Donnerstag, 16. April 2020
MORENÁ
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Spielkarten, die Geschichten erzählen
Moritz Egetmeyer bringt seit einigen Jahren phantasieanregende Kartenspiele heraus, die sich deutlich vom sonstigen Genre Kartenspiel abheben. So ganz richtige Spiele sind seine schönen Bilderwelten im eigentlichen Sinne nicht, aber sie eignen sich vorzüglich für Entdeckungsreisen in uns selbst und in unsere Mitspieler. In die Esoterik-Ecke will Egetmeyer aber nicht geschoben werden, für ihn sind seine Kartenspiele durchaus Regelspiele, bei denen es keine Gewinner und keine Verlierer gibt, Strategie und Wettbewerb spielen keine Rolle.
Für sein neuestes Spiel konnte Egetmeyer den brasilianischen Maler Walde Mar gewinnen, der auf 88 Bildkarten das alltägliche, friedfertige Leben der Regenwaldbewohner darstellt. MORENÁ heißt dieses Spiel, der Titel ist ein Begriff aus der Xingu-Sprache und bedeutet: Ursprungsort der Menschen.
Mit den Bildkarten sollen die Spieler in die brasilianische Urwaldwelt entführt werden, sie sollen Geschichten erfinden, sich in Rollenspielen erproben. Ein spielerischer Kulturaustausch findet statt. Das Regelheft bietet zur Umsetzung eine Reihe von Anregungen, die zum Geschichtenerzählen und Perspektivenwechsel auffordern, „Spurenkarten“ dienen dabei zur Verbindung der Bilder.
MORENÁ ist ein anregendes Spiel für kreative, kommunikationswillige Menschen. Durchaus ein Spiel, das Eltern mit ihren Kindern spielen können, das man mit seinem Lebenspartner spielen kann. Auch als Unterrichtsmittel für Gesprächsanlässe oder einfach nur zur spielerischen Unterhaltung eignet sich MORENÁ. Sogar allein kann man sich auf diese Bilderwelten einlassen, die ganz anders sind, als die sonstigen Bilder, die jeden Tag auf uns einströmen.
Heo
Titel: MORENÁ
Zeichner: Walde Mar
Verlag: Moritz Egetmeyer, Postf. 1251, 79196 Kirchzarten
Spielerzahl: ab 1
Alter: ab 5 Jahren
Preis: ca. 30.- DM
Die Rezension erschien 1997 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Spiel 1/1997 R 40/2020
Das Bild zeigt den Verleger Moritz Egetmeyer mit seiner Tochter auf der Spiel 1997 in Essen.
Sonntag, 12. April 2020
DOT TO DOT
SOLO UNTERWEGS
Zahlenbilder, die aus Punkt zu Punkt-Verbindungen entstehen, kennt jeder. DOT TO DOT (moses.) von Brett Gilbert macht nichts anderes, nur fehlen die Zahlen und es entsteht kein Bild, aber Punkt zu Punkt-Verbindungen müssen korrekt gelegt werden.
Von Punkt zu Punkt ist ein Zeichenspiel, das am Computer oder mit Malvorlagen funktioniert. DOT TO DOT ersetzt den Stift durch sechs transparente Spielsteine mit Linienführungen. Die Aufgabenkarten mit 80 Herausforderungen in vier Schwierigkeitsgraden zeigen einerseits die zu verbindenden Punkte an, andererseits wird vorgegeben, welche Spielsteine dazu benötigt werden.
Erste Linien sind schon eingezeichnet und dann gilt es, durch Drehen und Wenden der transparenten Steine innerhalb einer sehr beschränkten Legefläche direkt auf der Aufgabenkarte alle Punkte mit einer durchgehenden Linie zu verbinden.
Bei den leichten Aufgaben sind es nur zwei oder drei Liniensteine, die zur Ergänzung herangezogen werden. Auf mittlerem Niveau, das mit 34 Aufgaben die meisten Herausforderungen enthält, sind es meistens vier Plättchen, die unterzubringen sind. Der Kenner- und Expertenbereich erfordert dann fünf oder alle sechs rechteckigen Plastikscheiben.
Durch den leichten Einstieg stellt man sich bald gern höheren Aufgaben, aber ab dem Niveau der Karten 50 bis 80 wird die Luft dünn, dann reichen fünf Minuten zur vollen Linienführung meist nicht mehr aus. Wer gar nicht mehr weiter weiß, darf als Zwischenlösung auf eine „Erste Hilfe“ zurückgreifen, die ein Teilstück der Lösung zeigt, einen halben Spielstein, der erste Orientierung sein kann.
Mit dem richtigen Durchblick für die nötigen Drehungen und Wendungen ist DOT TO DOT eine spannende Herausforderung, die für Corona-Zeiten ohne Partner eine Spielalternative sein kann. Gilberts Spiel ergänzt die Solo-Reihe von moses., in der wir schon SCHABEN JAGEN durften und Denkaufgaben in der klassischen TETRIS-Welt genial bewältigten.
Titel: DOT TO DOT
Autor: Brett J. Gilbert
Grafik/Design: Silke Klemt
Verlag: moses.
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 1
Spielzeit: 2 - 10 Minuten pro Aufgabe
Preis: ca. 17 Euro
Wertung in Zeiten von Corona: Gerne morgen wieder
Danach wohl eher: Nächste Woche wieder
Spiel 26/2020
Mittwoch, 1. April 2020
DIE SEIDENSTRASSE
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Abenteuer Seidenstraße?
