Dienstag, 31. August 2021
ZIRKUSFIEBER
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
ZIRKUSFIEBER
Manchmal hat man den Eindruck gewinnen, dass unsere Pädagogen nicht ausgelastet sind. Zumindest scheinen sie viel Zeit für Spielentwicklungen und Verlagsgründungen zu haben. Da bearbeitet der eine Luftikus den skakespearschen Sommernachtstraum und nun kommt schon die nächste Nummer eines gewissen Herrn Adams im Zirkuszelt. Wer dann noch weiß, dass der Rezensent sein Geld ebenfalls mit Schülern verdient, wird sich fragen: „Unterrichten die drei denn auch noch?“
Ja, Jürgen Adams unterrichtet wie Georg Luft in Bayern. Oberstudienrat Adams ist am Münchner Asam-Gymnasium für Sport und Chemie zuständig und, man höre und staune, seit zehn Jahren Zirkusdirektor des schuleignen Asamesischen Zirkus (www.asamesischer-zirkus.de). Mit über 80 Zirkusmitgliedern scheint Adams für ganz schön viel Bewegung an seiner Münchner Schule zu sorgen. Weit über 50 Auftritte hat seine Truppe inzwischen schon absolviert. Erfolgreich hat sie im Mai dieses Jahres das Zehnjährige in einem Viermastzelt zelebriert. ZIRKUSFIEBER hieß das Programm und genauso nennt Adams sein Spiel für zwei bis vier Spieler ab sieben Jahren.
Die Vorgeschichte macht deutlich, dass wir es hier mit einem Pädagogen zu tun haben, der von der thematischen Materie, die er spielerisch aufarbeiten möchte, eine Menge versteht. Das, was Adams als Spielziel vorgibt, spiegelt fast die Erfolgsgeschichte seines Asamesischen Zirkus wider. Aus einem kleinen Betrieb soll ein erfolgreicher Tournee-Zirkus werden, der zu einem Auftritt im Circus Krone kommt. Auf Marktplätzen, Parks, auf kleinen Bühnen, manchmal aber auch im Zirkuszelt können die Spieler mit ihren Darbietungen Punkte für den Spielsieg sammeln.
ZIRKUSFIEBER ist ein Laufspiel auf einem mäandernden Spielplan, die Spielfelder geben dabei die Auftrittsorte und Ereignisfelder vor. Über Bewegungskarten steuern die Spieler ihre Zielfelder an, dort agieren sie aber würfelabhängig. Der Würfelwurf mit einem Spezialwürfel gibt vor, welcher Artist seinen Auftritt hat. Entsprechend werden Auftrittspunkte auf einer Zählleiste für den Jongleur, Clown, Zauberer, Akrobaten und Dompteur gesammelt. Zusätzlich werden ein schwarzer Würfel mit einer 50-prozentigen Sechserchance und ein weißer Würfel (1 bis 4) geworfen. Die Kombination aus Auftrittsort und Artist legt fest, welcher der beiden Würfel gewertet wird. So sammeln die Spieler je nach Artist mit der Zeit acht bis zwölf Punkte, darüber hinaus müssen sie dann Musiker erspielen, von denen sie fünf benötigen, um mit voller Zählleiste und dem entsprechenden Zirkusorchester ausgestattet exakt in den Zielzirkus einzumarschieren. Durch die Bewegungskarten scheint ZIRKUSFIEBER nicht allzu glücksabhängig zu sein. Die Spieler sind aber letztlich ziemlich abhängig vom Artistenwürfel, dessen Jokerfeld manchmal die nötige Rettung bedeutet. Auch die Ereigniskarten beeinflussen teilweise extrem den Spielverlauf. Wer das Pech hat, dass sich am Anfang des Spiels ein Artist verletzt, kann eigentlich gleich aufgeben. Für ihn zählt nämlich bis zum Spielende nur noch der weiße Würfel.
Jürgen Adams hat ein recht einfaches Laufspiel erfunden, das in Ansätzen taktische Überlegungen zulässt. Mit einer Spieldauer von einer halben Stunde ist es schnell vorüber. Das Zirkusthema ist zwar mit im Spiel, spielt aber eigentlich kaum eine Rolle. Der Spielmechanismus lässt sich auf alle möglichen Formen von Sammelaktivitäten übertragen, die mit einem glücksabhängigen Laufspiel verbunden werden können. Das Spielmaterial ist in Ordnung, führt wie die Grafik allerdings nicht zu Beifallsstürmen. Die Spielregel ist unter Einbeziehung der Regelergänzungen solide. Ich muss wahrscheinlich kein Wahrsager sein, um zu prognostizieren, dass Jürgen Adams als Zirkusdirektor erfolgreicher agiert als als Spieleautor. Mit ZIRKUSFIEBER bereichert er nicht unbedingt die Spielelandschaft, er tut aber auch keinem damit weh und hat sicherlich die Möglichkeit bei den vielen Auftritten des asamesischen Zirkus alle produzierten Spiele abzusetzen.
Titel: ZIRKUSFIEBER
Autor: Jürgen Adams
Verlag: Smada Verlag (www.smada-verlag.de)
Spieler: 2 - 4
Alter: ab 7 Jahren
Spieldauer: ca. 20 bis 45 Minuten
Preis: ca. 20 Euro
Spiel 31/2006 R148/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 5 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
So richtig bekannt wurde der 74jährige Sport- und Chemielehrer erst nach seiner Pensionierung. 2019 landete er mit dem Kinderspiel GO GECKO GO! (Zoch) auf der Nominierungsliste der Kinderjury. Auch seine zweite Veröffentlichung bei Zoch AB DURCH DIE MAUER fand viel Beachtung.
Auf dem Bild ist Adams 2019 während der Preisverleihung in Hamburg zu sehen.
Montag, 30. August 2021
ZEPARATE
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Genial verpackt: ZEPARATE
Goldsieber wagt sich in diesem Jahr mit ZEPARATE und SIN & TRAP wieder einmal an abstrakte Spiele, ein Genre, das es seit Jahren nicht leicht hat. Anderseits gibt es einen begrenzten Fankreis, Kris Burm lebt davon, und immer mal wieder große Erfolge wie zuletzt BLOKUS.
An die ganz großen Erfolge wird Goldsieber nicht anknüpfen können, immerhin zeichnet sich zumindest eines der beiden neuen Spiele nicht nur durch Spielbarkeit (was für SPIN & TRAP wegen technischer Probleme nicht gilt), sondern auch durch Spielwitz aus.
ZEPARATE von Guido Lap ist ein kleines taktisches Schmankerl, das sich sehr gut zu zweit, aber auch mit drei oder vier Spielern spielen lässt. Gespielt wird auf einem 7x7 Felder großen Plastikfeld, in dessen Führungsrillen 16 quadratische Spielsteine verschoben werden können. Jeder Spieler besitzt einen farbigen Vierersatz dieser Steine, beim Spiel zu zweit führt jeder zwei Farben. Diese Steine werden anfangs reihum auf dem Spielfeld platziert, sie müssen dabei stets orthogonal aneinanderstoßen. Das Spielziel von ZEPARATE ist, die eigenen Steine aus dieser entstandenen Gruppe zu separieren oder zu befreien. Das gelingt durch senkrechtes oder waagrechtes Verschieben von Steinreihen. Einzelsteine dürfen nie verschoben werden. Sobald ein Stein oder auch eine Steingruppe nur noch eine diagonale Verbindung zu der Hauptgruppe hat, gelten dieser Stein oder diese Gruppe als isoliert und dürfen damit aus dem Spiel genommen werden. Solange Steine isoliert werden können, sind Mehrfachzüge erlaubt, sonst wechselt die Spielreihenfolge nach jedem Spielzug. Wer es auf diese Weise schafft, als erster seine vier Steine vom Spielbrett zu bekommen, gewinnt eine Runde ZEPARATE, was meist schon nach zehn bis fünfzehn Minuten der Fall ist, so dass genügend Zeit für Revancherunden bleibt. Beim Spiel zu zweit reicht im Übrigen schon die Isolierung der vier Steine einer der beiden Spielfarben, die die Spieler führen, zum Spielsieg.
ZEPARATE ist schon spannend in der Aufbauphase. Vorlagen für spätere Isolierungen gilt es zu schaffen und zu verhindern. Die 16 Spielsteine lassen auf den 49 Spielfeldern genügend Raum für Schiebebewegungen. Beim Spiel zu dritt ist es fast zu viel Raum, so dass meist ein schnelles Ende eintritt. Das Spielmaterial funktioniert gut. Sehr praktisch ist auch die Unterbringung der Spielsteine im Boden des Spielbretts geregelt. Konsequenter Weise hätte dann allerdings auch die Schachtel viel schmaler ausfallen können, sie enthält doch arg viel Luft. Ein ordentliches Spiel für – wie heißt es doch immer so schön – Zwischendurch, zum Aufwärmen, nach einem Espresso oder einem Glas Wein, mit drei Partien in einer guten halben Stunde.
