. Ginge es nach mir, wäre Pfister allerdings erneut bei seinem diesjährigen Spiel-Trieb erfolgreich.
Wertung: Jederzeit wieder
Titel: GREAT WESTERN TRAIL
Autor: Alexander Pfister
Verlag: eggertspiele / Pegasus
Alter: ab 12 Jahren
Spielerzahl: 2 - 4 Spieler
Spielzeit: ca. 90 bis 180 Min.
Preis: ca. 40 Euro
Spiel 28/2017