Freitag, 13. April 2018
RALLYE-TRUCKS
Der Schweizer Elektrorenner "Grimsel" hält den Beschleunigungsrekord für Autos. Sagenhafte 1,513 Sekunden brauchte er vor zwei Jahren um Tempo 100 zu erreichen. Formel 1-Fahrzeuge benötigen etwa eine Sekunde länger und wer es ganz langsam haben möchte, der muss das aktuelle RALLYE-TRUCKS von Haba spielen, da dauert es und dauert es und dauert es, bis so ein Truck wirklich Fahrt aufnimmt.
Das ist gar nicht kritisch gemeint, sondern ergibt sich aus dem Spielmechanismus, den das dänische Autorentrio um Asger Hagen Granerud (FLAMME ROUGE, FROGRIDERS, 13 TAGE) gewählt hat. Die Holztrucks arbeiten nämlich mit dem Erinnerungsmotor. Auf einer Brezelstrecke, auf der die Fahrzeuge zweimal die Ziellinie überqueren müssen, gibt es 18 Symbole, 15 davon tauchen nur einmal auf. Um den Plan liegen entsprechende Papp-Plättchen, die passend aufgedeckt werden müssen. Alles wirkt, wie ein angereichertes ZICKE ZACKE HÜHNERKACKE.
Anfangs weiß keiner der kleinen Rallyefahrer etwas, deshalb dauert es auch ziemlich lange, bis die Trucks in Fahrt kommen. Aber gute MEMO-Künstler merken sich nicht nur die eigenen Plättchen, sondern auch die der Gegner. Einen kleinen Turbo haben die dänischen Autoren eingebaut, denn nach einem Fehlversuch gibt es stets eine zweite Chance. Gut ist, dass Granerud & Co. auf einen CAN’T STOP-Mechanismus verzichtet haben. Erreichen die kleinen Fahrer Felder, gehen die nicht mehr verloren. Außerdem profitieren hinten liegende Kinder von einer Windschattenregelung, da sie besetzte Felder überspringen dürfen. Wer gut aufpasst, kann dadurch nicht abgehängt werden.
Das Spannende an dem Rennspiel ist die Schlussphase, in der Aufholmanöver wie mit dem „Grimsel“ gar nicht so selten sind. Theoretisch kann ein Spieler mit den Karten eine ganze Runde drehen. Das wird zwar kaum eintreten, aber Bewegungen über sechs oder sieben Felder sind gar nicht so selten.
RALLYE-TRUCKS spielt man am besten in großer Runde. Zu viert sind oft nach der ersten Runde schon knapp die Hälfte der Karten bekannt, das läuft zu zweit etwas mühsamer. Die Gestaltung ist Geschmacksache, die Schlammfärbung der Plättchen ist nicht jedermanns Sache, auch ikonographisch hätte das Ganze kindgerechter ausfallen können. Trotzdem kommt RALLYE-TRUCKS gut an, die Jungen lieben das Thema, die Mädchen ihre Überlegenheit, die sie im MEMO-Spiel ausreizen können.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: RALLYE-TRUCKS
Autoren: Asger Harding Granerud, Daniel Skjold Pedersen, Dennis Skramüdiger Dorn
Grafik/Design: Timo Grubing
Verlag: Haba
Alter: ab 5 Jahren
Spielerzahl: 2 - 4
Spielzeit: ca. 15 Minuten
Preis: ca. 10 Euro
Spiel 30/2018
Montag, 9. April 2018
WOODLANDS
Daniel Fehr ist ein Geschichtenerzähler. Vor zwei Jahren veröffentlichte er mit EIN LOCH GEGEN DEN REGEN? sein erstes Bilderbuch. Der Schweizer Autor, Jahrgang 80, promovierte im Fachbereich Germanistik an der Princeton University. Vorher studierte er Fotografie in Zürich und New York. Seine zweite oder dritte Leidenschaft sind die Spiele. Mit GÄMSH ALPIN wies er im Herbst 2016 seine Erstveröffentlichung vor, aktuell verbindet er die erzählerischen und spielerischen Komponenten in WOODLANDS kongenial.
