Freitag, 27. Dezember 2019
15 MEN
Das italienische Studio Pendragon, das unter dem Dach von Asmodee arbeitet, versetzt zwei bis fünf Spieler mit der Neuheit 15 MEN in die Piratenwelt von Robert Louis Stevenson. Viele werden sofort die „Buddel voll Rum“ im Ohr haben, ein Lied aus Stevensons Schatzinselbuch.
In dem intriganten Bluffspiel von Alessandro Ciceri und Emanuele Briano geht es um Mehrheiten und ums Überleben. Die eine Fraktion will gegen den Piratenkapitän meutern, die andere ihn am Ruder halten. Wer welches Ziel verfolgt, bleibt aber erst einmal im Dunkeln, nur der Käpt’n bekennt Farbe. Dies zumindest in den Partien zu viert und zu fünft, mit weniger Spielern sind die Fronten schon vorher klar.
Im eigentlichen Spiel geht es um die Suche nach Verbündeten unter den 15 Piraten, die sich an einem runden Tisch, den Round Robin, zusammengefunden haben. Anfangs sind alle Piraten neutral. Da sie verdeckt liegen, kennen wir über die Kartenrückseiten nur ihre Nationalität und Funktion auf dem Schiff. Für jede Partie wird entschieden, unter welcher Flagge diesmal das Piratenschiff unterwegs ist. Angehörige dieser Nation auf seine Seite zu ziehen, ist oft von Vorteil. Alle 15 Korsaren sind bestechlich und folgen dem meisten Geld. Dafür besitzen die Akteure zwischen fünf und sieben Goldmünzen in 1er bis 3er Werten. Das Geld wird in einer Bestechungsphase an die Piraten gebracht. Exakt eine Dublone darf dabei zu einem Seeräuber gelegt werden, um ihn zu kontrollieren. Liegen dort schon gegnerische Münzen, müssen diese überboten werden. Wobei die Bietbeschränkung mit nur einem Geldstück deutliche Grenzen setzt. Die ersten Gebote laufen fast blind ab. Mit der Kontrolle ist aber verbunden, dass man sich den bestochenen Seeräuber ansehen darf. Dann erfahren die Spieler, welchen Wert der Pirat besitzt und was für Konsequenzen es hat, wenn er aufgedeckt wird. Zusätzlich darf man sich einen Piraten links oder rechts von dem kontrollierten ansehen.
Ist alles Geld gesetzt, kommt es zum Showdown. Dafür besitzt jeder eine Kugel, die er meist nur gegen direkte Nachbarn abschießen darf. Es sei denn, er kontrolliert einen Bukanier wie den Franzosen Jaques Tavernier, der Piraten erschießt, die bis zu drei Sitzplätze weit entfernt von ihm sitzen. Nach der Schießerei offenbaren Meuterer und der loyale Anhänger des Kapitäns ihre wahre Gesinnung. Alle Überlebenden der Teams werden zusammengeführt und die jeweilige Teamstärke berechnet. Dabei werden die Boni der Schiffskarte und andere Modifikatoren mit einbezogen. So bringen mehrere Richard Hawkins Extrapunkte. Die Meuterer müssen in der Bilanz mindestens einen Punkt mehr haben als der Kapitän und sein Unterstützer, sonst war die Meuterei erfolglos und der Kapitän geht nicht über Bord.
15 Men entwickelt seinen Spielreiz durch die unterschiedlichen Charaktere, die jeweils am runden Tisch zusammenkommen. Insgesamt 29 verschiedene Piratenkarten sorgen für Variabilität. Die Kenntnis über die Freibeuter ist spielentscheidend, deshalb sollte man möglichst schnell viele Informationen zu den Karten sammeln. Einmal, um am Ende niemanden blind zu erschießen, wie zum Beispiel John Flint, der nicht stirbt, wenn auf ihn geschossen wird, zum anderen, um dadurch die Kontrolle über wichtige Figuren wie Long John Silver oder Blackbeard zu gewinnen. Der eine bringt die Kugel zurück und der andere tötet seinen Nachbarn, ohne eine zu verschwenden.
15 MEN erinnert stark an die munteren Duelle in BANG!. Die beiden italienischen Autoren sorgen für große Varianz, zu den vielen Piratenkarten kommen unterschiedliche Schiffe und Szenarien wie „Tortuga“, bei dem die Kugeln erst erworben werden müssen. Das Bietelement bringt die nötige Unterscheidung und hat seinen eigenen Reiz. Wer nur mit 1er-Werten beginnt, kann dadurch viele Karten kennenlernen, aber auch schnell überboten werden. Wer früh 3er-Werte einsetzt, sichert sich wegen der Einmünzen-Regel schon vorab Seeräuber. Letztlich ist allerdings nichts sicher, da die Fähigkeiten beim Aufdecken der Piraten immer wieder zu Veränderungen führen, so können gelegte Dublonen verschoben werden. Daraus ergibt sich ein vielschichtiger Reiz, der aber wegen der einmaligen Duellphase doch nicht ganz mit der High Noon-Stimmung von BANG! mithält.
