Dienstag, 8. Dezember 2020
DAS RIFF
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Exotischer Fischzug: DAS RIFF
Christine und Wolfgang Lehmann haben ihr erstes gemeinsames Spiel gleich bei einem renommierten deutschen Verlag und dann noch in einer besonders erfolgreichen Reihe unterbringen können. Darin ist an sich nichts Besonderes, wenn die beiden dies nicht aus den Vereinigten Staaten heraus geschafft hätten. Ihre Heimatadresse war bis vor kurzen noch die Magnolia Lane in Maple Grove in Minnesota, inzwischen leben sie aber wieder in Esslingen. Die Spieleredaktion des Kosmos-Verlages war angetan von ihrer Spielidee DAS RIFF und erweiterte damit im letzten Jahr die fantastisch laufende Reihe „Spiele für zwei“. Auflagenhöhen von mindestens 30.000 bis 40.000 Spielen sind schon fast garantiert in dieser Serie, das Siedler Kartenspiel wandert gerade auf die Millionenauflage zu. Der Erfolg der Reihe ist bisher geprägt von viel Klasse und wenig Masse.
Der „exotische Fischzug“ der Lehmanns im Korallenriff gehört sicher nicht zu den Spitzenspielen, wie CÄSAR & CLEOPATRA und KAHUNA, es weist aber interessante Mechanismen auf, die eine nähere Betrachtung sinnvoll erscheinen lassen. Die beiden Spieler betätigen sich als Fischzüchter, die aus einfarbigen weiblichen und männlichen Fischen in der Regel einen zweifarbigen kleinen Fischschwarm züchten müssen. Der erste, der fünf solche Züchtungen vorweisen kann gewinnt das Spiel. Bis es so weit ist, vergeht aber eine knappe Stunde.
Unter 60 Riffkarten verstecken sich 18 Zuchttiere und Wasserkarten, 5 Haie und 5 Muscheln außerdem 14 Korallenkarten. Die Karten werden gemischt und in einer Auslage von 4 Reihen mit 8 Karten auf dem Tisch verteilt. Die mittleren beiden Reihen bleiben verdeckt, die äußeren werden aufgedeckt. Von den 21 Zuchtkarten werden vier offen ausgelegt. Nur dieser Nachwuchs kann in der Anfangsphase gezüchtet werden. Ein Angelboot darf jeder Spieler an die äußerste Meereskante legen. Zum erfolgreichen Angeln ist Fischfutter nötig. Ein entsprechender Wurmvorrat in den sechs Farben der Fische liegt bereit, jeweils einen gibt es als Startvorrat in den Eimer. Die Fischzucht und das Angeln sind an bestimmte Bedingungen gebunden. Nur in der Spalte über dem eigenen Boot dürfen Karten aufgenommen werden. Je näher die Karten am Boot liegen, desto preiswerter ist der Erwerb, die vorderste Karte kostet einen Wurm, die verdeckten mittleren einen zum Aufdecken und einen weiteren zum Erwerb der Karte und die offenen am Boot des Mitspielers gar drei Würmer. Will man einen Fisch angeln, muss die Farbe der Würmer der des Fisches entsprechen, bei allen anderen Karten dürfen es beliebige Würmer sein. Mit sechs Würmern kommt man natürlich nicht weit, deshalb beginnt jeder Spielzug mit dem Wurf zweier Farbwürfel, die den Vorrat ergänzen helfen. Von diesem Wurf profitiert auch der Gegner, der sich stets einen Wurm in einer der erwürfelten Farben nehmen darf. Zur Vermehrung schreiten unsere Rifffische nicht im freien Gewässer, sie suchen dazu den Schutz von Korallenbäumen, von denen ein Spieler nie mehr als fünf haben darf. Am Anfang muss also erst einmal eine solche Korallennische her, sonst läuft nichts im Riff. Ist diese da, geht man auf die Suche nach den passenden Fischen. Dazu ist der Blick auf den Nachwuchsstapel