Sonntag, 18. August 2019
HASE UND IGEL
40 Jahre „Spiel des Jahres“ feiert die Jury 2019. Zu diesem Anlass wurde wie im ersten Jahr der Preisverleihung abermals eine Ministerin zur Preisübergabe eingeladen. 1979 war es die Familienministerin Antje Huber, die den Preis an David Parlett und Ravensburger für HASE UND IGEL überreichte. 2019 war es die Kulturstaatsministerin Monika Grütters, die Bruno Sautter zu JUST ONE beglückwünschte. Viel Beachtung fand obendrein der Tag der Brettspielkritik, den die Jury zum Jubiläum vor der Preisverleihung für das Kinderspiel des Jahres im Juni in Hamburg durchführte.
Ich will nur zum Teil auf die 40 Jahre und 41 Preisträger eingehen, sondern hauptsächlich der Frage nachgehen, ob Parletts Spiel heute noch von Interesse ist. Von den ersten zehn Preisträgern ist nur die Hälfte immer noch auf dem Markt. Dazu gehört der zweite Preisträger RUMMIKUB, der aktuell von Jumbo vertrieben wird. FOCUS von Sid Sackson, das dritte ausgezeichnete Spiel, ist schon lange vom Markt verschwunden, war allerdings zwischenzeitlich in den 90er Jahren in einer Kosmos-Ausgabe erhältlich. Ravensburger ist dem vierten und fünften Preisträger, SAGALAND und SCOTLAND YARD, die ganze Zeit über treu geblieben, was für HASE UND IGEL übrigens nicht gilt, das ab 2000 für einige Jahre Abacus im Programm hatte. Entsprechendes gilt für HEIMLICH & Co. (Sieger 1986), das Amigo seit 2001 im Programm hat. Die Preisträger 1984 (DAMPFROSS), 1985 (SHERLOCK HOLMES CRIMINAL-CABINET), 1987 (AUF ACHSE) und 1988 (BARBAROSSA UND DIE RÄTSELMEISTER) hat aktuell kein Verlag mehr im Programm. Damit gibt es zurzeit nur noch die vier Spiele von Ravensburger auf dem Markt, eines davon im Vertrieb von Amigo und den Klassiker RUMMIKUB, der wie MÄDN und MONOPOLY wahrscheinlich auch in ferner Zukunft nachgefragt werden wird.
HASE UND IGEL, der kalkulierbare Wettlauf mit Karotten, gehört meiner Meinung nach ebenfalls zu den Spieleklassikern. David Parlett hat das Spiel 1973 bei dem englischen Verlag Intellect Games veröffentlicht, der nur in den frühen 70er Jahren Spiele publiziert hat. 1978 hat Erwin Glonegger die Recht für Ravensburger sichern können und damit den perfekten ersten Preisträger für die neue Spieleauszeichnung veröffentlicht.
HASE UND IGEL ist ein ideales Familienspiel. Ein einfaches Laufspiel, das eine Menge taktische Möglichkeiten bietet und einiges an Ressourcenmanagement verlangt, da man am Ende keine Salatkarten und nicht zu viele Karotten besitzen darf. Parlett hat dafür ein ausgeklügeltes System der kleinen und großen Hasensprünge entwickelt und den Igel für das Zurückgehen und den Karottenzugewinn eingebaut. Wer will, kann sich über Hasenkarten dem Glück aussetzen, das in der aktuellen Fassung aber deutlich geringer ausfällt als früher. Damals bestand der große Anreiz darin, auf die „Friss sofort einen Salat“-Karte zu stoßen, die man jetzt vergeblich sucht. Für Grundschulkinder ist Parletts Spiel der beste Mathe-Ersatz, die verlangten Rechenoperationen ersetzten mindestens drei Monate Mathe-Unterricht und das en passant. Das, was verlangt wird, traut Ravensburger übrigens aktuell erst Kindern ab zehn Jahren zu. Meine Erfahrungen zeigen, dass die Ersteinstufung von 1979 mit acht Jahren gar nicht so falsch war.
Die aktuelle Auflage entspricht optisch fast dem Original. Neu ist allerdings ein doppelseitiger Spielplan, der die Lauffelder für zwei und drei Spieler neu anpasst, sodass bestimmte Bonusfelder gezielter angesteuert werden können. Was nicht so schön ist, das Rennspiel fällt deutlich kleiner aus in Hinblick auf die Schachtel, das Material und vor allem den Spielplan.
