Freitag, 6. Mai 2016
MADAME LE COMMISSAIRE UND DER TOD DES POLIZEICHEFS
Mehr als seichte Unterhaltung bietet Pierre Martin in seinen Romanen um die Kommissarin Isabelle Bonnet nicht. Im dritten Krimi dieser Reihe untersucht Bonnet den angeblichen Selbstmord des Polizeichefs von Toulon. Nebenher klärt sie mit ihrem Assistenten Apollinaire länger zurückliegende Morde im Rahmen eines Überfalls auf ein Juweliergeschäft in Cannes.
Bonnet ermittelt von der tiefsten Provinz aus, im Hinterland der Côte d’Azur, dafür aber stets mit Rückendeckung und im Auftrag oberster Pariser Behörden. Begleitet werden ihre Ermittlungen von pilcheresken Beziehungsdramen um ihren Geliebten Thierry Blès, der seinen Bürgermeistersessel in Fragolin gegen einen einflussreichen Posten in Paris getauscht hat und amourösen Abenteuern mit dem steinreichen Kunstsammler Rouven, der sie auf rote Teppiche und seine Yacht entführt.
Das könnte unterhaltsam sein, da könnte auch Spannung aufkommen, wenn der unter Pseudonym schreibende Autor nicht ständig floskelhaft und klischeeverliebt agieren würde. Da finden sich Platituden wie: „Recht häufig war bei den Männern auch der gezielte Schuss in den Kopf, vor allem dann, wenn sie eine Waffe besaßen.“ Wiederholend wissen wir, dass es dann garantiert „Einige Stunden später …“, „Die nächste Stunde…“, „Eine halbe Stunde später…“, „Einige Minuten später…“ mit der nächsten Plattheit weitergeht.
Gebe es Jacobert Apollinaire Eustache nicht, Bonnets unübertrefflichen Assistenten, würden Martins Figuren nur Klischeebilder in der Welt der „sirrenden Zikaden“ und des würzigen „Dufts von Lavendel“ sein. Seine stets unterschiedlichen Socken und schräg geknüpften Jacken bringen etwas Leben in die Abziehbilderwelt der Côte d’Azur.
Wertung: **
Titel: MADAME LE COMMISSAIRE UND DER TOD DES POLIZEICHEFS
Verlag: Knaur
Autor: Pierre Martin
Seiten: 362 Seiten
Preis: 9,99 Euro
Freitag, 22. Januar 2016
TANNIE MARIAS REZEPTE FÜR LIEBE UND MORD
Krimis mit kulinarischem Beiprogramm gibt es inzwischen schon viele. Martin Walkers Bruno ermittelt stets deliziös im Périgord. Sebastian Henn gilt als "Deutschlands König des kulinarischen Krimis". Auf dieser Welle schwimmt auch Tom Hillenbrand mit seinem Luxemburger Koch Xavier Kieffer erfolgreich mit. Alle drei Autoren garnieren ihre Krimis mit geschmackvollen Gerichten.
Was Tannie Maria jetzt in ländlicher Kulisse Südafrikas bietet, geht darüber hinaus. Ihre Rezepte sind Lebenshilfe in Liebesdingen, tiefen Tälern und dienen durchaus dazu, den ein oder anderen Betroffenen die Zunge lockerer zu machen. Denn die begeisterte Köchin und Kolumnistin ist Hobby-Detektivin, die den Mord an einer Leserbriefschreiberin klären möchte.
Dabei wird die Witwe stets auch mit ihrer eigenen Vergangenheit konfrontiert. Tatverdächtige gibt es viele, da ist der brutale Ehemann, die lesbische Freundin, ein Fracking-Unternehmen oder verrückte Adventisten. Echte Rätselspannung will aber nicht aufkommen, dazu verläuft die Handlung zu additiv.
Ein neuer Bruno oder Kieffer wächst hier in Klein Karoo, dem zentralen Hochplateau Südafrikas nicht heran. Sally Andrew, der Autorin, gelingt die Gratwanderung zwischen echtem Krimi und Kochbuch nicht so richtig, zumal pilchersche Anwandlungen sie auch immer wieder in eine triviale Liebesgeschichte abdriften lassen. Übersetzungstechnisch stören mich auch die vielen Afrikaans-Relikte, die nicht eingedeutscht werden. In anderen Krimis aus Südafrika gibt es dann immerhin einen erklärenden Anhang, der hier nur durch Kochrezepte ersetzt wird.
