Dienstag, 30. November 2021
GO! GORILLA
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Plastikorgie, die Spaß macht: GO! GORILLA
Ich hätte nicht gedacht, dass mir ein Plastikhügel mit sechs drehenden Palmen Vergnügen bereiten könnte. Meistens mache ich einen großen Bogen um die üblichen wackelnden, röhrenden, hervorspringenden Plastikorgien, die bei den Kids Begeisterungsstürme erzeugen und bei mir nur Kopfschütteln, stets verbunden mit dem Impetus, dass diese Beschäftigung pädagogisch und spielerisch keinen Wert habe.
Runter vom hohen Ross, ran an die Palmenhebel bin ich erst gekommen, nachdem die Begeisterung nicht nachließ, nachdem Woche für Woche immer wieder das eine Spiel nachgefragt wurde. Da wurden Erinnerungen wach an eine Zeit vor 15 Jahren als ein Flieger über Hühnerhöfe kreuzte und Kinder und Erwachsene an einer bestimmten Bewegung ihres Zeigefingers zu erkennen waren. Was LOOPING LOUIE damals war, scheint GO! GORILLA heute zu sein, der tippende Zeigefinger spielt immer noch mit. Heute hebt er dabei mittels eines großen Palmenblattes einen rotierenden Palmenbaum. Das batteriebetriebene Aktionsspiel von Goliath kann nur zu zweit oder in der Teamvariante zu viert gespielt werden. Eine große Plastikinsel wird an den Längsseiten mit vier kleinen Palmen bestückt, die mithilfe herausragender Palmblätter angehoben werden. im Zentrum und an der Spitze der Insel befinden sich zwei deutlich größere Palmen. An die beiden außenstehenden kleinen Palmen werden Plastikgorillas gehängt, die wie der Flieger in LOOPING LOUIE nun ihre Kreise drehen, sobald GO! GORILLA gestartet wird. Da alle Palmen rotieren und die Greifarme der Menschenaffen ein Weiterhangeln ermöglichen, muss nur die Höhenabstimmung geregelt werden. Wenn der Gorilla samt Palmenstamm auf die passende Höhe gehoben und gesenkt wird, dreht er seine Runde an der großen mittleren Palme weiter, kann von der zweiten kleinen Palme übernommen werden, um sich schließlich auf die Zielpalme zu schwingen. Wer zuerst seine fünf Gorillas über die Wipfel der Palmen ins Ziel geführt hat, gewinnt das Spiel.
Alles wäre ganz einfach, wenn man nur die Affen auf seiner Seite einhängen und abnehmen könnte. Da sie sich drehen, geraten sie natürlich in die Reichweite der Gegenseite. Das ist die Voraussetzung für ein fetziges Duell. Sobald die Affen in den Umkreis der Palmen gelangen, können sie mit kräftigem Druck auf das Palmenblatt schnell in die Luft katapultiert werden, was ihren jähen Absturz zur Folge hat. Gut, dass die Rotationsrichtung häufig wechselt, da geübte Spieler bei passender Drehrichtung sogar ohne Fremdberührung auskommen können.
Spiel und Ärgerfaktor sind mit dem Klassiker von MB vergleichbar. Die Spieldauer ist zusätzlich durch eine Abschaltautomatik begrenzt, nach sechs Minuten drehen sich die Palmen nicht mehr. Dann ist zumindest eine Spielrunde beendet, was allerdings nie bedeutet, dass GO! GORILLA abgeschaltet wird, die Suchtwirkung des reisenden Piloten lässt sich auch bei den hangelnden Affen feststellen. Wenn sie durch die Luft fliegen und wieder an den Start gebracht werden müssen, ist die Schadenfreude ebenso groß wie bei den getroffenen Hühnern. GO! GORILLA ist ein würdiger Nachfolger von LOOPING LOUIE. Erwachsene und Kinder setzen sich mit Begeisterung dem Palmendreh aus. Die voranschreitende Technik hat dem Nachfolger allerdings einen Musikchip beschert, auf den der Flugzeugpilot noch verzichten musste. Mich stört diese laute Dschungelatmosphäre gewaltig, für Kinder gehört sie unverzichtbar hinzu. Leider hat die Firma Goliath einen Lautstärkeregler oder Schalter zum Abstellen der Dudelei vergessen, aber das bleibt auch das einzige „leider“ bei diesem fetzigen Dschungelspiel.
Titel: GO! GORILLA
Verlag: Goliath
Autor: o.A.
Graphik: o.A.
Spieleranzahl: 2 oder 4
Alter: ab 7 Jahren
Dauer: 6 Min.
Preis: ca. 35 Euro
Spiel 2/2009 R 212/2021 Rezension erschien 2009 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel:
GO! GORILLA ist erst in der Goliath-Fassung auf den deutschen Markt gekommen, obwohl es bei MB als Nachfolger von LOOPING LOUIE schon 2000 unter dem nicht so attraktiven Titel HANG IN THERE erschien.
Der Erfolg in Deutschlang führte GO! GORILLA 2009 auf die Empfehlungsliste für das Kinderspiel des Jahres.
Auf BGG wird das Spiel mit einer Wertung von 6,0 auf Rang 215 bei den Kinderspielen geführt (Stand 21.11.21).
Dienstag, 23. November 2021
ZIEGEN KRIEGEN
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Spiel auf der Ziegeninsel
Erinnern Sie sich an die Hornochsen, die im eigenen Kartenstapel am Ende nicht zu oft auftauchen durften? 1994 erblickten sie in Wolfgang Kramers wahrscheinlich genialsten Kartenspiel 6 NIMMT! Das Licht der Welt und noch immer verführen sie am Spieltisch, uns jedenfalls, wenn neben den vielen Neuheiten Oldies einmal wieder gefragt sind. Günter Burkhardt knüpft in einem neuen Amigo Spiel zumindest motivisch an den Mythos 6 NIMMT! an. In seinem Spiel ZIEGEN KRIEGEN geht es um Ziegenköpfe, die man schon haben darf, aber nicht zu viele davon.
Michael Menzel hat herrliche Grafiken für die Ziegenkarten mit den Werten 1 - 50 entworfen. Günter Burkhardt nutzt diese Karten zu einem etwas ungewöhnlichen Stichspiel. Jede Spielrunde läuft unabhängig von der Spielerzahl ab, minimal drei maximal sechs Spieler können teilnehmen. Es geht über genau acht Stichrunden. Die höchste Karte gewinnt den Stich, der Spieler der niedrigsten Karte darf eine sogenannte Hügel-Karte ins Spiel bringen. Auf diesen Karten sind stets zwei durch Wasser getrennte Inselhälften zu sehen, die mit einem höheren und einem niedrigeren Zahlenwert gekennzeichnet sind. Der Spieler, der die Karte legen darf, markiert mit einer kleinen Holzziege den Inselteil, der in die Wertung kommen soll. Das Verfahren gilt bis zum vierten Stich, bis die Insel geschlossen ist. Damit ist die Zielvorgabe für die maximale Ziegenkopfzahl in dieser Runde festgelegt. Wenn die Ziegeninsel den Wert 13 vorgibt, dann können nur Spieler Punkte gewinnen, die nicht mehr als 13 Ziegenköpfe in ihren Stichen vorfinden.
Der pfiffige Mechanismus hat Konsequenzen für den Spielablauf. Alle spielen weitgehend auf den Mittelwert. Die meisten Ziegenkarten zählen ein bis drei Punkte, Zehnerkarten bis zum Wert 40 allerdings fünf Ziegenköpfe. In einem Stich befinden sich durchschnittlich 6 Köpfe, schon der Gewinn von drei Stichen kann oft das Aus bedeuten. Insofern ist ZIEGEN KRIEGEN kein typisches Stichspiel, da es oft um Stichverhinderung geht.
Wie jedes Kartenspiel ist auch dieses recht glücksabhängig, aber sehr unterhaltsam. Wer ausschließlich oder viele hohe Kartenwerte hat, wird auch durch die Ziegeninsel kein Land sehen und jämmerlich baden gehen. Ein Durchmarsch bringt leider keine Extrapunkte. Deshalb sollte auch nicht nach einer Runde Schluss sein und das Kartenglück durch mindestens so viele Runden ausgeglichen werden, wie Spieler ZIEGEN KRIEGEN wollen - oder auch nicht!
