Donnerstag, 25. Januar 2018
STRATEGO
Alte Schätze neu gehoben
Kollege Bartsch blickt regelmäßig 20 Jahre zurück und gräbt alte Erinnerungen aus. In meiner Reihe „Alte Schätze neu gehoben“ möchte ich diesmal – altersgerecht – deutlich weiter, nämlich fast 60 Jahre zurückblicken. In dieser Zeit musste der kleine Wieland „nach drüben machen“. Meine Familie gehörte zu den Zehntausenden, die vor dem Mauerbau die DDR verließen und in den Westen flohen. Die Flucht war dabei mit überschaubaren Gefahren verbunden, zum Beispiel der, dass der Kleine vorher quatschen könnte. Deshalb wusste ich nur von einem Besuch bei Freunden in Ostberlin. Erst als wir in die S-Bahn am Bahnhof Friedrichstraße ein- und in Westen am Bahnhof Zoo ausstiegen, brach ich in Tränen aus, als meine Eltern mir eröffneten, dass es nicht mehr zurückging.
Wozu ich soweit aushole? Nun ja, der Weg in den Westen öffnete mir auch spielerisch neue Perspektiven, jenseits vom FLOH-Spiel, MÜHLE und MÄDN. Die wesentlichen Spiele fanden zwar Ende der 50er und Anfang der 60er Jahre im Freien statt, das Hauptprogramm im Fernsehen war zu der Zeit noch das Testbild. Aber über die familiären ROMMÉ- und CANASTA-Runden hinaus, die von exakter Buchführung meiner Mutter begleitet waren, entdeckte ich bei den wöchentlichen Treffen der evangelischen Jungenschaft ÖL FÜR UNS ALLE, WILD LIFE, GOLDGRÄBER und STRATEGO. Das letzte Spiel stand auf meiner Weihnachtswunschliste und befand sich bald in meinem Besitz. Die SCHACH-Runden mit meinem Vater wurden nun durch andere strategische Duelle mit Spionen und Bomben ergänzt.
STRATEGO hat sich über knapp 60 Jahre hinweg so gut wie überhaupt nicht verändert. Als Erfinder gilt der Holländer Jacques Johan Mogendorff, der die Rechte 1958 an Jumbo veräußerte. Das Spiel war aber gut zehn Jahre lang vorher schon beim niederländischen Verlag Smeets & Schippers im Programm. Die Wurzeln der Spielidee reichen bis in den Ersten Weltkrieg zurück. Von Rudolf Rühle gibt es dazu einen interessanten Artikel in der Pöppel Revue (2/1995). Jumbo vergab 1961 eine Unterlizenz an MB, weltweit sind dadurch wahrscheinlich fast 50 Millionen Spiele verkauft worden. Jumbo blieb der klassischen Ausgabe verpflichtet, da changierte anfangs höchstens die Schachtelfarbe vom grün zum blau und lila. Starwars, Transformers und Narnia begleiteten die MB- bzw. später die Hasbro-Ausgaben.
Nervig war aber eine Entscheidung Jumbos in den letzten Jahren, dass dem Endverbraucher die mühsame Vorbereitung des Spiels überlassen wurde. 80 Figuren mussten langwierig beklebt und damit auf ihre Spielaufgaben vorbereitet werden. Mit der aktuellen Fassung von 2017 können zwei kleine Feldherren endlich wieder sofort losspielen.
Aus der Perspektive fortgeschrittener Spielentwicklung mag alles heute etwas mühsam scheinen. Ein langwieriger Aufbau vor dem Spiel, wenn jeweils 40 Figuren vom Spion bis zum Feldmarschall und den unbeweglichen Bomben und der Fahne positioniert werden müssen. Das ist zwar spielentscheidend, aber mühevoll. Auch die Bewegungsoptionen sind überschaubar, da jeder Dienstgrad nur ein Feld weit marschiert und ausschließlich die Aufklärer wie Türme beim SCHACH über das Feld gleiten. Diagonale Bewegungen oder überraschende Sprünge sieht Mogendorff nicht vor. Modernisiert hätten wir heute Ergänzungen durch Kartensteuerung, Charakterkarten für die Kommandeure mit ausgeprägten Sonderfertigkeiten, die für mehr Abwechslung sorgen würden.