Sonst gilt aber, HASE UND IGEL kann mit Blick auf Spielspaß und die vielen kleinen Spannungsbögen im Spielablauf mit den meisten aktuellen Spielen gut mithalten. Dieser Klassiker gehört in jede Spielesammlung. Wenn Sie es auf dem Flohmarkt entdecken, dann kaufen Sie eine schöne große Fassung aus den 80er Jahren, sonst ist das aktuelle Remake von Ravensburger eine gute und preiswerte Alternative. Der Neupreis von der Firma am Bodensee ist nicht weit weg von den eBay-Preisen gebrauchter alter Fassungen, die mit Porto um die 15 Euro liegen.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: HASE UND IGEL
Autor: David Parlett
Grafik/Design: Eckard Freytag, Walter Pepperle
Verlag: Ravensburger
Alter: ab 10 Jahren
Spielerzahl: 2 - 6
Spielzeit: ca. 30 - 60 Min.
Preis: ca. 19 Euro
Spiel 57/2019
Samstag, 17. August 2019
ZOGEN
Vorwiegend japanische Autoren hat der Oink Verlag bisher veröffentlicht, dabei meistens Spiele des Verlagsgründers Jun Sasaki, der durch TIEFSEEABENTEUER und A FAKE ARTIST GOES TO NEW YORK besondere Aufmerksamkeit erreichte. Markenzeichen von Oink Games sind die prall gefüllten, kleinen, glänzenden Stülpschachteln mit minimalistischen Design. Für die deutsche und europäische Lokalisierung vieler Spiele ist die Japanologin Laura Grundmann zuständig, die die Dependance des japanischen Verlages von Köln aus leitet.
Unter den aufbereiteten Neuheiten, die Grundmann auf der Berlin-Con vorstellte, ist auch ein Spiel eines deutschen Autorenpärchens. Anja Wrede und Christoph Cantzler kooperieren schon seit 2006 und haben fast 20 Spiele gemeinsam veröffentlicht, darunter Kinderspiele wie DRAGI DRACHE (2012) und Familienspiele wie WINSTON (2018). Beide bewegen sich oft im Grenzbereich zwischen Kinder- und Erwachsenenspiel, beide lieben kommunikative Aktionsspiele
Hier ist auch ZOGEN angesiedelt. Wrede und Cantzler „zogen“ zwar bei der Spielentwicklung an einem Strang, aber der Spieltitel besitzt keinen Bezug zur deutschen Sprache. Es ist ein Phantasiewort, das uns in die Welt der Mikroorganismen führt. Die ZOGEN-Welt bevölkern vier Bakterien, für die ich mir ähnlich erfundene Namen gewünscht hätte, sie heißen aber ganz profan „Sonne“, „Wolke“, „Berg“ und „Mond“. Warum das so ist, wird schnell deutlich, wenn der Spielablauf klar ist.
ZOGEN ist ein Ablegespiel á la SPEED und HALLI GALLI, wobei klar sein dürfte, dass in die winzige Oink-Schachtel keine Glocke passt. Jeder startet mit einen Kartensatz von 16 Bakterienkarten, wobei null bis vier der Bakterien auf den Karten zu finden sind. Ausgehend von einer Startkarte dürfen alle Spieler gleichzeitig den Kartenstapel mit Bakterien weiter erhöhen, sofern die neue Karte ein Bakterium mehr oder weniger als die zuvor gelegte Karte aufweist. Das allein wäre nicht allzu schwer. Die Hürde, die sich Wrede&Cantzler zusätzlich ausgedacht haben, besteht im Benennen des fehlenden oder zusätzlichen Bakteriums. Da macht es Sinn, eher Namen mit Bezug zu den Bildern der Bakterien zu nehmen. So sieht das runde Bakterium mit kleinen Strahlen schon wie eine „Sonne“ aus, sowie der halbsichelförmige „Mond“ als solcher erkennbar ist.
