Dienstag, 23. Februar 2021
ARNE
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Nur äußerlich erinnert ARNE an UNO. Der belgische Spieleautor Arne Lauwers präsentiert eine Spieleneuheit, die nach seinen Angaben zum Spielhit in seinem Heimatland geworden sei.
ARNE ist ein Sammelspiel wie der Klassiker 1000 KILOMETER. Seine Eigenständigkeit gewinnt das Spiel durch weiße Punkte- und Aktionskarten, die jeder der bis zu vier Spieler in einer vorgegebenen Farbe sammelt oder für sich einsetzt, und vor allem durch schwarze Aktionskarten, die jederzeit gespielt werden können. Diese bringen Abwechslung und Bewegung ins Spiel. Richtig eingesetzt halten sie den Spielausgang bis zum Ende offen. Mit den schwarzen Karten können gegnerische Karten entwertet werden, es kommt zu Punktabzügen, Karten können ihre Farbe wechseln, die Spielrichtung ändert sich, teilweise besitzen sie aber auch Schutzfunktion.
Großmundig verkündete Lauwers 2002 auf der Spiel in Essen, dass ARNE begeisterten Spielern „neue Horizonte“ eröffne. Das mag übertrieben sein, aber meine bisherigen Spielerfahrungen belegen, dass ARNE durchaus Spaß machen kann, dass die doppelte Mischung von weißen und schwarzen Aktionskarten zu einem vielschichtigen Spielablauf führen, der allerdings Siebenjährige überfordert. Die Altersangabe sollte für dieses Kartenspiel eher ab 8 Jahren lauten. Zum Spielhit in Deutschland wird es sicher auch nicht reichen.
Wieland Herold
Titel: ARNE
Autor: Arne Lauwers
Grafik: o.A.
Verlag: Lauwers Games
Spieler: 2-4
Alter: ab 7 Jahren
Spieldauer: ca. 15 Minuten
Preis: ca. 9.- DM
Spiel 15/2002 R39/2021
Die Rezension erschien 2002 www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 5 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Arne Lauwers ist ein belgischer Autor, der ab 2002 seine ARNE-Idee mit viel Enthusiasmus vermarktete. Von ARNE erschienen noch weitere Varianten wie ARNE TOTAL (2003) und ARNE JUNIOR (2005). Eine Lizenz wanderte auch an Piatnik. Bekannt wurde Lauwers eher durch seinen Erfolg PICTUREKA! (2006). Die damals für ARNE gegründete Firma Lauwers Games existiert immer noch und hat ihren Sitz in Kaprijke, in Nordflandern nahe der Grenze zu den Niederlanden.
Samstag, 20. Februar 2021
VALENTINE’S DAY
Der Valentinstag ist zwar schon fast eine Woche her, aber Rosen gehen immer. Deshalb hieß Ken Gruhls Spiel bei Blue Orange ROSE CEREMONY in Anlehnung an die ABC- oder bei uns RTL-Kuppelserie The Bachelor, die schon seit fast 20 Jahren ausgestrahlt wird. Ich habe diese Serie zwar noch nie verfolgt, aber mir sagen lassen, dass das Überreichen von Rosen ein Ausschluss-Ritual sei. Nur wer eine Rose bekommt und diese auch annimmt, kommt weiter. Der Spiegel hat schon 2012 dieses „Zelebrieren von Dekadenz, Oberflächlichkeit, Beklopptheit und den Werten der fünfziger Jahre“ massiv kritisiert. Die Einschaltquoten sind daher nicht allzu berauschend und liegen aktuell in der Regel zwischen 6 und 8 Prozent. Die letzte Sendung am 17.02. sahen nur knapp über 2 Millionen Zuschauer (6,5%).
Ob es Lizenzfragen oder die häufige Kritik an der Sendereihe waren, weiß ich nicht. Pegasus löst das Problem durch die geschickte Umbenennung in VALENTINE’S DAY für das einfache unterhaltsame Bluffspiel mit Rosenkarten.
Gruhl kennen wir von fetzigen Spieleunterhaltungen mit HAPPY SALMON und MONSTER MATCH, auch VALENTIN’S DAY kommt aus der leichten, aber nicht aus der harmonischen Ecke. Beim Bachelor ist die Aussortierphase ja ebenfalls ziemlich gemein und diesen Aspekt übernimmt Gruhl.
In seinem Spiel mit 54 Rosenkarten geht es um Geschenke. Jeder muss, wenn er am Zug ist, eine seiner vier Handkarten Mitspielern anbieten. Die können sie ablehnen oder nehmen. Wird sie abgelehnt, landet sie im eigenen Rosenstrauß , den alle vor sich sammeln. Das Besondere dieser Karten liegt einerseits im Frischezustand der Rose, da fehlt manchen schon die Wassererfrischung und sie lassen ihre Köpfe hängen, andere stehen in voller Entfaltung ihrer vielen Blätter. Entsprechend wird ihr Wert zwischen null und fünf Punkten taxiert.
Zur Rose gehören nun einmal auch die Dornen. Diese Kombination aus Schönheit und Gefahr verleiht der Pflanze ihre besondere Ausstrahlung, sie steht für Liebe und Leid. Gruhl nutzt den Stachelanteil der Rose für die Prise Gemeinheit in seinem Spiel. Die Rosenkarten zeigen zwischen null und vier Stacheln, ein addierter Straußwert mit mindestens fünf Stacheln macht ihn wertlos und lässt ihn auf dem Kompost landen. Wertige Sträuße darf man gegen rote Herzchen eintauschen, das klappt ab einem Rosenwert von vier Punkten. Der bringt zwar nur ein Herz, kann aber auch nicht mehr verstachelt werden. Lukrativer sind Sträuße mit sechs oder sieben Blütenpunkten oder acht oder neun, die bringen zwei oder drei Herzen. Der Gewinnzone wird schon bei fünf Herzen erreicht. Das kann ganz schnell gehen, denn ein Strauß mit zehn Punkten ergibt exakt diese Belohnung. Meist dauert es aber länger, sodass das Ende ebenfalls eintreten kann, wenn der Nachziehstapel aufgebraucht ist.
Ganz im Stil seiner bisherigen Spiele bietet Ken Gruhl leichte Kost. Das Bluffen mit den Kartenangeboten ist nichts Neues, macht aber Spaß. Spannend wird es meistens schon ab der zweiten Karte, wenn man eine Rosenkarte mit zwei Stacheln und drei Rosenpunkten beim Gegner sieht und ihm verdeckt die wertige Fünfer-Rose mit drei Stacheln anbietet. Lehnt er sie ab, hat man schon einen verwertbaren Strauß in der Hand. Nimmt er sie, darf er gleich von vorn anfangen. Da sind Kalkül und Psychologie im Spiel, das hat seinen Reiz für den Aufwärmbereich eines Spieleabends oder für die Abschlussrunden.
Die Umsetzung mit länglich schmalen Karten in der für Blue Orange typischen Klappschachtel mit Magnetverschluss ist gelungen. Grafisch hat Sabrina Miramon die Verfalls- und Prachtzustände der Rosen ansprechend umgesetzt. Geschenketauglich, nicht nur zum Valentinstag, aber die ganz großen Emotionen dürfen Sie nicht erwarten.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: VALENTINE’S DAY
Autor: Ken Gruhl
Grafik: Sabrina Miramon
Verlag: Pegasus Spiele
Alter: ab 8 Jahre
Spieler: 3-6 Spieler
Spieldauer: ca. 15 Minuten
Preis: ca. 15 Euro
Spiel 7/2021
Samstag, 13. Februar 2021
FINOPOLIS
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
FINOPOLIS - SPIEL DES LEBENS auf Schollessche Art
Dass wir inzwischen schon im pränatalen Zustand unseres Nachwuchses an dessen zukünftige Rentenabsicherungen im Jahre 2069 denken müssen, wissen wir, seitdem Renate Schmid und Horst Seehofer Hand in Hand staatliche Zusagen einkassieren. Rentenvorsorge ist angesagt, Finanzplanung für die Zeit nach 65 oder 70. Das können wir üben, nicht so ganz real zwar, aber spielerisch. Dazu haben sich ein renommierter Autor, immerhin INNO-Spatz-Preisträger, und ein auf Versicherungen spezialisiertes Internetportal zusammengetan, das Ergebnis heißt FINOPOLIS. Klar, dass das Produkt, letztlich ein Marketingmittel der Firma Avanturo, die Absicherung jeglicher Lebensereignisse in den Vordergrund schiebt. Klar auch, dass der Spieleautor Franz Scholles dafür Sorge trägt, dass das Spielerische, Unterhaltsame nicht auf der Strecke bleibt.