ZEPARATE
Verlag: Goldsieber
Autor: Guido Lap
Grafik: o.A.
Alter: ab 7 Jahren (die Regel enthält widersprüchliche Angaben u.a. ab 5 Jahren)
Anzahl Spieler: 2-4
Spieldauer: ca. 10-15 Minuten
Preis: ca. 20 Euro
Spiel 30/2006 R147/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Guido Lap hat in Deutschland nur ZEPARATE (ursprünglich ISOLATE, 2003 Educational Insights) und LANDLORD (Noris 2007) veröffentlicht.
Für ZEPARATE war Lap für den Deutschen Lernspielpreis 2006 nominiert.
DER ZAUBERBERG
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
DER ZAUBERBERG
Jenseits von Haba, Ravensburger und Kosmos gibt es nur einige Spielideen mit Lerneffekten von eher unbekannten Verlagen. Nicht nur deutsche Verlage wollen am wachsenden Lernspielmarkt Geld verdienen, auch osteuropäische buhlen um Käufer.
Ein beachtliches Programm bietet der litauische Verlag Savas Takas, der seit 1999 Spiele unter dem Label LOGIS entwickelt. Das litauische Pädagogenteam, das hinter den Spielideen steht, versteht es geschickt, thematische Einbindungen für mathematische, sprachliche, naturkundliche, historische Lernprozesse zu finden.
Hinter dem Spieltitel DER ZAUBERBERG verbirgt sich zum Beispiel ein kleines Rechenspiel, zu dem eine märchenhafte Geschichte in die Grundrechenarten einführt. Das Spiel ist ein einfaches Laufspiel, bei dem die Rechenarten zum Vorankommen benutzt werden.
Die Umsetzung ist gut gelungen, grafisch zurückhaltend, aber kindgerecht. Das Material ist eher einfach gehalten, dafür liegt der Preis mit 9 Euro sehr günstig.
Titel: DER ZAUBERBERG
Verlag: Savas Takas www.logis.lt
Spieler: 2 bis 4
Alter: ab 7 Jahren (nicht 3 wie vom Verlag angegeben)
Spieldauer: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 9 €
Spiel 01/2008 R146/2021
Die Rezension erschien 2008 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Sonntag, 29. August 2021
BABYLON
SAMMELSURIUM
Bütehorn Buchkassetten: BABYLON
Die Buchkassetten, die Ravensburger und Pelikan bis Mitte der 70er Jahre herausbrachten, waren wirtschaftlich nur bedingt Erfolge für die Verlage. Als beide Firmen ihre Reihen einstellten und die hannoverschen Pelikane dann bald auch ihre Spielproduktion, füllte die Lücke eine neue Firma aus dem Umfeld von Hannover. Die Bütehorn KG brachte ab 1976 wertige Buchschuber-Spiele unter dem Dach des Buchholz Verlags in Sarstedt bei Hannover heraus, hielt sich allerdings auch nur bis 1982 auf dem Markt.
Markenzeichen der Buchkassetten aus Sarstedt waren Klappdeckel und Druckknopf-Verschluss an einem Leinenanhänger. Heute ist das zwar eine Schwachstelle vieler in die Jahre gekommenen Spiele, damals war das aber eine originelle Idee. Die Reihe der mittleren Buchkassetten in den 80ern verzichtete dann schon auf diesen Verschluss und nutzte einen normalen Pappdeckel. Von diesen Ausgaben wurden mit der Insolvenz des Verlags einige von Hexagames übernommen. Der Verlag aus Dreieich nutzte die Spiele, um ein gutes Startprogramm neben dem Wirtschaftsspiel LONG SHORT zu haben.
Das Bütehorn-Programm war geprägt von großen, mittleren und kleinen Buchkassetten-Spielen. Daneben gab es einige Spiele in flachen Schachteln u.a. die damals sehr bekannten Ferienrallys. Prägend für die Programmgestaltung war Erik Grischeit als Produktmanager, er hatte vorher für Parker gearbeitet. Grischeit, der mit dem Schweizer Journalisten Walter Luc Haas befreundet war, holte bekanntere Autoren ins Programm. So kam er an DAMPFROSS, das in der Ausgabe von Schmidt Spiele 1984 Spiel des Jahres wurde. Auf der ersten Liste der Jury Spiel des Jahres 1979 waren gleich zwei Titel des Verlages vertreten. SETI bekam den ersten Sonderpreis für das schöne Spiel. Die Jury wollte damit zugleich auch den Buchholz-Verlag für sein Bemühen um besonders schön und aufwändig gestaltete Spiele würdigen. Neben SETI landete BLOCKADE von Sid Sackson auf der Auswahlliste. RÄUBER UND GENDARM von Rudi Hoffmann kam 1981 auf dem Bronzeplatz in diesem Jahr, hinter SAGALAND und FOCUS. 1982 schaffte es dann GEISTER von Alex Randolph auf die Liste der Jury.
BABYLON
Der inzwischen 72jährige Walter Wolf Windisch arbeitete Anfang der 70er Jahre als Art Director in einer Schweizer Werbeagentur. 1973 machte er sich als Erfinder von Kinder- und Erwachsenenspielen sowie als Autor von Kinder- und Sachbüchern selbständig. Vor allem Anfang der 80er Jahre hat er viele Spiele entwickelt, darunter BABYLON für Bütehorn, das 1984 von Fagus übernommen wurde. Der Verlag hat auch die wundervollen Märchenspiele HÄNSEL UND GRETEL und DIE SIEBEN GEISSLEIN von ihm herausgebracht.
BABYLON erschien 1982. Es ist ein abstraktes Turmbewegungsduell auf einem Spielplan mit 5x5 Feldern. Jeder Spieler besitzt 12 Spielsteine in drei Größen. Spielziel ist es, die Steine so in Türmen unterzubringen, dass sie eine diagonale Linie von der unteren Ebene bis in die Turmspitze ergeben. Dazu dürfen die Steine und Türme eingesetzt werden, es darf gesprungen und gezogen werden.
Wer am Zug ist, setzt entweder eine neue Spielfigur auf ein leeres Feld oder auf einen Stein, der eine Stufe größer als der gesetzte ist. Die Zughoheit über einen Turm besitzt nur der Spieler der on top ist. Schließlich kann á la HALMA gesprungen werden, springt man auf andere Spielsteine sind auch dabei die Steinhöhen zu beachten.
Wer es schafft, die Gewinnstellung der diagonalen Steineanordnung in waagrecht oder senkrecht benachbarten Türmen hinzubekommen, gewinnt das Spiel.
Es macht Sinn, nicht sofort alle Steine ins Spiel zu bekommen, sondern erst einmal auf Machthoheiten in den Türmen zu spielen, um strategisch günstige Ausgangskonstellationen zu erreichen.
BABYLON ist ein recht zähes Ringen um die Gewinnstellung, das sich hinziehen kann. Die Grundidee Windischs ist aber durchaus spannend, die babylonische Verwirrung spiegelt sich in der Varianz der Türme wieder.
BABYLON ist in der kleinen Bütehorn-Schachtel erschienen, in einer Klapppackung ohne Druckknopf-Verschluss. Irritierend ist, dass in der Spielregel ein 6x6 Feld gezeigt wird und dass der eigentliche Spielplan neben den 5x5 Ringefeldern theoretisch auch ein Spiel im 4x4 Raster zuließe. Die Schachtelrückseite zeigt aber, dass es anders gemeint ist.
Titel: BABYLON
Verlag: Bütehorn
Autor: Walter Wolf Windisch
Spielerzahl: 2
Alter: o.A.
Spieldauer: ca. 20 - 45 Minuten
Preis: ca. 40.- DM
Wertung: Nächste Woche wieder
Sammelsurium 35 – S35/2021
Samstag, 28. August 2021
MY GOLD MINE
Dragobert droht: MY GOLD MINE
„Open and play“ scheint das neue Motto für das Schachteldesign der kleinen Verpackungen bei Kosmos zu werden. Mit Klapp- und Magnetverschluss kommt man leicht an das Spielmaterial heran. Das kann so bleiben! Was sich hier entfaltet ist mit MY GOLD MINE eine Schatzsuche für Familien, hinter der der Mogel Verlag steht. Am 4. Februar verkündete Mogel auf Facebook: „Moin, wir freuen uns auf unser erstes Projekt als Studio in Zusammenarbeit mit Kosmos.“ Wer die Loths, die zuletzt mit BELRATTI überzeugten, in weiterer Kooperation mit dem belgischen Verlag Repos Production vermutete, die das Erfolgsspiel um den Kunstfälscher übernahmen, hat sich getäuscht. Kosmos selbst spricht nicht von „Studio“, sondern von „Zusammenarbeit mit Mogel“.