Schummeln ist nicht explizit untersagt. Wer im Eifer des Ablegens die „Sonne“ nennt, obwohl der „Berg“ fehlt, kann in der Hektik des Geschehens durchaus ungeschoren davonkommen. Es sei denn, ein aufmerksamer Mitspieler ruft „ZOGEN“ in die Runde, was dann wohl so viel wie „Schummler“ bedeutet. Wer beim Täuschen erwischt wird oder wer falsch anschuldigt, bekommt alle bisher gespielten Karten seiner Farbe zurück auf die Hand, alle anderen Karten werden abgelegt. Die Runde endet, wenn ein Spieler nur noch drei Karten auf der Hand hält oder alle geklopft haben, um zu signalisieren, dass sie nicht mehr ablegen können. Wer die wenigsten Karten auf der Hand hat, erhält einen 3-Punkte-Marker, auch der zweite und dritte Platz wird noch mit Markern belohnt. Gleichstände werden mit identischen Wertungsmarkern abgerechnet. Wer so sieben Punkte erreichen konnte, gewinnt die Partie ZOGEN nach etwa 20 Minuten.
Spieler, für die diese Grundregeln keine Herausforderung mehr darstellen, sollten die Bakterien umbenennen. Fangt einfach mit den japanischen Bezeichnungen "Maru", "Yama", "Tsuki" und "Shiri" an oder denkt euch andere Namen aus. Reizvoll ist auch die Herausforderung, bei der der Rundensieger ein Bakterium mit neuem Namen versieht, der dann für die nächsten Runden gilt. Dadurch wird das Spiel immer verzwickter.
Das hektische ZOGEN ist nicht jedermanns Sache. In Vollbesetzung zu sechst gibt es ein ganz schönes Durcheinander, bei dem es schwer wird, Fehler zu entdecken und Schummler zu entlarven. Wer solche chaotischen Spiele mag, kann sogar Taktiken beim Ablegen entwickeln. Das Vorsortieren von Karten macht Sinn, so lassen sich Combos einrichten, die schnelle Ablagen möglich machen, sofern man auch schnell genug weiß, was fehlt oder was dazu gekommen ist. Hilfreich ist es, bei der Kartensortierung auch an die Ausrichtung der quadratischen kleinen Kärtchen zu achten. Ich ordne die „Sonne“ immer links unten ein und weiß, dass daneben der „Berg“ auftaucht und darüber „Wolke“ und Mond“ sind. Wer zu langsam ist, dem darf man durchaus einen Nachteilsausgleich gewähren, er startet einfach mit weniger Karten. Im Bereich der schnellen Ablegespiele haben Anja Wrede und Christoph Cantzler solide Kost abgeliefert, der Infektionsgefahr stelle ich mich gerne nächste Woche wieder.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: ZOGEN
Autoren: Anja Wrede, Christoph Cantzler
Grafik/Design: Jun Sasaki
Verlag: Oink Games
Alter: ab 6 Jahren
Spielerzahl: 2 - 6
Spielzeit: ca. 20 Min.
Preis: ca. 18 Euro
Spiel 56/2019
Donnerstag, 15. August 2019
AUF DIE BLÜTE, FERTIG, LOS!
Im Gegensatz zu meinem Kollegen Udo Bartsch mache ich es mir mit der Einleitung leicht, da ich meistens auf den Autor oder die Autorin eingehe. Das folgende Spiel hat eine Autorin, für die einleitenden Worte muss sie sich aber etwas gedulden. Ausnahmsweise okkupiert das Spielmaterial die ersten Zeilen. Die Firma eitech aus dem thüringischen Pfaffschwende, im Grenzbereich zu Hessen, ist in den 50er Jahren in der DDR gegründet worden. Ab 1977 hat der damalige Volkseigene Betrieb Spielwarenmechanik sehr erfolgreich Metallbaukästen produziert, sodass sogar die Privatisierung nach der Wende gelang. Inzwischen gibt es neben den Metall- und Steinbaukästen sogenannte „anbac“-Produkte. Das ist hauptsächlich Spielzeug wie Bausteine, Greiflinge, Stapelbecher, das seit 2014 auf dem Markt ist. Das Besondere an dem Materialmix aus Kunststoff und Naturholz ist die namengebende beschleunigte antibakterielle Wirkung. Nach acht Stunden ist das Kinderspielzeug keimfrei und daher besonders für Kindergärten und Schulen geeignet. Das vollständig in Thüringen hergestellte Material-Gemisch ist inzwischen auch mit Öko-Siegel ausgezeichnet.