Franz Scholles führt drei bis fünf Spieler auf einem 80-Felder-Weg durch sein SPIEL DES LEBENS, das durch fünf Lebensphasen von der Geburt bis zum 80. Geburtstag führt. Die dazwischen liegenden Spielfelder stehen für Konsumzuwachs, Vermögensaufbau, Versicherungen und – damit man weiß, weshalb man das viele Geld für Sekuranzen ausgeben musste – unvorhersehbare Ereignisse.
Geldvermehrung ist das Spielziel. Es gilt aus 50.000 Euro Startkapital und dem Zugewinn der gleichen Summe bei Eintritt in jede neue Lebensphase möglichst viel Profit zu schlagen. Der mögliche Gewinn kann von den Spielern beeinflusst werden. Vor dem ersten Würfeln und immer dann, wenn der führende Spieler in eine neue Lebensphase eintritt, werden die Marktbedingungen beeinflusst. Die Marktsteuerung geschieht durch so genannte „Marktsteine“, von denen die Spieler acht besitzen. Vier wirken als Bonus-, die anderen vier als Malussteine. Jeweils sechs Steine müssen stets platziert werden. Die Marktsteine können die Preise von Konsumgütern, wie Autos und Mobiliar verbilligen, aber auch verteuern. So lässt sich der Preis einer Segelyacht von 50.000 Euro auf 25.000 Euro senken, genauso kann er bis auf 75.000 Euro steigen. Jeder Stein verändert den Konsumgüterwert um 10 Prozent nach oben oder nach unten. Da die Marktsteine verdeckt gelegt werden, bleibt immer die Spannung bis zur ersten Kaufentscheidung in einem Marktsegment. In der Endabrechnung zählt immer nur der empfohlene Preis, so dass die selbst gesteuerte Rabattierung entscheidend für den Gewinn ist. Lukrativer sind die Vermögensfelder, deren Aktien- und Fondsmarkt ebenfalls durch die Marktsteine beeinflusst werden kann. Bei den Aktien verändern die Steine den Wert sogar um 20 Prozent nach oben und nach unten. Im Idealfall, den ich allerdings nie erlebt habe, könnte man dadurch sogar ein 50.000er Aktienpaket kostenlos erhalten. Insgesamt stehen leider nur drei Aktienpakete und zwei Fondsbeteiligungen zur Verfügung. Aus dem Bereich Vorsorgen und Sparen erweisen sich besonders die Bausparverträge – nur drei sind vorhanden – als äußerst lukrativ. Wer sich mit 36.000 Euro einen Bausparvertrag über 90.000 Euro sichert, steht beim Immobilienerwerb blendend da, zumal eine Rückzahlung des Kredits in den Regeln nicht vorgesehen ist. Da die Immobilien geheim versteigert werden, lässt sich bei geschicktem Kalkül und mit etwas Glück innerhalb von zwei Spielzügen ein Maximalgewinn von 134.000 Euro erwirtschaften. Haus- oder Wohnbesitz muss nicht einmal versicherungstechnisch abgesichert werden, man geht also kein Risiko ein und muss nicht vorher oder sofort danach auf einem Versicherungsfeld landen.
Die Beispiele spiegeln einen prinzipiellen Eindruck des Gelderwerbs von Finopolis wider. Die Gewinnmaximierung ist sehr unterschiedlich geregelt. Erwähnenswert ist noch der 50/50-Markt, der bei fast der Hälfte der Ereigniskarten ins Spiel kommt. Dieser Risikomarkt birgt die Chance einer Kapitalverdopplung, aber auch die eines Totalverlusts. Eine Reihe von Karten setzen Kaufsummen bis 15.000 Euro für Antiquitäten oder Kunstgegenstände fest. Ob sich der Kauf als wertvoll oder wertlos erweist steuern alle Spieler durch einen Knobeleinsatz ihrer Marktsteine. Jeder legt verdeckt einen der beiden übrig gebliebenen Marktsteine auf das entsprechende Spielplanfeld. Sollten kein oder zwei bzw. vier Bonussteine aufgedeckt werden, erweist sich der Kauf als gewinnträchtig, bei ungerader Zahl war es eine Fehlinvestition. Da gerade am Anfang die Spieler oft alle Bonussteine einsetzen, ist die Gewinnmöglichkeit groß. Gegen Ende muss man vorsichtiger sein, zumal vier dieser Ereigniskarten eine manchmal spielentscheidende Rolle spielen können. Diese Karten ermöglichen nämlich einen Einsatz nach eigener Wahl. Wer darauf spekuliert, viel Bargeld aufgehoben hat und Spaß am Vabanque-Spiel á la „rouge et noir“ hat, kann so die Gewinnreihenfolge ganz schön durcheinander wirbeln.
Obwohl Franz Scholles einen Farbwürfel als Antriebsmotor einsetzt, ist das Spiel durchaus steuerbar. Einmal dadurch, dass zwei weiße Würfelseiten eine freie Auswahl der Felder ermöglichen, außerdem darf man innerhalb der Farbfelder auch noch entscheiden, ob man zum Beispiel im Konsumbereich ein Auto oder eine Reise erwerben möchte, in dem man auf das entsprechende Feld geht. Nur so macht das Legen der Marktsteine Sinn. Diese Optionen lassen außerdem ein schnelles Vorankommen zu. Das ist deshalb wichtig, weil jede neue Lebensphase zur Kapitalaufstockung führt. Wer zum Beispiel die oben beschriebene Immobilienstrategie verfolgt, hat ein großes Interesse an einem schnellen Spielende und wird versuchen mit großen Sprüngen auf die 80 zuzueilen.
Das Spielmaterial ist funktional, optisch sicherlich nicht mitreißend, aber von solider Qualität. Das gilt vor allem für die Holzspielsteine und Marktsteine. Die Grundidee der Marktsteuerung ist nicht neu. Scholles greift auf Steuerungselemente zurück, die er in dem Wirtschaftsspiel INCOME benutzt hat. Er selbst bezeichnet das Versicherungsspiel deshalb auch als „Enkelchen von INCOME“. Identisch sei die Grundidee, die geheimen Kräfte des Marktes durch Marktsteine (Bonus & Malus/ Preistreiber und Preisdrücker), die die Spieler verdeckt setzen, wirken zu lassen. Beide Spiele hätten dadurch den Charakter eines Bluffspiels. INCOME sei das anspruchsvollere Spiel, FINOPOLIS eher das Familienspiel. Die Einschätzung ist sicherlich richtig. Ohne große strategische Überlegung ganz im Sinne einer „Tour durchs Leben“ gespielt, kann FINOPOLIS Spaß machen. Bei Vielspielern hinterlässt das Spiel aber einen eher ambivalenten Eindruck. Einerseits gibt es zwar reizvolle Steuerungsmechanismen durch die Marktsteine, oft sind aber dadurch, dass die gegenseitige Wirkung der Steine sich aufhebt, die Gewinnmargen zu gering, so dass nicht wenige Spieler die Ereignisfelder gezielt aufsuchen, um ihr Glück auf dem 50/50-Markt zu suchen. Ob das der Sinn des Spiels ist, wage ich zu bezweifeln. Wenn eine gerade oder ungerade Steinzahl gegen Ende über den Spielsieg entscheidet, dann könnten wir doch gleich am Anfang würfeln. „Spiel und Spaß mit Versicherungen – unglaublich, aber FINOPOLIS hat’s geschafft!“, textet die Spielregel werbend am Ende. Ob Rainer Elmer, Geschäftsführer von Avanturo, dem diese Worte in den Mund gelegt werden, glücklich damit ist, dass manche Spieler die 80 Jahre absolvieren und ohne große Nachteile ganz auf Versicherungen verzichten können?