Titel: ZIEGEN KRIEGEN
Verlag: Amigo
Autor: Günter Burkhardt
Graphik: Michael Menzel
Spieleranzahl: 3-6
Alter: ab 8 Jahren
Dauer: 15 Min.
Preis: ca. 7 Euro
Spiel 10/2008 R 206/2021 Rezension erschien 2008 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der Realschullehrer Günter Burkhardt startete 1997 als 36jähriger zu Beginn gleich richtig durch. Er durfte sich nicht nur über MANITOU freuen, sondern hatte mit LANG LEBE DER KÖNIG und BÜRO CRAZY (beide F.X. Schmid) gleich zwei weitere Spiele in seinem Erstveröffentlichungsprogramm. BGG verzeichnet vorher noch Eigenpublikationen wie die QUASSELSTRIPPE (1994) und DAS LIEBLINGSSPIEL DES ADAM RIESE (1996).
MANITOU gefiel nicht nur den Juroren von Spiel des Jahres, es erreichte den fünften Platz beim Kartenspielpreis der Fairplay und den zehnten beim Deutschen Spielepreis. Im Jahresrhythmus folgten mindestens zwei bis drei weitere Veröffentlichungen. Mit KUPFERKESSEL (Goldsieber) landete er 2002 erneut auf der Auswahlliste der Jury, gewann den österreichischen Titel Spiele Hit für Zwei und erreichte den achten Platz des Kartenspielpreises der Fairplay. Die Spiele MAORI (Hans im Glück, 2009) und POTATO MAN (Zoch, 2014) kamen auf die Empfehlungsliste der Jury Spiel des Jahres.
Beim Kartenspielpreis der Fairplay war er noch erfolgreicher, sein VOLLTREFFER (Berliner Spielkarten) gelangte 2000 auf den vierten Platz und mit VOM KAP BIS KAIRO (Adlung Spiele) erreichte er 2002 den ersten Platz. Auch ZIEGEN KRIEGEN wurde von der Fairplay gewürdigt und kam dort 2008 auf den 8. Platz. Auf BGG wird das Spiel mit einer 6,2 auf Rang 1097 bei den Familienspielen geführt.
Sein bisher größter Erfolg im Team mit seiner Tochter Lena war 2018 die Auszeichnung mit dem Kinderspiel des Jahres für FUNKELSCHATZ.
Von seinem Lehrerberuf hat er sich schon vor einiger Zeit beurlauben lassen. Er arbeitet inzwischen hauptberuflich als Spieleautor, engagiert sich in seiner Heimat in der Nähe von Bad Ditzenbach im Sportverein und ist für Die Grünen im Gemeinderat.
Das Bild zeigt Günter Burkhardt 2005 auf dem Autorentreffen in Göttingen.
Montag, 22. November 2021
WER HAT’S?
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
MEMO-Quartett
Das klassische QUARTETT erlebt in Hartmut Kommerells Spiel WER HAT’S? (Adlung Spiele) eine Renaissance. Dem Berliner Autor gelingt es, durch eine simple spielerische Ergänzung ein pfiffiges neues Spiel aus dem Klassiker zu machen. Bei WER HAT’S? bekommen drei bis fünf Spieler ab sechs Jahren (funktioniert aber auch schon mit jüngeren Kindern gut) zuerst einmal ihre Karten und benennen beim Aufnehmen die kindgerecht gezeichneten Motive. Dadurch entfällt der Glücksfaktor, der am Anfang eines QUARTETT-Spiels stets ein Herumstochern im Dunkeln mit sich bringt.
Nach der Kartenaufnahme darf in QUARTETT-Manier nach entsprechenden Motiven bei einem anderen Spieler gefragt werden. Hat er es, darf der Fragende das Kartenpärchen vor sich ablegen. Auch diese Regel vereinfacht den Spielablauf, da nicht vier Karten, sondern nur zwei Karten gesammelt werden. Die Kartenzusammenstellung für WER HAT’S? enthält für einige Motive zwei Karten, andere dagegen sind viermal vorhanden. Da man sich nicht selbst befragen darf, dürfen gesammelte Pärchen während des Spiels nicht abgelegt werden. Bei allen Viererkombination ist damit die Gefahr, dass solche Paare gut nachgefragt werden, natürlich groß. Wird der falsche Mitspieler gefragt, muss eine schon gesammelte Karte abgegeben werden.
Nach diesen einfachen Regeln läuft das Spiel, bis die Karten aufgebraucht sind. In der Schlussrunde darf jeder Spieler noch einmal nach einer fehlenden Karte fragen. Zum Schluss dürfen alle Pärchen, die die Spieler noch in den Handkarten halten, abgelegt werden. Wer die meisten Karten besitzt, gewinnt nach etwa 15 Minuten das unterhaltsame Spiel.
WER HAT’S? kommt ganz einfach daher, entfaltet aber einen erstaunlichen Spielreiz, dem sich die meisten Kinder nicht entziehen können, Kommerell bietet für die ganz kleinen noch zwei Varianten an, so können schon Dreijährige in einem offenen Spiel an Benennung und Beobachtung herangeführt werden. Deutlich schneller und leichter spielt sich das Spiel auch dann, wenn alle Motive nur zweifach benutzt werden. Neben dem hervorragenden MANIMALS hat Adlung Spiele mit WER HAT’S? ein weiteres gutes Kinderspiel im aktuellen Programm, für das der kleine Verlag aus Remseck im Kartenspielbereich für Kinder inzwischen erste Anlaufadresse ist.
Titel: WER HAT’S?
Verlag: Adlung Spiele
Autor: Hartmut Kommerell
Graphik: Sascha Wiechert
Spieleranzahl: 3-5
Alter: ab 6 Jahren
Dauer: 10-20 Min.
Preis: ca. 8 Euro
Spiel 30/2007 R205/2021 Rezension erschien 2007 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der 55jährige Hartmut Kommerell, der in Berlin lebt und arbeitet, ist spezialisiert auf taktische Schmankerl für zwei Spieler. Kommerell hat rund 40 Spiele veröffentlicht.
DIE SEIDENSTRASSE war 1998 sein erstes großes Spiel. Kommerell engagiert sich über das Spieleerfinden hinaus sehr für die SAZ. Seit 2015 arbeitet er im Vorstand der Autorenzunft mit und ist seit 2017 deren erster Vorsitzender.
Im Bild sehen wir ihn 2005 auf dem Spieleautorentreffen in Göttingen.
Seine QUARTETT-Variante WER HAT’S? wird auf BGG mit einer 6,6 bewertet, allerdings haben nur 8 User eine Wertung abgegeben (Stand 12.11.21).
Freitag, 19. November 2021
STIX
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Spielesammlung von Steffen Mühlhäuser
Holz ist das typische Spielmaterial, aus dem Steffen Mühlhäuser immer wieder überraschende Spielideen zaubert. Da dienen Bambusstäbchen als Feldbegrenzung in dem taktischen Laufspiel LINJA, da wird mit Holzquadraten oder Sechsecken taktisch gespielt, da liefern 60 bunte Holzscheiben in COLOMO eine ganze Spielesammlung mit zwölf verschiedenen Ideen. Ganz in dieser Tradition steht STIX, das neueste Spiel des Autors und Verlegers Mühlhäuser. 40 lange Hölzchen und zehn kurze, außerdem vier Spielfiguren und eine Pappscheibe reichen ihm für die Entwicklung von drei ganz unterschiedlichen Spielen. Alles verpackt in einer kleinen quadratischen Schachtel, die erstaunliche Spielunterhaltung liefert.
Da haben wir einmal den kreativen Spielanteil in PICASSO. Hier dienen die Holzstäbchen der Begriffsbildung. Ein Hölzchenleger baut Stöckchen für Stöckchen einen ausgedachten Begriff auf, wobei die Mitspieler ständig ihre Vermutungen äußern dürfen, was aus dem Holz-Code entstehen könnte. Wird der Begriff erraten, bevor das sechste Hölzchen gelegt wurde, gibt es drei Hölzer zur Belohnung, bis zu zehn Hölzern zwei und danach noch ein Holzstäbchen. Durch die Honorierung reduziert sich die Anzahl der Hölzer, sobald kein Bild mehr gelegt werden kann, endet das Spiel.