Grafisch ist die Meuterei sehr stimmungsvoll umgesetzt. David Corsi, den wir von KINGSBURG und WAY OF THE PANDA kennen, hat brillante Piratenbilder geliefert. Die Dublonen sind große Holzchips, die Kugeln nur kleine Holzzylinder. Das Gesamtpaket ist rund und recht preiswert im Handel zu bekommen.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: 15 MEN
Autoren: Alessandro Ciceri und Emanuele Briano
Grafik/Design: David Corsi
Verlag: Pendragon Game Studio Vertrieb: Asmodee
Alter: ab 10 Jahren
Spielerzahl: 2 - 5
Spielzeit: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 22 Euro
Spiel 82/2019
Donnerstag, 26. Dezember 2019
VILNIUS
Heike und Stefan Risthaus erfinden seit über 20 Jahren Spiele. Das Jura-Studium hat sie in Osnabrück zusammengeführt, jetzt leben sie schon gut 15 Jahre mit ihren beiden Kindern Fabia und Titus in Wolfsburg. Stefans erste Publikationen waren Siedler-Szenarien 1997. Mit OSTIA (Pro Ludo) gelang ihm 2005 sein Debüt in der Schachtel. Heike Risthaus musste nur zwei Jahre länger warten, bis BLINDES HUHN bei Kosmos erschien. Der Titel des ersten Spiels diente 2012 als Verlagsname für Kleinauflagen von Spielen, die thematisch oft im Mittelalter im Umfeld der Hanse angesiedelt waren. VISBY, RIGA, und TALLINN sind schon abgehandelt. Aktuell wird mit VILNIUS die Historie der nächsten baltischen Hauptstadt beackert. Diese Idee stammt aber aus der Feder Malte Meineckes, der u.a. „Braunschweig spielt“ mit aus der Taufe gehoben hat. Meinecke ist inzwischen nicht nur Autor bei Ostia Spiele, sondern Teilhaber am Verlag.
Waren die bisherigen Hansestädte-Spiele eher Unterhaltung für zwischendurch, bietet VILNIUS anspruchsvolle Abendbeschäftigung, die bei der Erstpartie gut zwei Stunden dauert, wenn sie nicht schnell verlorengeht. Meinecke vollzieht einen Perspektivwechsel, die Spieler schlüpfen nicht in die Rolle des Ritterordens, der ab Ende des 13. Jahrhunderts im Baltikum den Deutschordensstaat gründete. Wir agieren aus der Perspektive der Überfallenen, die sich gegen die Angriffe des Ordo Teutonicus wehren mussten. In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts war Vilnius allein von sieben solchen Attacken betroffen.
180 kleine Spielkarten, die fast verloren in der nicht großen Schachtel wirken, reichen Meinecke für das Hin und Her zwischen Verteidigern und Angreifern. Kooperativ versuchen zwei bis drei Mitglieder des litauischen Hochadels nach zweimaligen Durchspielen des Kartensatzes, den finalen Ansturm abzuwehren, um sich und ihre Bevölkerung zu schützen. Wie in der realen Geschichte gelingt das nur schwer und in den ersten Runden eigentlich nie.
Jeder Spieler bekommt ein eigenes Stadtviertel mit Gebäude- und Provinzkarten, außerdem kommen Einheiten- und Zielkarten hinzu. Die Komplexität des Spiels kann über die Befestigungsstärke der Stadt geregelt werden, die mit einem Wert von 14 Verteidigungspunkten starten darf, was anfangs unbedingt genutzt werden sollte. Dieser Ausgangswert kann auf neun Punkte sinken, was das Gewinnen deutlich schwerer macht.
Die meisten Karten kommen erst im Laufe des Spiels in die Auslage, eine Baracke und ein Domizil sind der Anfang. Weitere Gebäude müssen mit Gold und Werkzeugen bezahlt werden, wofür die Provinzen herhalten müssen.
Jede Runde startet mit einer Einkommensphase. Anfangs sorgt das Domizil dafür, dass diese aus fünf Karten besteht, die vom Einheiten- und/oder Provinzstapel gezogen werden. Im Anschluss folgt die Phase des Ritterordens. Jeder muss von dessen Kartenstapel eine Karte ziehen. Gebäude des Ordens werden ausgelegt und haben solange Konsequenzen, bis sie zerstört werden. Gegnerische Einheiten wie Bogenschützen, Speerkämpfer und Reiter besitzen einen Angriffswert, der in Beziehung gesetzt wird zu dem persönlichen Wert der Ordensstärke. Ist dieser niedriger, greift der Ritterorden in Phase 4 an.