Wertung: **
Titel: Tannie Marias Rezepte für Liebe und Mord
Verlag: Atrium
Autor: Sally Andrew
Seiten: 478 Seiten
Preis: 19,99 Euro
Samstag, 19. Dezember 2015
ENDLICH MEIN
Donna Leon übertreibt etwas in diesem Jahr, schon der zweite Brunetti 2015, nachdem sie den ersten einen TOD ZWISCHEN DEN ZEILEN hat sterben lassen. Irgendwie fällt es ihr ja nicht schwer, die gewohnte Routine abzuspulen. Ihr ENDLICH MEIN ist auch ihr persönliches ENDLICH ZURÜCK in die Opernwelt, in der die Autorin sich besonders zu Hause fühlt. Nach VENEZIANISCHES FINALE und ACQUA ALTA taucht die Sopranistin Flavia Petrelli wieder auf.
Der spannendste Teil des Buches läuft auf den ersten Seiten ab. Das sich scheinbar real abspielende Drama erweist sich als TOSCA-Inszenierung mit Flavia in der Hauptrolle. Überschüttet von gelben Rosen nimmt sie die Ovationen des Publikums entgegen, darunter auch die von Salvo und Paola Brunetti. Bald muss Flavia den Commissario um Hilfe bitten, denn sie fühlt sich von einem Rosenkavalier verfolgt. Gelbe Rosen, wohin sie auch geht, in London und Petersburg, in ihrer venezianischen Künstlergarderobe und in ihrem Palazzo.
Das, was sich entwickelt, kommt an die Dramatik der Eingangsszene überhaupt nicht heran. Langatmig geht es um Stalker, um eine Nachwuchssängerin, die eine Treppe hinabgestoßen wird, um die Leiden des Künstlerlebens. Das Ganze retten eigentlich nur die unterhaltsamen Intrigen im Kommissariat, der alte Kampf von Signorina Elettra gegen ihren Vize-Questore. Der Wiedererkennungswert ist hoch, aber irgendwann ist der Kredit aufgezehrt. Ich warte jedenfalls das Silberjubiläum mit dem 25. Brunetti im Mai nächsten Jahres noch ab, bevor ich mich eventuell endgültig von Venedig verabschiede. Vielleicht heißt es dann ja auch nicht ENDLICH MEIN, sondern ENDLICH SCHLUSS!
Wertung: **
Titel: Endlich mein
Verlag: Diogenes
Autor: Donna Leon
Seiten: 307 Seiten
Preis: 24 Euro
Samstag, 12. September 2015
Lauras letzte Party
Viele Köche …
Hinter dem Pseudonym J. K. Johansson verbirgt sich gleich eine ganze Gruppe von Autoren und professionellen Drehbuchschreibern für Film und TV. Die Profis liefern ein Konstrukt ab, das wenig überzeugt. Die Zutaten stimmen zwar, aber die Tiefendimension der Akteure nicht, das bleibt alles nur oberflächlich.
Da ist Miia, einst erfolgreicher TV-Star in Finnland, zuständig für alle Internetfragen und sozialen Netzwerke. Entsprechend hat sie die Polizei auch in diesen Fragen beraten. Letztlich selbst in Abhängigkeit geraten, gibt sie die medienwirksamen Aufgaben auf und zieht sich zurück in die Provinz, wo sie an ihrer alten Schule als Sozialpädagogin arbeitet.
Welches Wunder, die Arbeit läuft ihr nach. Kaum in dem Kaff Palokaski angekommen, verschwindet ein junges Mädchen nach einer Strandparty und in den sozialen Netzwerken, in die Miia in Eigenbeschränkung nur noch einmal am Tag blickt, gibt es mit Nikke nur einen Hauptverdächtigen. Der ist Psychologe an der Schule und zudem noch Miias Bruder.
Reichlich viel Zufälle auf einmal. Natürlich spielt auch die Vergangenheit mit hinein, da in Miias und Nikkes Jugend schon einmal ein durchaus ähnlich aussehendes junges Mädchen verschwand, deren Halskette wieder auftaucht. Die restlichen Zutaten aus der Kochküche der Macher von J.K. Johanson ergeben sich aus Geschäften mit Eizellenspenden, dem Druck der Boulevardpresse und wechselnden Sexpartnern der Hauptakteurin. Letztlich ein Konstrukt ohne echtes Leben, überzeugende Charaktere und echte Spannung. Viele Macher sind nicht unbedingt Garant für spannende Lektüre. Der erste Teil der geplanten Trilogie bringt den Leser nicht viel weiter, irgendwo bleibt alles unbefriedigend, auch der Cliffhanger am Ende reizt mich nicht, mir den zweiten Teil, der im September erscheint, noch anzutun.