Da die Begriffe wie in ähnlichen Spielen nicht durch Karten vorgegeben werden, müssen die Spieler ehrlich bleiben und sich nicht ständig neue, noch zur Auslage passende Begriffe ausdenken. Zur Sicherheit kann der zu legende Begriff auch vorher aufgeschrieben werden.
Bei der Spielvariante FLIPPER baut Mühlhäuser auf die Geschicklichkeit der Spieler. Die meisten werden sich in einer Kneipe schon am Bierdeckelstapeldrehen versucht haben. Ähnliches verlangt das Flipper Spiel: Ein langer Holzstab, auf dem flachen Handteller liegend, wird Richtung Pappscheibe geschleudert. Dazu schlägt man mit der richtigen Dynamik gegen die Unterseite einer Tischplatte. Landet das Hölzchen neben der Zielscheibe, bleibt es liegen. Landet es halb im Zielbereich, darf der Spieler zwei herumliegende Hölzer an sich nehmen. Fünf gibt es sogar für den eher seltenen Fall, dass das Holzstäbchen exakt auf der Scheibe landet. Immer dann, wenn ein Hölzchen im Umfeld oder auf der Scheibe auf einem anderen Holzstab landet, gewinnt man beide Hölzer zusätzlich. Etwas Übung ist nötig, dann erweist sich FLIPPER durchaus als kneipentauglich.
Ein typischer Mühlhäuser ist die letzte Spielvariante, die er AL CAPONE nennt. Ein schnelles Abbauspiel für zwei bis vier Spieler. Aus den 40 langen Hölzchen wird ein 5 x 5 Felder großes Spielfeld ohne Außenbegrenzung gelegt. Die Spiele setzen reihum ihre Spielfiguren in ein Spielfeld. Wer am Zug ist, darf seine Figur orthogonal über maximal drei Hölzchen hinweg bewegen. Alle übersprungenen Hölzer werden dabei eingesammelt. Dadurch entstandene Lücken dürfen von nachfolgenden Spielern ebenfalls übersprungen werden wie fremde Spielfiguren. Allerdings dürfen Hölzer, die direkt vor oder hinter einer übersprungenen Figur liegen, nicht eingesammelt werden. Wer keine Hölzchen mehr erreichen kann, ist zugunfähig und scheidet aus. Sobald kein Spieler mehr ziehen kann, endet das Spiel, das natürlich von dem gewonnen wird, der die meisten Hölzer sammeln konnte.
Klein verpackt, überall mit hinnehmbar, liefert Steffen Mühlhäuser mit seinen Hölzchen und Figuren abwechslungsreiche Spielvergnügen. Es erreicht zwar noch nicht die Vielfalt von Spielideen wie in COLOMO, aber was noch nicht ist, kann durchaus noch werden, so lässt sich ganz simpel mit den Hölzchen natürlich auch knobeln. Wer das kurzweilige Buch STREICHHOLZSPIELE von Sophus Tromholt besitzt , das schon im vorletzten Jahrhundert erschienen ist und seitdem bis in unsere Tage in vielfältigen Ausgaben herausgegeben wurde, findet dort schier endlose Anregungen für das Spielmaterial von STIX.
Titel: STIX
Verlag: Steffen Spiele
Autor: Steffen Mühlhäuser
Graphik: Bernhard Kümmelmann
Spieleranzahl: 2-8
Alter: ab 6 Jahren
Dauer: 5-15 Min.
Preis: ca. 20 Euro
Spiel 9/2008 R204/2021 Rezension erschien 2008 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
2003 trat der jetzt 65jährige Steffen Mühlhäuser erstmalig in Essen auf der Spiel auf und zeigte seine wunderbaren Ideen. Sein Hunsrücker Kleinverlag mit der schönen Adresse Krastel, Zum Spielplatz 1, ist seitdem nicht mehr aus der Kleinverlagsszene wegzudenken. Vorher verdiente er mit der Bären-Presse mit handgedruckten Bilderbüchern und Hampelmännern sein Geld.
Mühlhäuser bedient mit seinen Holzspielen konsequent eine Nische, die sich nicht nur auf taktische Zweipersonenspiele reduzieren lässt. Für die großen Verlage lohnt der Markt der abstrakten Taktikspiele kaum. Deshalb können Verlage wie Steffen-Spiele und Gerhards überleben. Steffen-Spiele behauptet sich inzwischen fast 20 Jahre auf dem Markt mit wachsender Fangemeinde im In- und Ausland.
Steffen Mühlhäuser ist mit Leib und Seele Autor und Verleger, der den Publikumskontakt sucht. Sein Verlag ruht zwar inzwischen auf vielen Standbeinen, die wichtigste Rolle spielt der Einzelhandel, wichtig sind aber auch der eigene Internetverkauf, der Großhandel, die großen Messen, der Verkauf von Lizenzen und - von Anfang an eine Herzensangelegenheit für ihn – der Besuch vieler kleiner Märkte. Dafür hat er einen eigenen Stand gebaut, mit dem er vor Corona durch die ganze Bundesrepublik auf Kunsthandwerkermärkten und Musikfestivals tingelte. „Wenn ich da Erfolg habe, dann ist das für mich ein großes Kompliment. Das sind meist Menschen, die sind gar nicht gekommen, um ein Spiel zu kaufen, sondern Ketten oder Töpferware und dann bleiben sie bei mir am Spieltisch sitzen.“ Auf solchen Märkten testet Mühlhäuser auch seine Prototypen.
Ursprünglich waren Steffen-Spiele Veröffentlichungsforum für die Ideen des Autors und Verlegers. Seit 2007 erscheinen Gastautoren im Programm, da taucht sehr früh schon Reiner Knizia (TIKU, 2008) auf, auch Bruno Faidutti (SOLUNA, 2012), Niek Neuwahl (SEDICI, 2011) oder Jaques Zeimet (FINDEVIER, 2010) haben Ideen bei Mühlhäuser veröffentlicht. „Mir gehen die Ideen nicht aus, mir werden aber so viel gute angeboten.“ In der Regel soll es schon jedes Jahr ein Spiel von Mühlhäuser geben, dazu können ein oder zwei weitere Spiele von anderen Autoren ins Programm kommen.
Sein Hölzchenspiel STIX wird auf BGG mit einer 5,5 bewertet, allerdings haben nur 12 User eine Wertung abgegeben (Stand 12.11.21).
Das Foto zeigt Mühlhäuser 2005 mit dem im Text erwähnten COLOMO in Essen.
Mittwoch, 17. November 2021
RAMSES
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
RAMSES: WETTLAUF UM DIE REICHTÜMER ÄGYPTENS
Florian Isensee, Oldenburger Buchhändler und Verleger, liebt das Genre der Kartenspiele mit historischem Hintergrund. Da kann er mit überschaubarem Kartenmaterial seine Spieler in Historie eintauchen lassen und jenseits des klassischen Stichspiels Spielabenteuer entwickeln, die alle ihren besonderen Reiz haben. Als Isensee I. hat er sich auf EXPEDITIONEN ZU DEN MAYASTÄTTEN aufgemacht, Isensee II. focht mit den MUSKETIER(en) IM AUFTRAG DER KÖNIGIN, ganz aktuell ist Isensee III. im Museumsauftrag hinter RAMSES hinterher und versucht in einem „Wettlauf um die Reichtümer Ägyptens“, eine opulente und publikumswirksame Grabschatzausstellung ägyptischer Kunst rund um Tutanchamun und Nofretete zusammenzustellen.
Nicht nur optisch das Auffälligste der bisherigen drei Spiele des Buchverlegers aus Oldenburg , aus spielerisch bietet er anspruchsvolle Kost. Isensee versetzt seine Spieler in die 20er Jahre des letzten Jahrhunderts; Carter hat gerade das sagenhafte Grab Tutanchamun im Tal der Könige entdeckt und damit einer Ägyptomanie in Europa und den Vereinigten Staaten ausgelöst. Die großen Museen wetteifern um den ersten Rang mit eindrucksvollen Ausstellungen.
