
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
HISPANIOLA
Wolfgang Panning hat es im Jahr 2000 mit PORT ROYAL bis auf die Auswahlliste für das „Spiel des Jahres“ geschafft genauso wie Frederick Herschler zwei Jahre zuvor, als er mit dem Spiel CANYON ausgezeichnet wurde. Beide Spiele haben eine Gemeinsamkeit, ihnen gelingt es auf überzeugende Weise ein Stichkartenspiel mit Brettspielatmosphäre umzusetzen.
Das versucht seit Oktober 2004 auch Michael Schacht, ein Autor, der schon mehrfach auf der Auswahlliste für das „Spiel des Jahres“ mit guten Karten- und Brettspielen war.
Sein bei Pro Ludo erschienenes Kartenbrettspiel HISPANIOLA ist von der Grundstruktur her ein klassisches Stichspiel für drei bis fünf Spieler. 75 Karten mit Werten von 1 bis 15 in fünf Farben sind maximal im Spiel. Je nach Spielerzahl werden die sich im Spiel befindlichen Werte verringert, so dass jeder immer 15 Karten auf der Hand hat. Am Spielanfang wird eine Trumpffarbe bestimmt. Dazu legt jeder Spieler verdeckt eine Karte ab, die höchste Karte bestimmt den Trumpf der Spielrunde. Die gelegten Karten sind aus dem Spiel. Die nächsten vierzehn Spielrunden verlaufen – bis auf eine kleine Ausnahme - nach dem klassischen Schema: Der ausspielende Spieler bestimmt mit einer angespielten Farbe die Stichrunde, es muss bedient, es darf gestochen werden. Wer nicht bedienen kann, hat allerdings die Möglichkeit durch Legen der höchsten Karte in einer anderen Farbe den Stich zu machen. Das Spielziel unterscheidet sich auch vom normalen Stichspiel. Es gewinnt nicht der, der die meisten oder wertvollsten Stiche macht, im Gegenteil, der Spieler, der am Ende die meisten Karten vor sich hat, wird sogar bestraft. Es gewinnt der, der am geschicktesten die Punktmöglichkeiten des Spielplans für sich ausnutzt.
Stellen wir uns das Kartenduell unter Piraten in der Karibik vor, zehn Spießgesellen in Form kleiner Holzchips hat jeder Spieler vor sich liegen. Auf dem Spielplan finden wir sechs Schiffe, fünf, die den jeweiligen Kartenspielfarben zugeordnet sind, und ein sechstes neutrales Boot. Auf den Schiffen sind jeweils drei Positionen zu vergeben, die zentrale des Kapitäns, der links und rechts noch zwei Seeleute an Bord duldet. Sollten sich mehr Personen auf das Schiff wagen, landen sie im Wasser und müssen sich mühsam über vier unwirtliche Inseln bis zu einem rettenden Floß durchkämpfen, um dann endlich wieder für Schiffseinsätze zur Verfügung zu stehen. Der Gewinner einer Stichrunde darf einen seiner Holzpiraten auf das Schiff der angespielten Farbe legen, natürlich erst einmal auf die Position des Kapitäns. Sobald in einem Stich mindestens drei Kartenfarben liegen, muss das neutrale Schiff geentert werden. Spätere Stiche führen dann zur schon beschriebenen Verdrängung bis zum Inselhopping. Nach dem letzten Stich erfolgt die Abrechnung, bei der alle Piraten auf Kapitänsposition 5 Punkte bringen, die noch am Bord befindlichen Seeleute erhöhen das Punktekonto immerhin um einen Punkt. Minuspunkte kassieren die Piraten auf den Inseln. Minuspunkte gibt es aber auch für Spieler, die besonders viele Stichkarten gesammelt haben. Der Spieler mit den meisten Karten erhält vier Punkte abgezogen, der nächstfolgende zwei Punkte. Das können dabei durchaus Spieler sein, die gar nicht so viel Stiche gewonnen haben, da der Autor nach jedem Stichgewinn ein Weiterschieben des Stichstapels zulässt. Die Spielerzahl legt die Anzahl der Spielpartien fest, die Mindestrunde beträgt danach drei bis fünf Spiele. Wer dann am Ende die meisten Pluspunkte hat, gewinnt HISPANIOLA.
An die beiden erfolgreichen Kartenbrettspielvorgänger PORT ROYAL und CANYON reicht Michael Schachts HISPANIOLA bei weitem nicht heran. Die meisten Runden verlaufen unbefriedigend, meist hat man das Gefühl, dass man nicht spielt, sondern gespielt wird. HISPANIOLA gaukelt Einflussmöglichkeiten vor, die es aber überhaupt nicht besitzt. Das liegt an den retardierenden Elementen, nicht die ersten Stiche sind entscheidend, sondern die letzten. Damit werden starke Blätter zusätzlich belohnt, mit ihnen holt man sich die Kapitäne, mit ihnen schiebt man auch die Stichhaufen weiter. Wobei die Kartenschieberei besonders unsinnig ist. Auf diese Negativwertung hätte Schacht ruhig ganz verzichten können, es reichen doch schon die Minuspunkte von den Inseln.
HISPANIOLA hinterlässt insgesamt den Eindruck, dass das Spiel noch nicht ganz ausgereift ist, ein Schnellschuss, der die sonst klare Linie der Schacht-Spiele vermissen lässt.
Titel: HISPANIOLA
Autor: Michael Schacht
Grafik: Ségur
Verlag: Pro Ludo
Spieler: 3-5
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: ca. 40 Minuten
Preis: ca. 14 €
Spiel 12/2005 R74/2021
Die Rezension erschien 2005 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 4 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächsten Monat wieder

Zum Spiel und zum Autor:
Der 56jährige Michael Schacht ist gelernter Grafiker, in diesem Beruf hat er auch bis 2005 gearbeitet, bevor er sich entschied, vom Spieleerfinden zu leben. Inzwischen gehört er hinter Kramer, Kiesling und Knizia zur erfolgreichen zweiten Garde der deutschen Spieleautoren und kann rund 200 Veröffentlichungen vorweisen.
Wichtig war für seine Autorenkarriere der Hippodice Autorenwettbewerb, darüber gelangten Spiele wie TAXI (Spiel im Heft, 1992) und CHARTS (Piatnik,1996) zur Veröffentlichung. Den Wettbewerb 1998 gewann er mit KONTOR. Mit der Umsetzung durch Goldsieber gelangte Schacht 1999 erstmalig auf die Auswahlliste für das Spiel des Jahres, das er dann 2007 für ZOOLORETTO gewann.
„Spiele aus Timbuktu“ war ein Eigenverlag des Autors, in dem er preiswerte Bastelpackungen von Spielideen in Kleinstauflage anbot, außerdem viele Erweiterungen zu COLORETTO und ZOOLORETTO.
Das Bild zeigt den Autor 2004 auf dem Autorentreffen in Göttingen.