
Ein außergewöhnlicher Kriminalfall – ein außergewöhnliches Buch
Einst war Corso Bramard der jüngste Kriminalkommissar Italiens, jetzt, zwanzig Jahre später, unterrichtet er acht Stunden Geschichte an einer Schule in Piemont. Dazwischen liegt die Jagd nach einem Serienmörder, der seine Opfer, junge Frauen, mit floralen Schnittmustern schmückte. Das erste Opfer überlebte, das letzte war Bramards Frau, zeitgleich verschwand seine Tochter.
Bramard verfällt dem Alkohol, seine Ausflüge in die piemontesische Bergwelt tragen suizidalen Charakter. Der Frau, die er liebt, eine in der Dorfbar arbeitende Rumänin, überbringt er die Heiratswünsche eines anderen. Am Leben halten ihn wohl nur noch regelmäßige Nachrichten des Täters, Briefe mit Zitaten aus „Story of Isaac“, einem Song Leonard Cohens. Mit dem 13. Brief schließt sich der Kreis, der Song endet und diesmal hinterlässt der Mörder eine Spur. Ein Haar, das direkt zum ersten Opfer führt.
Bramard nimmt mit Unterstützung eines alten Kollegen die Ermittlungen wieder auf. Hilfe erhält er von Isa, einer jungen Ermittlerin, die ähnlich kauzig wirkt wie er. Beide tasten sich durch penible Polizeiarbeit zurück in die Zeit vor zwanzig Jahren, stoßen auf Aspekte, die Bramard damals unbekannt blieben, auf die Vorliebe alter reicher Männer für junge Mädchen und auf japanophile Kreise.
In einer Parallelhandlung wickelt ein Jean-Claude Monticelli einen Aufgabenzettel ab, in Rumänien, der Schweiz und in Italien. Lange bleiben die Zusammenhänge unklar, bis die Stränge am Ende zusammengeführt werden.
Davide Longo, der mit diesem Kriminalroman, Neuland betritt, ist ein ungewöhnlicher Autor. Sprachlich verdichtet er, lässt Vieles ungesagt. Einwortsätze, karg wie die Landschaft, prägen seinen Stil. Das Werk durchzieht eine Langsamkeit, eine Melancholie, die der Leser eigentlich durchbrechen möchte, wo der Leser Bramard anstoßen möchte, endlich aktiv zu werden. Aber alles hat seine Zeit, deshalb fliege ich in diesem Roman auch nicht über die Zeilen, wie in vielen üblichen Krimis, sondern verharre, lese noch einmal, behalte eindrucksvolle Bilder im Kopf. Longo beschreibt treffend dazu seine Leser: „Menschen, die gerne gehen, stundenlang eine Suppe köcheln lassen, nein sagen können und viele Kilometer zurücklegen, um einen Freund zu besuchen.“ Es ist ein Genuss, diesem Autor die ihm zustehende Zeit zu lassen. Unbedingt lesen!
Wertung: *****
Titel: Der Fall Bramard
Verlag: Suhrkamp
Autor: Davide Longo
Seiten: 318 Seiten
Preis: 19,95 Euro