Wieland Herold
Titel: FINOPOLIS
Verlag: aktuell-spiele-verlag, Batterieweg 42f, 53424 Remagen
Autor: Franz Scholles
Grafik: Ulrike Vater
Spielerzahl: 3-5
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: ca. 90 Minuten
Preis: ca. 20.- €
Spiel 11/2003 R34/2021
Die Rezension erschien 2003 www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Über 40 Jahre war der diplomierte Handelslehrer als Spieleautor und Kleinverleger in der Szene vertreten und hat dabei eine Nische der engagiert politischen und kommunikativen Spiele gepflegt, an die sich die großen Verlage nicht herantrauen. 2001 erhielt er dafür in Göttingen den Inno-Spatz, ich durfte damals sein Laudator sein.
Teile dieser Lobrede möchte ich hier nutzen: „Den Beginn der 80er Jahre bezeichnet Franz Scholles selbst als die ‚goldene Zeit des Brettspiels‘. Im Kleinverlagsbereich gab es nichts außer der Edition Perlhuhn und wie so viele Kleinverleger nach Wittig packte Franz Scholles 1980 seinen Erstling in die Reinholdsche Röhre. Programmatisch waren Titel und Thema dieses Spiels, typisch für sein später immer wieder auftauchendes Gespür für die Trends der Zeit, die er aber oft genug lange vor der breiten gesellschaftlichen Diskussion aufgriff. Hier finden wir die herausragende Stärke dieses Autors, der uns und unserer Gesellschaft mit vielen seiner Spiele einen Spiegel vorhält, der uns nachdenklich werden lässt. Passend zum Zeitgeist 1979/80 , die Grünen standen vor ihrem ersten Einzug in den Bundestag, hieß sein erstes und immer noch erfolgreiches Spiel ÖKO. Das von ihm selbst verlegte, alternativ produzierte Gesellschaftsspiel, das Verlage wie Schmidt und Bütehorn, damals ein durchaus angesehener Hannoveraner Spieleverlag, 1979 abgelehnt hatten. Schon sein erstes Spiel zeigt, dass er trotz der Neigung zu politischen Themen keine "Zeigefinger-Autor" ist. Seine Spiele transportieren zwar Botschaften, die er aber spielerisch vermittelt, so dass nicht nur Erkenntnis, sondern der Spielspaß im Vordergrund stehen.“ … „‘Der macht nur den aktuellen Kram‘ heißt es oft etwas abfällig über ihn, ich selbst bin auch jahrelang auf der Spiel in Essen an seinem Stand vorbeigegangen - aber wenn nicht er, wer macht solche Spiele sonst - frage ich Sie? Die großen Verlage trauen sich an politisch angehauchte Spielthemen nicht heran, damit ist nicht das große Geld zu machen. Für uns sind die Spiele von Franz Scholles aber ein hochinteressanter Zeitspiegel der 80er und 90er Jahre. Die zur Zeit geführte Gen-Diskussion hat er schon 1988/89 in GEN ZEIT und GEN WELT vorweggenommen, Mit dem Spiel JOB - 1987 erschienen - entwirft er ein realistisches Bild der von Stellenabbau bedrohten Arbeitswelt, Parteiprogramme lernen wir im pfiffigen POLIT POKER auf sehr spielerische Art und Weise unterhaltsam kennen, den Nord-Süd-Konflikt machte er zum Thema seines EINE WELT SPIEL von 1986, Menschenrechtsverstöße stellt der Autor 1991 an den PRANGER. Den Ökotouch der Frühphase hat der Kleinverleger inzwischen abgelegt, seine Spiele sind hochwertig produziert, grafisch zum Teil gefällig, zum Teil aber auch avantgardistisch. Das gilt vor allen Dingen für die Spiele, die Ulrike Vater für ihn bearbeitet hat. Der Trend der letzten Jahre geht bei Franz Scholles eindeutig zum psychologisierenden kommunikativen Spiel, sehr witzig in TYPISCH MANN, TYPISCH FRAU umgesetzt, etwas schwerfälliger in IDENTITY und GENERATIONEN.“
Der zuletzt erwähnte Trend prägt auch die meisten Spiele in den anschließenden Jahren. Da folgen Ideen wie FAMILIENGEFLÜSTER, LIEBESGEFLÜSTER und PAARTIE. Zum 18. April 2021 stellt Franz Scholles seine Arbeit in seinem Kleinverlag ein. Alle noch vorhandenen Spiele können zu einem Preis ab 1 Euro erworben werden.
Das Bild zeigt Scholles 2001 mit seinem Göttinger Innospatz.
Freitag, 12. Februar 2021
ATTRIBUT
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
ATTRIBUT – Kultspiel aus dem Netz
In den letzten Jahren ist es immer üblicher geworden, dass erfolgreiche Brettspiele sehr bald online nachspielbar sind. Die imposanteste Sammlung hat inzwischen brettspielwelt.de anzubieten, die von Sid Sacksons Klassikern wie BAZAAR und CAN’T STOP zu Neuheiten wie JÄGER & SAMMLER und EMERALD reichen. Marcel André Casasola Merkle nutzt schon seit längerem dieses Medium für seine Spiele. Deshalb ist auch seine Idee zu ATTRIBUT als überaus erfolgreiches Pilotprojekt zuerst in der Brettspielwelt erschienen, bevor es 2002 als Neuheit bei Lookout Games herausgegeben wurde. Gezielt wird auf der Schachtelpackung mit dem Spruch „Das Kultspiel aus dem Internet“ Werbung gemacht. Ob Internetkult zu einem Kultspiel am Spieltisch taugt, wird zu untersuchen sein.
ATTRIBUT ist ein assoziatives Wortspiel, bei dem schnelle Reaktionen gefordert sind. Die bis zu acht Spieler, drei sollten es mindestens sein, besitzen vier Karten mit Adjektiven und eine rote oder grüne Schafskarte. Reihum legen die Spieler Themenbereiche fest, die je nach Schafskarte zu ihren Adjektiven passen oder nicht. Jeder der eine Pluskarte, ein grünes Schaf, besitzt, sucht ein Wort zu legen, das gut zum Thema passt. Die anderen legen ein Adjektiv, das möglichst gar nichts mit dem vorgegebenen Motiv zu tun hat. Auf Kommando decken alle gleichzeitig ihre Karten auf und jeder versucht möglichst als erster ein fremdes Wort an sich zu ziehen, von dem er glaubt, dass der Besitzer ein grünes Schäfchen vor sich liegen hat. Solche Karten bringen am Ende Plus-, falsche Zuordnungen allerdings Minuspunkte. Die Wertung geschieht in bewährter BOHNANZA-Manier, da die ATTRIBUT-Karten auf ihrer Rückseite einen Schäfchentaler besitzen. Die Spieler, deren Karte nicht gewählt wurde, werden trotzdem in die Wertung mit einbezogen. Der Besitz eines grünen Schafes führt zu einem Minuspunkt, einen Pluspunkt erhalten alle, die ein Adjektiv mit einem roten Schaf durchgebracht haben. Gespielt wird eine feste Rundenzahl, die sich an der Größe der Spielgruppe orientiert. Das kann zu 14 bis 18 Einschätzrunden führen. Sieger ist natürlich der Spieler mit den meisten Schaftalern.
Die Spielidee scheint stimmig. Die Spielerfahrungen sind dann aber doch manchmal frustrierend. Die Spielgruppen, mit denen ich ATTRIBUT ausprobiert habe, sind nach der Regelerläuterung stets mit großem Elan in das Spiel hineingegangen, wobei dann aber oft Unzufriedenheit aufkam, was manchmal zu Spielabbruch führte. Der Geschwindigkeitseffekt des Klatschens von positiven Karten trägt nicht lange. Zu oft geraten die Spieler, die das Thema nicht vorgegeben haben, in die Situation, dass, vor allem wenn sie ein grünes Schaf haben, keine von den Karten passt. Wie soll ich zum Beispiel das Thema „Winter“ mit den ATTRIBUT-Karten „stinkend“, „dreist“, „dehnbar“ und „alt“ positiv beschreiben. Das Beispiel ist nicht konstruiert. Ständig sind die Spieler in dieser Zwangssituation, die bei vorsichtigen Spielrunden meist dazu führt, dass man auf seiner Karte sitzen bleibt und Minuspunkte kassiert. Je größer die Spielrunde ist, je lockerer sie an ATTRIBUT herangeht, umso mehr Spaß kann sie allerdings haben. Wer nicht zu viel Tiefgang erwartet, wer bereit ist, risikobereit um die Ecke zu denken, die geringe Kartenauswahl in die Überlegungen mit einbeziehend, der kann auch lustvolle ATTRIBUT-Runden erleben.