Zwei bis vier angehende Museumsdirektoren, die mindestens im gehobenen Grundschulalter sein sollten, suchen nach 15 Altertümern, die in der ägyptischen Abteilung des Louvre präsentiert werden sollen. Die Ausstellungsfläche ist allerdings beschränkt. Streng wacht die Sphinx des Königs Amenemes II. aus der 12. Dynastie darüber, dass die 4200 Quadratmeter große Fläche nicht überschritten wird; Zugeständnisse macht sie nur bei den Längen- und Seitenverhältnissen, die 60x70 Meter, aber auch 70x60 Meter groß sein dürfen.
Für die Ausstellung kommen Ausstellungsgegenstände in Frage, die aus drei Karten senkrecht oder waagrecht zusammengesetzt werden können, wobei jeweils zwei Objekte insgesamt viermal vorhanden sind. Die Nofretete bleibt wie in der realen Welt einmalig. Zwei Objekte mit vier Karten sind jeweils doppelt vorhanden, Das gilt auch für die Goldmaske Tutanchamuns, die aus sechs Karten im Format 2x3 gebildet wird. Wegen diesen Objektkarten die von drei unterschiedlichen Stapeln gezogen werden, gibt es noch zwei rare Karten, die einen Skarabäus zeigen, der Jokerfunktion besitzt, und acht Handelskarten. Die Joker werden in beide Kartenstapel gemischt, die überwiegend 4er und 6er Kunstwerke enthalten, die Handelskarten liegen daneben aus.
Die Spiele starten mit jeweils einer Karte von den drei stapeln, so dass jeder meist eine 3er, 4er und 6er Karte besitzt. Reihum haben sie verschiedene Optionen. Sie starten mit einer sogenannten „Ankaufphase“, in der sie einen neue Kunstwerkkarte ziehen oder sich eine Handelskarte nehmen. Wählen Sie die zweite Option, eröffnen Sie sofort eine verpflichtende Handelsphase, der sich kein Museumsleiter entziehen darf. Der Spieler, der die Karte gezogen hat, darf in jedem Fall einen Handel ausführen, alle weiteren dürfen freiwillig in dieser Phase untereinander handeln. Die Aktion selbst ist Regeln unterworfen. Alle müssen für die Handelsphase zwei Karten zur Verfügung stellen, von denen eine offen die andere verdeckt gelegt wird. Getauscht wird immer das Gesamtpaket, wobei der Handel des auslösenden Spielers nicht abgelehnt werden kann. Wer durch die Ankaufphase oder den Handel in der Lage ist, die Ausstellung vorzubereiten, darf anschließend Karten auslegen, wobei 3er Objekte direkt in der Ausstellungsfläche platziert werden, größere Objekte müssen dagegen mit mindestens drei Karten in die vorbereitende Auslage für jeden Spieler gehen. Außerdem dürfen in dieser Phase auch Handelskarten in die Museumsausstellung gebracht werden. Dadurch lassen sich Räume verengen, sodass der Platz für große Objekte vermindert wird. Schließlich kann noch eine Handkarte verschenkt und die Kartenhand auf vier Karten ergänzt werden. Falls ein Spiele am Anfang keine Handelsphase ausgelöst hat, darf er dies am Ende seines Zuges tun, sofern noch Handelskarten zur Verfügung stehen oder er selbst eine spielen kann.
Das Spiel endet augenblicklich, wenn durch die Kartenablage in der Ausstellung kein Platz mehr für weitere Objekte ist. Handelskarten werden dabei ausgenommen. In der abschließenden Wertung erhalten die Spieler Punkte für ihren Beitrag zur Ausstellung. Jedes Objekt wurde mit einem entsprechenden Museumsmarker gekennzeichnet. Wer es schafft, einen Tutanchamun zu platzieren, erhält acht wertvolle Punkte, die 4er Objekte bringen fünf Punkte und die 3er mit der Ausnahme der Nofretete drei Punkte. Für die ägyptische Königin erhält ein Spieler sieben Punkte. Sie lässt sich meistens nur mit einem Joker vorbereiten, der in der Aufbauphase eingetauscht werden darf. Vorbereitete Objekte, die es nicht in die Ausstellung geschafft haben, bringen unabhängig von ihrer Kartenzahl einen Minuspunkt. Außerdem werden bis auf die Handelskarten, alle Handkarten mit Minuspunkten belegt, ein nicht ausgelegter Joker zählt sogar drei Minuspunkte. Wer nach dieser Abrechnung die meisten Punkte vorweisen kann, gewinnt nach etwa 30 Minuten das Spiel.
RAMSES ist vielschichtiger als die meisten Spieler anfangs denken. Das geht mit der Kartenaufnahme los. Orientiert man sich besser auf die relativ leicht erreichbaren 3er Objekte oder versucht man doch die Punkte trächtige Goldmaske Tutanchamuns zu legen, mit der Chance dabei an einen Joker zu gelangen. Andere konzentrieren sich lieber auf die 4er Objekte, bei denen ebenfalls ein Joker liegt und nehmen gerne das eine oder das andere kleinere Ausstellungsstück im Tauschverfahren mit. Auf alle Fälle muss die Aufmerksamkeit der Sammeltätigkeit der Mitspieler gelten. Wichtige Informationen bieten dazu die Tauschphasen, die durch die offenen Karten zumindest Teilinformationen aller Spieler preisgeben.
Am Ende geht es meist knapp und spannend zu, wenn die Räume eng werden und die Handelskarten Chancen vernichten. Hier wird RAMSES zum taktischen Legespiel. Ein Legespiel, das in seiner Gesamtauslage auch ästhetischen Genuss bietet. Die Fotoqualität der Spielkarten ist vorzüglich. Die kleine, immer noch etwas instabile Pappschachtel enthält neben den Spielkarten und Museumsmarken für jeden Spieler eine hilfreiche Kurzübersicht über den Spielablauf, auch die gut strukturierte Regel ist Florian Isensee ordentlich gelungen. Mit seinem dritten Spiel hat der Autor eine Professionalität erreicht, die mit Produkten renommierter Verlage durchaus mithalten kann.
Titel: RAMSES: WETTLAUF UM DIE REICHTÜMER ÄGYPTENS
Verlag: Isensee Verlag
Autor: Florian Isensee
Graphik:
Spieleranzahl: 2-4
Alter: ab 8 Jahren
Dauer: 30 Min.
Preis: ca. 8 Euro
Spiel 7/2008 R202/2021 Rezension erschien 2008 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Seit 1995 ist der Oldenburger Buchhändler und Verleger, seit 2005 verlegt er auch eigene Spiele. Seine EXPEDITION ins Reich der Spiele bestand anfangs ausschließlich aus Kartenspielen, Ausflüge in die Geschichte, die zu den Mayas, nach Frankreich (MUSKETIER), Ägypten (RAMSES), Rom (HÄNDLER AUF DEM FORUM ROMANUM) und Kreta (LABYRINTH DES MINOTAURUS) führten.
Mit RAMSES und den HÄNDLERN verließ Isensee schon das Genre eher klassischer Kartenspiele, arbeitete aber noch kartenbasiert. In dem 2009 erschienenen dreiteiligen Abenteuer um MINOTAURUS ging es im Prinzip nur noch um Elemente des Kartenerwerbs zum Ausbau eines Labyrinths. 2010 lag mit GESCHENKE FÜR DEN RADSCHA in einer großen Schachtel, die als Umverpackung für das gesamt Œuvre Isensees dienen konnte, ein außergewöhnliches Wüstenabenteuer mit einem ungewöhnlichen Bewegungsmechanismus vor, das schon am Samstag auf der Messe ausverkauft war.
2011 erschien mit AKTIENRAUSCH das letzte Spiel, das aus der historischen Reihe herausfiel, aber extrem viel Aufmerksamkeit erregte. Isensee kommentierte das nach der Messe wie folgt: „Das hat mich damals total überrascht, dass sich erstmals TV-Stationen für eins meiner Spiele interessierten. Die Medienresonanz war unglaublich.“
Noch größer war die Resonanz 2019 zu einem Wahlspiel in den USA, das sich den damaligen Präsidenten vorknöpfte: FROM IDIOT TO PRESIDENT. Eine Teamarbeit mit Philipp Grasl, Daniel Sip, Mark Schütte und Thorben Schwitalla, für die die Freunde mit Haarenwerk einen eigenen Verlag gründeten. Produziert wurde nun auch nicht mehr im Isensee Verlag, sondern bei LudoFact mit einer Initialfinanzierung über Kickstarter. Das Medienecho auf das Spiel war beachtlich, wichtiger war für das Verlagsteam aber das große internationale Interesse und das der Drogeriekette Müller.
