Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Gefragt: Geschicklichkeit und Gedächntnisleistung
So ziemlich alles ist besonders an Uli Geißlers Spiel DER KRÄHENSCHATZ. Da ist einmal die Spielverpackung: Eine große Metallkiste, in der man Nürnberger Lebkuchen, aber kaum wunderschönes Spielmaterial erwarten würde, denn auch das ist außergewöhnlich. 36 große gelbe Holzkegel und eine Menge echter Weidenzweige, die Krähen zum Nestbau verwenden. Zu allem passend vom Altmeister der Memoryvariantenerfinder (PATERNOSTER) eine Gedankenübung, die es in sich hat.
Der Diakon Uli Geißler ist nicht nur Spieleerfinder, sondern stets auch Geschichtenerzähler. Diesmal erzählt er uns die Geschichte der diebischen Krähe Jimmy, die Ringe, Brillen, aber auch Croissants aus ihrer Nachbarschaft mitgehen lässt und ins Krähennest bringt. Die 36 Holzkegel symbolisieren die gefräßigen Schnäbel der Krähensippe. Unter den Kegeln verbirgt sich das Diebesgut in unterschiedlichen Farben. Wir Spieler erhalten eine Auftragskarte mit sechs Zielvorgaben, die sich einerseits nur auf vorhandene Farben beziehen, andererseits aber auch einige konkrete Gegenstände mit beinhalten. Wir prägen uns kurz unsere Auftragskarte ein und stürzen uns dann mit allen zusammen auf die 36 Krähenschnäbel. Die Kegel zu greifen, fällt erwachsenen Spielern gar nicht so leicht, oft genug entfleuchen sie wieder. Wer es als erster schafft, seine Aufgabenkarte farblich zu erfüllen, sofern man überhaupt in der Lage ist, in der ganzen Hektik des Suchens, Greifens und Wiederwegstellens sich die gewünschten Farben zu merken, gewinnt eine Suchrunde. Dafür gibt es einen dicken Weidenzweig, dünnere erhalten alle für korrekt gefundenes Diebesgut. Wer am Ende das meiste Nestbaumaterial besitzt, gewinnt die Krähenschatz-Runde.
Dem Autor ist mit dem von der Werksiedlung Kandern fantastisch produzierten Spiel, das der Zoch-Verlag inzwischen in seinen Vertrieb aufgenommen hat, eine beachtliche Mischung von Geschicklichkeit und Gedächtnisleistung gelungen. Die Hektik im Spiel erinnert an ZAPP ZERAPP oder das neue IGLU POP. Die Tempoleistung mit der Memoryleistung zu verknüpfen, ist der geniale Wurf Geißlers. Der hohe Aufforderungscharakter des Spielmaterials wird ein Übriges tun, dass dieses Spiel, das es immerhin bis auf die Auswahlliste für das „Kinderspiel des Jahres“ 2003 gebracht hat, ein Dauerbrenner werden wird.
Wieland Herold
Titel: DER KRÄHENSCHATZ
Autor: Uli Geißler
Grafik: Monika Kühnel
Verlag: Werksiedlung Kandern, Vertrieb: Zoch Verlag
Spieler: 2-5
Alter: ab 4 Jahren
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 50 Euro
Spiel 10/2003 R31/2021
Die Rezension erschien 2004 www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der ehemalige Diakon Uli Geißler ist aktuell im Unruhestadium des Rentners unterwegs. Passend dazu hat der 65jährige Spiel- und Kulturpädagoge noch schnell eine Ausbildung als Krippenbaumeister in Kempten absolviert. Seit Oktober 2020 hat er einen Abschluss als geprüfter, zertifizierter "Krippenbaumeister". Mit der Ausbildung hätte er sich sicherlich eine noch fantasievollere Gestaltung seines ausgezeichneten Spiels überlegt.
Seine Aktivitäten als Spieleautor beschränken sich überwiegend auf die Zeit zwischen 1987 und 2008. In dieser Phase war er regelmäßig für den christlichen Uljö-verlag unterwegs. Bekannt waren aber eigentlich nur zwei Spiele von ihm, einmal das 1990 bei F.X. Schmid veröffentlichte PATERNOSTER, das später noch einmal in der Think-Reihe erschien, dann das hier beschriebene DER KRÄHENSCHATZ, das die Kinderjury auf die Auswahlliste des Jahres 2003 nahm.
Das Bild zeigt Uli Geißler mit Reiner Knizia auf der Spiel in Essen 1992.