Jetzt gibt es das erste Spiel aus diesem Kunststoff-Holz-Gemisch. Die 32-jährige Industriedesignerin Sarah Stark arbeitet seit 2012in Halle unter Logo „Strietzi“ als Spiel- und Lerndesignerin. Vorwiegend hat sie bisher Produkte wie Kreisel, Handschmeichler und ein Schaukelpferd für nic-Toys entworfen, AUF DIE BLÜTE, FERTIG, LOS!, das Spiel für eitech, ist ihre erste Spieleveröffentlichung.
Bei AUF DIE BLÜTE, FERTIG, LOS! hat sich die Autorin ein Geschicklichkeitsspiel mit ungewöhnlichem Material ausgedacht. Im Zentrum steht dabei eine zauberhafte Blume mit drei ineinandergesteckten Blütenkänzen, deren neun Staubblätter deutlich herausragen. Der ineinander gesteckte Aufbau, der an den Klassiker ARBOS erinnert, der 2000 den Sonderpreis Kinderspiel erhielt, ergibt einen kippligen Blumenaufbau. Diese Wackelblume müssen neun filigrane Schmetterline ansteuern, die wie kleine Kolibris mit einem langen Nektarrüssel ausgestattet sind.
Eine winzige Vertiefung im Staubblatt macht eine Landung des Schmetterlings möglich, der sich mit seinem Rüssel verankert. Haben das die Kinder einmal raus, müssen sie nur auf gleichmäßige Gewichtsverteilung achten und sollten nicht vor Anstrengung pusten, denn die Schmetterlinge flattern dann im Wind. Stark liefert dazu ein umfangreiches Regelpaket mit vielen kooperativen und kompetitiven Varianten für Kinder ab vier Jahren. Meistens greift sie dabei auf Kartensteuerung zurück, die den Landeplatz des Schmetterlings vorgeben oder vorher Geschicklichkeitsübungen verlangen, wie das Balancieren eines Tieres auf der Nase.
AUF DIE BLÜTE, FERTIG, LOS! trainiert das feinmotorische Agieren von Kindergartenkindern vorzüglich. Im Grunde genommen hätte es gar nicht der Karten bedurft, die zum Teil Anforderungen ergeben, die nur ganz schwer lösbar sind. Zurecht hebt die Autorin bei den Varianten mit den Karten das Einstiegsalter auch höher auf sieben Jahre an. Das „anbac“-Material eignet sich für erstaunlich exakte Formen. Die filigrane Rüssel-Staubbeutel-Verbindung wird perfekt umgesetzt. Gewöhnungsbedürftig ist, dass diese Plastik-Holzmischung auf dem Material einen eher fleckigen Charakter hinterlässt, was besonders bei den gelben Schmetterlingen auffällt. Schön ist dagegen, dass der Holzanteil zum Teil deutlicher spürbar ist, so wirken die weißen Blütenblätter fast ganz wie aus Holz.
Verlag und Autorin ist mit AUF DIE BLÜTE, FERTIG, LOS! ein ungewöhnliches Geschicklichkeitsspiel gelungen, das sogar in Runden mit Erwachsenen funktioniert. An das oben erwähnte ARBOS kommt es wegen der Beschränkung auf nur neun unterzubringende Schmetterlinge nicht heran, aber trotzdem ist „Strietzis“ Spieleerstling ein starker Anfang. Das antibakterielle anbac-Material bewährt sich auch in der Spieleproduktion.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: AUF DIE BLÜTE, FERTIG, LOS!
Autor: Sarah Stark
Grafik/Design: Sarah Stark
Verlag: eitech
Alter: ab 4 Jahren
Spielerzahl: 1 - 9
Spielzeit: 5 -20 Min.
Preis: ca. 25 Euro
Spiel 55/2019
Mittwoch, 14. August 2019
EXIT DIE KÄNGURU-ESKAPADEN
Marc-Uwe Kling avanciert zum Hausautor bei Kosmos. Seit HALT MAL KURZ und GAME OF QUOTES erscheinen im jährlich Rhythmus Spiele des 37jährigen Liedermachers und Kleinkünstlers Kling, der durch die regelmäßige Heimsuchung eines kommunistisch angehauchten Kängurus über Berlin hinaus in der ganzen Republik bekannt wurde und das vor allem durch die unnachahmlich vorgelesen Hörbücher Klings. Wer von ihm gehört hat, will mit ihm sofort bei Malzkakao abhängen und Pläne für das asoziale Netzwerk schmieden.
