Freitag, 25. Januar 2019
SCHNECK-DI-WUPP!
Seit Wolfgang Kramers HEIMLICH & CO. – unvergesslich in der Perlhuhnfassung von 1984 - tauchen immer wieder Spielideen mit verdeckten Zielvorgaben auf. Das französische Pärchen Wilfried und Marie Fort, die gestern für ihr bei Blue Orange erschienenes MR. WOLF für das französische Kinderspiel des Jahres nominiert wurden, nutzt Kramers Idee für ein Schneckenrennen rund um und über eine metallene Verpackungsbox.
SCHNECK-DI-WUPP! nennt die Redakteurin Kristin Dittmann dieses raffinierte Wettrennen, was auch immer der Titel bedeuten mag? SNAIL SPRINT! ist da schon eindeutiger und auch das französische ESCARGOTS... PRÊTS? PARTEZ! ist zumindest ein Startsignal. Wuppen wir es also und schauen uns die Spielbedingungen an.
Sechs Holzschnecken, mit Magnetfolien beklebt, machen sich ans Schneckenrennen in Frau Meiers Gemüsegarten. Ihre Holzfarben korrelieren mit den Spieplanfeldern, die mindestens ein Farbsymbol, manchmal aber auch drei zeigen. Jeder erhält zu Beginn eine Rennkarte, auf der drei Farbschnecken abgebildet sind. Diese versucht man möglichst vor den anderen auf die drei Zielsockel zu bringen. Bewegt werden die Schnecken durch zwei Farbwürfel. Meist zeigt das Ergebnis unterschiedliche Symbole, so dass der aktive Spieler sich eine der beiden Schnecken für die Bewegung aussuchen kann, die er dann auf das nicht genutzte Farbfeld stellen muss. Ein Paschwurf hat bei SCHNECK-DI-WUPP! keine weiteren Vorteile, dann muss die entsprechende Schnecke nur auf ihr Farbfeld laufen. Interessanter wird es, wenn sich die Schnecken gegenseitig bespringen, dann ist das unten sitzende Weichtier blockiert. Sobald es an die senkrechte Dosenwand geht, sind solche Türme nicht mehr möglich, die Magneten ermöglichen nur durch direkten Kontakt mit der Blechwand den nötigen Halt. Oben auf dem Deckel kann natürlich wieder blockiert werden (steht aber nirgends in der Regel). Sobald die Abwärtsstrecke überwunden ist, dauert es nicht mehr lange bis ins Ziel. Zuletzt gibt es meist noch ein spannendes Gerangel um die ersten drei Podestfelder, dann dürfen die Kinder ihre Karten aufdecken. Bilanz gezogen wird mit drei Siegpunkten für den ersten, zwei für den zweiten und einen Punkt für den dritten Platz. Zum Schneckenkönig wird der Punktbeste gekrönt.
Der Aufforderungscharakter durch die große geprägte Blechbox und die Magnete, die das senkrechte Kriechen ermöglichen, ist groß, das begeistert Kinder. Die Anforderungen an kleine Fünfjährige sind aber beträchtlich. Da ist die unterschiedliche Nutzung der Würfelsymbole im Blick zu behalten, da ist der Ärgerfaktor durch das Blockieren und immer wieder muss auf die Wettkarte geblickt werden. Welche Schnecken soll man denn nun nach vorne bringen? Die Beschränkung auf nur eine Farbe hat das in der Ursprungsidee von Wolfgang Kramer deutlich leichter gemacht, da war auch noch echtes Bluffen möglich, was sich bei SCHNECK-DI-WUPP! nicht so richtig ergibt. Mit Grundschülern habe ich aber trotzdem spannende Wettläufe erlebt, stets verbunden mit einem Wiederholungsrennen. Ein Viertklässler hat dabei sogar den guten Vorschlag gemacht, mit offenen Karten zu spielen, dann wird – soweit die Würfel es zulassen – das Schneckenrennen sogar etwas taktisch.