Trotzdem zündet der STRATEGO-Funke auch heute noch. Mein ältester Enkel erlag gleich nach der ersten Partie dem Charme des alten Spiels, sodass der Achtjährige inzwischen viele Bomben hat hochgehen lassen und auch einige Fahnen erobern konnte. Sogar der Schummelreiz ist geblieben, wenn er dann doch einmal eine Bombe bewegt und steif und fest nach der Explosion behauptet, ich müsse mich getäuscht haben. STRATEGO wird der Duell-Klassiker für Kinder und Jugendliche bleiben. Sie können übrigens trotz des kriegerischen Spiels gute Pazifisten werden.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: STRATEGO
Autor: Jacques Johan Mogendorff
Grafik/Design: ?
Verlag: Jumbo
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 2 Spieler
Spielzeit: ca. 45 Min.
Preis: ca. 25 Euro
Spiel 8/2018
Mittwoch, 24. Januar 2018
THE GAME FACE TO FACE
Der Totenkopf grüßt wieder von einer NSV-Schachtel herab, diesmal begleitet er im Zweierduell von Angesicht zu Angesicht konfrontativ die Zahlenkartenablage von THE GAME. Steffen Benndorf hat sich seinen Hausredakteur Reinhard Staupe bei der Spielentwicklung mit ins Boot geholt.
Vieles kennen wir vom herausragenden kooperativen Spielvorbild, das vor drei Jahren zum „Spiel des Jahres“ nominiert war. Die Zahl der Karten ist einerseits reduziert, sie hört nämlich schon bei 60 auf, anderseits sind die Kartensätze verdoppelt, da die beiden Kontrahenten jeweils eigene Auslagen besitzen. Durfte man sich kooperativ an vier Stapeln abarbeiten, hat nun jeder zwei vor sich, einer der aufsteigt, ein anderer der absteigend bedient werden muss.
Wie bei jeder Patience kann man sich vorstellen, dass zwei Ablagestapel nicht reichen, um 58 Karten loszuwerden. Benndorf und Staupe haben sich deshalb etwas Raffiniertes einfallen lassen. Da wie beim Original der aktive Spieler mindestens zwei von anfangs sechs Handkarten spielen muss, darf er eine davon beim Gegner ablegen. Diese muss aber dessen Stapel verbessern. Zur Belohnung darf der Spender seine Karten wieder auf sechs ergänzen. Alles andere kennen wir, die Zehnersprünge bei den eigenen Stapeln, das vorzeitige Ende, wenn man nicht mehr zwei Karten ablegen kann.
THE GAME FACE TO FACE bietet eine interessante Mischung aus Gegen- und Miteinander. Gefühlt kennen wir alles, trotzdem verläuft die Duell-Variante ganz anders. Das Kartenglück spielt auch hier keine ganz untergeordnete Rolle. Gute eigene Karten und passende beim Gegner, die seine Situation nur geringfügig verbessern und vielleicht sogar einen Zehner-Rückschritt verhindern helfen, sind nicht immer parat. Das Spiel durch Loswerden aller Karten zu gewinnen, gelingt selten, nach meinem Gefühl hat das kooperativ besser geklappt. Insofern besteht der Hauptreiz darin, länger im Spiel zu bleiben als der Gegner, aber auch dies bietet für 20 bis 30 Minuten viel Spielvergnügen.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: THE GAME FACE TO FACE
Autoren: Steffen Benndorf & Reinhard Staupe
Grafik/Design: Oliver Freudenreich
Verlag: NSV
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 2 Spieler
Spielzeit: ca. 20 Min.