Eben dieses asoziale Netzwerk steht im Zentrum eines neuen EXIT-Falls, den KÄNGURU-ESKAPADEN. Rätseltechnisch dürfen wir auf die Anspruchsqualität von Inka und Markus Brandt und deren Redakteur Ralph Querfurth vertrauen. Im Fortgeschrittenen-Level ist so ziemlich alles enthalten, was das Rätselherz begehrt, es wird geschnitten, es darf geknickt und zerrissen werden. Die Überreste lassen jedenfalls – wie üblich – keine zweiten ESKAPADEN zu. Dafür wird man aber Mitglied im asozialen Netzwerk des Kängurus und das hat bisher noch kein EXIT-Fall geboten.
Das Besondere der KÄNGURU-ESKAPADEN, die als fortlaufende Geschichte in der Bundeshauptstadt angelegt sind, ergibt sich aus der Stimme des Erzählers. Dialoge und Erzählung übernimmt Marc-Uwe Kling. In den Genuss seiner Stimme kommt man allerdings nur, wenn die „Erklär-App“ von Kosmos heruntergeladen wird. Es geht auch ohne, hat dafür aber deutlich weniger Flair. Wir bewegen uns in Berlin zwischen Stadtmitte und Ostkreuz. Dabei streifen wir den neuen Ort der Preisverleihung von „Spiel des Jahres“ an der Stralauer Straße, unweit der Oberbaumbrücke. Irgendwann landen wir in der Wohnung von Kling, in Bad, Küche und Wohnzimmer und nach gut einer Stunde und zehn gelösten Rätseln sind wir Teil des asozialen Netzwerks und wenden uns nun gegen „den Terror der Medien, der Regierung und der Wirtschaft“.
Wer EXIT-Spiele mag, wird mit den Rätseln der KÄNGURU-ESKAPADEN gut bedient, der Schwierigkeitsgrad bewegt sich im bewährten Rahmen. Geübte EXIT-Fans kommen so gut wie ohne Hilfekarten aus. Wie üblich gibt es einige Aha-Effekte, die man teilweise aber auch erwartet. Das Besondere an dem Kling-Fall ergibt sich aus der ironischen Einkleidung, die ganz im Stil der KÄNGURU-Trilogie ins Spiel überschwappt. Das macht aus diesem EXIT-Fall schon ein ganz besonderes Erlebnis, das aber an die App-Nutzung gebunden ist. Diesen Fall werde ich nie wieder spielen, was in meiner Wertungshierarchie ein vernichtendes Urteil wäre. Läuft die Kooperation Kosmos&Kling weiter, dann bin ich aber gerne morgen wieder dabei.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: EXIT – DIE KÄNGURU-ESKAPADEN
Autoren: Inka und Markus Brand, Marc-Uwe Kling
Grafik/Design: Sensit Communication
Verlag: Kosmos
Alter: ab 12 Jahren
Spielerzahl: 1 - 4
Spielzeit: 45 -90 Min.
Preis: ca. 13 Euro
Spiel 54/2019
Montag, 12. August 2019
DER SCHWINDELMEISTER
Gamely ist ein kleiner Verlag aus England, den Hazel und Chris Reynolds vor vier Jahren in Brighton gegründet haben. Hazel liebt Partyspiele und adaptiert mit der nötigen Differenzierung bekannte Spielprinzipien. PICTIONARY und TABU standen so Pate bei ihrer ersten Idee RANDOMISE, das auch in Großgruppen gut funktioniert.
Die aktuelle Neuheit, DER SCHWINDELMEISTER, orientiert sich an Alexander Ushans AGENT UNDERCOVER. Wie bei Ushan gibt es bei Hazel Reynolds einen Spieler, der uninformiert die Chinesische Mauer besucht oder beim Italiener Pizza bestellt. Alle seinen Mitspieler wissen, was sie tun, nur er muss seine Unwissenheit vertuschen. In dem Piatnikspiel belasten verbaler Druck und viele inquisitorische Fragen den Geheimagenten. DER SCHWINDEMEISTER darf sich nonverbal aus der Bredouille retten
Dazu bekommt jeder der maximal sechs Spieler eine Karte der gewählten Kategorie. Bis auf eine Person finden alle zehn Begriffe auf dieser Karte. Bei den Sehenswürdigkeiten tauchen u.a. neben der Chinesischen Mauer das Kolosseum und die Niagarafälle auf. Wem schnell eine passende Geste zu einem Ort einfällt, ruft Ziffer oder Buchstabe, die vor und hinter dem Wort stehen, in die Runde und macht eine entsprechende Geste. Alle anderen folgen dann im Uhrzeigersinn. Je nach Position des Schwindelmeisters hat er es dabei leichter oder schwerer. Folgt er gleich nach dem ersten Spieler, darf er diesen nicht zu sehr kopieren, um nicht enttarnt zu werden. In hinterer Position hat er eventuell sogar erkannt, worum es geht und kann sich zielorientiert verhalten. Alle Wissenden wollen nur Andeutungen machen, die dem Insiderkreis signalisieren, ich gehöre zu euch. Dabei will man die Gesten nicht zu eindeutig geraten lassen, da dies dem Gegenspieler zu sehr helfen könnte.
