Und noch ein Zitat - und noch ein Exkurs
Wie einst bei Heinz Ehrhardt, bei dem wir immer noch 'n Gedicht vertragen konnten, reiht Etzold ein Zitat an das andere, da läuft die Klassik-Schiene von Shakespeare zu Goethe, Wagner und Nietzsche dürfen auch nicht fehlen, sogar Hitlers 'Mein Kampf' dient als Bedienungsanleitung, da muss Musik herhalten und immer wieder leiert die Orgel Etzolds Plattitüden ab, á la der Polizei seien die Hände gebunden, die kann ja gar nicht richtig ermitteln, wie gut, dass es das organisierte Verbrechen gebe und Clara Vidalis, die ermittelnde Kommissarin, nickt das sogar noch innerlich bestätigend ab.
Neunmalklug verbreitet der Autor sein Wikipedia-Wissen, was ihn immer wieder zu Exkursen heraus fordert, so werden wir über Kannibalismus und Tätowierungen aufgeklärt, auch über die damit zusammenhängenden sexuellen Komponenten. Da müssen unnötige viele Serientäter der Weltgeschichte Bleiwüsten füllen, ohne dass damit die eigentliche Handlung vorangetrieben wird. Sie können mehr als die Hälfte des Buches einfach überspringen, Ihnen entgeht dabei nichts Wesentliches. Wo ist da die Lektorin geblieben? Oder sollte unbedingt der Termin im Juli mit über 400 bluttriefenden Seiten gehalten werden? Die offensichtlichen Fehler sprechen für sich, meistens spielt die Handlung 2014, plötzlich aber 2013. Wer einen Rückblick erwartet, sieht sich getäuscht. Nervig sind auch die fast auf jeder Seite vorkommenden Anglizismen. Ein Berliner Krimi darf durchaus mal berlinern, aber nicht durchgängig denglishen. Vergessen Sie kriminalistische Logik, bis auf die mehr als detaillierten pathologischen Befunde, kein Wunder Etzolds Frau ist Rechtsmedizinerin, stimmt ermittlungstechnisch nicht viel. Da wird einer SUV-Spur nicht mit der nötigen Stringenz nachgegangen, 'Kollateralschäden' des Täters, die Beschreibungen hätten abgeben können, werden nicht befragt.
Der eigentliche Fall ist nichts für Zartbesaitete. In der Vorgeschichte wird der Sohn des Polizeichefs von Los Angeles äußerst brutal ermordet aufgefunden. Teile seines toten Hundes sind um ihn drapiert, sein Herz ist in der Küche zum Diner vorbereitet. Zehn Jahre später in Berlin ein ähnliches Szenario, diesmal trifft es einen Bandenchef einer Rockerbande, nur sein Herz kann nicht gefunden werden. Vidalis und ihr Partner Friedrich, genannt Mac Death, ermitteln erst einmal im Bandenmilieu, schnell wird klar, dass mehr dahinter stecken muss und dass beide Fälle miteinander zu tun haben müssen.
Konzentriert sich Etzold auf den eigentlichen Fall, kommt durch wechselnde Erzählperspektiven sogar Spannung auf. Auch für das Ende hat sich Autor eine überraschende Wendung ausgedacht, die nicht jedem gefallen wird. Die formalen und stilistischen Defizite lassen aber keine bessere Bewertung als schwache zwei Sterne zu.
Wertung: **
Titel: Der Totenzeichner
Verlag: Bastei Lübbe
Autor: Veit Etzold
Seiten: 432 Seiten
Preis: 9,99 Euro