Ravensburger bezeichnet WOODLANDS als „das fabelhafte Legespiel“, ich empfinde es als Geschwindigkeits-Wegepuzzle, in dem immer wieder neue Aufgaben bewältigt werden. Das Spannende dabei, alle Aufgaben sind Teil einer fortlaufenden Geschichte. So begleiten wir Rotkäppchen, die den Wald nicht betreten darf und brav auf den Wegen wandelt, auf ihrem Weg zur Großmutter. Viel wichtiger ist der Wald für Robin Hood, der sich im letzten Kapitel nur in ihm aufhalten darf. Ergänzt werden diese Klassiker durch die Artus-Sage und die Geschichte von Dracula.
Jede Geschichte besteht aus vier oder fünf Folien. Auf eine weiße Unterlage gelegt, wird die Aufgabe schnell klar. Im ersten Kapitel der Artus-Sage, muss Artus auf Wegen zum Schwert gelangen, damit er es aus dem Stein ziehen kann. Merlin verhagelt ihm ganz schön diese Aufgabe. Jeder Hagel über den Wegen kostet einen Siegpunkt und frisst die fünf Punkte eventuell auf, die es bei Erreichen des Schwertes gibt. Noch schlimmer sind Gewitter über den Waldgebieten, die kosten gleich drei Siegpunkte. Positiv bilanziert werden nur noch Schlüssel, Schatztruhe und ein Saphir, zusätzlich gibt es vier Punkte, wenn Artus Merlin erreicht.
Die Folie zeigt die Aufgabe, die die Spieler mit Hilfe von zwölf verschiedenen Wegekarten, die sie auf einem 3x3-Raster legen dürfen, lösen können. Alle puzzeln gleichzeitig an ihrer Landschaft und haben meist nur für die Dauer eines doppelten Sanduhrrieselns (knapp 90 Sekunden) Zeit, eine Teil- oder vollständige Lösung vorzulegen. Jedes nicht belegte Feld kostet einen Siegpunkt, ansonsten werden alle anderen Aufgaben durch Auflage der Folie überprüft. Wer als erster fertig ist, bekommt einen Diamanten, der als Edelsteinjoker bei der Endabrechnung von Sets nützlich ist.
Im Fortlauf der Geschichte werden die Aufgaben immer komplexer. Am Ende wird Bilanz gezogen, mit Hilfe einer App kann man dabei auf die Papierrechnung verzichten. Zu den in den Runden gewonnenen Punkten kommen stets noch die Edelsteine dazu, die im Set fünf Punkte bringen. In Vollbesetzung dauert ein solches Abenteuer nicht viel länger als eine halbe Stunde.
Die Folien und das gleichzeitige Aufgabenlösen erinnern stark an LOONY QUEST. Wobei der große Vorteil von WOODLANDS darin besteht, dass man sich die Finger nicht mehr schmutzig macht. Die Grundvoraussetzungen sind für alle erst einmal identisch. Nur einige Schatzkarten, die man beim Öffnen von Schatztruhen erhält, bringen zum Teil ärgerliche Unterschiede. Mir gefällt besonders der gelungene erzählerische Ansatz, der passend zu den Aufgaben ausgeführt wird. Hier ist Fehrs Handschrift zu spüren. Schwierig wird es mit dem Wiederspielwert. Passieren anfangs noch Fehler, laufen zweite Partien glatt durch. Ravensburger hat zwar für Varianz gesorgt, so zeigen die Rückseiten der Legekarten Dorngestrüpp und Wasser, zusätzlich gibt es Varianten mit Einhorn und Waldschrat. Trotzdem bleibt das Gefühl, dass die Luft schnell raus ist, es gibt insgesamt zu wenig Geschichten, aber das lässt sich ja ändern.