Neben Michael Loth gehen Dr. Hans Joachim Höh (FEED THE KRAKEN, GÖTTERDÄMMERUNG) und Christof Schilling (GÖTTERDÄMMERUNG) mit auf die Entwicklung der Schatzsuche. Kosmos führt MY GOLD MINE unter den Kinderspielen, ich sehe es eher als unterhaltsames Familienspiel für Menschen ab sieben Jahre.
Zwei bis sechs goldgierige Zwerge wagen sich in die Höhle mit dem Drachenschatz von Dragobert Drache. In drei Runden gehen sie auf Goldsuche. Neun Minenkarten liegen als Laufstrecke aus, Holzchips mit dem Konterfei der Zwerge starten mittig, links leuchtet das Licht des Ausgangs von der ganz rechten Seite droht der feuerspeiende Dragobert. Die Zwerge treten an, um sechs beachtlich große Nuggets zu verteilen. Dabei bedienen sie sich von einem offenen Schürfstapel oder einem verdeckten Kartenstapel mit Exit-Karten.
Wer am Zug ist, nimmt eine Schürfkarte, um Nuggets zu sammeln oder eine Exit-Karte, um sich in Richtung Ausgang zu bewegen. Schon bei den Schürfkarten spielt man mit dem Risiko, läuft aber offen in sein Verderben. Sind nämlich zwei Nuggets zu sehen, bekommt man zwar die Karte, bewegt sich aber zusätzlich ein Feld in Richtung des Drachens und der ist anfangs nur vier Felder weit weg. Ist danach auf dem Stapel ein Drache zu sehen, kommt er feuerspeiend näher und ist nur noch zwei Schritte entfernt. Alles Weitere wird wahrlich ein Spiel mit dem Feuer. Wer von Dragobert erwischt wird, ist aus dem Spiel und erhält in dieser Runde keine Nuggets.
Manche Goldkarten bringen immerhin zusätzlich neben dem Gold einen Schritt in Richtung Ausgang, sonst kann man nur auf die verdeckten Exit-Karten setzen, die ein oder zwei rettende Schritte bedeuten, manchmal sogar die ganze Zwergentruppe voranbringen oder einen Platztausch erfordern, der weniger erfreulich für den Zwerg ist, der schon ganz nah am Ausgang ist. Wer es bis zum Ausgang schafft, ist vor dem Drachen sicher. Wer auf seinen gesammelten Karten die meisten Goldklumpen vorweisen kann, erhält drei Nuggets. Bis zum dritten Platz werden die Nuggets verteilt. Dann geht es in die identisch ablaufende zweite Runde. In der Finalrunde wird alles vorher gesammelte Gold zum Ergebnis der dritten Runde addiert, der Spieler mit dem meisten Gold gewinnt.
Auch wenn die zentralen Schürfkarten offenliegen, wirkt sich der Push-Your-Luck-Effekt gerade in diesem Kartenstapel massiv aus. Vor allem bei den zwei Goldstücken geht man meist das Risiko ein und kann ruckzuck dann vom Drachen erwischt werden. Den Spaß haben dann die anderen, die schadenfroh lachen. MY GOLD MINE ist eine unterhaltsame Schatzsuche mit etwas Spiel mit dem Risiko und dem Feuer, wenn Drache Dragobert näher rückt. Grundschulkindern gefällt es! Ein unterhaltsames Familienspiel im unteren Anforderungssegment.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: MY GOLD MINE
Autoren: Dr. Hans Joachim Höh, Michael Loth, Christof Schilling
Grafik: atelier 198
Verlag: Kosmos
Spielerzahl: 2 - 6
Alter: ab 7 Jahre
Spieldauer: ca. 25 Minuten
Preis: ca. 13 Euro
Spiel 58/2021
Freitag, 27. August 2021
WIR SIND SCHWANGER
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Wir sind …
Ein neuer Plural majestatis findet Eingang in die sich ständig verändernde deutsche Sprache. Die Bildzeitung hat mit „Wir sind Papst“ damit begonnen, inzwischen gilt für unser merkelwürdiges Land „Wir sind Deutschland“, demnächst wird es heißen „Wir sind Weltmeister“ - oder auch nicht. In diesem Sinne wollen Amigo und Uwe Rosenberg uns seit Herbst 2005 unterjubeln, wir seien schwanger. Also auch Du (seit gestern wieder groß zu schreiben), ja Du, natürlich auch der Rezensent: WIR SIND SCHWANGER!
Eigentlich gibt es ja nur ein Problem bei der Schwangerschaft, natürlich nicht der Zeugungsakt, auch nicht die Geburt, die Einigung über den Namen des Heranwachsenden hat Familien schon Kriegsbeile auspacken lassen. Zur Streitschlichtung bietet Rosenbergs Spiel einen Fundus von 2600 Vornamen an. Ein bis dreimal, abhängig von der Spielerzahl, trifft jeden der Spielrunde die Schwangerschaft. Der Schwangere, die weibliche Form lassen wir, wie in Spielbeschreibungen üblich, außen vor, zieht zwei Namenskarten und legt eine vor sich ab. Auf der Karte sieht er die Vornamen von 10 Mädchen und 10 Jungen. Immerhin darf er nun entscheiden, ob der Ultraschall das Zipfelchen gezeigt hat oder nicht, dann legt aber die zweite Karte durch eine Pfeilrasterung exakt den Vornamen fest. Skylla und Charybdis! Da liegen die W’s vor mir und ich darf mich gerade einmal zwischen Wastel und Wella entscheiden. Der eigene Nachname muss jetzt auch noch herhalten, also biete ich der lauernden Meute den Wastel oder die Wella Herold an?
Das ist das Vorspiel, das sich sehr zügig abspielt. Der Höhepunkt von WIR SIND SCHWANGER ist die nun folgende Bewertung und dieser Teil kann sich hinziehen. Jeder Spieler besitzt dazu einen Kartensatz mit 20 bewertenden Kommentaren, die durchaus aus dem Leben gegriffen sind.
„So würde ich vielleicht mein Haustier nennen, aber bestimmt nicht mein Kind.“
„Als Elternteil würde ich mich schämen, auf dem Schulhof den Vornamen dieses Kindes rufen zu müssen.“
„Erst bekommt das Kind diesen Nachnamen und nun auch noch diesen Vornamen. So ein Pech!“
Es überwiegen die negativen Kommentare, was bei der Zwangszuordnung auch ganz sinnvoll erscheint. Alle Spieler suchen nach der Festlegung des Namens fünf Kommentarkarten aus, die zu der Namenskombination passen. Da ich mich für Wella entschieden habe, liege ich wahrscheinlich mit, „so könnte auch eine Damenbinde heißen“, nicht schlecht. Dann kommen noch die Pseudonymkarte, die lobende und einprägsame und die „Echt Cool“-Karte dazu. Schließlich geht es darum Übereinstimmungen mit anderen zu finden, aber leider nicht mit allen. Wenn ich also startend mit meiner „Damenbinde“ beginne und mindestens ein Mitspieler auf die gleiche Idee gekommen ist, erhalten wir beide zur Belohnung eine Namenskarte. Haben alle diese Assoziation gehabt, kostet mich das eine Karte aus meinem Startvorrat, das gleiche gilt, wenn niemand die Idee mit dem Haarspray hatte. So geht es reihum, bis ein Spieler keine Bewertungskarte mehr besitzt. Nach einer guten halben Stunde steht der Sieger von WIR SIND SCHWANGER fest.
Die Erregungskurve bei diesem Amigo-Spiel ist männlich, einer hohen Anfangseuphorie folgt ein jäher Absturz und das meistens schon während der ersten Spielrunde. Die Idee ist witzig, aber spielerisch nicht überzeugend. Die Alternativen bei den Bewertungskarten sind zu beschränkt, daher hat man schnell heraus, in welchem Kartenspektrum sich die Antworten bewegen können. Problematisch ist eigentlich nur die Verhinderung der vollen Trefferquote. Das kann es doch dann aber wirklich nicht sein. Das Spiel wird zwar seinen Geschenke-Weg gehen, idealer und launiger kann man doch gar nicht daherkommen, wenn die Linie blau war. Lohnend ist sicherlich das in Karten umgesetzte Namenslexikon, aber das war es dann auch, spielerisch lockt man so keine Babys hervor.
Titel: WIR SIND SCHWANGER
Autor: Uwe Rosenberg
Grafik: Barbara Spelger
Verlag: Amigo
Spieler:3 - 7 Spieler
Alter: ab 12 Jahren
Dauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 8 Euro
Spiel 29/2006 R145/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 4 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächsten Monat wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Seinen ersten Erfolg fuhr Rosenberg als junger Autor mit dem zweiten Platz für MILLENIUM 1991 im Hippodice Wettbewerb ein. Das Spiel erschien unter der Ägide von Peter Gehrmann 1992 als TIMES bei Salagames. Dort veröffentlichte der Redaktionsleiter außerdem noch die Idee MARLOWE von Uwe Rosenberg. Danach ergab sich die ertragreiche Kooperation mit Amigo.