Wertung: **
Titel: Lauras letzte Party
Verlag: Suhrkamp Verlag
Autor: J.K. Johannson
Seiten: 266 Seiten
Preis: 8,99 Euro
Der Totenzeichner
Und noch ein Zitat - und noch ein Exkurs
Wie einst bei Heinz Ehrhardt, bei dem wir immer noch 'n Gedicht vertragen konnten, reiht Etzold ein Zitat an das andere, da läuft die Klassik-Schiene von Shakespeare zu Goethe, Wagner und Nietzsche dürfen auch nicht fehlen, sogar Hitlers 'Mein Kampf' dient als Bedienungsanleitung, da muss Musik herhalten und immer wieder leiert die Orgel Etzolds Plattitüden ab, á la der Polizei seien die Hände gebunden, die kann ja gar nicht richtig ermitteln, wie gut, dass es das organisierte Verbrechen gebe und Clara Vidalis, die ermittelnde Kommissarin, nickt das sogar noch innerlich bestätigend ab.
Neunmalklug verbreitet der Autor sein Wikipedia-Wissen, was ihn immer wieder zu Exkursen heraus fordert, so werden wir über Kannibalismus und Tätowierungen aufgeklärt, auch über die damit zusammenhängenden sexuellen Komponenten. Da müssen unnötige viele Serientäter der Weltgeschichte Bleiwüsten füllen, ohne dass damit die eigentliche Handlung vorangetrieben wird. Sie können mehr als die Hälfte des Buches einfach überspringen, Ihnen entgeht dabei nichts Wesentliches. Wo ist da die Lektorin geblieben? Oder sollte unbedingt der Termin im Juli mit über 400 bluttriefenden Seiten gehalten werden? Die offensichtlichen Fehler sprechen für sich, meistens spielt die Handlung 2014, plötzlich aber 2013. Wer einen Rückblick erwartet, sieht sich getäuscht. Nervig sind auch die fast auf jeder Seite vorkommenden Anglizismen. Ein Berliner Krimi darf durchaus mal berlinern, aber nicht durchgängig denglishen. Vergessen Sie kriminalistische Logik, bis auf die mehr als detaillierten pathologischen Befunde, kein Wunder Etzolds Frau ist Rechtsmedizinerin, stimmt ermittlungstechnisch nicht viel. Da wird einer SUV-Spur nicht mit der nötigen Stringenz nachgegangen, 'Kollateralschäden' des Täters, die Beschreibungen hätten abgeben können, werden nicht befragt.
Der eigentliche Fall ist nichts für Zartbesaitete. In der Vorgeschichte wird der Sohn des Polizeichefs von Los Angeles äußerst brutal ermordet aufgefunden. Teile seines toten Hundes sind um ihn drapiert, sein Herz ist in der Küche zum Diner vorbereitet. Zehn Jahre später in Berlin ein ähnliches Szenario, diesmal trifft es einen Bandenchef einer Rockerbande, nur sein Herz kann nicht gefunden werden. Vidalis und ihr Partner Friedrich, genannt Mac Death, ermitteln erst einmal im Bandenmilieu, schnell wird klar, dass mehr dahinter stecken muss und dass beide Fälle miteinander zu tun haben müssen.
Konzentriert sich Etzold auf den eigentlichen Fall, kommt durch wechselnde Erzählperspektiven sogar Spannung auf. Auch für das Ende hat sich Autor eine überraschende Wendung ausgedacht, die nicht jedem gefallen wird. Die formalen und stilistischen Defizite lassen aber keine bessere Bewertung als schwache zwei Sterne zu.
Wertung: **
Titel: Der Totenzeichner
Verlag: Bastei Lübbe
Autor: Veit Etzold
Seiten: 432 Seiten
Preis: 9,99 Euro
Samstag, 25. Juli 2015
Herzsammler
(Zu) Viele Erzählstränge
Gleich drei Erzählstränge, die jeweils eigene Geschichten ergeben könnten, aber sehrt spät zusammengeführt werden, prägen den Einstieg.
Erster Handlungsort: Israel/Westjordanland . Zeit: 1999.