Mit nur 10 Ratings wird das RAMSES-Spiel im Augenblick (01.10.21) auf BGG nur mit 4,4 bewertet.
Das Foto zeigt Florian Isensee mit Ramses 2007 auf der Spiel in Essen.
Dienstag, 16. November 2021
PATRIZIER
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 201
Häuserbau in Italien
Spielen bildet! Das Geschlechtertürme im mittelalterlichen Italien Statussymbole waren, wissen wir spätestens seit CAMPANILE oder SAN GIMIGNANO. Dieses „Manhattan des Mittelalters“ taucht in Michael Schachts neuestem Amigo Spiel PATRIZIER zwar nicht auf, thematisch geht es aber sehr wohl um mittelalterlichen Häuserturmbau in neun beziehungsweise zehn italienischen Städten.
Die ständige Flucht der Spieleautoren in die Historie produziert ästhetisch wohl gefälligere Themen als aktuelle: Da wäre ein Wettkampf um die höchsten Müllberge wohl eher angemessen gewesen. Politisch weniger anrüchig und damit sicherlich auch besser zu vermarkten ist das, wenn zwei bis fünf Baumeister nach Ruhm und Ehre streben. Michael Schacht entwirft dazu einen leicht zugänglichen kartengesteuerten Bauwettkampf. Ruhmespunkte erhalten die Spieler, wenn sie mehr zum Turmbau in einzelnen Städten beitragen als Mitspieler, Punkte erhalten sie aber auch, wenn sie die richtigen Karten zu ihrem Häuserbau benutzen.
Der beidseitig nutzbare Spielplan zeigt im Spiel zu fünft zehn italienische Städte, sonst neun mit jeweils zwei Bauplätzen. Die maximale Zahl der dort zu errichtenden Stockwerke wird nur für die Städte und nicht für die Bauplätze vorgeschrieben, so können insgesamt fünf, sieben oder neun Stockwerke in fast beliebiger Verteilung errichtet werden. Entsprechend gibt es für diese Städte vier, fünf oder sieben Baukarten. Sind alle Stockwerke in einer Stadt auf beiden Bauplätzen errichtet, werden Ruhmespunkte verteilt. Der Spieler mit den meisten Bauanteilen im höchsten Turm erhält ein Plättchen, das den Punktwert der maximalen Stockwerke der jeweiligen Stadt entspricht, für den niedrigeren Turm gibt es mit sechs, vier und zwei Punkten entsprechend weniger. Im Falle des Gleichstands zählt für den Punktgewinn natürlich das höhere Stockwerk.
Sehr geschickt hat Michael Schacht den Kartennachschub in PATRIZIER geregelt. Jeder startet mit drei Auftragskarten für den Turmbau in den Städten. Die Karten tragen das jeweilige Stadtwappen und meistens einen von drei unterschiedlichen Patrizierköpfen. An jeder Stadt liegt eine Auftragskarte offen aus, wobei darunter auch Sonderkarten ohne Kopf sein können, die zum Beispiel ein Doppelwappen tragen und damit den Bau von zwei Stockwerken in einer Stadt ermöglichen, oder Verschiebekarten, die das Versetzen eines obersten Stockwerks in einer Stadt gestatten. Den Kartennachschub erhalten die Spieler in der Regel in der Stadt, in der sie bauen. Dadurch schafft Schacht es, die Optionsauswahl vielschichtig zu verknüpfen. Einerseits müssen die Spieler auf die Stockwerkmehrheit achten, andererseits geht es aber auch um den Baukartenerwerb, da Sonderkarten, zur richtigen Zeit eingesetzt, erhebliche Veränderungen bewirken. Schließlich ist es nicht von Nachteil, die Schlusswertung der Patrizierköpfe mit dem Blick zu behalten, da jeweils drei identische Köpfe sechs Ruhmespunkte bringen. Gewertet wird im Übrigen, sobald kein Spieler mehr eine Auftragskarte besitzt. Wer dann nach allen Stadtwertungen und den Punkten für die Köpfe die meisten Ruhmespunkte gesammelt hat, gewinnt.
Michael Schacht Spielidee ist wieder einmal genial einfach, entwickelt aber trotzdem eine erstaunliche Spieltiefe. Sicherlich ist der Glücksfaktor in dem Spiel recht hoch, wer aber PATRIZIER erfolgreich spielen will, muss über ein vorzügliches Gedächtnis verfügen und kann dadurch vor allem bei weniger Spielern das Spiel kalkulierbar machen. Bis auf die Ausgangssituation liefert PATRIZIER alle Informationen offen, so dass eine Abwägung der Chancen, ob Bauinvestitionen lohnen, sehr wohl möglich ist. Die Spieler haben zwar nur drei Baukarten zur Auswahl, aber sie haben es in einem gewissen Rahmen selbst in der Hand, wie ihre Handkarten mit der Zeit aussehen.
Eine Runde Turmbau in PATRIZIER geht erstaunlich schnell vorüber, die angegebene Spieldauer von 45 Minuten wird nur mit Grüblern am Spieltisch erreicht. In der Regel reichen 30 zügige Bauminuten, die zu Revancherunden einladen. Das macht auch deshalb Sinn, weil das Spiel von hinten deutlich besser kontrolliert werden kann und deshalb die letzten auch einmal die ersten sein sollten. Die grafische Umsetzung des Spiels ist gelungen, der Holzanteil - 149 gut stapelbare Stockwerke - ist beachtlich, die Regel lässt keine Fragen offen. Erneut ein gutes, elegantes Spiel des „Spiel des Jahres“ Preisträgers 2007, ein typischer Schacht, der etwas an KARDINAL UND KÖNIG erinnert und fast ebenso viel Spaß bereitet.
Titel: PATRIZIER
Verlag: Amigo
Autor: Michael Schacht
Graphik: Design Main
Spieleranzahl: 2-5
Alter: ab 10 Jahren
Dauer: 30-45 Min.
Preis: ca. 20 Euro
Spiel 6/2008 R201/2021 Rezension erschien 2008 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der 56jährige Michael Schacht ist gelernter Grafiker, in diesem Beruf hat er auch bis 2005 gearbeitet, bevor er sich entschied, vom Spieleerfinden zu leben. Inzwischen gehört er hinter Kramer, Kiesling und Knizia zur erfolgreichen zweiten Garde der deutschen Spieleautoren und kann rund 200 Veröffentlichungen vorweisen.
Wichtig war für seine Autorenkarriere der Hippodice Autorenwettbewerb, darüber gelangten Spiele wie TAXI (Spiel im Heft, 1992) und CHARTS (Piatnik,1996) zur Veröffentlichung. Den Wettbewerb 1998 gewann er mit KONTOR. Mit der Umsetzung durch Goldsieber gelangte Schacht 1999 erstmalig auf die Auswahlliste für das Spiel des Jahres, das er dann 2007 für ZOOLORETTO gewann.
„Spiele aus Timbuktu“ war ein Eigenverlag des Autors, in dem er preiswerte Bastelpackungen von Spielideen in Kleinstauflage anbot, außerdem viele Erweiterungen zu COLORETTO und ZOOLORETTO.
Das Bild zeigt Michael Schacht 2007 in Göttingen.
PATRIZIER wird auf BGG (Stand 11.11.21) mit einer Wertung von 6,6 geführt und liegt auf Rang 676 bei den Familienspielen.
Donnerstag, 11. November 2021
LINQ
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Um die Ecke gedacht
Arg wortkarg geht es in diesem neuen Kommunikationsspiel von Erik Nielsen zu, ganz im Gegensatz zu dem, was gedanklich und nonverbal während der Spielrunden abläuft und ganz im Gegensatz zu den Wortkaskaden nach der Auflösungsphase einer Spielrunde. Hören Sie doch einfach mal zu:
Annette Wirft einen „Dieb“ in die Runde, Bernhard glänzt schmunzelnd mit dem „Stern“, Christiane hält sich ganz kurz an das Adverb „ab“, Doris setzt lächelnd den „Himmel“ hinzu, Eberhard ergänzt stirnrunzelnd mit einem Blick in die Runde den Begriff „Kreuz“, Fridolin greift ihn amüsiert im „Busch“ auf, Gerlinde schließt die Runde mit dem Begriff „Elefant“ ab. Verstanden? Nein? Das macht nichts. Gerlinde hat alles mitgeschrieben.