BOHNANZA (1997) war dann sein erster ganz großer Erfolg, das Spiel landete nicht nur auf der Auswahlliste der Jury Spiel des Jahres. Es gewann den À la Carte-Preis der Fairplay 1997 und erreichte den fünften Platz beim Deutschen Spielepreis.
Der auch internationale Siegeszug setzte sich aber erst danach in Gang. Seit 23 Jahren schon liefert Amigo Gartenbohnen, Saubohnen und auch die ein oder andere Blaue Bohne in unendlich vielen gelben Schachteln aus. Keiner hat mehr so den rechten Überblick, was da alles in rosenbergscher Gartenerde inzwischen herangezüchtet wurde. Das klassische Saatgut wurde vielfach gemendelt und gegendert, musste sich gegen die Bohnenmafia wehren, trat Seereisen an, gelangte in den Wilden Westen und kämpfte sich in BOHNRÖSCHEN durch Rankenwerke.
Nach seinem Studium der Statistik gründete Uwe Rosenberg 2000 zusammen mit Hanno Girke und Marcel-André Casasola Merke den Lookout Spieleverlag. Er behielt aber im Gegensatz zu Klaus Teuber, der sich an Kosmos band, seine Unabhängigkeit und veröffentlichte weiter Spiele bei vielen Verlagen, so das Zweipersonenspiel BABEL 2001 bei Kosmos oder 2004 YELLOWSTONE PARK bei Amigo. SCHÄTZBOLD erschien 2004 bei Lookout.
Die großen Erfolge mit komplexen Aufbauspielen wie in AGRICOLA gönnte er aber Lookout Games.
Auch in der Folgezeit unterstützte er Neugründungen von Verlagen, so Feuerland und die Edition Spielwiese. Ganz aktuell hat er auch die Wyrmgold GmbH mit angeschoben und dem jungen Verlag ROBIN VON LOCKSLEY spendiert.
WIR SIND SCHWANGER kam 2006 bei uns nicht so gut an, immerhin erreichte das Spiel den 7. Platz beim à la carte.
Auf dem Bild ist der 29jährige Uwe Rosenberg 1999 in Essen mit seinem damaligen Gesamtprogramm zu sehen.
Mittwoch, 25. August 2021
AUSGEBÜXT
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Neue sechsteilige Lernspielreihe bei HABA
Gleich mit sechs neuen Spielen eröffnet die für hervorragendes Spielmaterial bekannte Firma HABA eine neue Lernspiel-Reihe. Für Kinder ab vier Jahren haben die HABA-Spielredaktion und einige renommierte Spieleautoren durchweg gute Spiele herausgebracht, die sich für den Einsatz im Familienkreis, aber auch im Kindergarten und in der Vorschule bestens eignen.
Besonders gefällt mir das Spiel AUSGEBÜXT von Manfred Ludwig. Ein Tast- und Memospiel mit 24 Holztieren. Zu Beginn des Spiels reißen die Tiere aus einem Zoo aus, d.h., sie werden von den Kindern in drei verschiedenfarbigen Säckchen versteckt.
In der zweiten Spielphase müssen die Kinder die Tiere wieder zurück in ihre Zoohäuser bringen. Etwas Gedächtnisleistung – in welchem Sack steckt denn mein roter Elefant? -, aber auch Tastvermögen – nehme ich nicht versehentlich das Nashorn heraus? – sorgen für Spielfreude bei den Kleinen. Bei einer Spieldauer von rund 15 Minuten kommt keine Langeweile auf.
Haba nutzt wunderschönes Material und witzige Zeichnungen der Grafikerin Doros Matthäus für ein unterhaltsames Kinderspiel.
Titel: AUSGEBÜXT
Autor: Manfred Ludwig
Grafik: Harald Klavinius
Verlag: Haba
Spielerzahl: 2 – 4
Alter: ab 4 Jahren
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 29.- DM
Die Rezension erschien 1996
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Spiel 28/ 1996 R 149 /2021
Zum Spiel und zum Autor:
Manfred Ludwig, einst Lehrer für Französisch und Sport an einem Gymnasium in Regensburg, gehört zu den erfolgreichsten und produktivsten Autoren Deutschlands. Die erste Spieleveröffentlichung des 84jährigen Autors liegt schon 40 Jahre zurück. Damals kam GEFÄHRLICHGE BRÜCKEN beim Verlag Spear heraus. Für diesen Verlag gewann er 1983 mit FUZZI, HEINZ UND SCHLENDRIAN auch seine erste Auszeichnung. Das Spiel landete auf der AWL der Jury. Es folgten über 70 weitere Spiele und viele Preise, darunter mit DIEGO DRACHENZAHN das Kinderspiel des Jahres 2010.
Dienstag, 24. August 2021
UM RU(H)M UND EHRE
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
UM RU(H)M UND EHRE
Viel Ruhm hat der kleine Ableger der Ravensburger am Chiemsee bisher eingeheimst. Stefan Brücks Alea-Spiele waren bislang Garant für hochkarätige Angebote, die die Vielspieler-Gemeinde stets in Entzücken versetzte. Das ging fantastisch los mit RA, und ebenso gut weiter mit TADSCH MAHAL den FÜRSTEN VON FLORENZ oder HÄNDLER VON GENUA bis zu den absoluten Höhepunkten PUERTIO RICO und SAN JUAN. Viel Ehre hat das Stefan Brück bisher eingebracht, ständige Top-Platzierungen beim Deutschen Spielepreis, zum Teil auch Nominierungen beim Spiel des Jahres. Nach den Vorgaben sind die Erwartungen bei Neuerscheinungen von Alea stets hoch. 2006 hat Brück mit Augsburg 1530 diese Erwartungen positiv bestätigt, 2006 hat er aber auch die Fangemeinde seiner Spiele arg enttäuscht. Die Piratenhorden, die in Stefan Felds UM RU(H)M UND EHRE durch die Kneipen eines versteckten Seeräubernests in der Karibik taumeln, hätten wohl besser dem Mutterhaus angestanden, als der Alea-Reihe. Fairspielt vermeldet am 23. August dazu eine fast repräsentative Lesermeinung Paul Arnesens: „Das ist der beste Weg, um bisherige Alea Käufer zu verprellen. Die Erwartungen konnten bei Weitem nicht erfüllt werden.“
Woran liegt’s? Der Materialaufwand, der bei diesem Spiel betrieben wird, ist beträchtlich. 181 Spielplättchen, allein 76 Piratenspielfiguren, dazu Goldmünzen, ein Schiffsmast, ein aufwändiger Sortierkasten, ein variabler Spielplan und – keine Selbstverständlichkeit für Alea – ein Würfel. Viel Aufwand für letztlich nicht allzu viele Effekte.
Der variable Spielplan ergibt immer wieder neue Piratennester, an deren verwinkelten Wegekreuzungen Ereignisse warten, die Kärtchengewinn in Form von Schatzkartenteilen, Schatzkisten, Piratenbedarf, Rumfässer und Rangeleien mit Stadtwachen bringen. Die Fortbewegung in dem Straßengewirr ist spieltechnisch interessant, spiellogisch völlig abstrus gelöst. Eine zentrale Figur, der „rote Korsar“, wird von allen Spielern bewegt, die auf den dazwischen liegenden Wegfeldern eigene Piraten zurücklassen müssen. Am Anfang hat jeder Spieler zehn Figuren zur Verfügung, die über anzulaufende Piratenfelder aber auf fünfzehn ergänzt werden können. Diese Piraten dienen nicht nur der Fortbewegung des Korsaren, sie werden auch eingesetzt in einem die jeweilige Runde abschließenden Würfelduell, das über zwei Seiten hinweg auf das Ausführlichste in der Spielregel erläutert wird. Der Aufwand dient dem Gewinn von Kojenplättchen, die bis zu acht Siegpunkte am Ende bringen. Ganze fünfmal wiederholt sich dieses Procedere mit Ereignissen auf dem Spielplan und Würfelorgien auf dem Schiff. Dann sind die Spieler endlich erlöst, nachdem sie sich einen Überblick über die gesammelten Plättchen verschafft haben.
Das war’s? So ziemlich war es das wirklich. Ich könnte jetzt zwar noch etwas über die „dunkle Gasse“ oder das „Rendez-vous“ –Feld erzählen, oder die Details des langwierigen Auswürfelns der Kojen-Plättchen erläutern, aber das lohnt wirklich nicht. Das Ganze wirkt zusammen gestückelt, überfrachtet, so dass man die Frage stellen muss: Für wen soll dieses Spiel Vergnügen bringen?