Da ist der Brief eines Gefangenen, der kurz vor seinem Tod zu stehen scheint. Kräftige Winde erfassen das Schreiben, das er aus seinem Gefangenentransporter wirft. Saladin, der 70 Jahre alt wird, sich auf dem Weg zum See Genezareth befindet, sieht den Brief als Zeichen Gottes und versucht ihn an die Adressatin, an Aisha Shahin weiterzuleiten. Briefe ohne Adresse betrachtet allerdings Khaled Shawableh, der seit 43 Jahren in der Postsortierung arbeitet, als sein Eigentum. Ein Blutgerinnsel verhindert, dass er den Brief noch lesen kann. Erst die Recherchen seiner Erbin ergeben, dass die Empfängerin des Briefes in Stockholm wohnt.
Zweiter Handlungsort: Södersjukhuset in Stockholm. Zeit: Dezember 2009.
Sofie Leander wartet auf eine Ultraschalluntersuchung im größten Krankenhaus Stockholm. Der ausbleibende Eisprung verhindert die eigentlich gewünschte Schwangerschaft. Ihr Mann hat schon jegliche Hoffnung aufgegeben und den Kliniktermin gar nicht mehr wahrgenommen. Die Untersuchung läuft aber nicht wie geplant. Die Patientin wird sediert und aus der Klinik entführt. Schließlich findet sie sich außerhalb des Söder-Krankenhauses in einem OP-Raum mit Scheren, Zangen und Skalpellen wieder.
Dritter Handlungsort: Stockholm, Grundschule und Sicherheitspolizei. Zeit: wahrscheinlich auch 2009
Kommissar Fabian Risk muss sich den Vorwürfen der Klassenlehrerin seiner Tochter Matilda stellen. Seine Frau hat keine Zeit und ihn stören ständig Telefonanrufe seiner Dienststelle während des pädagogischen Gesprächs. Matilda verkraftet die ständigen Streitereien ihrer Eltern nicht mehr und bringt dies in drastischen Bildern zum Ausdruck. So richtig kann sich Risk diesem Problem aber nicht widmen. Mit Edelmann, seinem Reichskripo-Chef, ist er zur Säpo bestellt. Dort wird ihnen eröffnet, dass einiges dafür spricht, dass der schwedische Justizminister nach einer Reichstagsdebatte verschwunden ist. Ob entführt oder abgetaucht, bleibt unklar.
Dabei bleibt es nicht, ein Serienmörder, der seinen Opfern Organe entnimmt, beunruhigt Bevölkerung und Polizei. Auch im benachbarten Dänemark werden Frauen bestialisch ermordet. Bis das alles zusammengeführt wird, fließt viel Blut. Nichts für schwache Nerven!
Mir insgesamt trotz politischer Dimensionen zu konstruiert, zu verwirrend, zu viel aus der Zutatenküche, was brauchen wir noch, um auf der Bestsellerliste zu landen. Noch eine Prise Blut, noch mehr Innereien, noch mehr Sex. Gut gefallen mir nur die hautnahen personalen Erzählhaltungen und die privaten Hintergrundgeschichten der Akteure. Weniger wäre Mehr gewesen.
Wertung: **
Titel: Herzsammler
Verlag: List
Autor: Stefan Ahnhem
Seiten: 576 Seiten
Preis: 14,99 Euro
Freitag, 29. Mai 2015
BIN MAL KURZ TOT
Skurrile Dystopie
Denton Little ist eigentlich ein ganz normaler 17jähriger Jugendlicher, er hat die üblichen Probleme mit Freunden und Freundinnen, mit Alkohol, mit dem ersten Sex. In einer Gesellschaft, die der unseren aufs Haar gleicht, spielt sich sein Leben ab, bis auf einen kleinen Unterschied. Die meisten in dieser Gesellschaft Lebenden wissen exakt, wann sie sterben werden. Kurz nach ihrer Geburt ergeben Blut und Haaruntersuchung den exakten Todestag, allerdings nicht den exakten Todeszeitpunkt.
Betroffene können sich langfristig darauf einstellen. Da wird eine Todeswoche gefeiert und der Sterbende nimmt an seiner eigenen Beerdigungsfeier teil und hält dort sogar einen Rede. Denton zelebriert das alles, wie gewünscht. Freut sich, dass der nahe Tod ihm erste sexuelle Erfahrungen bringt. Wie er sterben wird, weiß er nicht. Nur knapp entgeht er einige Male dem Überfahrenwerden und seltsam ist ein Ausschlag, der seinen ganzen Körper erfasst und mit dem er seine Partnerinnen und seinen Freund wohl auch angesteckt hat.