Preis: ca. 9 Euro
Spiel 7/2018
Sonntag, 21. Januar 2018
TIEFE TASCHEN
„Demokratie bedeutet nicht, dass alle zufrieden sind…“, so lautet der Untertitel zu Fabian Zimmermanns JUNTA-Variante TIEFE TASCHEN. Wie wahr, im Augenblick dürften die Unzufriedenen eine klare demokratische Mehrheit haben. Die Berliner Schaubühne übertrumpft die Spielsatire des jungen Autors. Da knicken CSU-Politiker vor der Chemie- und Autolobby ein, da verhindern private Krankenkassen mit Unterstützung der Union die Bürgerversicherung. An Parlamentsreform ist überhaupt nicht zu denken, ist doch dieses größte nationale Parlament der Welt eine herrliche Versorgungseinrichtung für Parteimitglieder. Eigentlich dürften nur 598 Abgeordnete im alten Reichstag sitzen, nach der Wahl im September 2017 sind es aber 709. Da greifen die Parteien ganz tief in die Taschen des Staates, sprich in unsere. Der Bund der Steuerzahler rechnet mit rund 300 Millionen zusätzlichen Kosten für die nächsten vier Jahre.
Zimmermanns Spiel ist ein Abbild korrupter Politik. Mindestens vier, maximal acht bestechungsfreudige Politiker müssen beteiligt sein. Jeder beginnt mit einem Startvermögen von neun Millionen, fünf identischen Aktionskarten, zwei Bestechungsmarkern und einer Schnüffler-Figur. Ein Spieler übernimmt die Rolle des Präsidenten, der vom Geldkartenstapel eine der Spielerzahl entsprechende Anzahl von Geldkarten aufdeckt. Im unteren Drittel dieses Stapels ist nach spezieller Vorgabe eine Karte Staatsbankrott eingeschoben, die das Spielende herbeiführt.
Der aktuelle Boss verteilt die aufgedeckten Gelder nach Gusto. Will er sein Amt behalten, muss er sich Freunde schaffen, denn nach der Verteilung agieren alle gleichzeitig. Sie dürfen mit ihren fünf Aktionskarten das Angebot akzeptieren, es ablehnen, Erpressungsversuche starten und diese abwehren, schließlich könne sie auch noch in die Staatskasse greifen. Zusätzlich zu den Aktionskarten dürfen Schnüffler und Bestechungsmarker vor Kontrahenten platziert werden. Dabei kann mit Geld um Zustimmung oder Ablehnung geworben werden.
In der anschließenden Phase werden losgehend mit dem Präsidenten die Aktionskarten umgedreht, gleichzeitig wird überprüft, ob Bestechungsbedingungen eingehalten wurden. Der Präsident bleibt im Amt, wenn er mindestens ebenso viele Zustimmungen wie Ablehnungen erhalten hat. Damit bleibt es auch bei der vorgesehenen Geldverteilung. Findet er keine Mehrheit, wird er aus dem Amt gejagt und bleibt diese Runde ohne Einnahmen. Derjenige, der als erster gegen ihn gestimmt hat, wird sein Nachfolger und verteilt das Geld neu. Bekommt er ebenfalls keine Mehrheit, reduziert sich die Zahl der an der Verteilung Beteiligten weiter, bis der neue Präsident im Amt bestätigt wird. Nach einer schnellen halben Stunde steht meist der Bestechungskönig fest.
Die Kurzbeschreibung spiegelt bei weitem nicht die knisternde Spannung nach der Verteilungsrunde wider. Fünf Aktionen sind eben mehr als Zustimmung oder Ablehnung zu einem Geldangebot. Da können Erpressungen mit Hilfe des Schnüfflers angedeutet werden, was Abwehrreaktionen hervorruft, die vielleicht unnötig sind, da nur geblufft wurde. Beim Griff in die Staatskasse kommt nur der Erste zum Zug, alle anderen gehen leer aus. Aber spielen die vor einem sitzenden Spieler auch diese Aktion? Da gilt es viel abzuwägen und es geht meist um mehr als die Präsidentenrolle. Wir kennen die Machtkämpfe aus der Bananenrepublik von Eric Goldberg & Co., die in JUNTA seit fast 40 Jahren korrumpieren und sogar vor Attentaten nicht zurückschrecken. JUNTA ist viel komplexer als TIEFE TASCHEN, dauert auch länger. Die abgespeckte Fassung von Fabian Zimmermann bietet kurzweiliges Vergnügen für kommunikationsfreudige Runden, die den ein oder anderen Puff vertragen.