Von der Zielgruppe her nimmt sich Alea diesmal wohl eher die Familienspieler vor, schreckt diese aber mit einer zwölfseitigen Regel gewaltig ab. Das Handling des plättchenlastigen Spiels wird zwar durch einen guten Sortierkasten erleichtert, führt aber nicht unbedingt zu einem schnellen Spielzugang. Immerhin gelingt die optische Umsetzung atmosphärisch stimmig, das Spielmaterial ist gut. Man muss dem Spiel auch zugutehalten, dass es auf der Anspruchsleiste den Käufern nicht mehr vorgaukelt, als es wirklich liefert: nämlich fast unterstes Alea-Niveau. Im Kontrast dazu steht der große Werbespruch auf der Schachtelrückseite: „alea ist eine Marke des Ravensburger Spieleverlags, unter der Spiele mit besonders hohem strategischen Anspruch veröffentlicht werden. Zahlreiche nationale wie internationale Auszeichnungen belegen ihre außergewöhnliche Qualität.“ Mit weiterem Ruhm, mit weiterer Ehre wird sich Alea mit diesem Spiel nun leider nicht bekleckern.
Titel: UM RU(H)M UND EHRE
Autor: Stefan Feld
Grafik: Claus Stephan
Verlag: alea
Spieler: 2- 5
Alter: ab 9 Jahren
Spieldauer: 60 bis 75 Minuten werden angegeben, mit 90 Minuten muss man meist rechnen
Spiel 27/2006 R143/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 5 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der 51jährige Stefan Feld ist Spieleerfinder und Schulleiter an einem Gymnasium in Gengenbach. Studiert hat er Physik und Sport.
REVOLTE IN ROM (Queen Games) war seine erste Veröffentlichung 2005. Ein Jahr später landete es auf der Empfehlungsliste der Jury. Von nun an blieb er fast kein Jahr ohne Auszeichnung, besonders beim Deutschen Spielepreis landete oft auf vorderen Plätzen, so für NOTRE DAME (2. Platz 2007), DIE BURGEN VON BURGUND (2. Platz 2011) und TRAJAN (2012). Nominiert war er für das Kennerspiel des Jahres in den Jahren 2011 (STRASBOURG), 2013 (BRÜGGE) und 2019 (CARPE DIEM).
Das Bild zeigt den Autor 2011 in Göttingen.
UM RU(H)M UND EHRE habe ich damals zwar nicht viel abgewinnen können, es erreichte trotzdem mit dem 10.
Freitag, 20. August 2021
SUSHI EXPRESS
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
SUSHI EXPRESS
Was der Pizza-Express in Braunschweig ist, entspricht dem Sushi-Express in München, der schon seit zehn Jahren auf dem Markt ist. „So schmeckt Japan“, ist der Werbespruch für die exquisiten Sushi-Variationen, die die Käufer in attraktiven Verpackungen mit japanischen Holzstäbchen erhalten. Auch der Spielemarkt geht mit der Zeit, der PIZZA-FLITZER von Kosmos ist schon seit Anfang des Jahres unterwegs, nun wird er verfolgt vom SUSHI EXPRESS von Abacus.
Der Verlag aus Dreieich liefert zwar keine Stäbchen mit, aber eine mittelgroße stabile Verpackung, die, satirisch verfremdet, Spielvergnügen verheißt. Michael Schacht, der Autor, lädt uns nicht an die Sushi-Bar ein, worüber ich ganz froh bin, die gesäuerten mit rohem Fisch gefüllten und Seetang umwickelten Reishappen sind wahrlich Geschmacksache. Er schickt drei bis sechs Lieferanten aus, die sich um 28 Kunden- und acht Trinkgeld-Karten rangeln. Das war’s dann auch schon zum Sushi-Thema, der ganze Rest ist ein Konstrukt, das sich auf eine ganze Reihe unterschiedlicher Themen anwenden ließe.
Dreh- und Angelpunkt des Spiels ist eine an ein altes Telefon erinnernde Wählscheibe. Diese steuert die Bewegung der Lieferanten, die sich auf 12 Sechseckplättchen im Kreis bewegen. Jedes Mal wenn sie die Start-Ziel-Karte überschreiten, dürfen sie aus einer Auslage sich von den Kunden- oder Trinkgeldkarten bedienen. Auf einem Sonderfeld, dem Park, erhalten die Spieler Aktionskarten, die unterschiedlich hilfreich für das weitere Spiel sind. Zurück zur Wählscheibe, die SUSHI EXPRESS zu einem ordentlichen Zockerspiel macht. In jeder Spielrunde müssen die Spieler immer erst einen Tipp abgeben, wie weit sie ihr Fahrzeug bewegen wollen. Die entsprechende Zahl zwischen zwei und zwölf wird mit Hilfe eines Tippsteines auf der Wählscheibe eingestellt. Nachfolgende Spieler dürfen in der Regel nicht auf Zahlen tippen, die vorher belegt worden sind. Gezogen wird später in der Reihenfolge der höchsten Zahlen. Wer zuerst ziehen darf, hat meist eine größere Auswahl an Kundenkarten zur Verfügung, so dass oft relativ hohe Zahlen geboten werden. Korrektiv für die Gebote sind zwei Würfel, die immer der Spieler mit dem höchsten Gebot werfen muss. Die Zugweite muss nämlich durch einen entsprechenden Wurf bestätigt werden. Zwei Versuche haben die Spieler, schaffen sie es nicht, bleibt ihr Sushi- Auslieferungswagen stehen. Zum Trost gibt es aber eine Aktionskarte. Sobald ein Spieler seine Vorgabe erreicht hat, endet die Würfelrunde, alle anderen dürfen ohne zu würfeln ihre gesetzten Zahlen fahren. Beim Voranziehen der Fahrzeuge zählen besetzte Felder nicht mit, so dass Rundungen vor allem in voller Besetzung gut machbar sind. Der Spieler mit dem niedrigsten Tipp startet in die nächste Runde. Vorher darf er noch entscheiden, sofern noch Kundenkarten in der Auslage sind, ob sie liegen bleiben oder aus dem Spiel genommen werden, so dass ein neues Angebot in der Zahl der Mitspieler ausgelegt werden kann.
Bei der Auswahl der Kundenkarten ist zu beachten, dass vor allem unterschiedliche Karten Punkte bringen. Die erste Kundenkarte in jeder Farbe zählt stets drei Siegpunkte, jede weitere nur einen Siegpunkt. Da sechs Farben nur je zweimal vorhanden sind, gegenüber zwei Farbe, die achtmal vorkommen, ist das Sammeln der seltenen Karten spielentscheidend. Beachtet werden muss aber auch, dass derjenige, der am wenigsten Trinkgeld erhält, Punkte abgezogen bekommt. Das Spiel endet im Übrigen sofort, wenn die Auslage für die Kundenkarten nicht mehr vollständig ausgeführt werden kann.
SUSHI EXPRESS ist etwas für Zocker. Die Bereitschaft in die Vollen zu gehen, ist groß bei diesem Spiel. Im Spiel zu fünft und zu sechst geht fast keine Bietrunde ohne die statistisch eher unwahrscheinliche Zehn aus. Erstaunlich ist auch, dass die erreichten Ergebnisse meist über der durchschnittlichen Sieben liegen. Das mag ein gefühltes, aber durchaus in vielen Spielen verifiziertes Ergebnis sein. Der Kampf um die raren Farben führt vor allem in den letzten Runden zu spannenden Pokerphasen. Wenn es dann darum geht, die letzte lila Karte zu bekommen, dann versucht es auch einer mit der 11 oder gar 12 – und wenn es dann klappt, ist Stimmung am Tisch. Wenn nicht, dann gibt’s ja die Trostkarten, die es zum Beispiel möglich machen, einen vorher gegebenen Tipp ebenfalls zu nutzen. Auch ein Nachwürfeln ist so möglich und ein weiteres Vorankommen des eigenen Fahrzeuges. Besonders stark ist die Karte Platztausch, mit der man Tippsteine vertauschen darf. Wer Spaß an stark glücksabhängigen Spielen hat, ist mit SUSHI EXPRESS gut bedient. Geboten wird eine lockere Unterhaltung, der man sich vor allem in großen Runden stellen sollte. Ein Spielvergnügen, das zwar nicht abendfüllend ist, aber für eine halbe Stunde als solides Horsd’œuvre genügt.
Titel: SUSHI EXPRESS
Autor: Michael Schacht
Grafik: Michael Schacht
Verlag: Abacus
Spieler: 3 - 62
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: 10 Euro
Spiel 26/2006 R141/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der 56jährige Michael Schacht ist gelernter Grafiker, in diesem Beruf hat er auch bis 2005 gearbeitet, bevor er sich entschied, vom Spieleerfinden zu leben. Inzwischen gehört er hinter Kramer, Kiesling und Knizia zur erfolgreichen zweiten Garde der deutschen Spieleautoren und kann rund 200 Veröffentlichungen vorweisen.
Wichtig war für seine Autorenkarriere der Hippodice Autorenwettbewerb, darüber gelangten Spiele wie TAXI (Spiel im Heft, 1992) und CHARTS (Piatnik,1996) zur Veröffentlichung. Den Wettbewerb 1998 gewann er mit KONTOR. Mit der Umsetzung durch Goldsieber gelangte Schacht 1999 erstmalig auf die Auswahlliste für das Spiel des Jahres, das er dann 2007 für ZOOLORETTO gewann.