Seltsam ist auch, dass ein geheimnisvoller Mann in sein Leben tritt, der seine leibliche Mutter zu kennen scheint, die bei seiner Geburt starb. Irgendetwas scheint mit Denton nicht zu stimmen und da er aus der Reihe tanzt, sind plötzlich ganz viele hinter ihm her.
Lance Rubins Gratwanderung zwischen humorvoll abgehandelten tragischem Thema und dystopischen Gesellschaftshintergrund missling. Die Grundidee der Sterbevorbereitung wird locker abgehandelt, was es aber mit dieser Gesellschaft auf sich hat, die ihren Mitgliedern den Todestag voraussagt, bleibt im Unklaren. Entsprechend diffus fällt das showdownmäßig abgehandelte Ende aus.
Resümee: Nett, unterhaltsam, leichte Lektüre, begleitet aber von vielen Klischees, unnötigen Längen und zu wenig Hintergrund.
Wertung: **
Titel: Bin mal kurz Tot
Verlag: Piper
Autor: Lance Rubin
Seiten: 345 Seiten
Preis: 16,99 Euro
Montag, 13. April 2015
2/14 Ein Dewey Decimal Roman
Was denn nun?
Dystopie oder Crime noir? Science Fiction oder Privatdetektivroman? Postdoomsday-Roman oder Politthriller mit Ego-Shooter-Tendenz? Nathan Larson, eigentlich Musiker und Filmkomponist, mäandert mit seinem ersten Roman 2/14 zwischen den Genres hin und her, genau wie seine Hauptfigur Dewey Decimal im zerstörten New York zwischen seinen unterschiedlichen Auftraggebern.
So richtig, weiß der Kustos der New York Public Library nicht worum es geht, ebenso wie wir Leser von Larson. Nach 9/11 scheint es New York an einem Valentinstag in nicht zu ferner Zukunft noch massiver getroffen zu haben. Weniger als ein Zehntel der ursprünglichen Bevölkerung lebt dort noch, der größte Teil vegetierend, nur Wenigen geht es gut. Was genau passiert ist, lässt Larson, der mit seinen Dewey-Decimal-Romanen eine Trilogie plant, offen. Moralische Kategorien sind fast aufgehoben. Dewey, wohl ehemaliger Soldat, ist zwar Bibliothekar, aber auch Auftragskiller für die Staatsanwaltschaft der Stadt New York. Er geht über Leichen, macht sich von Zeit zu Zeit aber doch manchmal Gedanken über sein Tun. Inwieweit er fremdbestimmt ist, bleibt unklar, Ordnungsprinzipien für Wege und U-Bahnlinien genauso wie das nach ihm benannte System zur Erschließung von Bibliotheksbeständen, bringen scheinbare Orientierung. Sein Tun wirkt zwanghaft neurotisch, ständiges Pilleneinwerfen, Händedesinfektionen und das Greifen nach einem Schlüssel sind fast Reflexhandlungen für ihn.
Das ist phasenweise durchaus interessant, manchmal sogar unterhaltsam, bleibt mir aber zu unbestimmt, irgendwie doch einfach nur Pulp-Schund, orientierungslos, ein nicht zu fassender Brei.
Wertung: **
Titel: 2/14 Ein Dewey Decimal Roman
Verlag: Diaphanes
Autor: Nathan Larson
Seiten: 256
Preis: 17,95 Euro
Freitag, 3. April 2015
Die guten Frauen von Christianssund
Arg konstruiert
Nicht der Kommissar ermittelt, sondern sein alter Jugendfreund. Da ist einmal Flemming Torp, der einen Mord an einer Putzfrau in einer Werbeagentur aufzuklären hat, und dann ist da noch sein Freund Dan Sommerdahl, eigentlich Kreativchef in dieser Agentur, dank Burnout aber mit freien Kapazitäten, die er für anstehende Ermittlungen nutzt.
Diese Grundstruktur ergibt ein nicht immer glaubwürdiges Ermittlerduo, das oft bemüht konstruiert arbeitet. Mögen die Figuren auch sympathisch sein, mag der Fall in seiner Entwicklung durchaus Tiefgang besitzen, der Grundansatz überzeugt mich nicht. Reizvoll ist noch der eingeschobene Perspektivenwechsel, der die Tätersicht dem Leser vorführt, ohne dabei zu viel zu verraten. Trotzdem ist der Ausgang absehbar und nicht zu überraschend.