Trotz tollen Materials ergeben sich aus dem Streckenverlauf über die Metallbox schlechte Einblickmöglichkeiten. Eigentlich müsste man die Verpackungsdose ständig hin- und herwenden, damit alle die Felder erkennen. Die Haltbarkeit der Magnete lässt auch zu wünschen übrig, zwei Magnetfolien halten in unserem Exemplar nicht gut, da mussten wir mit Spezialkleber nachhelfen. Das lässt sich aber leicht wuppen, damit in Frau Meiers Gemüsegarten Sebastian Schneck immer wieder über Gloria Glibber kriechen kann.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: SCHNECK-DI-WUPP!
Autoren: Wilfried und Marie Fort
Grafik/Design: Gabriela Silveira
Verlag: Haba
Alter: ab 5 Jahren
Spielerzahl: 2 – 4
Spielzeit: ca. 15 Min.
Preis: ca. 20 Euro
Spiel 07/2019
Donnerstag, 24. Januar 2019
CONCEPT KIDS
Das Konzept von CONCEPT funktioniert für große und kleine Spieler. Die Piktogramme, die die beiden Franzosen Gaëtan Beaujannot und Alain Rivollet nonverbal für Worterklärungen nutzen, sind 2014 immerhin zum „Spiel des Jahres“ nominiert gewesen, hatten aber mit CAMEL UP und SPLENDOR starke Konkurrenz.
Die beiden Autoren haben ihr Konzept nun deutlich vereinfacht und es für Kinder ab vier Jahren ausschließlich auf die Tierwelt beschränkt. CONCEPT KIDS funktioniert vor allem gut, wenn Kinder im kooperativen Spiel Erwachsene raten lassen.
Die Piktogramme auf dem Spielbrett empfinde ich zwar nicht unbedingt als kindgerecht, die Erfahrungen zeigen, dass Kinder damit aber weniger Probleme haben. Sie benötigen natürlich ein paar Kenntnisse über die Tiere. Vieles lässt sich aber auch einfach aus den Tierbildern ableiten. Da gibt es einen Bereich, der den Lebensraum der Tiere in 13 Bildern beschreibt, zehn Piktogramme dienen der Fortbewegung, 14 der Farbgebung, recht einfach sind die gegensätzlichen Pärchen, die das Fressverhalten kennzeichnen, klären ob das Tier tages- oder nachtaktiv ist und ob es sich als gefährlich oder ungefährlich einordnen lässt. Der letzte Sektor deckt sehr viel ab und ist leider weniger abgegrenzt, da geht es um die Größe, die Stärke, die Haut der Tiere, ihre Körperteile, Münder und Kopfauswüchse.
Die Kinder starten am besten mit den einfacheren blauen Karten und nehme sich davon 12. Eine Karte kommt in den Kartenhalter und die Tippgeber beschreiben abwechselnd durch Markierung von Eigenschaften das Tier. Der oder die erwachsenen Spieler dürfen beliebig oft raten, bis das Ergebnis feststeht oder sie passen müssen. Am Ende wird überprüft, ob das gesamte Team als „königlicher Löwe“ bewertet wird oder nur als „prächtiger Tiger“, dann nämlich, wenn nicht alle 12 Karten erraten wurden. Wer will, kann den Schwierigkeitsgrad durch Ergänzung von roten Tieren erhöhen und nach Faultier, Koala und Gabelbock fragen lassen, auch wenn dann einmal ein Feuersalamander nur einfach „Lalamander“ heißt. Zu Rollentausch darf es natürlich auch kommen.
Die Sogwirkung, die von CONCEPT KIDS ausgeht, erstaunt mich immer wieder. Gaëtan Beaujannots und Alain Rivollets Spiel wird ständig nachgefragt. Wenn meine beiden Enkel ganz aktuell über ihr künftiges „Kinderspiel des Jahres“ zu entscheiden hätten, dann stünde ihr Ergebnis fest. Ihr häufiges Spiel, bei dem sie die ganze Verwandt- und Nachbarschaft haben raten lassen, zeigt aber auch, dass 110 Karten begrenzt sind. Sie haben inzwischen alle doppelt und dreifach gespielt und hätten schon ganz gerne Kartennachschub.