„Spiele aus Timbuktu“ war ein Eigenverlag des Autors, in dem er preiswerte Bastelpackungen von Spielideen in Kleinstauflage anbot, außerdem viele Erweiterungen zu COLORETTO und ZOOLORETTO.
Das Bild zeigt Michael Schacht mit seiner Partnerin Marianne Hartz im SUSHI EXPRESS-Jahr 2006 in Göttingen.
Donnerstag, 19. August 2021
SPINNENTWIST
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Das Matriarchat dominiert die Spinnenwelt – SPINNENTWIST
Wir Männer können dankbar sein, dass die Evolution irgendwie ihren Weg über die Säuger zum Menschen gegangen ist und sich nicht Gliederfüßer, wie die Spinnen, durchgesetzt haben. Inzwischen ist ja Frauenpower auch bei uns angesagt, politisch merkelts weiblich. Wir sind aber zum Glück meilenweit von der weiblichen Dominanz der Spinnenwelt entfernt. Nicht nur, dass die meisten Spinnenweibchen erheblich größer als ihre männlichen Pendants sind – die weibliche Schwarze Witwe bringt das hundertfache Gewicht ihres männlichen Partners auf die Waage -, sie pflegen auch häufig, ihre Sexualpartner nach dem Akt zu töten und zu verspeisen. Wer überleben will, muss das schnelle Liebespiel beherrschen. Wenn die Wespenspinne sich nicht nach acht Sekunden zurückzieht, wobei fünf Sekunden, wie Wissenschaftler herausgefunden haben, zur Befruchtung ausreichen, hat der Spinnenmann ausgedient. Die männliche Gartenspinne bekommt sogar nach jedem Akt ihren finalen Herzinfarkt. Wer die Homepage des Spielautors und Kleinverlegers Henning Poehl besucht, erfährt das und noch viel mehr über die Welt der Spinnen (http://www.sphinxspiele.de/kartenspiele/brettspiele-SPINNENTWIST.htm). Passend zu seinem neuesten Produkt SPINNENTWIST hat Poehl eine interessante Linkliste zusammengestellt. Jedes Jahr in Essen erweitert der Autor sein Programm um ein Produkt aus der ganz makabren Welt, seiner „schwarzen Reihe“, und um ein Spiel aus der Welt der Natur, der Biologie. Der Diplombiologie Poehl ist so mit AUWEIER dem Paarungsverhalten von Vögeln auf der Spur gewesen, die Hirschbrunft hat er mit NULL BOCK fantastisch eingefangen, nun führt er seine Spieler in die abenteuerliche Welt der Spinnennetze. Diesmal ist es kein Kartenspiel, das uns den Geschlechterkampf in der Natur näher bringt, sondern ein kleines strategisches Brettspiel für zwei Spieler.
Jeder der Spieler führt zehn Spinnenmännchen in das Netz eines Weibchens, um dort zur Paarung zu schreiten. Auf jede Bewegung im Netz reagiert das Weibchen. Wird ein Männchen über die Knotenpunkte des äußeren Netzes ins Spiel gebracht, setzt sich das Weibchen auf dem kürzesten Weg sofort in Richtung des Eindringlings in Bewegung. Die kleinen Männchen dürfen immer nur ein Feld weit ziehen, die Bewegungsweite des Weibchens hängt ab von der Erschütterung des Netzes, die durch die Bewegung des Männchens entstanden ist. Poehl definiert diese durch die Anzahl der Spinnen, die auf der betroffenen Netzspeiche sitzen. Mehr an Spielsteuerung benötigt der Autor nicht, um zu einem spannenden Wettkampf im Spinnennetz zu kommen.
Wichtig für den Spielablauf ist, dass die Spieler nicht abwechselnd ihre Spinnenmännchen führen, sondern dass jeder Spieler, wenn er an der Reihe ist, anfangs immer eine Spinne ins Spiel bringen und zusätzlich alle im Netz befindlichen eigenen Tiere bewegen darf. Die Reaktionsbewegung des Weibchens führt stets der Mitspieler aus, der damit nicht lange tatenlos zuschauen muss, sondern immer mit im Spiel ist. Dabei muss er nicht immer automatischen Bewegungsbefehlen des Spinnenweibchens folgen, oft genug gibt es verschiedene gleich lange Wege zum Männchen, das sich gerade bewegt hat. Sollte das Spinnenweibchen unterwegs aber Beute machen können, hilft kein Zetern und Schreien. Dann muss der Spieler das Weibchen auch zu eigenen Männchen führen. Ein solches Mahl hält das Weibchen erst einmal auf, so ein Männchen muss ja genüsslich verdaut werden. Wie lange das dauert, wird durch einen kleinen sechsseitigen Würfel bestimmt. Bei jeder erforderlichen Bewegung wird die Augenzahl des Würfels, der auf die Spinne gelegt wird, um eins vermindert, so dass spätestens nach sechs Runden, das Weibchen das Netz wieder unsicher macht. Paarungswillig bleibt es aber in diesem Zustand.
Für die Abrechnung am Ende ist wichtig, dass Männchen, die nach dem Paarungsakt aus dem Verkehr gezogen werden, zwei Siegpunkte bringen, für aufgefressene Tiere wird ein Punkt abgezogen. Das macht deutlich, dass es manchmal durchaus Sinn macht, ein eigenes Männchen zu opfern, sofern drumherum weitere eigene sind, die die Verdauungsphase des Weibchens ausnutzen können. Noch besser ist es natürlich, wenn man diese Situation im Rücken des Gegenspielers erreicht.
SPINNENTWIST braucht eine Aufwärmphase bis die Tiere so allmählich ins Netz kommen, im entscheidenden Mittelspiel geht die Post ab, wobei vorsichtiges Taktieren das Ende ziemlich hinauszögern kann. Schluss ist nämlich erst dann, wenn ein Spieler nur noch eine Spinne übrig hat. Die Vielfalt der taktischen Möglichkeiten des Spiels unterschätzt man am Anfang. Hilfreich ist auch die Freiheit, die der Autor beim Bewegen der Spinnen lässt. Die Spieler dürfen Spinnen ins Spiel bringen, sie müssen aber nicht. Die Spieler dürfen alle Figuren in ihrem Zug bewegen, sie müssen aber nur einmal eine Bewegungsreaktion der Spinne auslösen. Das Spinnenweibchen lässt sich nach der Aufwärmphase geschickt steuern, am besten dadurch, dass man sein Spinnenteam in zwei gegenüberliegenden Gruppen agieren lässt. Nach etwa einer halben Stunde endet eine Runde SPINNENTWIST bei einigermaßen gleichwertigen Spielpartnern meist sehr knapp. Partien mit Fünft- und Sechstklässlern haben ergeben, dass das Spielalter doch eher mit 12 Jahren angegeben werden sollte. Manche dieser Altersgruppe waren chancenlos, da sie die jeweiligen Zugkonsequenzen noch nicht recht einzuschätzen wussten.
Die Ausstattung ist nicht üppig. In einer kleinen Klappschachtel befinden sich der doppelseitige Spielplan, 20 Miniholzchips, ein Miniwürfel, ein etwas größerer Spinnenweibchenstein und die recht ordentliche Spielregel. Die grafische Gestaltung von Matthias Catrein ist ansprechend. Trotzdem können die 15 Euro, die für das Spiel verlangt werden, für viele Käufer überhöht erscheinen. Das mitgelieferte Spielvergnügen sieht man dem Material leider nicht an. Beruhigend für alle männlichen Spieler sollte sein, dass der Autor sich letztlich doch eher spielerisch als biologisch hat beeinflussen lassen. Die SPINNENTWIST-Weibchen reagieren nur fremdgesteuert, trieborientiert folgen sie brav jedem Männchen und tun das, was die Männer wollen. Eine schöne, heile Spinnenwelt, die uns der Biologie Poehl da bietet.
Titel: SPINNENTWIST
Autor: Henning Poehl
Grafik: Matthias Catrein
Verlag: Sphinx Spiele
Spieler: 2
Alter: ab 10 (besser ab 12) Jahren
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: 15 Euro
Spiel 25/2006 R140/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Henning Poehl veröffentlicht seit 20 Jahren Spiele. 2001 erschienen seine ersten Ideen VAMPIRCONNECTION und INTREGRALIS im eigens gegründeten Kleinverlag Sphinx.
Die Mixtur aus Gruselfaktor und naturwissenschaftlichem Begleitprogramm prägten auch in der Folgezeit die Veröffentlichungen des Biologen Poehl.
Poehl engagiert sich sehr für die Vertriebsgenossenschaft Spiel Direkt und ist geschäftsführender Vorstand.
