Historisch interessant, aber leider pilchereske Anwandlungen
Stephan Abarbanell, der Kulturchef des rbb, veröffentlicht mit Morgenland seinen ersten Roman. Der Mann versteht das Erzählgeschäft, interessant das Sujet, das er kenntnisreich auswählt. Aus der Perspektive Lilya Wasserfalls, einer jüdischen Widerstandskämpferin, die 1946 für eine Staatengründung in Palästina eintritt, werden einerseits die dortigen Probleme mit der britischen Mandatsmacht beleuchtet, andererseits geht es um das Nachkriegseuropa vor allem um Juden in Deutschland nach der Stunde Null.
Lilya wird ins besetzte Zonendeutschland geschickt, um einerseits die Situation in jüdischen Lagern zu beschreiben, andererseits ist sie auf der Suche nach einem jüdischen Wissenschaftler, der nach britischen Angaben tot sein soll, dessen Bruder aber überzeugt ist, dass er noch lebe.
Das Panorama, das Abarbanell entfaltet, ist eindrucksvoll. Nachkriegslondon, die amerikanische Zone mit München und dem Auffanglager Föhrenwald, das viergeteilte Berlin und schließlich die englische Zone mit Lüneburg und Bergen Belsen. Die Geschichte, auf deren Spuren sich Lilya setzt, ist ungewöhnlich und spannend. Sie zeigt, dass die Nazis für ihren Endsieg sehr lange noch mit jüdischen Wissenschaftlern kooperierten.
Das Drumherum wird leider begleitet von allzu viel Süßstoff. Die Beziehungskiste ist mir zu pilcheresk, die Auflösungen zu glatt. Wer ohne Happy End nicht auskommt, wird zufrieden sein. Die Zeitumstände hätten für mein Gefühl auch inhaltlich zu mehr Brüchen führen dürfen.
Wertung: ***
Titel: Morgenland
Verlag: Karl Blessing Verlag
Autor: Stephan Abarbanell
Seiten: 464 Seiten
Preis: 19,99 Euro