Die Begeisterung überzeugt mich auch, obwohl ich spieltechnisch und pädagogisch Anfragen habe. Mir fehlen eine erläuternde Piktogrammübersicht und vor allem Informationen über die 110 Tiere. Ein Spiel, das auf exakte Beschreibung setzt, sollte schon die Informationen liefern, was die Tiere fressen, ob sie nur tagaktiv sind und wo genau sie leben. Diese Informationen könnten Eltern ihren Kindern gut vorlesen. Gearbeitet wird aber mit Halbwissen, was zwar klappt, aber letztlich unbefriedigend ist. Bei JUST ONE von Repos Production musste ich schon kritisieren, dass die Wortkarten durchscheinen und damit zumindest ein Teil der Begriffe über die Rückseiten lesbar wird, ein vergleichbares Problem hat die Firma nun auch mit CONCEPT KIDS. Ich kann erneut nur wieder Doppelsteckung empfehlen, dann ist das Problem aus der Welt. Die Spielregel sieht leider nur kooperative Varianten vor, das kompetitive Spiel, bei dem es wechselnde Erklärer gibt und derjenige gewinnt, der die meisten Karten am Ende hat, wobei bei jedem richtigen Rateversuch der Tippgeber ebenfalls eine Karte ergattert, macht Kindern auch Vergnügen. Der Zielgruppe macht es Spaß, deshalb spiele ich es gerne morgen wieder mit, obwohl grundsätzliche Bedenken bleiben.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: CONCEPT KIDS
Autoren: Gaëtan Beaujannot, Alain Rivollet
Grafik/Design: Éric Azagury
Verlag: Repos Production / Asmodee
Alter: ab 4 Jahren
Spielerzahl: 2 – 12
Spielzeit: ca. 20 Min.
Preis: ca. 25 Euro
Spiel 06/2019
Mittwoch, 23. Januar 2019
KINDERSPIELE AUS ALLER WELT
Über 200 Spielideen, die als klassische Kinderspiele rund um den Globus gelten, habe er für dieses Projekt mit Ravensburger gesammelt, erzählt Kai Haferkampf während der Vorabpräsentation der KINDERSPIELE AUS ALLER WELT in Essen. Seit Ende Dezember 2018 liegen nun 24 Spiele seiner Sammlung vor, mit denen sich gut um die Erde reisen lässt.
Eine fantastische Idee, die spielerisch zwar nur einfache Kost bietet, die aber den verbindenden Charakter von Spielen in aller Welt betont und damit gut zu den vielen SPIELEND FÜR TOLERANZ-Aktionen passt, die bundesweit laufen und die ich auch mit zwei Veranstaltungen in Bad Zwischenahn und Oldenburg unterstützt habe.
Mit Haferkamps Spielesammlung lernen Kinder ab vier oder fünf Jahren erst einmal die Welt kennen, zu Spielbeginn wird das gewählte Spiel nämlich stets auf einer Weltkarte verortet. Punkte werden über den Rand der Spieleschachtel bilanziert. Unter den Spielen sind hauptsächlich Geschicklichkeitsspiele wie das spanische Schnippspiel AUF DIE RENNBAHN! oder das türkische Murmelspiel MISKET. Dazu gehören auch Bewegungsspiele wie DER LETZE FLAMINGO aus Chile, das HÄNDEKLATSCHEN aus Syrien oder KÄNGURU aus Australien. Bluffspiele wie RATE, WIE VIELE? aus Tansania sind auch dabei, ebenso Klassiker wie das NIM-Spiel aus China und eine Variante von DREI IN EINER REIHE aus Ägypten, SIGUGA DE TUSCO.
Im Grunde genommen ist diese Spielesammlungen nur Anregung auf die unterschiedlichsten Klassiker wieder einmal zurückzugreifen und da kann gerade in Gruppen mit Kindern viel zusammenkommen. Meine Enkel wollten jedenfalls gleich nach dem französischen Farbsuchspiel LE LOUP-COLEUR ICH SEHE WAS, WAS DU NICHT SIEHST spielen. Wer weitere Anregungen sucht, findet gute Ideen bei Unicef in der kleinen Broschüre SPIELE RUND UM DIE WELT. Zum Teil decken sich die Ideen, wobei Unicef das Zielmurmelspiel Chile zuordnet, dabei bleibt es auch in Südamerika, spielt sich aber in Argentinien ab. Unicef liefert Bauanleitungen mit, so für eine Pinata aus Venezuela, die aber auch überall in Mittel- und Südamerika vorkommt. Sehr schön ist außerdem die Edition von SPIELEn AUS ALLER WELT von den SOS-Kinderdörfern, die preisgünstig in kleinen Spieleschachteln ebenfalls eine Weltreise ermöglichen. Da findet man Hüpfspiele aus Rumänien, Gummitwist aus Afrika. Deutschland bietet knifflige Holzspiele und das südamerikanische Kugelspiel kommt diesmal aus Bolivien.