Auf dem Bild ist Poehl auf der Spiel in Essen 2005 mit SPINNENTWIST zu sehen.
Samstag, 14. August 2021
COLUMBUS‘ EG
Solo unterwegs
COLUMBUS‘ EG
Das Ei des Kolumbus hat ursprünglich gar nichts mit dem Entdecker Amerikas zu tun. Die Anekdote, die ihm später zugeschrieben wurde, dass er ein gekochtes Ei auf die Spitze stellen konnte, indem er es auf den Tisch schlug, so dass es leicht eingedrückt zum Stehen kam, ist eigentlich im Kontext mit dem Kuppelbauer des Florenzer Doms Filippo Brunelleschi (1377–1446) zu sehen. Dieser soll durch die Lösung des „Ei-Problems“ den Auftrag zum Bau der ganz besonderen Kuppel dieses Doms erhalten haben. Das macht auch mehr Sinn, da diese Domkuppel in der Tat an die Form eines Eies erinnert, das an der Spitze aufgestoßen ist.
Warum diese lange Vorgeschichte zu dem Solospiel COLUMBUS‘ EG von Timo Jokitalo und Vesa Timonen, das in der logicus-Reihe bei HUCH! erschienen ist. Nun, ganz zuerst haben mich ganz gewaltig die 16 Eier in den üblichen rot, gelb, grün und blau Tönen gestört, so richtig wie Eier sehen sie nämlich nicht aus, umgedreht wirken sie fast wie antike Weinamphoren, aber auf der anderen Seite sind sie standfest gemacht, so wie Brunelleschis‘ oder Kolumbus‘ Ei.
Damit passen sie auch gut in die Stecklöcher eines 4x4 Gitter, das für die nötigen Denksportaufgaben sorgt. Jede Aufgabenkarte enthält Hinweise zur Farbbelegung der Reihen und Spalten, sowie vier weitere Tipps, die sich jeweils zwei Reihen und Spalten beziehen.
Nur 40 Aufgaben stehen doppelseitig zur Verfügung, natürlich steigert sich der Anforderungslevel bis zum fünften Ei, an dem man sich ganz schön die Zähne ausbeißen kann. Anfangs sind es eigentlich nur simple Steckaufgaben, die man auch schon dreijährigen Kindern überlassen kann. Die Anforderungen ans logische Denken wachsen aber an, so dass die Alterseinstufung ab sechs Jahren schon in Ordnung geht. Die Zusammenhänge zwischen Reihen- und Spaltenangaben gilt es zu entdecken, um für die Farben, für die Hinweise fehlen oder nur unvollständig sind, die richtigen Lücken zu entdecken.
Das wird am Ende ganz schön knifflig und lässt sich nicht so einfach lösen wie das Legenden-Ei-Problem des Kolumbus. Praktisch ist die Unterbringung alles Materials in einer kleinen Plastikbox, die Spielbrett, Ei-Aufbewahrung und Aufgabenspender auf einmal ist.
Aus Perspektive von Kindern, die klare Zielgruppe des Spiels sind, ein gutes Logikspiel. Ich hätte mir für Grundschüler allerdings schon eine kleine Hintergrundgeschichte zum Ei des Kolumbus gewünscht. Erwachsene werden durch die Aufgaben nicht so sehr gefordert, deshalb hole ich das Spiel nächste Woche wieder raus, da kommen aber auch unsere Enkel zu Besuch, die gern abwechselnd knobeln.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: COLUMBUS‘ EG
Autoren: Timo Jokitalo, Vesa Timonen
Grafik: Sabine Kondirolli
Verlag: HUCH!
Spielerzahl: 1
Alter: ab 6 Jahre
Spieldauer: ca. 5 -15 Minuten
Preis: ca. 15 Euro
Spiel 56/2021
Dienstag, 10. August 2021
DIE PYRAMIDE DES KRIMSUTEP
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
DIE PYRAMIDE DES KRIMSUTEP
Nach dem Ausflug ins Filmgeschäft 2004 sind auf der Spiel in Essen 2005 Sandfuchs und Sienholz, die Macher von Krimsus, mit ihren Spielen ins altägyptische Ambiente eingestiegen. Dabei bleiben sie bei dem Spiel DIE PYRAMIDE DES KRIMSUTEP durchaus filmnah auf den Spuren von Indiana Jones.
Wie gewohnt, kommen die Krimsus- Spiele als preiswerte Kartenspiele daher. Wobei 110 Spielkarten in der Auslage Brettspieldimensionen einnehmen, sogar die Spielfiguren lassen sich aus dem Kartenmaterial basteln. Zwei bis fünf Archäologen befinden sich auf Schatzsuche in der sagenumwobenen PYRAMIDE DES KRIMSUTEP. In die 6 mal 6 Felder große Kartenauslage mit hellen und dunklen anfangs verdeckt liegenden Gangkarten führt der Weg über ein Basislager. Am Anfang suchen die Altertumsforscher nach Eingeweidekrügen, wobei für jeden Spieler nur einer unter den 36 Karten versteckt ist. Sobald eine Kanope entdeckt ist, wird der Geist des Erbauers der Pyramide lebendig und bedroht als wandernde Mumie die Forscher. Erst wenn die Kanopen im Basislager sind, tauchen auf wundersame Weise Schätze in der Pyramide auf. Sobald es einem Spieler gelingt, einen Schatz aus der Pyramide zu schaffen, endet das Spiel. Davor sind aber noch viele Pyramidenabenteuer zu bewältigen, da gibt es nicht nur die Mumie, vor der man sich in acht nehmen muss, sondern Fallgruben, rutschige Rampen, und geheimnisvolle kleine Pyramiden in der Pyramide, die beim Betreten stets zum Verlust mitgeführter Schätze führen, aber auch eine Teleporterfunktion besitzen, die taktisch genutzt werden kann.
Gesteuert wird das Spiel über Bewegungspunkte, multifunktionale Ausgrabungskarten und über die ägyptische Lebensenergie Ankh, die über Gang- und Ausgrabungskarten gewonnen werden kann. Für die Zielkarte, die man in seinem Zug erreichen will, muss eine passende Ausgrabungskarte abgelegt werden, diese dienen aber auch dazu, Gänge zu erforschen, die Mumie abzuwehren und andere Forscher zu überfallen oder deren Überfälle abzuwehren.
Das Spiel ist vielschichtig angelegt, vielleicht sogar zu vielschichtig, die Regel erleichtert dabei nicht unbedingt den Zugang. Die Memoanforderungen durch häufige Auslageveränderungen sind in meinen Spielgruppen nicht unbedingt auf Zustimmung gestoßen. Die Vernetzung von Kartensteuerung, direkten und indirekten Bedrohungselementen ist aber gut gelungen. Trotzdem bleibt für das Spiel ein großes Problem, es dauert besonders mit vier und fünf Spielern einfach zu lange.
Titel: DIE PYRAMIDE DES KRIMSUTEP
Autor: Ralf Sandfuchs
Grafik: Matthias Catrein
Verlag: Krimsus
Alter: ab 12 Jahren
Spieler: 2- 5
Spieldauer: ca. 90 Minuten
Preis: ca. 8 Euro
Tipp: Guter Service des Verlages, Krimsus bietet zum Herunterladen auf seiner Homepage einen Spielplan für die Kartenauslage an.
Spiel 19/2006 R133/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Ralf Sandfuchs und Mark Sienholz haben 1998 den Kleinverlag Krimsus Krimskrams-Kiste gegründet und bis Mitte 2000 jährlich mindestens ein Kartenspiel und ein Rollenspiel veröffentlicht.
Ihre Wurzeln haben die beiden Verlagsleiter und Autoren im Rollenspielbereich, so hat Ralf Sandfuchs das satirische Knuddeltier Rollenspiel „Plüsch, Power & Plunder“ mit entwickelt. Mit einem neuen PP&P-Abenteuer wollten sie 1997 auch in eine eigene Verlagskarriere starten, ergänzt durch ein Einsteiger-Rollenspiel und einem einfachen Kartenspiel. Als verspielte „Harlekin“e traten sie auf der Spielmesse in Essen an, aber der derbe Possenreißer trieb seine Späße eher mit seinen Erfindern. Die PP&P-Rechte erhielten sie nicht und dann legten gleich zwei Firmen Einspruch gegen die Namensnutzung ein. Krimsu und Sandfox standen gleich zu Beginn ihrer nebenberuflichen Verlagskarriere vor dem Aus. Die beiden Freunde hielten auch dann noch durch, als Guido Paul, der ursprünglich als dritter Kompagnon mit im Boot saß, das Handtuch warf.
Mit der Krimsus Krimskrams-Kiste war bald ein absolut fälschungssicherer Verlagsname gefunden, mit dem sie der bald auch ein klares Verlagsprofil entwickelten. Leise Töne kennt vor allem Krimsu nicht, er macht gern mit Paukenschlägen aufmerksam auf seine
Verlagsveröffentlichungen, das kann über den Weg deftiger Aprilscherze laufen, in Essen sind seine marktschreierischen Sektempfänge zur Mittagszeit berühmt), bei denen den Zuschauern immer mal wieder Kartenspiele um die Ohren flogen.