Die Umsetzung ist für ein Kleinverlagsspiel, das über Startnext finanziert wurde, sehr ordentlich. Geldkarten in der Qualität das alten FORMEL 1-Spiels von ASS, klare Übersichten, praktisches Material mit guter Ikonographie überzeugen. Was mir allerdings nicht gefällt, ist die grünliche Verhunzung meiner obligatorischen Spielerfarbe. Die Bestechungsmarker sind als Rohlinge noch wunderbar sonnig, mit den aufgeklebten Markern wechseln sie aber ins Grünliche, was einfach nur schrecklich aussieht. Leider spiegelt sich das auch auf den entsprechenden Rückseiten der Aktionskarten wider, das ist dann nur noch ein Kanzlerin-Kostüm. Wie lange sie sich noch im Amt halten wird, werden die nächsten Wochen zeigen. Da zucken die von der Leyen, Klöckner und Kramp-Karrenbauer wahrscheinlich schon mit Ablehnungsmarkern in ihren Fäusten.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: Tiefe Taschen
Autor: Fabian Zimmermann
Grafik/Design: Christian Opperer
Verlag: Fobs Games
Alter: ab 12 Jahren
Spielerzahl: 4 - 8 Spieler
Spielzeit: ca. 20 - 50 Min.
Preis: ca. 20 Euro
Spiel 6/2018
Samstag, 20. Januar 2018
KATARENGA
Kein Spiel weist mehr Varianten auf als das königliche Spiel SCHACH. Meistens werden das Spielfeld vergrößert oder verkleinert, Mehrpersonenspiele ermöglicht oder einige Spezialfiguren eingeführt. Spannend sind Veränderungen wie beim VERWANDLUNGSSCHACH, bei dem schlagende Figuren zur geschlagenen Figur werden, ein Läufer, der eine Königin schlägt, wird dann zur Dame. Wer bisher SCHACH ablehnte, weil es nur ein strategisches Spiel ist, sollte WÜRFELSCHACH probieren, bei dem vor jedem Zug ein Würfel bestimmt, mit welcher Figur man ziehen muss.
1972 veröffentliche Perry Grant bei Parker mit SCHACH DEM SCHLAUKOPF eine Variante, in der das Ausgangsfeld die Fortbewegung der jeweiligen Figur definierte. Rudi Hoffmann hat ohne SCHACH-Parallelen mit JANUS 1988 auf dieses Prinzip zurückgegriffen und kam damit auf die Auswahlliste der Jury. 2017 erleben wir nun eine Auffrischung dieser Idee durch einen englischen Autor, der vor allem dadurch bekannt ist, dass er mit HASE UND IGEL 1979 das erste „Spiel des Jahres“ erfand. David Parlett wird in diesem Jahr 79 Jahre alt. Die letzten drei Jahre ist er mit neuem Elan verstärkter im Geschäft, seit dieser Zeit kommt er wieder regelmäßig zum Autorentreffen nach Göttingen und bringt dort neue Ideen an die Verlage und Agenturen.
Bei der Schachvariante KATARENGA hat HUCH! zugegriffen, weil diese Idee vorzüglich in die Reihe von KAMISADO, GIPF & Co. passt. Der Titel ist eine Anleihe an den Schachvorläufer CHATURANGA aus Indien, mechanisch greift Parlett die Grundidee des Parker-Spiels auf.
Acht weiße und schwarze bauernähnliche Spielfiguren stehen sich auf einem erstaunlich bunten 8x8-Feld gegenüber. Jeweils 16 blaue Felder symbolisieren die Bewegungsmöglichkeiten des Königs, die gelben stehen für Läuferfiguren, die roten für die Türme, bleiben noch die grünen Springer-Felder. Auf die Mischfarbe Orange, die für die Königin stehen könnte, hat der Autor aus Verteilungsgründen der Farben verzichtet. Eine gewisse Varianz gibt es im Spielaufbau, da das große Feld in vier 16er Quadrate zerlegt wird, die immer wieder neu kombiniert werden können, sodass sich keine Standardzüge einschleichen.