Trotzdem sollten Sie jetzt erst einmal auf den Kenntnisstand von Annette und Co. gebracht werden. Die sieben Spieler haben zu Beginn der Spielrunde jeweils eine Karte mit 12 Begriffen zugeteilt erhalten, auf einer Karte ist allerdings nur ein Fragezeichen zu sehen. Jeweils zwei Spieler besitzen identische Karten. Der für die Spielrunde geltende Begriff wird ausgewürfelt, in unserem Fall ist die „12“ geworfen worden. Die Spieler haben nun reihum einen sprachlichen Hinweis gegeben, der zu ihrem Begriff führen soll. Nach dieser ersten Runde gibt jeder einen ersten Tipp ab, welche Spieler Partner sein könnten. Erstes Ziel sollte dabei sein, den eigenen Partner zu erkennen, denn dafür gibt es die meisten Punkte. Tippt man andere Paarungen richtig, müssen diese dafür jeweils einen Punktechip bezahlen, das gilt auch dann, wenn man das Fragezeichen getippt hat.
Nach der ersten Begriff Runde geht es in eine zweite, die der weiteren Klärung dienen kann, aber zusätzlich oft extreme Verwirrung stiftet. Wer der Meinung ist, seinen Partner gefunden zu haben, kann noch freie assoziieren und die Mitspieler bluffen. Im Prinzip läuft die Runde wie die erste ab, so dass wir uns die Beispiele sparen können und gleich zur Auflösung schreiten.
Anette und Fridolin haben sich ihre Spielbälle in „Bagdad“ zugeworfen, der „Dieb“ war für Fridolin ein guter Hinweis, der für die anderen kaum zu entschlüsseln war, dass mit seinem Busch eigentlich der Buschkrieger gemeint war, ahnte auch nur Annette. Da beide sich gefunden haben, erhalten sie fünf Siegpunkte aus der Kasse. Den Hinweis auf den Cullinan, den „Stern von Afrika“ oder auch auf das gleichnamige Piatnik Spiel hat Gerlinde verstanden, sie konnte daher fast Klartext reden und mit dem Elefanten einen eindeutigen Hinweis auf „Afrika“ geben, auch dieses Paar geht mit voller Punktzahl aus der Runde raus. Eberhard hat allerdings mit Christianes Idee „Ab in den Süden“ nicht das Richtige anfangen können, wobei sein Kreuz für Christiane ein guter Hinweis auf den gemeinsamen Begriff „Süden“ war. Die beiden finden sich nicht, da Eberhard Doris als Partnerin wählt, die aber nur für himmlische Verwirrung sorgen wollte.
Gespielt wird über mehrere Runden, bis ein Spieler 25 Siegpunkte erreicht hat. Das ist aber fast nebensächlich bei dem Spielerlebnis in LINQ-Runden. So wortkarg die Runden verlaufen, so erklärungsfreudig geht es danach zu. Erik Nielsen Spiel, das erstmalig bei Endless Games in den USA erschienen ist, lebt von der hervorragenden redaktionellen Bearbeitung durch Andrea Meier, die damit erstmalig einen Gastautor in ihrem Eigenverlag veröffentlicht. Heidelberger vertreibt dieses ausgezeichnete assoziative Wortspiel, das vor allem in großen Runden riesigen Spaß macht. Die Obergrenze sieht Andrea Meier bei acht Spielern, wobei meine Erfahrung auch mit zehn Spielern positiv waren. LINQ ist im Sektor der kommunikativen Spiele ein absolutes Highlight, das besonders in Spielrunden, die sich gut kennen, ein außergewöhnliches intellektuelles Vergnügen bietet.
Titel: LINQ
Verlag: BeWitched Spiele
Autor: Erik Nielsen
Graphik: keine Angabe
Spieleranzahl: 4-10
Alter: ab 10 Jahren
Dauer: 45 Min.
Preis: ca. 20 Euro
Spiel 3/2008 R198/2021 Rezension erschien 2008 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der in Dallas lebende Erik Nielsen hat Wirtschaftswissenschaften und Geschichte an der Sorbonne und in San Diego studiert. Zurzeit arbeitet er als CEO für das Startup WatchTAG.
Was seine Erfindertätigkeit angeht, beschränkt sie sich auf LINQ und LINQUER, die Erweiterung, die 2008 erschien.
Mit dem Spiel war er recht erfolgreich. In Deutschland landete er 2008 auf der Empfehlungsliste für das Spiel des Jahres.
BGG führt LINQ mit einer Wertung von 6,9 bei den Partyspielen auf Rang 120 (Stand 08.11.21).
Montag, 8. November 2021
ZUG UM ZUG MÄRKLIN
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Deutschlandreise á la Alan Moon: ZUG UM ZUG MÄRKLIN
Ohne Erweiterungen kommen erfolgreiche „Spiele des Jahres“ nicht mehr aus. Kosmos hat mit den SIEDLERN VON CATAN mit der Erweiterungsorgie begonnen, Hans im Glück hat sie extensiv mit CARCASSONNE fortgesetzt und in diese Riege reiht sich Days of Wonder mit ZUG UM ZUG-Nachfolgern ein. Nicht immer brachten die an die Originale angelehnten Erweiterungen Verbesserungen, wie es dabei um die dritte Erweiterung von Alan Moon steht, werden Sie gleich erfahren.
Vom Start weg war dieses geniale Eisenbahnspiel Moons erfolgreich mit seinem US- amerikanischen Streckenplan, kamen der Europaplan mit Bahnhöfen und unkalkulierbaren Tunneldurchfahrten, erst 2006 bietet das Spiel seiner deutschen Fangemeinde heimisches Ambiente. Und nicht nur das: Days of Wonder verknüpft dank einer gelungenen Kooperation die Brettspielwelt mit der der Spielzeugeisenbahnen. Ob damit neue Käuferschichten gefunden werden, weiß ich nicht, aber der Schachzug scheint genial, wenn die bisher uniformen Lokomotiven und Waggons ihren individuellen Märklin-Charakter erhalten.
ZUG UM ZUG MÄRKLIN bleibt natürlich die logistische Herausforderung mit Streckenbau und Zielkarten mittels Wagenkarten und platzierter Kleinwaggons aus Plastik. Die Märklin-Variante bietet aber viel mehr als einen Abklatsch des Originals, erstmalig tauchen Passagiere, Passagierkarten und Waren auf , zudem gibt es besondere Jokerkarten, die sogenannten "4+-Lokomotiven", die erst bei Zügen ab einer Länge von 4 Wagenkarten und mehr eingesetzt werden können.
ZUG UM ZUG MÄRKLIN benötigt deutlich mehr Vorbereitung als seine Vorgängerspiele. Punkteplättchen, das sind die Warensteine, müssen erst einmal in jede Stadt gelegt werden, meist ist es nur ein 2er-Pappchip, aber es gibt auch viele kleine Stapel mit abnehmenden Punktwert. Berlin wird seinem Hauptstadtstatus insofern gerecht, dass dort der einzige Viererstapel mit immerhin 7,6,5 und 4 Punkten liegt. In anderen Zentren wie Hamburg und München müssen sich die Spieler schon am Anfang mit 4 Punkten begnügen. Neben den 45 Eisenbahnwaggons erhalten die Spieler zu Spielbeginn jeweils drei Passagiere und vier Wagenkarten. Von den Zielkarten, die in dieser Version in je einem Stapel mit kurzen und langen Strecken aufgeteilt sind, müssen vier aufgenommen und mindestens zwei behalten werden. Auf den den meisten Lesern sicherlich bekannten Ablauf wird nur in aller Kürze eingegangen. Einerseits gilt es, die Zielkarten zu erfüllen, denn das bringt am Ende Zusatzpunkte, bzw. bei Nichterfüllung Punktabzug. Zum Streckenbau sammeln die Spieler farbige Waggonkarten, mit denen entsprechend farbige Bahnstrecken zwischen Städten bebaut werden, auch dafür gibt es Punkte, die sofort auf einer Wertungsskala angezeigt werden. Jokerkarten erleichtern den Streckenbau, im Laufe des Spiels können auch weitere Auftragskarten angenommen werden. Das Spiel geht in eine Schlussrunde, sobald ein Spieler nur noch ein oder zwei Waggons besitzt. Erst dann werden die Zielkarten ausgewertet, zusätzlich wird der Spieler mit den meisten erfüllten Aufträgen (bisher: längste Strecke) belohnt. Soweit das übliche Procedere mit seinem dynamischen Spielverlauf.