Wieland Herold
Titel: ATTRIBUT
Autor: Marcel-André Casasola-Merkle
Verlag: Lookout Games
Alter: ab 10 Jahren
Spieler: 3 bis 8
Preis: 10 Euro
Spiel 12/2002 R33/2021
Die Rezension erschien 2002 www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Marcel-André Casasola Merkle ist in der Stadt des Spielens, in Nürnberg, 1977 geboren. Schon zu Beginn seines Grafikdesign-Studiums an der Fachhochschule dort brachte er seine ersten Spiele heraus. Erfolgreich war er mit kleinen Spielen anfangs bei Adlung, später bei Lookout. Beim letzten Verlag war er 2000 an der Gründung beteiligt. Mit VERRÄTER (Adlung) landete er 1999 auf der Auswahlliste der Jury, zwei Jahre später bekam er für MEUTERER den ersten Platz beim Kartenspielpreis der Fairplay, was ihm auch schon mit VERRÄTER gelungen war. ATTRIBUT war das erste ausgezeichnete Spiel für Lookout, es erreichte 2003 ebenfalls die AWL der Jury, ebenso wie ATTIKA (Hans im Glück) ein Jahr später. Zeitgleich war er für viele Grafiken eigener aber auch fremder Spiele verantwortlich. Viel Beachtung fand seine Comic-Regel zu PIRANHO PEDRO, die er im Rahmen seiner Tätigkeit für das Team Annaberg entwickelt hat.
Von 2005 bis 2007 war Casasola Merkle Vorsitzender der SAZ, der Spieleautorenzunft. Mit dem Animationsfilm „After Midnight“ schloss Casasola Merkle 2006 sein Studium an der Kunsthochschule für Medien in Köln ab. Danach hat er nicht mehr so viele Spiele veröffentlicht, recht bekannt ist noch SANTA CRUZ (2012).
Er ist Mitbegründer und Partner bei Aixsponza, einem Münchner Designstudio. Dort arbeitet er als kreativer und technischer Leiter. Inzwischen entwickelt er auch Computerspiele. Das zusammen mit seiner Frau Agnes Lison erfundene ONE BUTTON TRAVEL gewann 2016 den Deutschen Computerspielpreis in der Kategorie bestes Jugendspiel.
Das Bild von Casasola-Merkle stammt vom Göttinger Autorentreffen 2004.
Donnerstag, 11. Februar 2021
BAU AUF! ÜBERDACHEN OHNE EINZUKRACHEN!
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Häuslebau im Sozialismus: BAU AUF!
Mit spielerischer DDR-Nostalgie ergänzt der BuschFunk-Verlag seit einigen Jahren sein Musikprogramm. Ein Renner ist inzwischen das 1995 erschienene ÜBERHOLEN OHNE EINZUHOLEN von Robert Kurek, das eine stattliche Auflage von 175.000 verkauften Exemplaren vorweisen kann. Eine Persiflage auf die DDR-Idylle, in der ohne Schwarzarbeit oder Westkontakt nichts ging. Nostalgie als Kaufimpuls, vom Spielwert her hat das erste Spiel Kureks nicht viel zu bieten.
Anspruchsvoller kommt die neueste Spielentwicklung des Autors daher. Plakativ fordert er zum Aufbau auf, plakativ wäscht – Pardon! schüttelt – die eine Hand die andere. Ohne Kungeln läuft gar nichts, zur Datsche oder zum Eigenheim kommt man nur durch rudimentären Tauschhandel. ÜBERDACHEN OHNE EINZUKRACHEN, so der Untertitel des Spiels, eignet sich am besten für vier Spieler, die die Rollen des Maurers, Elektrikers, Tischlers und Klempners übernehmen. Aus der Rollenzuweisung ergibt sich das Materialangebot für die Kungeleien. Viel Plaste bietet uns der Autor an, Heizungsteile und Wasserhähne, Lampen und Steckdosen, Fliesen und Putz, Türen und Regale, außerdem noch Mauerteile, die unser Haus in die Höhe wachsen lassen. Jeder startet mit einer Grundplatte, die einen Lagerplatz für Baumaterialien und 28 Felder für den Innenausbau bereitstellt. Dort werden die Plasteteilchen verankert, die zur Zimmerausstattung benötigt werden. Dazu ziehen die Spieler Zimmerkarten, deren Materialvorgaben im Laufe des Spiels erfüllt werden sollten. An die Baumaterialien kommt man ganz simpel durch Würfeln. Danach kann zur Erfüllung der Ausstattungswünsche kräftig getauscht werden, sofern die Lagerplätze der Mitspieler Passendes hergeben. So wird eine Kammer fertig oder Flur und Küche, wenn nicht zu häufig eine sechs gewürfelt wird. Dieser Wurf verpflichtet zum Mauerbau. Sobald vier Mauerteile gesetzt sind, folgt bei der nächsten sechs das erste Stockwerk, das richtig verankert wird und das Erdgeschoss total abdeckt. Der Innenausbau geht weiter bis ein Spieler notgedrungen seine zehnte sechs gewürfelt hat und zum Richtfest einlädt. Damit endet das Spiel, wobei nicht allein das Dach über dem Kopf den Spielsieg bringt, dafür gibt’s nämlich nur drei Punkte, für jedes vollständige Zimmer, für die Berücksichtigung aller sechs Zimmertypen und die Erfüllung weiterer Bedingungen gibt es Punkte. Den Ehrentitel „Baulöwe des real-abwesenden Sozialismus“ bekommt der Punktbeste, der meist nach einer knappen Spielstunde feststeht.
Robert Kurek baut wie in seinem ersten Spiel weitgehend auf den Spielmotor Würfel, und das tut diesem Spiel trotz aller Zufälligkeiten gut. Die Tauschatmosphäre erinnert an catanische Auseinandersetzungen, die Tauschmöglichkeiten sind aber durch das auf fünf Plätze beschränkte Lager etwas eingeschränkt. Das Spiel ist reichhaltig ausgestattet bis hin zum „Einheitsflaschenöffner“, der sogar spielerische Aufgaben besitzt. Gut gelöst ist der Stockwerkbau, wobei in meinem Spielekasten leider das Dach fehlt. Die launig geschriebene Regel lässt (fast) keine Fragen offen, sehr hilfreich ist das bebilderte Ergänzungsblatt. BAU AUFf! ist mehr als ein DDR Nostalgie-Spiel, auch Wessis haben Spaß am Häuslebau unter sozialistischen Bedingungen. Der Flaschenöffner zum Öffnen der Bierflaschen beim Richtfest liegt bei.
Wieland Herold
Titel: BAU AUF! ÜBERDACHEN OHNE EINZUKRACHEN!
Autor: Robert Kurek
Verlag: BuschFunk
Alter: ab 8 Jahren
Spieler: 2 bis 4 ; ideal 4
Preis: 39 DM
Wieland Herold
Spiel 22/1999 R32/2021
Die Rezension erschien 1999 www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der Berliner Buschfunk Verlag ist im Wendejahr 1989 in Berlin am Prenzlauer Berg gegründet wurden. Er sieht sich als erster unabhängiger Musiverlag der DDR. Neben Eigenproduktionen waren CDs der Puhdys, von Petra Zieger und Wladimir Kaminer mit im Vertrieb. In den 90er Jahren wurde Buschfunk durch die Herausgabe von DDR-Spielen berühmt.
Die Idee zu ÜBERHOLEN OHNE EINZUHOLEN hatte Robert Kurek 1991. Westliche Verlage winkten ab, sodass er sich zur Kleinauflage entschloss, die er 1994 handkonfektioniert anbot. Ein Exemplar viel dem Buschfunk -Chef zufällig in die Hand, der das Ganze nun professionell anging und innerhalb eines Jahres 100 000 Spiele verkaufte. Bislang sind 250 000 Spiele verkauft. Das hier beschriebene BAU AUF erreichte immerhin noch 25 000 verkaufte Exemplare.
Der in Bernau bei Berlin lebende Kurek hat danach noch mit BIERBARDE ein Spiel für 2 – 5 Wirte im Eigenverlag herausgebracht mit Texten und Liedern, um in bierselige Stimmung zu kommen. Der Anlass war die Gründung der ersten Bernauer Braugenossenschaft.