Diese erste deutsche Übersetzung der in Dänemark erfolgreichen Reihe um Dan Sommerdahl hat mich noch nicht recht überzeugt. Ich hoffe, dass Anna Grue Sommerdahl in den Folgeromanen ein eindeutigeres Ermittlerprofil zuzuweisen versteht.
Wertung: **
Titel:Die guten Frauen von Christianssund
Autorin: Anna Grue
Verlag: Atrium
Seiten: 416
Preis: 19,95
Donnerstag, 19. März 2015
Ostfriesenwut
Viel Vergnügen für Verschwörungstheoretiker
Realisten lächeln eher nur leicht vergnüglich. Klaus-Peter Wolfs neunter Krimi über die Norder Kommissarin Ann Kathrin Klaasen gerät ganz schön aus dem Ruder, um nicht zu sagen: wird ganz schön abstrus.
Rambolike verfolgt die berühmte Ostfriesin den Mörder ihres Vaters. Sie randaliert vor dem niedersächsischen Innenministerium, sprengt Zwangsjacken, nimmt eine Pflegerin als Geisel und setzt so manchen Pfleger schachmatt. Auf der Flucht vor der Polizei wechselt sie gefühlte 99 Mal das Fluchtfahrzeug, um schließlich im fallischen Dangast zum Abschuss zu kommen. Zum erwarteten Showdown kommt es aber nicht, im Gegenteil, sie rettet den Unhold vor einer anderen Rachefurie, um das ostfriesisches Wasser zu schützen.
Frank Weller, ihr Gatte und Kollege, kocht irgendwann in der Mitte der knapp 500 Seiten genüsslich einen Eintopf, der natürlich am nächsten Tag aufgewärmt viel besser schmeckt. Irgendwie wirkt Wolfs neuer Erguss, wie dieser Eintopf. Die wolfschen Kochzutaten klingen wie aus der Verschwörungsküche. Da sind als Hauptsubstanz biologische Kampfmittel, die das Wasser bedrohen. Da geht es aber auch um Datenverkehr zwischen Europa und den USA, da das transatlantische Kabel in Norden endet und anfällig scheint für Attentate. Entsprechend anfällig könnten auch Börsenkurse sein. Zur nötigen Würze spielt selbstverständlich ein Broker mit, der sich in griechischen Schuldendimensionen verzockt hat und durchaus Interesse an einem neuen Schwarzen Freitag haben könnte, dessen Welle von der Nordseeküste ausgeht. Die Korruptheit der Behörden, insbesondere von Innenministerium und Verfassungsschutz sind das Fleisch in der Suppe, die lassen Gefangene frei, sie auf See bestatten, um ihnen neue Identitäten geben zu können, arbeiten mit dem organisierten Verbrechen eng zusammen und spielen sogar mit dem Gedanken, für den Staatsschutz treue Beamte über die Klinge springen zu lassen.
Da fehlen eigentlich nur noch Mohammed-Karikaturen im Ostfriesland-Magazin, eine islamistische Zelle und IS-Heimkehrer an Ostfrieslands erster Moschee, der Eyüp-Sultan-Moschee in Emden. Natürlich wird Holger Bloem entführt. Genug Grund dafür, dass nun wöchentlich Pegida auch in Emden aufmarschiert mit faschistischen Hooligans, die Teezeremonien am Deich aufmischen.
Bei aller Verrücktheit, vergnüglich lesen lässt sich der Krimi von Wolf wieder. Er versteht es Spannung zu erzeugen, bei dem der Humor nie auf der Strecke bleibt. Ruperts Gestaltung gelingt mit Bandscheibenschaden und Schmuddelvideos erneut köstlich, seine Verfolgungsjagd mit den Hannoveraner Kollegen eingeschlossen. Ann-Kathrin bleibt in dieser Rambo-Version menschlich eher flach. In einem Jahr, da leg ich einen Schwur ab, geht es weiter, ob mit Islamisten oder ohne werden wir sehen. Ich wünsche mir jedenfalls eine mehr ermittelnde und weniger jagende Ann Kathrin Klassen, die Serientäter zur Strecke bringt.
Wertung: **
Titel: Ostfriesenwut
Verlag: Fischer Taschenbuch
Autor: Klaus-Peter Wolf
Seiten: 496
Preis: 9,99 Euro
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