Sobald eine Strecke gebaut ist, darf ein Passagier in eine der beiden Städte gestellt werden, wobei in jeder Stadt nur ein Reisender stehen darf. Soll dieser Fahrgast reisen, kostet das eine vollständige Aktion. Seine Reiseroute führt weitgehend über eigene Strecken, die der Mitspieler dürfen dann benutzt werden, wenn zusätzlich Fahrgastkarten ausgespielt werden, die sich bei den Wagenkarten befinden. Außerdem darf ein Passagier jede Strecke nur einmal benutzen. In allen besuchten Orten, allerdings nicht im Startort, gibt es, sofern noch vorhanden, die Punktechips als Handelsgüter. Eine frühe Reise kann deshalb äußerst lukrativ sein, die Planungen der Gegenspieler, die sich zum Teil aus den aufgestellten Passagieren ablesen lassen, sind im Blick zu behalten.
Diese neue Form des Punktesammelns verändert deutlich die Taktik des Spiels. Wer dreimal lukrativ seine Passagiere in Deutschland herumschicken konnte und dabei durchaus mit 30 und mehr Punkten rechnen kann, muss sich nicht mehr so viel Mühe mit den Zielkarten geben. Das Problem war dem Autor sicherlich auch bewusst, der deshalb erstmalig die Erfüllung besonders vieler Aufträge mit einer Bonuskarte belohnt. Dem kommen außerdem die differenzierten Auftragsstapel mit den kurzen und langen Strecken entgegen. Der Deutschland-Plan selbst erzwingt einen anderen Spielrhythmus, das kleinmaschige Netz mit vielen Kürzeststrecken im Westen steht im deutlichen Gegensatz zu dem eher langstreckigen Osten. Das bedingt, besonders wenn nur zwei oder drei Spieler beteiligt sind, einen beschleunigten Streckenbau. Da werden keine Karten gehortet, wie beim Eisenbahnbau in den USA, sondern da schließt der Startspieler (der mit der besten Märklin-Sammlung natürlich) gleich am Anfang aus der Hand die Verbindung Köln-Düsseldorf. Sobald vier Spieler im Spiel sind, darf diese Strecke sogar dreimal gebaut werden.
Days of Wonder hat ZUG UM ZUG MÄRKLIN erneut hervorragend umgesetzt. Nicht nur für Märklin-Fans sind die vielfältigen Zugkarten ein Augenschmaus. Die Regel ist akzeptabel, Kenner der Vorgängerspiele werden kaum Probleme damit haben. Fehler sind wohl nie ganz zu vermeiden, nur gut, dass zumindest ein ganz grober geografischer Schnitzer nur noch im Spielaufbauplan der Regel erkennbar ist. Der dortige Spielplan zeigt nämlich Expansionsgelüste der Brüder Kwasnieski, die Tschechien vereinnahmt haben.
Die Werbebeigaben sind vielfältig: Das Märklin Gesamtsortiment kommt auf CD daher, das Days of Wonder-Programm sogar auf DVD.
Meine Kaufempfehlung am Ende hat nichts mit der Werbung zu tun, auch nichts mit dem Märklin-Ambiente, von mir aus hätten es Heros-Bahnen sein können. Das Spiel selbst überholt seine Vorgänger mindestens um Lokomotivenlänge. Es ist zwar fummeliger im Spielaufbau und auch beim Einsammeln der Punktechips braucht man ruhige Finger, aber deutlich weniger glücksbetont und spannender. Die indirekte Interaktion wächst, da das Mitspielerverhalten stärker im Blick sein muss. Damit ist ZUG UM ZUG MÄRKLIN aber auch anspruchsvoller als das Spiel des Jahres 2004. Ob wirklich achtjährige Kinder mit dieser Version klar kommen, bezweifele ich. Ab zehn Jahren und aufwärts wird Alan Moons Deutschlandreise aber zum Hochgenuss.
Titel: ZUG UM ZUG MÄRKLIN
Verlag : Days of Wonder
Autor : Alan R. Moon
Graphik: Julien Delval
Spieleranzahl : 2-5
Alter : ab 8 Jahren
Dauer : 30-60 Min.
Spiel 28/2007 R195/2021 Rezension erschien 2007 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Alan Moon war in den 80er Jahren für Avalon Hill journalistisch tätig, arbeitete auch an der Spielentwicklung für diese Firma und für Parker Brothers. Dem deutschen Publikum wurde er Anfang der 90er Jahre durch Spiele wie AIRLINES (Abacus) und Spiele des Verlags White Wind bekannt, den er zusammen mit Peter Gehrmann gründete
In 1000er Auflagen erschienen die meisten Spiele bei White Wind so auch ELFENROADS, das später in der Version von Amigo als ELFENLAND Moons erstes „Spiel des Jahres“ wurde. Zwischen 1998 und 2004 war Moon besonders erfolgreich. Mit UNION PACIFIC (1999) und DAS AMULETT (2001) landete er auf der Nominierungsliste. 2004 gelang ihm sein größter Erfolg mit ZUG UM ZUG, zu dem in der Folgezeit verschiedene Varianten und Erweiterungen erschienen sind und immer noch erscheinen.
In dieser erfolgreichen Phase war Moon erster Vorsitzender der Spieleautorenzunft. Das Bild stammt aus einem Gespräch zweier Preisträger in Göttingen aus dem Jahre 2005. Werner Hodel und Alan Moon diskutieren, ob der Mississippi oder die Schiene der bessere Transportweg in den USA sei.
ZUG UM ZUG MÄRKLIN wird mit einer Wertung von 7,4 auf Platz 55 der Familienspiele auf BGG geführt (Stand 31.10.21). Das Original steht auf Platz 35. Unter Sammlern ist diese Ausgabe sehr beliebt und ist nur um die 100 Euro zu bekommen.
Samstag, 6. November 2021
AGROPOLIS
Stadtflucht - AGROPOLIS
Stadtflucht ist angesagt: Wer SPRAWLOPOLIS mag wird die ländliche Version AGROPOLIS auch mögen. Der amerikanische Kleinverlag Button Shy Games reduziert seine Spiele im Taschenformat in der Regel auf 18 Karten, die in einer kleinen Klappbrieftasche verpackt sind und daher ganz leicht überall mit hingenommen werden. Unter dem Dutzend Spieleveröffentlichungen pro Jahr sind immer wieder kleine Perlen. 2018 war das das kleine Städtebauspiel SPRAWOPOLIS, indem die Spieler solo oder kooperativ nach Aufgabenvorgaben Stadtviertel, Gewerbegebiete und Parks punkteträchtig zusammenlegten.
Ganz ähnlich geht es nun in der Agrarregion AGROPOLIS zu. Von den 18 Karten werden drei umgedreht und dienen der Aufgabendefinition der aktuellen Runde. Wir bewegen uns nun zwischen Kühen, Hühnern und Schweinen, pflegen unsere Weinhänge, Obstgärten und Getreidefelder, ganz ohne Straßen kommen wir natürlich nicht aus und einige Aufgabenkarten verlangen auch, dass sie mäandern, Hühnergehege einkreisen oder an Kuhherden angrenzen.
Vom Spielgefühl her ändert sich nichts, nur Schnuppern wir Landluft, versuchen aber wie gehabt die drei Aufgaben optimal für die Gruppe zu erfüllen. Mitspielen können bis zu vier Spieler. Wer am Zug ist, spielt eine seiner drei Handkarten aus, die übrigen Karten wandern dann an den nächsten Spieler, der dadurch auch wieder drei Karten hat. Dann zieht man eine Karte vom Deck nach. Die Auswahl verringert sich damit schnell und damit wachsen die Zwänge für die Gruppe bei der Lösung der Aufgabe. Da versucht man Polyomino-Obstgärten möglichst mit Vierergruppen zu bilden. Bei der Karte Noahs Farm braucht man Pärchenbildungen bei den Tieren und die „glücklichen Kühe“ brauchen minimale Straßenanbindung.