Das Bewegen und Schlagen der Figuren kennen wir vom Klassiker, nur die Siegbedingungen sind geändert. Da alle Figuren erst einmal gleichwertig sind und nur über das Feld definiert werden, auf dem sie stehen, könnte man höchstens als Ziel ausgeben, alle gegnerischen Figuren von den grünen Königsfeldern zu vertreiben. Wahrscheinlich wäre dies Parlett zu schnell gegangen, obwohl das als Variante gut funktioniert. Der Autor verlangt das Erreichen der feindlichen Grundlinie. Überlebt dort die Figur bis zur nächsten Runde, darf sie in eins der beiden Lager des Gegners gezogen werden, die sich in den Ecken befinden. Sind beide Lager besetzt, endet das Spiel. Ein vorzeitiges Ende tritt ein, wenn ein Spieler nur noch eine Figur besitzt, mit der allein er nicht mehr gewinnen kann.
Die unterschiedlichen Konstellationen der Spielfelder machen zwei Partien eigentlich verpflichtend, damit beide identische Ausgangslagen haben. SCHACH-Puristen werden die Schulter zucken, für alle anderen ist KATARENGA eine interessante Herausforderung, die einigermaßen gleichwertige Partner verlangt. Grundschüler lassen sich mit diesem Spiel gut an die Bewegungen der Schachfiguren heranführen, schwierig ist für sie anfangs immer das Pferd. Mit etwas Übung klappt es aber gut und reizt Achtjährige, die gegeneinander antreten.
Parletts Idee ist zwar nicht neu, wird aber von HUCH! vorbildlich umgesetzt. Große Holzbauern, stabile variable Spielbretter, die nicht einfach nur in einen leeren Rahmen eingesetzt sind, sondern auf ein vertieftes Planunterteil kommen, alles ist wertig gemacht. Da hat der Redakteur Simon Hopp nicht die Kostenschere im Kopf gehabt. Grafisch setzen Andreas Resch und Sabine Kondirolli das Spiel sauber um. Das Spielfeld gerät zwar etwas bunt, ist in seiner Ikonographie aber hilfreich. Die Zweipersonen-Spiele bei HUCH! werden mit KATARENGA sinnvoll erweitert.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: KATARENGA
Autor: David Parlett
Grafik/Design: Andreas Resch / Sabine Kondirolli
Verlag: HUCH!
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 2 Spieler
Spielzeit: ca. 20 Min.
Preis: ca. 25 Euro
Spiel 5/2018
Donnerstag, 18. Januar 2018
NUSFJORD
NUSFJORD fühlt sich an wie ein echter Rosenberg und ist auch einer, nur der Designer hat gewechselt. Klemens Franz ist durch Patrick Söder ersetzt worden, der mit seiner Detailverliebtheit sich den Qualitäten eines Michael Menzels annähert.
Wie das Agrarministerium bleibt Rosenberg der Forst-, Land- und Fischwirtschaft treu, diesmal entführt er uns zu Fischereibetrieben auf den Lofoten. In dem idyllischen NUSFJORD boomt die Wirtschaft. Die einst armen Fischer, die mit winzigen Schaluppen, Wind und Wetter ausgesetzt, auf Kabeljau- und Dorschfang gingen, blicken im Laufe des Spiels stolz auf wachsende Kutter- und Schoner-Flotten. Nur noch die Ältesten wissen von den kargen Zeiten zu erzählen. Die neuen Kapitäne führen lukrative Unternehmen, die Aktiengesellschaften gleichen, sodass sie sogar Aktienanteile veräußern, um weiter zu wachsen.
In Interviews bei Spiel doch mal! und mit Matthias Nagy von den Bretterwissern erfahren wir vom Autor, dass dieses Aktienrelikt der ursprüngliche Kern eines Börsenspiels war, mit dem Rosenberg auf die Spuren der „Peanuts“-Manager gehen wollte.