Vorher kommt aber noch die eigene „Stadtphase“, in der die Verteidiger Gebäude bauen, wobei Anlegeregeln zu beachten sind, die sich dominoartig aus den Randmotiven vorhandener Karten ergeben. So passen oben an die Baracke nur der Schützenplatz und darunter Pferdeställe. Die Bauwerke erhöhen die Ordensstärke und erschweren dadurch Angriffe. Ist ein Stall errichtet, ist die Voraussetzung für die Rekrutierung von Reitern gegeben, die ebenfalls zur Verteidigung beitragen.
Zu der Angriffswelle kommt es in der vierten Phase. Falls Angriffe eintreten, gelten sie entweder der ganzen Stadt oder einem Stadtviertel. In beiden Fällen kooperieren alle miteinander, um möglichst viele Überfälle abzuwehren. Dabei werden Waffensymbole der Angreifer und Verteidiger in Beziehung gesetzt. Zeigt ein Rammbock drei Schwerter und zwei Pfeile, wären Wikinger zur Unterstützung nicht schlecht, die bringen gleich jeweils Schwerter und Pfeile mit, dann braucht es nur noch einen Boyar oder leichten Reiter, um die Bedrohung des Ordens auszuschalten. Schäden wirken sich auf die Verteidigungskarte von Vilnius aus oder Gebäude, Einheiten oder Provinzen gehen verloren. Abgerechnet werden dann noch spezielle Totenköpfe auf den gegnerischen Karten, die zum Verlust weiterer Einheiten der Verteidiger führen. Für besiegte Feinde in addierten Fünferwerten gibt es aber Provinzen als Beute, außerdem dürfen restliche Einheiten Einrichtungen des Gegners angreifen, um den dauerhaften Beeinträchtigungen zu entgehen. Vernichtete Häuser bringen ebenfalls neue Provinzkarten. Sollten dann immer noch Einheiten übrig sein, berechtigt das zu weiteren Eroberungen von Gebieten. Erst nach dieser Phase wirkt sich im Übrigen der Gebäudebau auf die höhere Ordensstärke aus, die Angriffe in den Folgerunden erschwert, dafür aber auch mächtiger macht, da sich immer mehr Ordensritter vor den Mauern drängeln.
Die Ordenskarten regulieren das Spielende. Ist der erste Stapel fast durchgespielt, stoßen die Verteidiger auf eine Verstärkungskarte des Ordens. Diese hat zur Folge, dass alle Karten erneut gemischt werden, nur die letzte bleibt liegen, diese bringt den „finalen Ansturm“. In der zweiten Kartenrunde führen einige Karten zu stärkeren Angriffen, was die Verteidigung nicht einfacher macht. Sollte VILNIUS am Ende noch Verteidigungspunkte besitzen, haben die Litauer gewonnen, im Prinzip gemeinsam, kompetitiv lässt sich aber auch ein Einzelsieger ermitteln, was der Kooperation im Vorfeld allerdings irgendwie widerspricht.
Die verschiedenen Kartenformen, die vielen Symbole machen den Zugang zu VILNIUS nicht einfach. Ein großer Tisch ist nötig für die Gesamtauslage und die persönlichen Stadtviertelausbauten. Daher braucht es mindestens eine Eingewöhnungspartie, bis man sich in die Ikonographie eingelesen und den Spielrhythmus verinnerlicht hat. Über Erfolg und Misserfolg entscheidet oft die zufällige Reihenfolge der Ordenskarten. Alle wissen nur, dass sie in der allerersten Runde nicht bedroht werden. Aber schon danach kann es durch Gebäude und Angriffe des Ordens zu schweren Schäden kommen. Da muss eine vernünftige Balance bei der Kartenaufnahme der Verteidigungs- und Provinzkarten gefunden werden. Dabei lassen sich die Optionen durch Zukauf stärkerer Karten mit der Zeit verbessern, wobei die Vernetzung zwischen Gebäudebau und Personalanwerbung im Blick zu behalten ist.
Der Autor hat ein vielschichtiges Kartenspiel entworfen, das von der Gewichtigkeit her das Format einer großen Schachtel besitzen müsste, obwohl das Material fast in eine Adlung-Verpackung passen würde. Es ist etwas sperrig im Zugang, die Regeln könnten klarer sein, oft fehlt beispielhafte Bebilderung. Sind die Hürden überwunden, schafft man es vielleicht, genügend Mauern zu errichten, um die Zerstörung von VILNIUS im 14. Jahrhundert zu verhindern.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: VILNIUS
Autor: Malte Meinecke
Grafik/Design: Christian Fiore
Verlag: Ostia Spiele
Alter: ab 12 Jahren
Spielerzahl: 2 - 3
Spielzeit: ca. 90 Minuten
Preis: ca. 22 Euro
Spiel 81/2019
(Seite 1 von 1, insgesamt 2 Einträge)