Sonntag, 6. Dezember 2020
ORACLE
Stefan Dorra hat bisher oft ein gutes Gespür für raffinierte Kartenspiele bewiesen. Zu meinen Lieblingsspielen gehört immer noch NJET, ein Partnerstichspiel, in dem die Spieler im Vorfeld entscheiden, was Trumpffarbe wird und wie lohnend die Stiche sind.
Mit ORACLE ergänzt er seine Stichspielserie ganz aktuell bei Skellig Games mit einer interessanten Mischung aus klassischen Stichspiel mit Bedienpflicht, das sehr großzügig ergänzt wird durch raffinierte Zielkarten und ein Spiel mit Siegpunkt-Chips.
Auf der einen Seite bietet er das Übliche an, Spielkarten in sechs Farben mit den Werten 1 bis 12. Intern sind jeder Farbe antike mythologische Figuren zugeordnet, die niedrigeren Werte der vielköpfigen Hydra, die mittleren dem geflügelten Pferd und die höchsten dem Phönix, der der Asche entsteigt. Für jedes Fabelwesen gibt es Siegpunkt-Chips, sechs für den Phönix, vier für den Pegasus und nur drei für die Hydra, ergänzt werden diese durch sogenannte Loser-Chips für jede Sorte. Je nach Spielerzahl werden zwischen 12 und 16 Karten verteilt, meist sind auch alle Chips im Spiel. Neben den Spielkarten gibt es noch Orakelkarten, die Prophezeiungen für das zukünftige Ergebnis beinhalten. Diese Zielkarten versprechen für die Erfüllung bis zu 15 Siegpunkte, das sind quasi Auftragskarten, die etwas den Missionen der CREW ähneln, die gemeinsam zum 9. Planeten unterwegs ist. Da gibt es ganz leichte Aufträge, wie geschenkte drei Punkte oder ganz schwere, wie zwei Loser-Chips, die am Ende 15 Punkte bringen. Besonders ist die große Auswahl, die Dorra seinen Spielern bietet. Er lässt dafür nicht Draften, sondern gibt ganz simpel allen zwischen acht und zehn Orakelkarten zur Auswahl, von denen jeder zwei aufgrund seiner Handkartenbewertung aussuchen darf.
Fast alles andere ist bekannt. Reihum werden Karten gespielt, die angespielte Farbe muss bedient werden. Die höchste Karte gewinnt. Entsprechend der Siegerkarte gibt es einen Gewinn-Chip, die hohen Karten bringen zwei Punkte, die mittleren drei und für die eher seltenen Stiche im unteren Zahlenspektrum gibt es lukrative fünf Gewinnpunkte. Da Dorra auf eine Trumpffarbe verzichtet, wird jeder Stich interessant, der nicht bedient werden kann, denn auch hier gilt, dass der höchste Wert den Stich gewinnt. Gleichstände werden über die zuerst angespielte Farbe oder Karte entschieden. Die Chance, einen Hydra-Chip zu bekommen, besteht vor allem deshalb, weil Dorra die David schlägt Goliath-Regel nutzt, der kleinste Wert schlägt den größten.
Der eigentliche Pfiff kommt aber durch die Loser-Chips ins Spiel. Sind die sechs Phönixe verteilt, bekommt der nächste Spieler, der einen Stich mit einer zehn, elf oder zwölf macht, den entsprechenden Loser-Chip. Der bedeutet für die Abrechnung am Ende, dass keiner der bisher gewonnenen Phönix-Chips in die Wertung geht. Es sei denn, ein anderer macht noch einen entsprechend hohen Stich oder man selbst. In beiden Fällen darf man den Loser-Chip abgeben. Dorra erhöht durch hochwertige Orakel-Karten den Anreiz, gezielt auf diese Verlierer-Chips zu spielen. Da bringt die Kartenerfüllung oft deutlich mehr Punkte als die eigentliche Chip-Wertung.
Der Autor empfiehlt, so viele Runden zu spielen, wie Mitspieler beteiligt sind. Nach drei bis fünf Durchgängen endet dann das ORACLE Stichspiel.
Mit ORACLE belegt Dorra wieder einmal sein gutes Händchen für dieses Genre. Die Steuerungselemente über die Orakelkarten und Loser-Chips geben vor allem in der Kombination dem Spiel einen besonderen Pfiff. Luschen-Blätter können so aufgewertet werden, so gibt es für die wenigsten Chips 14 Siegpunkte. Wer das noch ergänzen kann durch die Orakelkarte, bei der kein Hydra-Chip vorkommen darf, geht ganz ordentlich mindestens mit 21 Gewinnpunkten aus der Runde. Mit stärkeren Blättern kann man gezielter versuchen, bestimmte Looser-Chips mit einzukalkulieren, die zusätzlich über Orakelkarten punkten können.
Bei meinen ersten Spielen fehlte mir eigentlich die Trumpffarbe. Dorra hat dies aber elegant über die Regel aufgehoben, nach der man, einen Stich mit der höheren Zahl einer anderen Farbe übernehmen kann. Die letzte Prise Spielreiz gelingt dem Autor durch die Schlagregel, dass die kleinste die größte Karte aussticht. Wer gewohnt ist, von oben zu spielen, muss schnell vorsichtiger werden. Eine Zwölf ist nur zuletzt gespielt ganz sicher, wobei auch in diesem Fall keine Eins vorher gelegt werden darf. Wer mitzählt, kann so am Ende mit der kleinsten Karte die höchste zur Bedienpflicht zwingen. Das sind dann Höhepunkte im Spielablauf, bei dem sich auch die anderen bis auf einen mitfreuen.
ORACLE ist ein trickreiches Spiel, das keine schlechte Figur neben NJET & Co. aus dem Hause Dorra macht und das das Skellig-Programm richtig gut ergänzt.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: ORACLE
Autor: Stefan Dorra
Grafik: Christian Opperer
Verlag: Skellig Games
Alter: ab 8 Jahren
Spieler: 3-5 Spieler
Spieldauer: ca. 30 -60 Minuten
Preis: ca. 20 Euro
Spiel 82/2020
Trackbacks
Trackback-URL für diesen Eintrag
Keine Trackbacks
Kommentare
Ansicht der Kommentare:
(Linear | Verschachtelt)
Die Kommentarfunktion wurde vom Besitzer dieses Blogs in diesem Eintrag deaktiviert.