Was geblieben ist, das kennen wir: Eine glasklare Strukturierung durch den Aktionsplan mit eingeschränkter Nutzungsmöglichkeit, den Aufbau einer eigenen Infrastruktur, gerodet werden muss dafür auch, Spielvorteile, hier besonders durch die Ältesten. Gesteuert wird alles über geschicktes Ressourcenmanagement, wobei wir alle das Tal der Knappheit durchlaufen müssen und wenige Arbeiter die Aktionen auslösen.
Ohne ins Detail der elf Aktionsmöglichkeiten zu gehen, lavieren wir zwischen Schiffbau und damit verbundener Steigerung der Fangquoten, Forstwirtschaft zur Land- und Holzgewinnung, um damit an den Ausbau unseres Fischerdorfs zu gehen, und der Gunstgewinnung von erfahrenen Ältesten, die uns aber unsere Fischvorräte wegfuttern. Neben Fischen und Holz, ist Gold die zentrale Ressource, die Siegpunkte und wichtige Gebäude für einmalige und dauernd wirkende Effekte bringt. Nach sieben Runden und 21 Aktionen werden Schiffsflotte, Gebäude, Aktienanteile und Gold bilanziert, unverbaute Baufelder und nicht realisierte Anteile an Aktien wirken sich dabei negativ auf die Schlussabrechnung aus.
Die Einstiegshürde ist überschaubar. Das Spielmaterial enthält vorbildlich die nötigen Lenkungshilfen. Ausgehend von der Aktionstafel, über die Fischverteilung auf den Flottenplänen, bis zu den pfiffigen Startspielerplättchen, die sich mit ihrer jeweiligen geometrischen Form den Spielerzahlen anpassen und genau die Neuerungen jeder Runde anzeigen, ist alles genial gelöst. Ansonsten steckt wieder viel Arbeit in den Beiblättern zur Regel, Uwe Rosenberg hat sich viel Mühe mit einem zwölfseitigen Glossar gemacht. Bis auf die winzig kleinen Goldtaler überzeugt das Material, viel Holz (Schiff, Fische, Holz und Arbeiter), hohe Varianz durch drei unterschiedliche sehr textlastige Kartendecks für den Gebäudebau und eine recht klare Ikonographie. Alles führt zu einem schnellen Verständnis der Abläufe und einer Konzentration auf mögliche Gewinnstrategien. Dazu gehören die richtigen Ältesten, die man in seinen Betrieb holen muss, so den Hafenmeister, der die Schiffflotte aufwertet, hilfreich sind zusätzlich Forstmann oder Forstwirt, die Gold beim Holzverkauf bringen. Wichtig sind außerdem Konstrukteur und Ingenieur, die unabhängig von den Aktionsfeldern Haus- oder Schiffbau ermöglichen, da punkteträchtiger Flottenausbau und die Errichtung von wichtigen Gebäuden unabdingbar für den Spielgewinn sind.
Zügig gespielt, macht das gut verzahnte Spiel richtig viel Spaß. Mit Optimierern am Tisch kann die angegebene realistische Spieldauer von zwanzig Minuten pro Spieler aber leider nicht eingehalten werden. Da werden auch beim dritten Mal die Kartentexte intensiv studiert, um abzuwägen, welcher Kauf nun wirklich der günstigste sein könnte. Der Kritik, das hatten wir doch alles schon einmal, kann ich nicht wirklich etwas entgegensetzen, trotzdem macht mir die Fischerwelt in NUSFJORD wieder viel Spaß.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: NUSFJORD
Autor: Uwe Rosenberg
Grafik/Design: Patrick Söder
Verlag: Lookout Spiele
Alter: ab 12 Jahren
Spielerzahl: 1 - 5 Spieler
Spielzeit: ca. 20 Min. pro Spieler
Preis: ca. 49 Euro
Spiel 4/2018
Dienstag, 16. Januar 2018
KRASS KARIERT
Kartenspielautoren greifen auf ein überschaubares Repertoire zurück. Da werden Klassiker variiert, Ravensburger probiert das aktuell mit MAU MAU, Pokerelemente aufgegriffen, perfekt zur Zeit in HALF PINT HEROES. Richtige Innovationen wie zuletzt bei HANABI sucht man vergeblich, dafür finden wir die 1001 Stich- oder Stichvermeidungsvariation.