nötig, wir wissen also schon, wozu das Geplänkel an den Korallen führen wird. Da sind dann zum Beispiel nur die grüngelben, hellblauen und roten Fische gefragt, natürlich muss auf das jeweilige Geschlecht geachtet werden, denn bei zwei grünen Männchen an der Koralle tut sich nicht viel. Auch der Blick auf die Sammelaktivitäten des Gegners ist wichtig, da es bei den sechs Fischen stets nur ein Weibchen und zwei Männchen oder umgekehrt gibt. Erwirbt man Sonderkarten, bringen die Muscheln einen Wurmersatz, ein Hai kann eine beliebige Karte aus der Auslage, aber auch vom eigenen – leider nicht den gegnerischen – Korallenbaum vertreiben. Es macht Sinn, möglichst früh Zugriff auf viele Spalten der Auslage zu bekommen. Mit dem Kauf von weiteren Angelschiffen (Kosten: 3 Würmer) wird der Aktionsradius erweitert. Da es nur 15 Boote gibt, kann auch nur ein Spieler das gesamte Riffgebiet abdecken. Das ist aber nicht unbedingt erforderlich, denn die Lehmanns haben sich einen schönen Mechanismus des Wasserflusses einfallen lassen. Am Ende eines Spielzuges werden alle Karten bis zur Meereskante durchgeschoben, reine Wasserkarten „fließen“ darüber hinaus, so dass kräftige Strömungen auftreten können, die die Ausgangslage beträchtlich verändern. Frei werdende Felder werden natürlich entsprechend von hinten aufgefüllt.
Die Spielidee ist reizvoll, die grafische Umsetzung ansprechend, aber so richtige Spielspannung kommt nicht auf. Das liegt an dem relativ hohen Glücksfaktor. Ich habe einige Partien erlebt, bei denen ich ewig auf den ersten Korallenbaum warten musste, während mein Mitspieler schon in zwei oder drei Korallengebieten kräftig mit Züchtungen loslegen konnte. Wirkliche Steuerungsmöglichkeiten besitzen die Spieler nicht. So ist man abhängig vom Würfelwurf, das Aufdecken der verdeckten Reihen beschert oft genug nutzlose Wasserfelder, recht zufällig ist auch die Kartenzusammensetzung der leicht erreichbaren unteren Wasserreihe. Da kann man viel Glück, aber auch viel Pech haben - so ist das beim Angeln nun einmal. Ob es für ein Spiel auch so sein muss, bezweifele ich aber, auf die Dauer kann das nämlich ganz schön frustrierend sein. Für alle, die bereit sind, Angelglück zu genießen, lohnt eine Spielprobe. Taktiker sollten aber die Angelrute nicht auswerfen.
Wieland Herold
Titel: Das Riff
Autor: Christine und Wolfgang Lehmann
Grafik: Claus Stephan
Verlag: Kosmos.
Spieler: 2
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: ca. 45 Minuten
Preis: ca. 25.- DM
Die Rezension erschien 2001 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Spiel 17/ 2001 R 166/2020
Zum Spiel und zu den Autoren:
Über die Vorgeschichte der beiden Autoren habe ich damals ja schon etwas geschrieben. Von Christine und Wolfgang Lehmann erschien 2003 bei Haba noch GEISSLEIN, VERSTECK DICH!, das 2004 auf der Empfehlungsliste der Kinderspieljury landete. Danach erschienen nur noch Spiele von Wolfgang Lehmann meist in Kooperation mit Günter Burkhardt. Ihr POTATO MAN (2013, Zoch) landete ebenfalls auf der Empfehlungsliste der Jury, diesmal aber für das Spiel des Jahres. Die zuletzt veröffentlichten Spiele in Deutschland waren DRUIDS (Amigo, 2017, wieder mit Burkhardt) und das interessante Spiel mit den Kratzmonstern DIE HÖRBIES (Haba, 2017).
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