Mittwoch, 10. Februar 2021
DUOPENTO
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
DUOPENTO
Solomon W. Golomb hat ein Faible für das Spiel mit geometrischen Formen. Als 22-jähriger Mathematik-Doktorand der Harvard-Universität spielte er 1954 mit aneinander gelegten Quadraten. Wenn man Figuren, die durch Drehung oder Spiegelung ineinander übergehen, als gleich betrachtet, erhält man zwei verschiedene dreiteilige, fünf vierteilige und zwölf fünfteilige Gebilde, die Golomb in Analogie zu „Domino“ „Triominos“, „Tetrominos“ und „Pentominos“ nannte. Die wenigen Triominos und Tetrominos erwiesen sich bald als zu unergiebig, größere Formen wie Sechs- oder Siebenteiler (35 Hexominos und 108 Heptominos) waren zu unübersichtlich. Die zwölf Figuren aus fünf zusammenhängenden Quadraten, die Pentominos, erwiesen sich aber als komplex genug, um geistig anregende Probleme aufzuwerfen.
Spätestens seit dem Erfolg von BLOKUS, das auf der Auswahlliste zum „Spiel des Jahres“ 2002 landete, sind anspruchsvolle Legespiele wieder gefragt. Ingo Uhl, der seit über zehn Jahren mit klassischen Formen spielerisch experimentiert, schließt sich diesem Trend mit dem Spiel DUOPENTO an. Zwei Spieler erhalten jeweils einen eigenen Satz Pentominos. Abwechselnd müssen sie ihre Steine auf einem Spielbrett mit 120 Feldern unterbringen. Sie versuchen dabei eine möglichst große zusammenhängende Fläche ihrer Farbe zu bilden. Freiräume zu schaffen, in die möglichst nur eigene Steine hineinpassen, ist eine wesentliche Taktik. Sobald kein Spieler mehr Pentominosteine ablegen kann, endet das Spiel. Es zählen die Steine der größten zusammenhängenden Fläche, wobei Spielsteine, die in diese Fläche gelegt werden, nachdem der Gegenspieler nicht mehr legen konnte, doppelt zählen.
DUOPENTO spielt sich schnell, die jeweils 12 Steine sind spätestens nach 15 Minuten abgelegt. Ingo Uhls Spiel trainiert das räumliche Vorstellungsvermögen der Spieler, Spielspannung kommt allerdings nur bei gleichwertigen Spielern auf. BLOKUS lebt auch durch den hohen Aufforderungscharakter des Materials. Uhls umweltfreundlicher Recyclingkunststoff kommt etwas hausbacken daher, das gilt auch für die lila-orangene nicht gerade verkaufsfördernde Verpackung.
Mit dem Spielmaterial lässt sich natürlich noch viel mehr machen. Der Autor lockt mit vielen Solovariationen und einem Halbfeldkampf, bei dem jeder Spieler die Hälfte des Spielfelds voll auszufüllen versucht. Für Könner keine allzu schwere Aufgabe. Wer über das Spiel hinaus Anregungen sucht, was er sonst noch so alles mit seinen Pentominosteinen machen könnte, dem empfehle ich die Seite von Jürgen Köller mit mathematischen Basteleien. Von Faltspielen über Legepuzzle bis hin zum Zauberwürfel wird man hier fündig. Seine Homepage enthält eine Reihe von Legeaufgaben für den 12er Spielsteinsatz (www.mathematische-basteleien.de/pentomino.htm). Diese Aufgaben können mit dem Doppelsatz aus Uhls Spiel natürlich auch kompetitiv ausgetragen werden.
Wieland Herold
Titel: DUOPENTO
Autor: Ingo Uhl
Verlag: Logika, Ingo Uhl GmbH - Quickborner Strasse 27 - 25494 Borstel-Hohenraden
Spielerzahl: 1 bis 2
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 15 Minuten
Preis: ca. 18.- €
Wieland Herold
Spiel 11/2002 R31/2021
Die Rezension erschien 2004 www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Ingo Uhl betreibt seit 1979 in Borstel-Hohenraden (bei Hamburg) ein kleines Unternehmen mit zur Zeit 20 Mitarbeitern im Bereich Kunststoffspritzgusstechnik und Formenbau. Zu seinen Kunden gehören Firmen aus der Möbelbranche, Medizintechnik sowie Unternehmen aus der Verpackungs- und Windenergieindustrie.
Uhl nutzt seine Firma auch für die Produktion von Logik- und Lernspielen. Dafür hat er 1991 die Firma LOGIKA gegründet, die inzwischen weit über einhundert Puzzle und Spiele auf den Markt gebracht hat. Für die Produktion nutzt Uhl überwiegend Recycling-Kunststoff. Sieben seiner Spiele wurden schon mit der Auszeichnung „Spiel gut“ prämiert, DIE MIDROMIS von Nicole Bock stand auf der Auswahlliste zum Lernspiel des Jahres 2004.
Einen Teil der Spiele hat Uhl selbst entwickelt, so auch DUOPENTO, das ZAHLENLABYRINTH (1998), TRILEVEL (2004) und SCHALENWÜRFEL (2008).
Mein Fotoarchiv weist Ingo Uhl an seinem Stand in Nürnberg leider nur hälftig aus. 2004 hatte Nicole Bock MODROMIS bei Uhl veröffentlicht, auf ihrem Foto ist Ingo Uhl zumindest halb zu sehen.
Samstag, 6. Februar 2021
KLEINE KLÄFFER
2020 war für Piatnik ein überaus erfolgreiches Jahr. Mit SPEEDY ROLL konnte der Wiener Verlag erstmalig den Preis für das Kinderspiel des Jahres gewinnen. Auch sonst war das Programm mit Spielen wie DRAGON MARKET, LAMA EXPRESS und KANALOA recht ansehnlich.
Zu den Herbstneuheiten gehörte KLEINE KLÄFFER des spanischen Autors von Félix Bernat Julián, der seit 2015 Spiele entwickelt. Er startete mit Eigenproduktionen wie dem DUELO PRIMIGENIO. Die erste Verlagsveröffentlichung kam 2019 mit MASATABAS bei GDM Games. Das Spiel von Piatnik ist erst seine dritte Veröffentlichung, die 2021 als CONCLAVE bei Reverse Games RG grafisch erwachsener überarbeitet erscheinen wird.
Einer recht abstrakten Kartenspielidee im Kampf um Farbmehrheiten hat der Autor einen Revierkampf von Hunden übergestülpt. Er versetzt uns nach New York in den Stadtteil Queens, dort geht es um die Neuaufteilung der Hundereviere. Letztlich entscheidet darüber ein Hundeparlament, der „Rat der kleinen Kläffer“, in dem um jede Stimme gekämpft werden muss. Es gibt sechs farblich gekennzeichnete Reviere, in denen Chihuahuas, Zwergspitze und Bulldogen ihr Unwesen treiben. Die Hunde gibt es in unterschiedlicher Verteilung in den Werten 1 bis 5, die für den Kartengewinn und die abschließende Abstimmung von Bedeutung sind.
Bis zu vier Spieler starten mit vier Handkarten, deren Revierzugehörigkeit aus den Kartenrückseiten ablesbar sind. In der Auslage wird der „Rat der kleinen Kläffer“ in einer 4x4 Auslage mit leerer Mitte offen präsentiert. Die restlichen Karten liegen als Nachziehreihe, sodass die Rückseiten der Farben erkennbar sind, an den Seiten aus.
Die Runden beginnen mit den Pflichtzügen, in denen eine Karte dem Hunderat zugefügt wird. Ergibt dadurch die Addition angrenzender Karten in der Reihe und Spalte einen Wert von 10 Punkten oder mehr, bekommt der Spieler zur Belohnung alle karten die mit der Farbe seines gelegten Hundes oder mit der Rasse übereinstimmen. Die gewonnenen Karten werden offen gesammelt und nach Revieren sortiert. Wer weniger Punkte erreicht, darf nur nachziehen, das gilt natürlich ebenfalls für den Gewinner von Karten. Falls mehr als vier Plätze im Hunderat frei sind, werden diese ergänzt.