Kulturgeschichtlich sind solche Ansätze immer interessant und sie öffnen den Blick und das Verständnis für andere Welten. Das gelingt auch Kai Haferkamp gut. Durch die anschaulich illustrierten Spielkarten kann man fast auf das kurze Regelwerk verzichten. Das Spielmaterial ist brauchbar, fliegt aber etwas ungeordnet in der Spieleschachtel herum, sodass vor dem eigentlichen Spiel erst einmal ein Suchspiel nach dem passenden Material stattfindet.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: KINDERSPIELE AUS ALLER WELT
Autor: Kai Haferkamp
Grafik/Design: Joachim Krause und Michael Menzel
Verlag: Ravensburger
Alter: ab 4 Jahren
Spielerzahl: 2 – 4
Spielzeit: ca. 15 – 30 Min.
Preis: ca. 26 Euro
Spiel 05/2019
Dienstag, 22. Januar 2019
GLISS GLACE
In der vorletzten spielbox habe ich mich auf den beiden Kinderseiten mit „eisigen“ Spielen beschäftigt, mit dabei das wirklich coole COOL RUNNINGS mit echten Eiswürfeln. Hätte mir damals schon GLISS GLACE vorgelegen, wäre es auf alle Fälle mit unter die drei vorgestellten Spiele gerutscht.
GLISS GLACE ist eine typische Djeco-Produktion, traumhaft schönes Material, gekoppelt mit einigen Regelanfragen. Gleich drei Autoren stehen hinter dem Geschicklichkeitsspiel, die beiden Franzosen Corentin Lebrat und Ludovic Maublanc, zusätzlich der Belgier Théo Rivière.
Was gibt es Schöneres als über Eis zu schliddern und der aktuelle Winter scheint das real zuzulassen. Wer keinen See oder Teich in der Nähe hat, greift zu den wundervollen Pinguinfiguren von GLISS GLACE und lässt die flugunfähigen Seevögel auf Eisschollen gleiten.
Schon der Aufbau der Eiswelt bereitet Kindern großes Vergnügen. Drei große Eisberge umrahmen die offene Spielfläche, auf jeden wird ein großer Papa-Pinguin gesetzt. Zwischen diesen Eisbergen „schwimmen“ vier Eisschollen mit den kleinen Pinguinen, drei davon sind etwas größer, eine ganz klein. Bis zu fünf Kinder erhalten dann eine weitere Scholle und eine kleine Markierungsscheibe für das eigentliche Spiel.
GLISS GLACE ist eine Art BOULE- oder CURLING-Variante. Wer an der Reihe ist, schnippt seine Scheibe so nah wie möglich an die kleinen Pinguine auf ihren Eisfeldern heran. Kann danach ein kleiner Pinguin auf die neue Eisscholle übersteigen – das Schwimmen ist nicht erlaubt - , dann war das Kind erfolgreich, erhält die alte Eisscholle für den nächsten Gleitversuch und in der Mützenfarbe des kleinen Eisschollenhopsers einen Siegpunktchip. Wer zu weit weg ist, was durchaus absichtlich passieren kann, markiert seine Scholle mit dem persönlichen Marker und darf von dort aus das nächste Mal starten, was meist viel leichter fällt. Viel mehr Spaß macht allerdings allen Kindern, das Umkippen eines kleinen Pinguins und sogar eines Papas vom großen Eisberg. Dann ertönt ein lauter Chor am Spieltisch: „Papa ist sauer!“ Der Verursacher beteiligt sich durchaus mit am Chorgesang, obwohl er eine „Papa ist sauer“-Marke kassieren muss, die meist Minuspunkte bringt. Bei uns heißt inzwischen das Spiel schon lange nicht mehr GLISS GLACE, sondern nur noch PAPA IST SAUER!