KRASS KARIERT (Amigo) von Katja Stremmel ist ein solch bemühtes Produkt, das Genialität vortäuscht, aber letztlich Altbekanntes liefert. In Stremmels Erstveröffentlichung treffen BOHNANZA und KARRIEREPOKER (oder: DER GROSSE DALMUTI, DAS GROSSE UND DAS KLEINE A) aufeinander. Jedes Vorbild für sich ist klasse, in der karierten Fassung aber eher Krampf.
Mit 48 Zahlenkarten mit Werten von jeweils viermal 1 – 12 und drei Spezialkarten in doppelter Ausführung wird KRASS KARIERT gespielt. Jeder besitzt zwei bis drei Chips, die vorerst sein Überleben garantieren und erhält zehn Handkarten. Wie bei BOHNANZA werden die Karten ungeordnet auf die Hand genommen, sie dürfen auch später nicht sortiert werden. Immerhin gibt es zur Verbesserung der Ausgangslage zwei offene Reservekarten, die vor jedem der drei bis fünf Beteiligten ausliegen.
Der Spielablauf entspricht dem klassischen KARRIEREPOKER, jedes Kartengebot muss nachfolgend überboten werden. Da die Kombinationen durch die unsortierten Kartenhände in der Regel ziemlich eingeschränkt sind, reduziert Stremmel die Maximalzahl der abzulegenden Karten auf drei. Paare und Drillinge überbieten Straßen, die beste Kombination ist damit ein 12er Drilling. Wer nicht überbieten kann, darf eine Reservekarte aufnehmen und die immerhin passend einsortieren. Rettend sind oft auch die Spezialkarten, so ein Joker und eine Stopp-Karte, die sofort die Runde beendet, so dass man danach mit einer Einzelkarte starten darf. Wer den Durchgang verliert, gibt einen seiner Chips ab. Am Ende wird den Verlierern auch noch eine „Schwimmrunde“ zugestanden, erst wenn die verlorengeht, endet das Spiel, bei dem es dann nach einer halben Stunde mehrere Gewinner gibt.
Das Spiel funktioniert, die Regel ist ordentlich, das Kartenmaterial gut. Über die karierte Kartengrafik lässt sich wohl streiten. So richtig zünden will aber die Idee nicht. Mehrfach musste ich beim Ausprobieren Spielabbrüche erleben, wo schon nach der ersten Chipabgabe keine Bereitschaft mehr bestand, in die nächsten Runden zu gehen. KRASS KARIERT ist seelenloses Konstrukt, dem die Bemühtheit, die Vorbilder neu auszureizen, anzumerken ist. An die fantastischen Herbstspiele von Amigo wie DRUIDS und SCHÖNE SCH #!?E kommt dieses kleinkarierte Kartenspiel Katja Stremmels überhaupt nicht heran.
Wertung: Nächsten Monat wieder
Titel: KRASS KARIERT
Autor: Katja Stremmel
Grafik/Design: ?
Verlag: Amigo
Alter: ab 10 Jahren
Spielerzahl: 3 - 5 Spieler
Spielzeit: ca. 30 Min.
Preis: ca. 9 Euro
Spiel 3/2018
Dienstag, 9. Januar 2018
DACKEL DRAUF!
Besprechung erschien in der spielbox Heft 3/18
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: DACKEL DRAUF!
Autor: Carlo A. Rossi
Grafik/Design: Marek Bláha
Verlag: Ravensburger
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 2 - 5 Spieler
Spielzeit: ca. 20 Min.