Wertung: Gerne Morgen wieder
Titel: WOODLANDS
Autor: Daniel Fehr
Grafik/Design: Felix Mertikat
Verlag: Ravensburger
Alter: ab 10 Jahren
Spielerzahl: 2 - 4
Spielzeit: ca. 20 - 40 Minuten
Preis: ca. 37 Euro
Spiel 29/2018
Freitag, 6. April 2018
GANZ SCHÖN CLEVER
Einmal taucht er als Kurpfuscher und Illusionist auf, dann ist er esoterisch unterwegs, GANZ SCHÖN CLEVER, was Wolfgang Warsch so im aktuellen Autorengepäck hat.
Typisch für ihn ist sein Gespür für exzellente Mischungen bekannter Spielmechanismen. GANZ SCHÖN CLEVER hat Schmidt als Nachfolgespiel für NOCH MAL! von Inka und Markus Brand platziert, ein Pen&Paper-Spiel mit dem üblichen Eintragungsblock und der Mehrfachnutzung eingesetzter Würfel. Die Präsentation der Spielefirma aus Berlin-Neukölln hat schon was. Es liegen nicht nur wieder die dienlichen Filzstifte bei, sondern auch ein in die Schachtel integrierter Präsentierteller, auf den die Würfel serviert werden, die andere Spieler nutzen dürfen.
Der erste Zugang wirkt erst einmal sperrig, kein Farbfeldernetz, keine Landschaften, die anzukreuzen sind. Die Eintragungsseiten führen zu Beginn stets zu großen Fragezeichen über den Köpfen der Spieler. Diese Programmiertafeln scheinen ein unverständlicher Wirrwarr zu sein, zumal die Ikonographie zusätzliche Fragen aufwirft. Was soll da der Fuchskopf? Ändern wir ständig die Zugreihenfolge? Klar wird, das ist kein einfaches Familienwürfelspiel, sondern durchaus etwas für Kenner.
Lichtet sich der Nebel, wird schnell klar, dass fünf Farbwürfel jeweils einen eigenen Einsatzbereich mit unterschiedlichen Einsetz- und Gewinnoptionen besitzen. Ein weißer Würfel darf stets als Joker genutzt werden oder er kommt in der Zwangskombi mit dem blauen zum Einsatz. In der Regel können nur drei der sechs Würfel eingesetzt werden und da auch die Rundenzahl zwischen vier und sechs begrenzt ist, wird schnell deutlich, überall wird man kaum lukrativ aktiv sein können, wobei schlaue Füchse durchaus in Ansätzen alle fünf Farbbereiche bedienen.
Zu den Farbaufgaben: Das gelbe Raster bedient einfach die Würfelzahlen doppelt. Punktelohn kommt über fertige Spalten, zusätzlicher in den Reihen, der sich auf Eintragungen in anderen Bereichen oder auf die Schlusswertung auswirkt. Da die blauen Eintragungen sich stets aus der bairischen Farbkombi ergeben, sind hier zwar Boni auch wichtig, aber vor allem die Zahl der Eintragungen, die steigende Punkte bringt. Das gilt ebenfalls für die grünen Felder, in der vorgegebene Zahlen in einer fortlaufenden Reihe mindestens erreicht werden müssen. Am einfachsten ist der Einsatz der orangenen Würfel. In dieser Reihe tragen die Spieler beliebige Würfelergebnisse ein, die sie am Ende addieren, hierbei spielen Doppellungen und eine Verdreifachung eine besondere Rolle. Schließlich bleibt der lila Würfel, dessen Eintragungen stets wachsende Ergebnisse vorweisen müssen, nur nach der Sechs darf eine beliebige Zahl eingetragen werden. Die letzten drei Eintragungsreihen bringen auf vielen Feldern Zusatzboni, außerdem das Nachwürfeln und die Nutzung eines zusätzlichen Würfels.
Neben dieser Vielfalt bei den Eintragungen ist auch die Reihenfolge der Würfelnutzung nicht sofort eingängig. Nach jedem Wurf nutzt der aktive Spieler einen Würfel, den er auf sein Auswertungsblatt legt. Wer an hohe orangene und lila Eintragungen denkt, wird sich erst einmal zurückhalten müssen. Denn niedrigere Werte wandern sofort auf das Silbertablett für die Auswahl der Konkurrenz. Entsprechend wird nach neuem Wurf für den zweiten und dritten Würfel verfahren. Die passiven Spieler dürfen sich beliebig bei den drei restlichen Würfeln bedienen und sich einen davon aussuchen.