Nach etwa einer Viertelstunde ist die Schnipperei vorbei, bevor Papa erneut sauer werden darf. Das Spielende tritt dann ein, wenn die Pinguin-Marker einer Farbe ausgegangen sind oder wenn Papa acht Mal sauer war.
Rundum gut? Nun ja, einige Anfragen gibt es leider. Da ist die etwas unglückliche Bilanzregelung. Sechsjährige sehen nicht ein, weshalb sie nicht alle gewonnenen Pinguin-Chips am Ende abrechnen dürfen. Die Autoren verlangen Ziel-Varianz, jeder darf nur seinen besten Chip von den maximal vier Pinguinfarben zählen. Das verstehen Grundschüler nicht, zumal die Papa-Chips alle mit gerechnet werden.
Die Regel selbst bleibt sprachlich unklar vor allem für die Situation, in der ein kleiner Pinguin von einer zur anderen Scholle wechseln darf. Da wird von „Rutschen“ und „Gleiten“ gesprochen, das Regelbild zeigt aber einen kleinen Pinguin, der unmöglich bei seinem Wechsel „gleiten“ konnte. Das Bild zeigt, dass überprüft wird, ob der Pinguin stehend Kontakt zu beiden Schollen hält, das muss man halt ausprobieren. Hätte man im Falle des Bildes den Pinguin gleiten lassen, wäre er in die Ritze zwischen den beiden Scheiben gekippt und im Spiel würde der Papa fast nur Minuspunkte verteilen. Für Kinder unverständlich ist auch die Sprachregelung für die persönliche Markierungsscheibe, da wird von „Totem-Marker“ gesprochen. Das passt überhaupt nicht zu dem Spielthema. Bei so viel Regelschludrigkeit wird Papa wirklich sauer, zumal GLISS GLACE atmosphärisch für Kinder ein Volltreffer ist.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: GLISS GLACE
Autoren: Corentin Lebrat, Ludovic Maublanc, Théo Rivière
Grafik/Design: Véronique Bulteau
Verlag: Djeco
Alter: ab 6 Jahren
Spielerzahl: 2 – 5
Spielzeit: ca. 10 – 20 Min.
Preis: ca. 30 Euro
Spiel 04/2019
Montag, 21. Januar 2019
L.A.M.A. … NIMMS LÄSSIG
Das LAMA bevölkert immer häufiger die Spielwelt. Eindrucksvoll prangt es auf der Schachtel von ALTIPLANO (vgl. meine Rezension in der Spielerei, Ausgabe 120) und taucht dort als dreidimensionaler Startspielermarker auf. Ganz aktuell liefert auch Reiner Knizia ein LAMA-Spiel bei Amigo ab. Wobei bei Knizia unklar bleibt, ob LAMA nur als Abkürzung verwendet wird, denn auf dem Cover wird kräftig gepunktet „L.A.M.A.“, oder ob das Spiel doch nur LAMA heißt, wie der Pressemitteilung zu entnehmen ist. „Lass Auch Mich An“ die Reihe kommen, könnte die Abkürzung bedeuten, denn ein Neustart ohne LAMA ist bei diesem Kartenablegespiel nicht möglich.
Viel simpler als in diesem Knizia-Spiel können Regeln eigentlich nicht sein. Es gibt jeweils acht Karten in den Werten von 1 bis 6 und acht Lamas. Jeder erhält sechs Handkarten und versucht möglichst alle loszuwerden. Abgelegt werden darf stets nur eine Karte identisch mit der Auslage oder aufsteigend, also Karten mit gleichem mit dem nächsthöheren Wert. Das nette Lama steht ganz oben in der Zahlenreihe. Knizia hätte auch einfach nur die Glückszahl 7 nehmen können, aber das lachende LAMA mit Regenbogenhintergrund macht mehr her, sorgt aber auch für Irritationen. In den Anfangsrunden gehen viele Spieler wegen des bunten Lichtbandes von einer Jokerfunktion des Lamas aus. Das LAMA resettet das Spiel, nach ihm folgen weitere spuckende Andentiere oder eine Karte mit der Ziffer 1.