Die Karten dürfen nebeneinander, aber auch übereinandergelegt werden, nur Drunterschieben und nur diagonale Anbindungen sind verboten. Am Ende zählen die größten Gebiete, Straßen werden davon abgezogen und bei den Aufgabenkarten wird überprüft, ob die vorgegebene addierte Punktzahl erfüllt ist. AGROPOLIS ist dabei noch etwas komplexer als sein Vorgänger, da manche Karten quasi eine extra Viehwertung verlangen, die zu noch mehr Punkten führt. Nur wer die Punktzahl erreicht, kann das Spiel gewinnen.
AGROPOLIS ist ein interessantes Raumpuzzle, das an SPRAWLOPOLIS perfekt anknüpft und den Anspruch sogar noch steigert. Macht als Solospiel, aber auch in der Teamvariante viel Spaß.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: AGROPOLIS
Autoren: Steven Aramini, Danny Devine, Paul Kluka
Grafik: Danny Devine
Verlag: Button Shy
Spieler: 1-4
Alter: ab 8 Jahre
Spieldauer: ca. 15-20 Minuten
Preis: ca. 10 Euro
69/2021
Freitag, 5. November 2021
ZOFF IM HÜHNERHOF
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Körnerwerfen mit Berti: ZOFF IM HÜHNERHOF
Früher mussten fliegende Hütchen als Geschicklichkeitsspiel herhalten, heutzutage wird so etwas viel aufwändiger in ein spielerisches Ambiente und eine Spielgeschichte verpackt. Wenn Verpackung und Inhalt stimmen, dann kommt wie bei Marco Teubners ZOFF IM HÜHNERHOF ein tolles Spiel heraus.
Für die Spielqualität bürgt Haba. Eine große Spieleschachtel ist für ZOFF IM HÜHNERHOF nötig, damit das Spiel in der Schachtel mit Hühnerstall und 34 quadratischen, niedrig eingezäunten Hoffeldern stattfinden kann. Bauer Bertis Hühnerhof ist wahrlich imposant, Blumen blühen auf vielen Feldern, ein Rabe scheint allerdings die Mauser zu haben, denn auf fast jedem zweiten Feld fliegen seine Federn herum, er selbst blickt vom Zaun auf den ihm gegenüberliegenden großen Hühnerstall, auf dem vier Holzhühner auf den Spielstart warten. Bauer Berti steht bereit, um sein Federvieh mit Körnern zu versorgen. Als guter Ökobauer sorgt er natürlich für seine freilaufenden Hühner. Da wird kein Futter in den Stall gepackt, nein, bei ihm fliegt es im hohen Bogen ins Hühnergehege.
Was im klassischen Hütchenspiel die Wurfhand ist, stellt bei ZOFF IM HÜHNERHOF Bauer Berti dar, der eine flexible Futterkelle besitzt, mit der mit dem richtigen Schwung Holzkörnerfutter in die Felder des Hühnerhofs katapultiert werden können. Vor Spielbeginn sollten jedem Spieler erst einmal fünf Probeschüsse zugebilligt werden, damit die Körner auch wirklich bei den Hühnern landen. Jeder startet mit zehn Körnern, weitere fünf werden auf in den Ecken befindliche Wurmfelder gelegt. Die Zielfelder eröffnen Aktionsmöglichkeiten, so gibt die Anzahl der Blumen die Bewegungsweite eines dem Spieler zugeordneten Huhns vor. Die Hühner flattern vom Stall in den Hof und bewegen sich dort vor allem in Richtung der Körner, von denen möglichst viele eingesammelt werden. Treffen die Spieler ein Feld mit einer Rabenfeder, hüpft dieser aufgeregt auf seinem Lattenzaun ein Feld weiter, das macht er so lange, bis schließlich ein Fuchs hinter dem Rabenzaun auftaucht und für erhebliche Unruhe unter den Hühnern sorgt. Ab sofort vergessen die Hühner das Körnerpicken und eilen – hoffentlich gut gesteuert durch Bauer Berti – in den Stall zurück. Wer weite Wege zu gehen hat, benötigt das ein oder andere Korn mehr, das in den Hof geschnipst werden muss. Wer zum Schluss die meisten Körner übrigbehalten hat, gewinnt nach 15 bis 20 Minuten vergnüglichen Katapultierens den ZOFF IM HÜHNERHOF.
Verlag und Autor haben mit ZOFF IM HÜHNERHOF ein hervorragendes Geschicklichkeitsspiel entwickelt, das einen hohen Aufforderungscharakter für Kindergartenkinder ab fünf Jahren besitzt. Für jüngere Kinder stellt die Futterwippe mit Bauer Berti zu hohe Anforderungen. Schnipp-Künstler sind natürlich im Vorteil. Wer es durch Übung schafft, gezielt Felder anzusteuern, kann nur durch andere Übungsmeister geschlagen werden. Erste taktische Überlegungen werden auch schon angestellt, das Einbeziehen des Auftauchens des Fuchses reguliert nach den ersten Spielrunden die Bewegungsweite des eigenen Huhns. Marco Teubner erweist sich einmal mehr als Spieleautor, der ein gutes Händchen für ungewöhnliche Spielideen im Kinderspielbereich besitzt. Mit dem Magnetspiel BRAVO PIEPINO (Selecta, 2005) hatte er schon einen guten Einstieg, den er nun mit ZOFF IM HÜHNERHOF noch erfolgreicher fortsetzt.
Titel: ZOFF IM HÜHNERHOF
Autor: Marco Teubner
Verlag: Haba
Spieler: 2- 4
Alter: ab 5 Jahren
Spieldauer: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 29 €
Spiel 26/2007 R193/2021 Rezension erschien 2007 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der 49jährige Marco Teubner gehört zu den bekanntesten und erfolgreichsten Spieleautoren Deutschlands. 2003 versuchte sich der damals frisch diplomierte Kulturwissenschaftler Marco Teubner auf dem Autorentreffen in Göttingen. Mit BONOBO & CO, einem taktischen Legespiel rund um Zipfelkrötenfrosch und Zilpzalp und WILDSCHWEIN WILLIS WILDEr WÜHLEREI konnte der junge Autor aus Oberbayern die damaligen Juroren des Spieleautoren-Stipendiums überzeugen und als siebter Preisträger seine Praktika antreten.
2005 folgten die ersten Publikationen. WILLI, das WILDSCHWEIN durfte bei Goldsieber wühlen und mit BRAVO PIEPINO erschien sein erstes Spiel bei Selecta. Nach 2005 stellten sich bald weitere Erfolge ein. Schon ein Jahr später landete er mit ZOFF IM HÜHNERHOF (Haba) auf der Empfehlungsliste der Kinderspieljury, 2007 gelang das mit PINO SORTINO (Selecta) gleich noch einmal und ein weiteres Jahr später folgte für CURLI CULLER (Selecta) die erste Nominierung zum Kinderspiel des Jahres. In dieser Zeit kam mit Entwicklungen wie WIR SPIELEN EINKAUFEN (Ravensburger) und einem frühen tiptoi-Engagement zusammen mit Heinrich Glumpler neben den Ehrungen auch finanzieller Erfolg dazu.
2016 kann Teubner auf viele weitere Spiele auf der Empfehlungsliste für das „Kinderspiel des Jahres“ zurückblicken und vor allem zwei weitere Nominierungen, 2012 für DIE KLEINEN DRACHENRITTER (Huch) und 2016 für STONE AGE JUNIOR vorweisen. Wobei die dritte Nominierung den lang verdienten Erfolg mit der Überreichung des blauen Pöppels für STONE AGE JUNIOR brachte.
Inzwischen lässt sich Teubner nicht nur mit Kinderspielen in Verbindung bringen. Bei moses. arbeitet er mit Spielen wie SAFEHOUSE und KILLERCRUISE mit Sebastian Fitzek zusammen, legendär ist auch seine KNEIPENQUIZ-Reihe mit Heinrich Glumpler.
Für DODO – RETTET DAS WACKEL-EI hat er ganz aktuell den Deutschen Kinderspielpreis 2021 in Essen gewonnen.
Das Bild zeigt Teubner als Preisträger des Spieleautoren-Stipendiums der Jury Spiel des Jahres 2003.
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