Für das Spiel in Vollbesetzung bedeutet das, dass in eigenen und fremden Aktionen jeweils 12 Ergebnisse eingetragen werden dürfen. Zusätzlich kommen durch Boni etwa weitere 12 Eintragungen hinzu, sodass von insgesamt 36 genutzten Feldern ausgegangen werden kann. Am Ende werden alle Teilergebnisse addiert, zusätzlich kommen die Fuchsköpfe zum Einsatz. Wer Fuchsboni eingesammelt hat, vervielfacht mit der Zahl der Köpfe seine niedrigste Wertung. Daher ist nicht unbedingt eine gleichmäßige Entwicklung sinnvoll, aber zumindest eine, die in allen Bereichen mindestens zehn Punkte abwirft.
Alleine, zu zweit und zu dritt finde ich GANZ SCHÖN CLEVER ganz schön klasse. Zu viert führen die vielschichtigen Möglichkeiten zu langen Überlegungen, die die Wartezeit, bis man selbst wieder aktiv an der Reihe ist, lang werden lassen. Da meist auch erst am Ende die Würfel auf dem Silbertablett serviert sind, bleibt nur Zeit fürs Däumchendrehen. Die angegebene Spieldauer von 30 Minuten konnten wir in Vollbesetzung noch nie erreichen. Zu zweit ist das gar kein Problem und zu dritt aushaltbar. Die Solovariante funktioniert übrigens richtig gut. Sechsmal würfelt man als aktiver und passiver Spieler, wobei in der passiven Situation die drei niedrigsten Würfel aufs Tablett kommen.
GANZ SCHÖN CLEVER spielt ab sofort für mich in der Kennerliga der Würfelspiele im Pen&Paper-Format mit. Ich setze mich jeden Tag gern mit zu einer Partie oder starte eine alleine, um meinen Highscore in Orange zu toppen. Im Augenblick gilt es, 85 Punkte zu knacken.
Wertung: Gerne Morgen wieder
Titel: GANZ SCHÖN CLEVER
Autor: Wolfgang Warsch
Grafik/Design: Leon Schiffer
Verlag: Schmidt
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 1 - 4
Spielzeit: 30 bis 45 Minuten
Preis: ca. 12 Euro
Spiel 28/2018
Donnerstag, 5. April 2018
UBONGO SOLO
Solo unterwegs
Hat noch jemand den Überblick? Die UBONGO-Familie wächst und wächst und wächst. Seit 13 Jahren puzzeln wir vergnüglich auf kleinstem Raum mit drei oder vier unterschiedlich geformten Legeteilen meist kompetitiv mit bis zu sechs Spielern. Mir war gar nicht bewusst, dass Grzegorz Rejchtman, vor 48 Jahren in Polen geboren und nun in Monaco lebend, noch keine Solovariante seines Erfolgsprodukts auf dem Markt hat. Nun ja, mit allen bisherigen Spielen konnte jeder sich durchaus solo auf den Wettkampf vorbereiten, daher schien das wohl unnötig.
Seit der Nürnberger Messe 2018 sieht das anders aus: UBONGO SOLO liegt im Programm von Kosmos vor und beinhaltet im Grunde genommen eine Zusammenführung vom klassischen UBONGO, UBONGO TRIGO und UBONGO EXTREM. Wir beschäftigen uns also mit den üblichen TETRISteilen und den dreieckigen und sechseckigen Formen aus den anderen beiden Spielen. Die 45 Teile können 546 Aufgaben auf 50 doppelseitigen Blättern zugeordnet werden. Verglichen mit den 40 bis 60 Aufgaben der meisten Solospiele von Thinkfun oder Smart Games ist das eine scheinbar unendliche Aufgabenfülle. Dafür lassen sich aber die ersten Aufgaben sehr leicht erfüllen. Wie bekannt, werden zu nutzende Teile exakt vorgegeben und müssen in den weißen Legeflächen platziert werden. Ab Aufgabe 32 wird es anspruchsvoller, Teile müssen dann nicht nur einer Formfläche, sondern zweien zugeteilt werden. Manchmal sind auch nur wenige Teile oder sogar nur ein Teil vorgegeben, die restlichen sind frei zu finden. Die Aufgabenentsprechung gibt es dann jeweils für die drei Formarten.