Wenn die Karten der Nachziehreihen aufgebraucht sind, haben alle Beteiligten noch einen Zug und müssen die restlichen Handkarten den eigenen Revierreihen zuordnen. Dann wird in allen Revieren die Stimmmehrheit geprüft. Wer diese erreicht, sichert sich das Revier und darf diese Karten umdecken. Alle anderen müssen die Farbe offen liegen lassen, das sind dann die abschließenden Strafpunkte. Und genau diese gilt es im Blick zu behalten. Wer die wenigsten hat und mindestens ein Revier gewinnen konnte, ist am Ende Spielsieger.
Diese Wertungsregelung könnte zu sehr passivem Spielverhalten führen. Gegen Spieler, die meinen, nur eine Revierfarbe sammeln zu können, hat Bernat Julián eine Regel eingebaut, die optional ab der zweiten Runde genutzt werden darf. Danach kann jeder zu Beginn seines Zuges die Farbkarten eines Reviers an einen Mitspieler verschenken, der diese Farbe noch nicht hat. Diese Geschenkeregel führt automatisch zum Anhäufen von Minuspunkten, die gewöhnungsbedürftig „Schlechtpunkte“ genannt werden. Wer so fünf oder sechs Strafpunkte abbaut, sollte aber zur Sicherheit einen kleinen Wert dieser Farbe in sein Portfolio aufnehmen, sonst landet das „Geschenk“ wieder bei ihm. Nicht optional, sondern verpflichtend geregelt ist der Fall, dass durch passives Spielen alle 16 Felder belegt sind. Der Autor spricht dann von einer Krise im Hunderat, die so aufgelöst wird, dass der arme Betroffene jeden Hund in Spalte und Reihe aufnehmen muss, der nicht seiner Farbe und Rasse der gespielten Karte entspricht.
Thematisch und regeltechnisch ist KLEINE KLÄFFER ein Spiel- und Wertungskonstrukt, das mit seinen mathematischen Bezügen durchaus aus dem Hause Knizia stammen könnte. Im Spielablauf ist man nicht automatisch auf Kartengewinn hin orientiert. Die Aufnahmezwänge über die gelegte Tierrasse auch andere Farben mit in seine Auslage zu bekommen, führt doch dazu, dass man häufiger niedrigere Karten spielt, um nicht über den Wert 10 zu erreichen. Andererseits will man sich in bestimmten Farben die Mehrheit sichern. Da auch in Vollbesetzung zu viert nie alle Karten im Spiel sind, lässt sich die Endabrechnung nicht prognostizieren. Wichtig sind die Handkarten, mit denen man am Ende noch überraschend auf die Siegerseite kommen kann.
KLEINE KLÄFFER ist zwar Konstrukt, aber ein intelligentes, das mit der Idee eines ganz alten Piatnik-Spiels liebäugelt. 1987 hat Alex Randolph INDISCRETION veröffentlicht, bei dem die Kartenrückseiten Auskunft über die Kartenart gaben. Mit dieser Idee spielt der spanische Autor. Piatnik hatte damals einen mit 10.000 DM dotierten Ideen-Wettbewerb ausgeschrieben, dessen Ergebnisse in einem späteren Regelheft veröffentlicht wurden. Hier hätten die KLEINEn KLÄFFER auch gut hineingepasst.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: KLEINE KLÄFFER
Autor: Félix Bernat Julián
Grafik: Paletti-Grafik
Verlag: Piatnik
Alter: ab 10 Jahre
Spieler: 2-4 Spieler
Spieldauer: ca. 25-30 Minuten
Preis: ca. 10 Euro
Spiel 4/2021
Freitag, 5. Februar 2021
CHINA MOON
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
CHINA MOON Frösche auf Seerosensuche
Über zehn Jahre schmort die Spielidee schon in der Schublade Bruno Faiduttis. Angeregt wurde er durch David Parletts HASE UND IGEL. Ebenso wie Parlett wollte er ein Spiel entwickeln, das einfache Regeln besitzt, thematisch für Kinder ansprechend sein soll, ohne den Glücksfaktor auskommt und im Wesentlichen taktisch geprägt ist. Vor sieben Jahren veröffentlichte Faidutti das Spiel auf der Seite Game Cabinet (http://www.gamecabinet.com/rules/FlowerOfTheLotus.html), so dass es in den internationalen Test gehen konnte. Es hat bis Oktober 2003 gedauert, bis der Autor sein Spiel endlich in einer Schachtel verpackt erleben durfte. Eurogames hat sich Faiduttis Frühwerk angenommen.
Normalerweise werden Autor und Verlag am Anfang einer Spielbeschreibung erwähnt, bei CHINA MOON muss es der Grafiker sein. Vincent Dutrait zieht den Betrachter mit dem Schachtelcover in einen ganz besonderen Bann. Der uns neckisch zublinzelnde Frosch vermittelt Spielvergnügen, aber auch Kopfarbeit, wie die an der Stirn kratzende Pfote deutlich macht. Im Hintergrund spiegeln sich Spielgeschichte und Spiel im Wassertümpel unter dem Brückenbogen wider, alles in das silbrige Licht einer Vollmondnacht getaucht, CHINA MOON eben. Toll!
Ein melancholischer Mandarinerpel treibt in Gedanken an seine Auserwählte versunken durch Seerosenblätter dahin. Die Frösche, die vergnügt um ihn herumspringen, bemerkt er gar nicht, bis sie sich an ihn wenden. „Hübscher Erpel, warum weinst du?“ Da gesteht er seinen Kummer, dass er nicht wisse, mit welchem Geschenk er seiner Traumente seine Liebe gestehen könne. Es gebe nichts Schöneres als ein in einer Vollmondnacht gepflückter Seerosenstrauß, schlagen die Frösche vor und bieten sich gleichzeitig an, in Teams für die Zusammenstellung toller Sträuße zu sorgen.
Wir sind im Spiel. Jeder hat drei kleine Gummifrösche zur Verfügung, die über einen verschlungenen Wasserweg mit vielen Seerosenblättern zur Seeroseninsel gelangen wollen. Auf dem Weg dorthin können sie 16 wunderschöne Seerosen einsammeln, fünf blütenweiße, fünf butterblumengelbe und fünf karminrosa Lotusblumen, auch eine rare blaue, zusätzlich noch eine 17., die nicht erwünschte schwarze Blume. Die Frösche bewegen sich in großen Sprüngen voran, mit dem Sprung auf das nächste Seerosenblatt geben sie sich nicht zufrieden. Es muss stets das übernächste sein, wobei sie von Artgenossen besetzte Felder gar nicht erst mitzählen. Drei Frösche müssen so in einem Spielzug bewegt werden, wobei die Regel vorschreibt, dass es nicht nur die eigenen Frösche sein dürfen, die man bewegt, mindestens ein fremder muss dabei sein. Das macht auch Sinn, denn niemand käme sonst auf die Idee, eine schwarze Blume zu sammeln. Es macht auch deshalb Sinn, weil einige Sonderfelder gezielter genutzt werden können. Um diese zu verstehen, müssen wir uns an den Mandarinenterich erinnern. Er ist sich sicher, dass er am meisten Erfolg bei seiner Angebeteten mit möglichst vielen Blumen einer Farbe haben wird, so vergibt er für eine einzelne Seerose an die Frösche einen Punkt, für zwei einer Farbe aber schon drei Punkte, für drei sechs Punkte, so dass im Idealfall 15 Punkte erreicht werden. Ist dann noch die rare blaue Blume dabei, gibt es noch vier Punkte dazu, deren Erfolg nur durch einen kleinen Punktabzug von zwei Punkten durch die nicht so attraktive schwarze Seerose geschmälert werden kann. Über Sonderfelder werden die Spieler zum Tausch von Seerosen gezwungen, manchmal müssen auch Blumen wieder zurückgelegt werden. Das Spiel endet nach etwa einer halben Stunde Sprungvergnügen, sobald die letzten vier Seerosen auf der Seeroseninsel abgeerntet sind, dabei ist die blaue Blume stets die allerletzte, die gepflückt wird.