Wer nicht legen kann, zieht eine Karte nach oder steigt aus. Die Runde endet, wenn ein Spieler seine letzte Handkarte los ist oder alle ausgestiegen sind. Ist nur noch einer aktiv, darf er keine Karten mehr nachziehen. Die Abrechnung macht deutlich, dass auch frühes Aussteigen lohnen kann, denn jeder Kartenwert geht nur einmal in die Bilanz. Wenn ich also noch drei 2er-Karten habe, bekomme ich nur zwei weiße 1er Strafchips. Ein LAMA will keiner haben, denn das bringt stets zehn Minuspunkte, das heißt einen schwarzen Chip. Manchmal ist es aber gar nicht schlecht, einen 10er Strafchip zu bekommen, denn der Rundengewinn mit Ablage aller Karten führt dazu, dass eine Plastikscheibe abgegeben werden darf, das darf dann auch eine schwarze sein.
Das Spiel endet, wenn ein Spieler 40 oder mehr Minuspunkte einsammeln musste. Wer die wenigsten Punkte hat, gewinnt. Klingt völlig unspektakulär, absolut nicht innovativ und trotzdem heißt es nach jeder Runde: NOCH MAL! Das LAMA entwickelt einen kaum erklärbaren Sog, in dem jeder das gewaltige Kartenglück überlisten möchte, um vor allem schwarze Chips loszuwerden. Im Grunde genommen wird man gespielt, da die Handlungsoptionen minimal sind. Da überspringt man höchstens einmal einen 6er und legt das LAMA, weil man sicher ist, dass beim nächsten Kartenaufstieg die 6 noch einmal erreicht wird. Der richtige Ausstiegszeitpunkt bringt auch noch eine gewisse Varianz ins Spiel, vor allem wenn der letzte Spieler in der Runde unter Druck gesetzt wird, da er dann keine Karten mehr nachziehen darf. Das war’s dann aber schon – und trotzdem überträgt sich die Freude des lachenden Lamas auf alle Spieler.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: L.A.M.A. … NIMM’S LÄSSIG
Autor: Reiner Knizia
Grafik/Design: Rey Sommerkamp und Barbara Spelger
Verlag: Amigo
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 2 – 6
Spielzeit: ca. 20 Min.
Preis: ca. 8 Euro
Spiel 03/2019
Mittwoch, 9. Januar 2019
SPACE ESCAPE
Spieleklassiker wie das LEITERSPIEL oder auch SCHLANGEN UND LEITERN findet man heute höchstens noch in Spielesammlungen. Vor fast 130 Jahren wurde die Idee erstmalig von dem Engländer Frederick Henry Ayres mit einem kreisförmigen Spielbrett auf den Markt gebracht. Ursprünglich stammt das Spiel aus Indien, dort repräsentierten die Leiter die Tugend, die die notwendige Zeit bis zur Wiedergeburt verkürzen helfen sollten. Die Schlangenfelder sorgten für Verzögerungen.
Matt Leacock orientiert sich in SPACE ESCAPE an dem klassischen Vorbild, Schlangen lässt er leibhaftig auftreten, Luftschächte übernehmen ihre Absturzfunktion. Der amerikanische Autor verhilft dabei der Species Heterocephalus Glaber zu ihrem ersten Auftritt in der Brettspielszene. Bei seinem Faible für die Kooperation könnte er die hässlichen Nacktmulle eigentlich zu seinem Wappentier machen. Die Spielregel klärt über die hoch spezialisierte Arbeitsteilung in den Nacktmull-Kolonien auf. Die kleinen Nacktmulle kümmern sich um ihre jüngeren Geschwister. Etwas ältere sind Arbeiter und bauen das Gangsystem der Kolonie aus. Größere Tiere halten außerhalb des Baues Wache und warnen vor der Rötlichen Schnabelnasen-Natter.
Leacocks Nacktmulle sind nicht unterirdisch unterwegs, sondern inzwischen so hoch spezialisiert, dass sie eine eigene Raumstation besitzen. Irgendwie scheinen es aber auch diese Schnabelnasen-Nattern, nun nicht mehr nur rötliche, sondern auch braune, violette und blaue, auch auf die Raumstation geschafft zu haben. Wie in den heißen Halbwüsten Ostafrikas kommt es in SPACE ESCAPE zu einem Überlebenskampf zwischen Nacktmullen und Schlangen.