Wer nicht weiter weiß, kann nicht einfach in einem Lösungsheft nachschlagen. Erst einmal wird empfohlen das Level zu überspringen und es später noch einmal zu versuchen. Das ist nicht nur eine Floskel, denn die Steigerung der Aufgaben erhöht die Lösungskompetenz, sodass man nach zwei weiteren Blättern erfolgreich zur nicht gelösten Aufgabe zurückkehren kann. Wenn gar nichts mehr geht, stehen die Lösungen auf der Kosmos-Seite.
Für Tüftler ein Muss. Wer Knobelspiele mag, wird an dieser Solofassung von UBONGO nicht vorbeigehen können. Das Material ist in Ordnung, die Aufgabenseiten sind aber knickanfällig. Wer mag, laminiert, was aber bei der Level-Menge ganz schön teuer wird. Was nun nur noch fehlt ist eine Solofassung vom 3D UBONGO.
Wertung: Gerne Morgen wieder
Titel: UBONGO SOLO
Autor: Grzegorz Rejchtman
Grafik/Design: Sensit Communication
Verlag: Kosmos
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 1
Spielzeit: ab 1 Minute
Preis: ca. 25 Euro
Spiel 27/2018
Mittwoch, 4. April 2018
LUXOR
In PIONEERS erschließen Siedler die Vereinigten Staaten, in LUXOR verwinkelte Gänge einer alten Grabkammer. Beide Spiele haben gemeinsam, dass sie aus Troisdorf stammen und richtig gute, anspruchsvolle Familienspiele sind.
Der Ausflug nach Ägypten ist seit wenigen Wochen auf dem Markt. Queen Games hat es hier tatsächlich geschafft, in die immer noch unaufgeteilte und inlayfreie Schachtel Zip-Tüten mit hineinzupacken. Von den Stanzbögen befreit, zeigt allerdings das umfangreiche Material von Schatz- und Tempelplättchen, Spielkarten, Skarabäen und kleinen Holzarchäologen, das alles in eine nur halb so hohe Schachtel gepasst hätte. Das war es dann aber schon mit der Kritik an LUXOR, für das ich jetzt nur noch das Hohe Lied anstimmen werde.
Rüdiger Dorn hat ein spannendes Schatzsammelspiel entwickelt, mit einer Erinnerungsprise an BOHNANZA und TUTANCHAMUN. Vor zwei bis vier Abenteurern liegt ein mäandernder Plan, der immer tiefer in die Grabkammer eines Pharaos führt. Der Weg dorthin ist das Ziel, denn zwischendurch gilt es, wertvolle Schätze zu sammeln: Keramiken, Statuen und kostbaren Halsschmuck, dazu kleine Skarabäen, die durchaus Bedeutung für die Schlussbilanz besitzen. Die zwei Sarkophage in der Schatzkammer bringen mit fünf beziehungsweise drei Siegpunkten gegenüber den bis zu sechs Punkten bei den Schätzen wenig, dafür beendet ihre Entdeckung das Spiel.
Dorn steuert LUXOR über fünf Handkarten, die Bewegungsweiten von ein bis fünf Feldern ermöglichen. Die Standardkarten können durch sogenannte Horuskarten ergänzt und flexibler eingesetzt werden. Der Einsatz der Karten erinnert an Rosenbergs BOHNANZA, da die Spieler sie nicht beliebig nutzen und deren Reihenfolge nicht verändern dürfen. Gespielt werden dürfen die jeweiligen äußeren Karten rechts und links, was einen einigermaßen taktischen Einfluss zulässt. Alle starten mit zwei Abenteurern, die sie auf den Weg über 41 Felder bis zur Grabkammer bringen. Unterwegs aktivieren sie en passant drei weitere Figuren, die dann ebenfalls am Pyramideneingang starten. Viele Figuren machen deshalb Sinn, weil die wertvollen Schätze mit fünf oder sechs Siegpunkten nur von drei eigenen Abenteurern gehoben werden können. Auch kleine Werte sind nicht zu verachten, denn Sets von den drei Schatzarten bringen zusätzliche Punkte. Dieses recht freie Schatzsammeln erinnert an Knizias Klassiker TUTANCHAMUN, das vor 25 Jahren genialer Weise völlig auf eine Bewegungssteuerung über Würfel oder Karten verzichtet hat.