Die Geschichte ist märchenhaft-kindlich, das Spiel selbst aber kein Kinderspiel. Die Spielregel empfiehlt es für Kinder ab 12 Jahren, wobei auch Zehnjährige schon gut damit klarkommen. Der Würfel fehlt, dafür bietet die Fortbewegungsregel genügend Raum für die Entwicklung von Spielstrategien. Besonders beim Spiel zu dritt bleibt alles planbar und spannend bis zum Schluss. In der Vollbesetzung mit fünf Spielern ist man aber ganz schön abhängig vom Handeln der Mitspieler, wer da das letzte Spiel gewonnen hat, besitzt schlechte Karten in der aktuellen Runde. Bruno Faidutti, der französische Autor des Spiels, hat auf seiner Homepage Varianten zu CHINA MOON veröffentlicht, die u.a. auch eine sehr gute Zweierversion umfassen.
Eurogames hat die Vorlagen des Autors fast 1: 1 übernommen. Das gilt für die ganze Spielgeschichte, aber auch den Spielplan mit den meisten Sonderfeldern. Dazu gekommen sind nur kleinere Ergänzungen, wie zum Beispiel zwei Trampolinfelder, die einen Doppelzug ermöglichen. Ursprünglich haben sich die drei Frösche ein Feld, zwei und drei Felder weit bewegt, was durchaus Sinn macht und was Faidutti auch in seinen Sonderregeln wieder aufgreift. Ob CHINA MOON nun an den Erfolg des Vorbilds, HASE UND IGEL, anknüpfen kann, darf bezweifelt werden. Dazu fehlt dem Spiel doch etwas Tiefgang. Trotzdem bleibt es ein ordentliches Familienspiel, das in einem stimmigen Ambiente daherkommt. Wer es ausprobieren möchte, ohne gleich knapp 20 Euro zu investieren, kann ohne große regeltechnische Abstriche problemlos auf die Fassung von Game Cabinet zurückgreifen, optisch entgeht Ihnen dabei aber eine ganze Menge.
Wieland Herold
Titel: CHINA MOON
Autor: Bruno Faidutti
Grafik: Autor: Bruno Faidutti
Verlag: Eurogames
Spieler: 3 bis 5
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 18 Euro
Spiel 8/2004 R30/2021
Die Rezension erschien 2004 www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Bruno Faidutti, 1961 in Berlin geboren, ist ein französischer Spieledesigner, Historiker und Soziologe, der häufig mit anderen Spieleentwicklern wie Alan R. Moon, Bruno Cathala und Michael Schacht zusammenarbeitet. Seine erste Veröffentlichung BASTON stammt aus dem Jahre 1984. Inzwischen hat er meist in Kooperation rund 120 Spiele erfunden. Sein Bekanntestes ist OHNE FURCH UND ADEL, das er allein entwickelt hat. Das Spiel war 2000 zum „Spiel des Jahres“ nominiert, gewann den Kartenspielpreis À la carte der Fairplay und landete auf dem 6. Platz des deutschen Spielepreises. Bekannt sind außerdem noch Spiele wie BOOMTWON und DIAMANT (beide 2005, Empfehlungsliste der Jury). Aktuellere Spiele von ihm sind ELEPHANT RALLY (2020), GOLD RIVER (2020) und angekündigt DREADFUL CIRCUS (2021).
Donnerstag, 4. Februar 2021
AUF DEN SPUREN VON MARCO POLO
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Gutes Familienspiel: AUF DEN SPUREN VON MARCO POLO
Ravensburgers diesjähriges großes Familienspiel knüpft an die Start-Ziel-Spiele der 80er Jahre an, die für die damalige Zeit zu so beachtlichen Ergebnissen wie IN 80 TAGEN UM DIE ERDE und dem ausgezeichneten FLIEGENDEn TEPPICH geführt haben. 2004 begibt sich Reiner Knizia auf die Spuren von MARCO POLO und führt zwei bis fünf Reiselustige ab acht Jahren vom persischen Hormus über die Oasenstadt Kantshou ins chinesische Daidu, das heutige Peking. Knizia wäre nicht Knizia, wenn er nur ein einfaches Start-Ziel-Spiel dazu erfunden hätte. Bei ihm kann auch derjenige gewinnen, der als zweiter theoretisch sogar als letzter ins Ziel kommt, vorausgesetzt, er ist derjenige, der die meisten Goldkisten mitschleppt.
Die Reiseroute besteht aus nur 30 Feldern, sie kann recht schnell bewältigt werden, da besetzte Felder übersprungen werden dürfen. Die freien Felder stellen Anforderungen an die Kartenabgabe. So muss anfangs nur eine beliebige Warenkarte abgegeben werden, dann werden es zwei Warenkarten oder zwei Karten einer Farbe bis hin zu vier oder sogar fünf Karten, die speziellen Anforderungen genügen müssen. Die Spieler dürfen mit ihren Kamelfiguren beliebig weit ziehen, solange sie die entsprechenden Karten abgeben können. Wer keine passenden hat, darf rasten und ruhen, wobei er am Ende eines solchen „Zuges“ seine Kartenhand ergänzt. Dies kann er blind von einem Zugstapel tun oder er kann sich von fünf offen ausliegenden Karten eine auswählen. Spitzenpositionen werden bei der Zwischenwertung in Kantshou und bei der Schlusswertung in Daidu mit besonders vielen Goldkisten belohnt. So erhält der erste in der Oase Kantshou sechs Kisten Gold, derjenige, der auf dem Feld direkt dahinter ist, fünf Kisten usw., im Zielort sind es dann sogar sieben Kisten. Nach der Zwischenwertung beginnt das Rennen zur zweiten Etappe für alle neu. Alle starten von der Oase aus, unabhängig davon, ob sie auf der ersten Etappe hinterherhinkten oder vorn dabei waren.
Marco Polo ist im ausgehenden 13. Jahrhundert als siebzehnjähriger Jüngling zu dieser Reise gestartet und als Einundzwanzigjähriger schließlich in der Mongolenhauptstadt Kublai Khans, in Daidu, angekommen. Die vier entbehrungsreichen Jahre verdichten sich für die Spieler auf lockere 30 Minuten, wenn es lange dauert, ist die Spielkarawane eine Dreiviertelstunde unterwegs. Das Spiel ist schnell erklärt, die farbige Spielregel lässt kaum Fragen offen. Erwartet werden darf kein großartiges Taktikspiel, aber ein ordentliches Familienspiel, das an gute Ravensburger Traditionen anknüpft. Knizia bietet einfaches Spielvergnügen, nicht mehr und nicht weniger!
Wieland Herold
Titel: AUF DEN SPUREN DES MARCO POLO
Autor: Reiner Knizia
Grafik: Michael Bayer
Verlag: Ravensburger
Spieler: 2-5
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 30 - 45 Minuten
Preis: ca. 20 €
Spiel 7/2004 R29/2021
Die Rezension erschien 2004 www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Reiner Knizia, der weltweit produktivste Spieleautor, der auf inzwischen über 700 Spieleveröffentlichungen stolz sein kann, hatte bis 2000 schon einige Auszeichnungen gewonnen, darunter 1993 für MODERN ART und 1998 für EUPHRAT & TIGRIS. AUF DEN SPUREN VON MARCO POLO (BGG-Wertung aktuell 6,2) war ein solides Spiel, landete aber auf keinen Auszeichnungslisten.
Die besondere Leistung für die spielerische Adaption von DER HERR DER RINGE zeichnete die Jury „Spiel des Jahres“ mit dem Sonderpreis „Literatur im Spiel“ 2001 aus.
2008 erhielt er für KELTIS erstmals den Titel „Spiel des Jahres“ und das gleichzeitig im Doppelpack, da WER WAR’S den blauen Pöppel bekam.
Das Bild stammt aus dem Jahr 2001 und wurde im Februar 2001 am SAZ-Abend in Nürnberg aufgenommen. Die Hut-Partnerin Knizias ist Marieke Hoeber, Redakteurin bei Jumbo.
Dienstag, 2. Februar 2021
KRIEG UND FRIEDEN
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
KRIEG UND FRIEDEN: Nicht immer ganz friedlicher Kathedralenbau
Hinter dem Verlagskürzel TM-Spiele stehen der renommierte Spieleautor Klaus Teuber und sein Lieblingsredakteur Reiner Müller. Der Kleinverlag startete 1993 mit Teubers Spiel VERNISSAGE, das den Bronzeplatz beim deutschen Spielepreis erreichte. Das dann folgende KNOCK OUT von Wolfgang Panning landete immerhin noch auf dem achten Platz. Weitere Spiele blieben erst einmal auf der Strecke, da das Team die Betreuung des neu gegründeten Goldsieber-Verlages von Simba Toys überaus erfolgreich übernahm. 1997 wechselte das TM-Team nach dem Erfolg mit CATAN dann zu Kosmos. Danach gab es dann auch wieder TM-Spiele. 1998 MINISTER von Rudi Hoffmann, das auf die Auswahlliste der Jury kam und in diesem Jahr KRIEG UND FRIEDEN von Gerald Mulder.