Die Aufgabe ist eindeutig formuliert, alle beteiligten drei oder vier Nacktmulle müssen in begrenzter Zugzeit in die Raumstation, dabei gilt es lebensnotwendige Utensilien unterwegs einzusammeln. Ohne Karte, Essen und Zahnbürste, gibt es keinen Siegerlorbeer. Der Weg von der untersten Ebene der Raumstation führt wie im klassischen Leiterspiel über viele Felder nach oben bis in die fünfte Etage. Es gibt eigentlich nur einen Unterschied zum Klassiker, der Würfel fehlt. Gesteuert werden Nacktmulle und Schlangen durch Spielkarten, die jeweils eine Nacktmull-Bewegung für die eigene, eine beliebige oder alle Nagetiere zur Folge hat. Im unteren Teil der Karte ist Entsprechendes für eine Schlangenbewegung zu sehen. Die Spieler legen die Bewegungskarten offen vor sich aus, sodass alle sehen, welche Bewegungen möglich sind, aber auch welche Gefahr durch Schlangen droht.
Die eigentlichen Zugalternativen sind simpel. Die Nager ziehen nach rechts oder links und versuchen so schnell wie möglich das Ende einer Leiter zu erreichen, um ein Stockwerk höher zu kommen. Im Blick muss man auch die Schlangen behalten, denn die Giftnattern beißen auch dann zu, wenn man nur über sie hinwegspringt. Von den Siegbedingungen her scheinen die Nattern besser dran zu sein. Sobald sie ein Nagetier zweimal beißen, gewinnen sie das Spiel. Beim ersten Mal rettet die Nacktmulle noch ein Erste-Hilfe-Koffer. Gelangt eine Natter in die Rettungskapsel, ist auch Feierabend. Das gilt ebenso, wenn ein Nager durch einen Luftschacht ins Weltall abrutscht oder wenn die Karten ausgehen. Insbesondere der letzte Fall macht den Spielsieg nicht leicht, denn in Vollbesetzung können zwei Spieler nur neunmal Nacktmulle setzen oder weitere zwei zehnmal. Das liegt daran, dass acht Karten ausschließlich Schlangenbewegungen zulassen.
Damit wird klar, Planung und gute Absprache ist alles in dieser kooperativen Herausforderung im Weltraum. Alle sollten die Ausgangskonstellation bewerten können und besprechen. Beim Spiel mit jüngeren Kindern ist die Tendenz zur Fremdsteuerung immer gegeben. Trotzdem habe ich Sechsjährige erlebt, die diesen Wettlauf zur Rettungskapsel überaus spannend fanden, auch wenn der ältere Bruder sehr viele Ratschläge gab. Das Spiel ist durchaus herausfordernd und laviert daher zwischen Kinder- und Familienspiel hin und her. Für Vorschulkinder zu anspruchsvoll, der Verlag empfiehlt es für Kinder ab sieben Jahren.
Die Kartengrafik haben Kinder schnell entschlüsselt. Obwohl es eindeutig ist, bereiten aber Auf- und Abstiegsymbolik auf dem Spielplan immer wieder Probleme. Die Nacktmullfiguren aus Plastik mit Rucksäcken für die Ausrüstungsgegenstände machen erheblich mehr her als die Papp-Plättchen der Schlangen. Auch die Kartenqualität besitzt Luft nach oben. Die Karten sind zu glatt, pappen aneinander und lassen sich schlecht mischen. Ganz nett ist dagegen die Idee einer kleinen Erweiterung, die nach drei gewonnenen Spielen in SPACE ESCAPE integriert werden kann. Leacocks Legacy-Erfahrungen lassen grüßen.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: SPACE ESCAPE
Autor: Matt Leacock
Grafik/Design: Jim Paillot
Verlag: Game Factory
Alter: ab 7 Jahren
Spielerzahl: 2 – 4
Spielzeit: ca. 20 Min.