LUXOR besitzt eine elegante Beschleunigungsautomatik, die trotz wachsender Anzahl von Spielfiguren auf ein zügiges Spielende zusteuert. Das liegt einerseits daran, dass über die Horuskarten bessere Bewegungsmöglichkeiten ins Spiel kommen, anderseits darf jedes zweite freigeräumte Schatzfeld übersprungen werden. Auf die anderen Felder kommen Tempelplättchen, die nicht nur Skarabäen und Joker bringen, die für die Schatzsets hilfreich sind, sondern auch Tunnelzugänge, die, geschickt genutzt, zu großen Sprüngen auf dem Spielplan führen. Denn neben Schätzen und Skarabäen sind am Ende die Positionen der Abenteurer von Bedeutung. Keiner sollte auf Sonderfeldern stehen, denn die bringen keinen Siegpunkt. Je näher alle anderen an der Schatzkammer liegen, umso höher ist ihr Siegpunktwert. Acht Punkte und mehr sollten da schon für alle fünf Figuren erreicht werden, wenn man in der Schlussbilanz vorn mit dabei sein will. Damit wird LUXOR nicht einfach nur zum Schatz-Sammelspiel, sondern ist ein Rennspiel um beste Positionen.
Das Gesamtkonzept stimmt, die kalkulierbare Steuerung durch die Spielkarten, die Sammlung wertvoller Schätze und Sets, die geschickte Nutzung der Tunnelzugänge, um hinten liegende Abenteurer am Ende nach vorn zu bringen. All das sorgt für ein ständiges Kribbeln mit genügend Interaktion beim Kampf um Vasen und Statuen, die LUXOR auch in Vollbesetzung zu einem guten Spiel machen.
Wertung: Gerne Morgen wieder
Titel: LUXOR
Autor: Rüdiger Dorn
Grafik/Design: Dennis Lohausen
Verlag: Queen Games
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 2 - 4
Spielzeit: 30 – 45 Minuten
Preis: ca. 35 Euro
Spiel 26/2018
Montag, 2. April 2018
DIE QUACKSALBER VON QUEDLINBURG
Quickborn oder Quakenbrück hätte es auch treffen können, das Treffen der Quacksalber, das der Wiener Wolfgang Warsch so wunderbar eingängig entwickelt hat. Der Alliteration sei Dank ist die deutlich ältere, wunderschöne Fachwerkstatt Quedlinburg am Nordrand des Harzes zum Austragungsort des Wettkampfs der Kurpfuscher geworden, denen ständig ihre Braukessel um die Ohren fliegen.
Mit der 1100 Jahre alten Stadt, die seit 1994 auf der UNESCO-Liste des Weltkulturerbes steht, hat Warschs Bag-Building-Spiel nicht wirklich etwas zu tun. Immerhin zeigt Dennis Lohausen auf dem Cover die romanische Stiftskirche im Hintergrund und den Platz um den alten Finkenherd als Treffpunkt der Wunderheiler.