Optisch verpackt wie ein großes Buch mit angedeuteten Leinenrücken und einer opulenten Kathedralen-Grafik auf dem Cover kommt das Spiel eindrucksvoll daher. Um den Bau dieser Kathedrale geht es in dem Spiel von Gerald Mulder. Bis zu vier Fürsten wetteifern um die Gunst ihres Königs im Ablauf der Jahreszeiten, in dem sie königliche Berater stellen, Arbeiter zum Bau der Kathedrale delegieren, eigene Höfe und Hütten bauen und gegnerische Ritter herausfordern. Für Bauteile der Kirche gibt es königliche Siegel, wer davon nach Errichtung der Kathedrale am meisten hat, gewinnt das Spiel.
Entscheidendes Steuerungselement sind Macht- und Schicksalskarten, mit denen man um die Position des Beraters steigert, Häuser und Arbeiterhütten baut oder kämpft
und sich verteidigt. Man muss Sorge tragen, dass der Kartennachschub nicht ausbleibt, sonst muss man den König um Gnade anflehen. Kartenglück und strategische Planung halten sich die Waage. Das Spiel bietet viel Interaktion, hat tolles Material und besitzt einen schönen Spielrhythmus in seiner Orientierung am Jahresablauf. Trotzdem stört mich die abschließende Dachabdeckung, die fast jedes Mal den Gewinner bestimmt. Damit hängt zu viel von der letzten Bietrunde ab und den Karten die man genau in diesem Moment auf der Hand hat. Das liegt auch daran, dass man drei Siegel für das Dach erhält, was meistens für den Schlusssieg reicht.
(Wieland Herold)
Spieletelegramm:
Titel: KRIEG UND FRIEDEN
Autor: Gerald Mulder
Grafik: Franz Vohwinkel
Verlag: TM-Spiele
Spielerzahl: 2-4
Alter: ab 12 Jahre
Spieldauer: etwa 90 min
Preis: ca. 59.00 DM
Spiel 21/1999 R27/2021
Die Rezension erschien 1999 unter www.spielundautor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Gerald Mulder ist ein 51jähriger holländischer Spieleautor, der zwischen 1998 und 2000 eine besonders erfolgreiche Phase hatte.
KRIEG UND FRIEDEN veröffentlichte er 1998 als CHARLEMAGNE, da wurde statt der Kathedrale noch eine Burg errichtet. Es folgte WORTELBOER für den Eigenverlag Think-Games, ein Jahr später kam dann sein größter finanzieller Erfolg mit BIG BROTHER: DAS SPIEL für Jumbo, das dann auch Verlage wie Hasbro und Clementoni übernahmen.
Montag, 1. Februar 2021
ALI BABA
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Scheherezade als Spielautorin
In der Vorgeschichte dieses im April '93 bei Abacus erschienenen Spieles von Ian Livingstone, dessen Vorläufer das Versicherungsspiel CALAMITY ist, taucht Scheherezade ausnahmsweise einmal nicht als Geschichtenerzählerin, sondern als Spieleautorin auf. Sie lenkte ihren Sultan über einige Nächte mit dem zauberhaften Spiel von ALI BABA ab. In Livingstones Spiel übernehmen die Spieler Räuberrollen und ergaunern sich ein möglichst großes Vermögen.
Sieht man einmal von diesem verwerflichen Tun ab, das nur dadurch relativiert wird, dass ALI BABA von Zeit zu Zeit einige Banditen zur Strecke bringt, hat der Abacus Verlag ein spannendes Familienspiel für 2 bis 6 Spieler produziert, das viel Spielspaß bringt.
Insgesamt zweimal wird die schöne ALI BABA-Figur über einen 52-Felder-Kurs in Basra gesteuert. 24 Bewegungskarten mit unterschiedlicher Zugweite von 1 bis 5 Feldern stehen den Spielern pro Runde zur Verfügung. ALI BABA kann auf leere Felder gesteuert werden, auf denen man Beute machen kann, auf Felder mit farbigen Symbolen oder auf Ereignisfelder. Die Verbrecherbanden Basras, derer man sich bedienen kann, sind Schwindler, Diebe, Betrüger und Räuber. Jede Bande besteht noch aus vier weiteren Untergruppen. Besitzt man alle vier Mitglieder einer Gruppe, kann man das Doppelte erbeuten, geht aber auch ein höheres Risiko, erwischt zu werden, ein. Auf den leeren Feldern dürfen bis zu drei Banditenkarten erworben werden. Landet Ali Baba auf einem farbigen Symbolfeld, dann ist er der Bande in dieser Farbe auf der Spur. Alle Bandenbesitzer dürfen sich loskaufen, pro Bandenkarte kostet das 20 Piaster. Die Spieler können auch untereinander Karten frei verkaufen. Jeder Räuber besitzt eine persönliche Schicksalsrolle in einem 6x6-Raster. Je nach Beutewert der Räuberkarte sind mehr oder weniger Zahlen gekennzeichnet. ALI BABA würfelt mit zwei Würfeln die "Trefferzahl' aus. Dies geschieht in zwei Stufen. Nach dem ersten Wurf, der die Zahlenreihe festlegt, kann man immer noch seine Räuberkarte abstoßen, nun aber gegen 100 Piaster. Sollte man nach dem zweiten Wurf mit einer entsprechenden Karte erwischt worden sein, muss man vor den Kadi. Jetzt wird es teuer: Teure 200 Piaster kostet die Bestechung des Kadis.
Am Ende der ersten Runde wird ausgezahlt. Für jedes Bandenmitglied erhält man den Wert der Beute, besitzt man die gesamte Bande, gibt es den doppelten Wert. Dann geht es in die zweite Runde, die nach dem gleichen Schema, wie oben beschrieben, abläuft.
Das Abwägen zwischen dem Risiko, erwischt zu werden oder doch noch durchschlüpfen zu können, macht den großen Spielreiz dieser Spielentwicklung aus. Die Steuerungsmechanismen über die Bewegungskarten lassen gewisse taktische Freiräume zu, obwohl das Spiel hauptsächlich von den Schicksalswürfen der beiden Würfel abhängt. Hier liegt aber auch die enorme Spielspannung, der es wohl zuzuschreiben ist, dass Scheherezade über mehrere Monate hin auf das Geschichtenerzählen verzichten durfte, da der Sultan ganz wild auf die Schatzjagd bei Ali Baba war.
(Wieland Herold)
Spieletelegramm:
Titel: ALI BABA
Verlag: Abacus
Autor: Ian Livingstone
Grafik: Hartmut Gärling
Spielerzahl: 2-6
Alter: ab 10 Jahre
Spieldauer: etwa 90 min
Preis: ca. 50.00 DM
Spiel 23/1993 R26/2021
Die Rezension erschien 1993
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der 71jährige Ian Livingstone ist vor allem als Gründer von Games Workshop bekannt. Zusammen mit seinem Partner Steve Jackson brachte er DUNGEONS & DRAGONS 1975 nach Europa und übernahm 1977 den Vertrieb von Citadel-Figuren. 1978 wurde der erster Laden eröffnet.
1982 erschien das erstes Fantasyabenteuerbuch der beiden Autoren, DER HEXENMEISTER VOM FLAMMENDEN BERG. Innerhalb weniger Monate wurden zehn Auflagen davon verkauft, auch in Deutschland war das Buch ein riesiger Erfolg, der Thienemann Verlag übernahm die Rechte. Die Reihe wurde fortgesetzt und ist inzwischen weltweit über 15 Millionen Mal verkauft worden.
Mitte der 90er Jahre wechselte Livingstone in den Computerspielsektor. Er war vor allem für Eidos Interactive tätig.
Livingstone hat einige Spiele veröffentlich, darunter BOOM TOWN (1990), LEGEND OF ZAGOR (1993) und eben ALI BABA (1993). Keines seiner Spiele konnte an die Erfolge der Bücher heranreichen
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