Preis: ca. 20 Euro
Spiel 02/2019
Dienstag, 8. Januar 2019
SEQUENCE
Alte Schätze neu gehoben
Goliath wirbt bei der Neuauflage des Klassikers SEQUENCE mit lauter Superlativen. 10 Millionen verkaufte Spiele, „6000 Reviews“ und spielbar bis zu 12 Spieler, die auf drei Teams aufgeteilt werden. 1982 veröffentlichte der in Minneapolis lebende Doug Reuter SEQUENCE bei Jaxgames, das inzwischen von Goliath aufgekauft wurde.
Reuters Idee, VIER GEWINNT! im Kartenspieluniversum zu erweitern, war nicht unbedingt innovativ, passt aber in die frühen 80er Jahre. Schon 1969 war mit CARTINO bei Ravensburger eine ähnliche Idee Alex Randolphs umgesetzt worden. Randolph arbeitete ursprünglich mit einen halben ROMMÉ-Blatt. Bei Reuter sind bis auf die Buben alle Karten doppelt auf dem Spielplan. Gespielt wird mit 104 Spielkarten.
Bei Randolph ging es um punkteträchtige Ablage durch angrenzende Spielsteine. Reuter perfektioniert die Angrenzung, um SEQUENCEn mit fünf Spielsteinen zu erzielen. Je nach Spielerzahl erhält jeder zwischen drei und sieben Handkarten, die wechselseitig gespielt werden. Für jede Karte wird passend auf eines der beiden möglichen Felder ein farbiger Spielstein gelegt zum Aufbau einer SEQUENCE. Diese Steine, eine Art Pokerchip, gibt es in drei Farben, daher kann Reuters Spiel auch nur zu zweit und zu dritt alleine gespielt werden, darüber hinaus wird es zum Teamspiel, das aber nicht zu fünft, zu siebt und zu elft funktioniert. Realistisch gelten eigentlich die Ausgangswerte, die Reuter vor 37 Jahren festgelegt hat. Damals war das Spiel maximal für sechs Spieler empfohlen. Am besten funktioniert es in der Dreier- oder Viererrunde.
Besondere Regeln betreffen hauptsächlich nur die acht Buben-Karten, die kein Pendant auf dem Spielplan besitzen. Dafür bringt ihr Ausspielen so ein bisschen Jokerersatz. Zweiäugige Buben lassen zu, das ein Spielstein beliebig gesetzt werden darf. Mit den einäugigen Buben dürfen Spielsteine entfernt werden. Beachten muss man sonst nur noch die vier Jokerfelder in den Eckbereichen des Spielplans, sie sind von allen nutzbar, sodass die gewinnbringenden Fünfer-Reihen in den Ecken zum klassischen VIER GEWINNT! mutieren. Mit drei Spielern oder drei Teams reicht eine einfache Gewinnstellung, zu zweit oder mit zwei Teams muss die SEQUENCE doppelt erreicht werden.
Auch ohne die Auszeichnung „Spiel des Jahres“ hat SEQUENCE ähnlich wie das fast zeitgleich herausgekommene RUMMIKUB einen Siegeszug durch Veröffentlichungen vor allem bei Parker und Winning Moves angetreten. Inzwischen gibt es auch eine Fassung für Kinder und rare Ausgaben von Jaxgames wie das BIBLE SEQUENCE und SEQUENCE STAATEN UND HAUPTSTÄDTE.
Wenigspieler sind durchaus zu begeistern. Im Teamspiel mit Abspracheverbot entwickelt das alte Spiel einen Reiz, wie er erst deutlich später bei HANABI oder THE MIND auftrat. Kartenglück spielt zwar eine große Rolle, auch die Zahl der Buben, an die man gerät, aber das ist das Problem der meisten Kartenspiele und gilt für alle Beteiligten. Wer Spiele wie RUMMIKUB und PHASE 10 mag, für den wird SEQUENCE auch heute noch eine gute Ergänzung der Spielesammlung darstellen.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: SEQUENCE
Autor: Doug Reuter
Grafik/Design: keine Angabe
Verlag: Goliath
Alter: ab 7 Jahren
Spielerzahl: 2 – 4, 6, 8, 9, 10, 12
Spielzeit: ca. 20 - 30 Min.
Preis: ca. 29 Euro
Spiel 01/2019
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