Der Spielablauf ist ganz simpel, enthält aber eine Varianz, die DIE QUACKSALBER VON QUEDLINBURG zu einem anspruchsvollen Familienspiel macht. Zwei bis vier Tränkebrauer starten mit identischen Zutaten und je nach Spielerfahrung mit einem Ergänzungsset von Zutatenbüchern. Kürbis und Totenkopffalter gehören zur Standardausrüstung, Varianten der Krähenschädel, Kreuzspinnen und Fliegenpilze ergänzen die Grundausstattung, während der neun Brauvorgänge kommen noch Wurzeln der Alraune und der mystische Geisteratem dazu. Alle Quacksalber unterliegen dem Handicap, dass sie mit sieben Knallerbsen als Einer- bis Dreierchips starten müssen, zusätzlich besitzen sie einen Kürbischip und eine Kreuzspinne. Die Chips stecken in einem schwarzen Beutel, aus dem sie nacheinander gezogen werden. Jeder gezogene Wert wird auf einer Skala des Braukessels abgetragen, wobei á la CAN’T STOP das Ziehen jederzeit beendet werden kann. Das macht deshalb Sinn, da Knallerbsen den Kessel zur Explosion bringen und zwar dann, wenn ihre addierten Werte die Sieben überschreiten. Der Startvorrat reicht für elf Knallerbsenpunkte, sodass das Aufhören oft über das Ziehen des Dreier-Plättchens bestimmt wird. Explodiert der Kessel nicht, landet man im Idealfall in der ersten Runde vor dem Wertungsfeld „10“, das Einkäufe und das Vorankommen auf einer Siegpunktleiste ermöglicht. Sollte man vor dem Feld „13“ stehen, wird der Kessel explodiert sein und man muss sich entscheiden, ob die Siegpunkte kassiert werden oder das Geld zum Einkauf von ein oder zwei neuen Zutaten benutzt wird.
So werden neun Runden gespielt, die alle mit einer Ereigniskarte starten und teilweise neue Zutaten oder auch Knallerbsen bringen. Wer danach auf der Punkteleiste vorn liegt, gewinnt nach einer guten halben Stunde diesen Quacksalber-Kampf. Der besondere Reiz, der sich bei den QUACKSALBERn VON QUEDLINBURG ergibt, besteht in der Zusammenstellung der eigenen Ingredienzien für die folgenden Brauvorgänge. Für einige sind die Totenkopffalter unabdingbar, da sie den Start im Braukessel vorverlegen, andere setzen auf eine Kombination von Fliegenpilzen und Kürbissen, die zusätzliche Schritte im Kessel bringen. Ab der dritten Runde macht auch der Einkauf des Geisteratems Sinn, da gezogene Chips die Siegpunktbilanz verbessern. Hilfreich sind außerdem die teureren 4er Chips, die es von vier Zutaten gibt. Sie erleichtern das Vorankommen in punkteträchtigere Regionen.
Der explosive Wettkampf wird ergänzt durch reizvolle Zugaben, wie einen Nachteilsausgleich, der sich an Rattenschwänzen orientiert, die sich aus dem Abstand zum Führenden ergeben. Ein Zaubertrank kann eingesetzt werden, um eine zuletzt gezogene Knallerbse wieder im Beutel verschwinden zu lassen, zusätzlich können Rubine den Kesselstart vorverlagern oder die Zaubertrankflasche für die nächste Runde wieder nutzbar machen. Ob etwas langwierig gemeinsam die Zutaten aus den Säckchen gezogen werden oder jeder individuell seinen eigenen Rhythmus findet, muss jede Spielgruppe für sich entscheiden. In der letzten Runde sollte man allerdings der Spielregel folgen, die synchrones Ziehen empfiehlt. Hier bekommt die Explosion eine besondere Bedeutung, weil der Verlust eines Wertungsteils erhebliche Siegpunkte kostet, da für jeweils fünf Geld ein Siegpunkt gekauft werden kann.
Die Mischung stimmt und kann mit immer neuen Variationen der Zutatenbücher zu neuen Spielerlebnissen führen. Warsch erweist sich auch hier als magischer Künstler, der ein gutes Gespür für die Mischung von Mechanismen besitzt.
Wertung: Gerne Morgen wieder
Titel: DIE QUACKSALBER VON QUEDLINBURG
Autor: Wolfgang Warsch
Grafik/Design: Dennis Lohausen
Verlag: Schmidt Spiele
Alter: ab 10 Jahren
Spielerzahl: 2 - 4
Spielzeit: 30 – 45 Minuten
Preis: ca. 32 Euro
Spiel 25/2018
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