Preis: ca. 13 Euro
Spiel 2/2018
Montag, 8. Januar 2018
CAFÉ FATAL
Es gibt Entscheidungen der Jury „Spiel des Jahres“, bei denen nach vielen Jahren klar wird, eigentlich hätte ein anderes nominiertes oder empfohlenes Spiel in dem Jahrgang die Nase vorn haben sollen. Der Klassiker stammt aus der Frühzeit der Juryarbeit, 1986 wurde DAS VERRÜCKTE LABYRINTH nur empfohlen und HEIMLICH & Co. prämiert, das schon ein Jahr zuvor auf der Empfehlungsliste gelandet war. Der gefühlte Sieger von 2012 war LAS VEGAS, das gegen KINGDOM BUILDER unterlag.
Rüdiger Dorns Würfelspiel ist der typische Türöffner für Wenigspieler. Ein klassisches Zockerspiel, das immer wieder auf unseren Spieltischen landet. In Essen erschien im Herbst 2017 ein LAS VEGAS-Derivat, dem zumindest beachtliche Nähe zum Original attestiert werden darf.
Die beiden englischen Autoren Brett J. Gilbert und Trevor Benjamin veröffentlichen mit CAFÈ FATAL im Zoch-Verlag ein Mehrheitenspiel mit Würfeln, bei dem es nicht um Casinogewinne, sondern um Torten- und Pizzastückchen geht. Die Nähe zum Vorbild ist signifikant, trotzdem ist eine gewisse abgrenzende Eigenständigkeit von CAFÈ FATAL zu erkennen. Die ergibt sich hauptsächlich aus der Topologie der Cafétische. Wie in einem Pariser Bistro stehen sieben bis 13 Tische auf engstem Raum nebeneinander. Zufällig werden dort die Pizzahäppchen verteilt. Fast nichts wert sind die 30 Käseecken, die einen Gourmetpunkt bringen und als fünfteilige Käsepizza 10 Punkte. Die Salamipizza mit 20 Ecken verdoppelt die Punktwerte, schließlich bleibt die kostbare Heidelbeertorte mit nur zehn Tortenteilen, von denen jedes fünf Punkte wert ist. Wer eine vollständige Torte erwürfelt, ist sofortiger Gewinner, sonst reichen 40 Häppchenpunkte aus, um nach 20 bis 30 Minuten die Würfelschlacht in CAFÈ FATAL zu gewinnen.
Der Zusatzreiz, den die Caféhaus-Würfelei bietet, besteht in der Einschätzung der Startauslage. Wer sieht, dass sich viele andere um Heidelbeertische prügeln, kann sich in Sektoren bewegen, mit denen er mit weniger Konkurrenz schneller an fertige Käse- und Salamipizzen gerät, denn eine Ausbreitung der eigenen Würfel ist nur orthogonal angrenzend zum Starttisch möglich. Identische Augenzahlen eines Spielers dürfen nur an einem Tisch liegen, dafür entscheiden bei Gleichstand höhere Würfelwerte.
Der Würfelreiz mit viel Emotionen am Spieltisch kann auch im CAFÉ nachempfunden werden, allerdings hätte gerade der Zoch Verlag etwas mehr Liebe in die Umsetzung stecken können. Zur Würfelhaptik eines guten Zockerspiels gehören ordentliche Würfel und nicht solche Kleinstausgaben. Das gilt auch für die winzig kleinen Essenshäppchen, das ist Gourmetniveau angepasst und fast nur mit der Lupe erkennbar. Die grafisch sterilen Tischquadrate geben auch nicht viel her, hätten durchaus größer und atmosphärischer ausfallen dürfen. Nicht einmal eine HECKMECK-Schachtel wird damit zur Hälfe gefüllt.
Ich konstatiere durchaus Spielspaß, hätte mir aber eine viel attraktivere Umsetzung gewünscht. Wer LAS VEGAS kennt, wird allerdings beim Originalspiel bleiben.
Wertung: (Über)Nächsten Monat wieder
Titel: CAFÉ FATAL
Autoren: Brett J. Gilbert, Trevor Benjamin
Grafik/Design: Victor Boden / Dennis Lohausen
Verlag: Zoch Verlag
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 3 - 5 Spieler
Spielzeit: ca. 30 Min.
Preis: ca. 20 Euro
Spiel 1/2018
(Seite 1 von 1, insgesamt 8 Einträge)