Das Bild zeigt die beiden Verleger 2006 in Essen.
Freitag, 6. August 2021
MACH 3
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
MACH 3
Die Praunheimer Werkstätten betreiben verschiedene Rehabilitationseinrichtungen für geistig behinderte Menschen im Frankfurter Raum mit insgesamt 700 Beschäftigungsplätzen. Holzspielzeug, auf hohem Niveau hergestellt, gehört zu den traditionellen Stärken der Werkstätten. Über 30 Artikel wurden von „Spiel Gut“ ausgezeichnet, der Deutsche Designpreis und die Jury „Gut in Form“ haben Artikel aus dem Sortiment der Praunheimer Werkstätten für ihre hohe Designleistung prämiert. Im Spielbereich liegen die Schwerpunkte beim klassischen Gesellschaftsspiel, DAME, MÜHLE, SCHACH, HALMA und MÄDN stellen Schwerpunkte im Sortiment dar. Seit kurzer Zeit machen die Praunheimer Werkstätten aber auch mit eigenen Spielentwicklungen auf sich aufmerksam.
2005 stellten sie in Nürnberg das taktische Legespiel MACH 3 für zwei Spieler vor. Gespielt wird auf einem massiven Birkenholzbrett mit 6x6 Feldern. 32 dicke quadratische Holzspielplättchen können dort abgelegt werden. Diese Scheiben sind mit einem blauen diagonal liegenden kreuzähnlichen Muster bedruckt, das halbkreisförmige helle Ausbuchtungen an den vier Seiten der Quadrate ergibt. werden die Quadrate aneinander gelegt, entstehen so kreisförmige Spielfelder, die die Spieler mit roten bzw. gelben Spielsteinen belegen können. Wer es schafft, dadurch eine orthogonale oder diagonale Dreier-Reihe zu bilden, gewinnt das Spiel.
Die Spielregel sieht zwei Varianten vor, wobei ich empfehle nicht von der Grundvariante auszugehen. Da wird nämlich von einer festen Vorgabe in allen vier Eckfeldern ausgegangen, so dass jeder Spieler schon viermal zwei feste Folgen von eigenen Spielsteinen besitzt. Da der Startspieler ein neues Spielplättchen legen muss und der Gegenspieler, eins legen kann, aber auch das neu entstandene kreisförmige Spielfeld mit einem eigenen Spielstein belegen darf, gerät der Startspieler schnell unter Zugzwang. Besser ist die Variante, in der mit einem leeren Spielfeld begonnen wird und die Spieler abwechselnd Spielplättchen legen, ohne dass geschlossene Spielfelder entstehen. Danach geht es abwechselnd mit den jeweiligen Optionen, Spielplättchen oder Spielstein legen weiter, bis die Siegbedingung erreicht ist oder alle Steine gesetzt sind, ohne dass ein Gewinner feststeht.
Da eine Spielrunde MACH 3 meist nur etwa zehn Minuten dauert, sollte man zwei oder vier Partien hintereinander spielen, so dass jeder einmal oder zweimal Startspieler ist. Wir haben für die Wertung folgende neue Regel eingeführt. Der Sieger erhält die Punkte gutgeschrieben, die der Anzahl seiner noch nicht gesetzten Spielsteine entspricht. Wer bereit ist, auf aufwändiges Schachteldesign zu verzichten, erhält mit MACH 3 ein hochwertiges, optisch ansprechendes taktisches Schmankerl, das großes Denk- und Spielvergnügen bietet.
Titel: MACH 3
Autor: -
Verlag: Praunheimer Werkstätten
Spieler: 2
Alter: angegeben ab 5 Jahren, besser ab 7 Jahren
Spieldauer: ca. 10 bis 15 Minuten
Preis: ca. 40 Euro
Spiel 18/2006 R131/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Montag, 2. August 2021
GUNTIA – SCHNICK’S DIR!!!
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Schaffe, schaffe Spiele mache! GUNTIA
Im Schuljahr 2005/06 traten 15 Schülerinnen und Schüler eines Wirtschaftskurses des St. Thomas Gymnasiums im schwäbischen Wettenhausen (Landkreis Günzburg) mit dem Ziel an, ein Spiel zu produzieren. Die Fragen, die sie sich vor einem Jahr im September 2005 stellten: Was für ein Spiel soll es werden? Wie soll es heißen? Wer produziert es? Wer malt einen Spielplan? Wer gestaltet die Schachtel? Wer verkauft es? konnten erstaunlich zügig beantwortet werden. Schon im Januar 2006 haben die Schüler ihr Spiel GUNTIA bei Ludo Fact – quasi um die Ecke - selbst abgeholt.
Im Mai 2006 wurden die Thomaner für ihr Spielprojekt mit dem dritten Platz des bayerischen Landeswettbewerbs für Juniorunternehmen ausgezeichnet. Gelernt haben die Kids eine ganze Menge bei der Arbeit an diesem Projekt, u. a. auch, dass die Entwicklung und Produktion eines Spiels die eine Seite der Medaille ist, die andere Seite, der Vertrieb, ist es, der meist mehr Schwierigkeiten bereitet. So gibt es immer noch Exemplare von GUNTIA zu kaufen. Das ist vielleicht ja auch gut so, denn der eine oder die andere könnte durch diesen Artikel vielleicht angeregt werden, bei den Schülern ein Spiel zu ordern.
Thematisch ist GUNTIA lokal angesiedelt, was sich sicherlich aus den Marketingüberlegungen der Schüler ergab. Es gilt, den Landkreis Günzburg (Guntia) zu erobern. Wenn man die über vierzig Gemeinden des Landkreises auf der erstaunlich großen Spielplankarte betrachtet, sind die RISIKO-Assoziationen, die sich schnell einstellen, sicherlich nicht falsch. Die Schüler haben aber abgespeckt und vereinfacht. Nicht der Würfel entscheidet über Sieg oder Niederlage, sondern das klassische STEIN-SCHERE-PAPIER oder SCHNICK-SCHNACK-SCHNUCK wie es im Schwäbischen wohl heißt. Mit der Aufforderung SCHNICK’S DIR!!! gehen zwei bis vier Spieler an die Eroberung von GUNTIA.
Zehn Gebiete müssen annektiert werden, dann ist nach einer guten halben Stunde das Spiel vorüber. Der Ablauf ist simpel, es wird gewürfelt, entsprechend muss die eigene Spielfigur gesetzt werden. Schon eroberte Gebiete sind bis auf die zentralen Gebiete Neuburg-West und Burgau-Süd tabu. Um das Zielgebiet kämpft der Zugspieler mit allen restlichen Spielern nach dem SCHNICK-SCHNACK-SCHNUCK- Prinzip, der Angreifer muss mehrheitlich gewinnen, das heißt beim Spiel mit drei oder vier Spielern, muss er mindestens zwei Siege davontragen. Eroberte Gebiete werden mit stabilen Papp-Markern, die Landkreismaskottchen darstellen, gekennzeichnet. Ganz pfiffig sind Zusatzeffekte einzelner Gebiete, da können Feuer, Brunnen und Wind das Handduell erweitern, sofern man ein entsprechendes Gebiet erobert hat, außerdem gibt es für die Endabrechnung Zusatzpunkte durch Wappen- oder Kirchen gekennzeichnete Gebiete. In der Endabrechnung erhalten die Spieler außerdem noch eine Belohnung für zusammenhängende Gemeinden.
Nichts Großartiges, aber ein funktionierendes und preiswertes Spiel, das solide produziert ist, dessen Regelwerk ordentlich daherkommt und das noch Spielraum für eigene Regelinterpretationen lässt. In unseren Proberunden hat sich die Abhängigkeit von dem Bewegungswürfel als besonders nachteilig erwiesen. Wir empfehlen, Bewegungsweiten von ein bis vier Feldern beliebig zuzulassen, oder mit einem Kartensatz von eins bis sechs zu spielen. Für die Günzburger oder die, die diesen schwäbischen Landkreis kennen lernen wollen, gibt es im Übrigen noch die Quiz-Variante. Dazu haben die Schüler sich immerhin 66 Fragen mit jeweils drei Antworten aus dem lokalen Umfeld einfallen lassen, wobei in dieser Version die korrekte Antwort zur Eroberung eines Gebietes ausreicht.
Titel: GUNTIA – SCHNICK’S DIR!!!
Autor: Klasse 10a des St. Thomas Gymnasiums Wettenhausen (Schuljahr 2005/06)
Verlag: Guntia- Games
Spieler: 2- 4
Alter: ab 8 Jahren (nicht ab 5 wie in der Regel angegeben)
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Spiel 14/2006 R127/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 5 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
(Seite 1 von 1, insgesamt 14 Einträge)