Der älteste interkontinentale Fernhandelsweg der Menschheit, der einstmals Europa und Asien verband, „das bedeutendste Band, das es je auf Erden zwischen Völkern und Kontinenten gab“, wie es der Forschungsreisende Sven Hedin bezeichnet hat, war die Seidenstraße. Ein uralter Karawanenweg von einer Oase zur anderen, von einer Wasserstelle zum nächsten Brunnen, der nicht nur zum Austausch von Waren, der beliebten Seide aus China, den fernöstlichen Gewürzen diente, sondern auch Ideen, Kunststile und Religionen transportierte. Ein wundervolles Spielethema, das Schmidt Spiele in diesem Jahr aufgegriffen hat, das aber auch Erwartungen weckt.
Dem Spiel des Berliner Nachwuchsautors Hartmut Kommerell fehlt etwas der Stallgeruch, der atmosphärische Dung, das Knistern der Seide, die abenteuerliche Spannung einer Wüstendurchquerung. DIE SEIDENSTRASSE ist letztlich ein abstraktes Laufspiel mit einem integrierten Wertungsmechanismus, der allerdings interessante Aspekte enthält.
Damit ist nichts gegen die Spielidee gesagt, die der Autor dem Verlag geliefert hat, nur eignet sie sich wahrscheinlich besser für ein Fahrradrennen mit Zwischenspurts und Bergwertungen als für dieses historische Thema.
Zwei bis sieben Spieler können sich auf die Reise von China nach Venedig begeben. 80 Spielfelder liegen vor ihnen, drei Bewegungskarten haben die Spieler auf der Hand, außerdem besitzt jeder noch eine Basarkarte und ein Startkapital von zehn Unzen Silber, die auf einer etwas schmalen Wertungsleiste am Rande des Spielplans markiert werden. Der Spielablauf ist einfach. Zu Beginn können die Spieler je eine Bewegungskarte für sich ausspielen, die dann offen ausgelegt werden muss. Mit den Karten können eine oder mehrere Personen vorwärtsbewegt werden. Ihr Einsatz ist teilweise abhängig von der jeweiligen Position der Spieler, maximal zehn Felder können so überwunden werden.
Interessant wird das Spiel ab der zweiten Runde: Nachdem alle wieder drei Karten auf der Hand haben, kann jetzt entschieden werden, ob erneut eine Karte zum Vorwärtskommen der eigenen Figur ausgespielt wird oder ob die ausliegende Karte auf einen Mitspieler übertragen wird. Da maximal drei Karten offen vor einem Spieler ausliegen dürfen, besteht spätestens dann der Zwang, andere Spieler zu berücksichtigen. Dieser Mechanismus ist Kommerell vorzüglich gelungen.
DIE SEIDENSTRASSE ist allerdings kein reines Laufspiel. Unterwegs gilt es, Silberunzen zu verdienen. Dies ist in allen Handelsstädten auf der Strecke nach Venedig möglich. Sobald ein Kaufmann eine dieser Stationen erreicht, findet eine Wertung statt, in der der erste zwischen zehn und maximal zwanzig Unzen gutgeschrieben erhält.
Die anderen können, sofern sie nicht zu weit zurückgeblieben sind, ebenfalls noch Silber erwirtschaften. Da am Ende nur der Geldstand entscheidend ist und die aktuellen Positionen durch die Randmarkierungen stets allen vor Augen sind, können die anfangs Führenden sicher sein, dass die Wohltaten der Mitspieler immer spärlicher werden.
Eine weitere Möglichkeit zur Geldakquise besteht im Ausrufen eines Basars. Auch hier wird nicht richtig gehandelt, Silber kassieren nur die drei Spieler, die vorn liegen. Wer am Ende auf der Wertungsskala auf vorderster Position steht, hat die „Abenteuer zwischen Xi’an und Venezia“ am besten bestanden.
Spielmechanisch macht das preisgünstige Spiel vor allem in Gruppen mit fünf und mehr Spielern Spaß. Der Zwang, gute Karten auf die Mitspieler ausspielen zu müssen, wirkt sich positiv auf hinten liegende Figuren aus. Dadurch hat man auch in fast aussichtslosen Situationen immer noch gute Chancen, am Ende vorn mit dabei zu sein. Der Spannungsbogen trägt daher über gut sechzig Spielminuten.
Wieland Herold
Titel: DIE SEIDENSTRASSE
Verlag: Schmidt Spiele
Autor: Hartmut Kommerell
Grafiker: Nicholas Price
Spieler: 2 - 7
Dauer: ca. 60 Minuten
Alter: ab 10 Jahren
Preis: ca. 35.- DM
Die Rezension erschien 1998 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 4/1998 R 29/2020
DIE SEIDENSTRASSE war 1998 das erste große Spiel des aktuellen SAZ-Vorsitzenden Hartmut Kommerells. Atmosphärisch war ich damals zwar enttäuscht, spielmechanisch wusste das Spiel aber durchaus zu überzeugen, sodass ich 7 von 10 Sternen vergab.
Ein Jahr nach Übernahme der Schmidt Spiele durch die Berliner Blatz-Gruppe, die 1997 die Produktion eigener Spiele einstellte und ab sofort nur noch Ideen unter dem Schmidt Label veröffentlichte, war DIE SEIDENSTRASSE des Berliner Autors Kommerell das erste große Flaggschiff des neuen Verlages, das zu einem damals unschlagbar günstigen Preis von 35 DM auf den Markt kam.
Für Hartmut Kommerell spielte das Autorentreffen in Göttingen schon früh eine wichtige Rolle. Im Bild sehen wir ihn 2003, ein Jahr, in dem er mit acht Prototypen angereist war.
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