Waren alle einmal gestisch in der Runde beteiligt, folgt die übliche Diskussionsrunde mit Verdächtigunge. die wir auch von den WERWÖLFEN kennen. Am Ende wird abgestimmt. Wird der Schwindler erwischt, kann er das sonst verlorene Spiel nur drehen, wenn er den Begriff errät, den alle vorher pantomimisch dargestellt haben. Wer will, kann das Ganze punktemäßig abrechnen, sodass im Spiel über zehn Runden entweder der Schwindelmeister einen Punkt erhält oder die Restgruppe.
Die Reduzierung auf eine Geste entlastet von dem achtminütigen Druck, den AGENT UNDERCOVER ausübt. Kritiker sagen, damit gehe aber eine Menge Spaß verloren. Die kreativen Dialoge bei Ushan, die Rollen, die den Mitspielern im Umfeldsetting zugewiesen werden, bieten atmosphärisch deutlich mehr als die karge Begrifflichkeit des Schwindelmeisters. Trotzdem sind die Erlebnisse, die durch simple Gestik erreicht werden können, durchaus unvergesslich. Wer einmal „Stille Nacht“ nonverbal transportiert hat, wird wissen, wovon ich spreche.
Auf das Allernotwendigste reduziert bietet DER SCHWINDELMEISTER mit der richtigen Gruppe eine vergnügliche halbe oder ganze Stunde Pantomimenspaß, der besonders reizvoll wird, wenn der Schwindler selbst mit einer Geste startet. Das Gamely-Team will nicht nur Spaß an den Spieltisch bringen, sondern auch Gutes tun. Zehn Prozent ihres Gewinns spenden Hazel und Chris für soziale Projekte. So unterstützen sie eine Begegnungsstätte für Flüchtlinge im Norden Griechenlands und in Brighton ein Urlaubsprogramm für Kinder bedürftiger Familien.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: DER SCHWINDELMEISTER
Autor: Hazel Reynolds
Grafik/Design: o.A.
Verlag: Gamely Ltd.
Alter: ab 12 Jahren
Spielerzahl: 4 - 6
Spielzeit: 15 - 60 Min.
Preis: ca. 13 Euro
Spiel 53/2019
Samstag, 10. August 2019
TKKG GANGSTERJAGD
Der ungarische Spielautor Zoltan Labas lebt als Bühnenbildner und Künstler seit 2004 in Berlin. Der kreative Labas, der schon 1993 mit „Spiele ohne Regeln“ auftrat, erinnert mich in seinem Ansatz, Spiel und Kunst zu verbinden, oft an Reinhold Wittig. Seit zwei Jahren tritt er wieder regelmäßig auf dem Autorentreffen in Göttingen auf. Eines seiner dort gezeigten Spiele hat es 2019 ins Mitbring-Programm von Ravensburger geschafft, ein Zweites ist bei Gerhards Spiel und Design gelandet.
Bei TKKG GANGSTERJAGD ist nichts von der künstlerischen Kreativität Labas zu spüren, aber die Klarheit seiner Spielentwürfe, aus minimalem Regelwerk das Maximum herauszuholen, erkennt man auch an dem kleinen Ravensburger Spiel.
So ein bisschen wirkt die GANGSTERJAGD wie der kleine Bruder von SCOTLAND YARD. Ein Juwelendieb ist in der Stadt unterwegs, gerade der richtige Fall für Tim, Karl, Klößchen und Gaby. Tim und Klößchen verlassen ihr Adlernest im Internat, Karl und Gaby sind ebenfalls als Zweierteam unterwegs. Auch der Cocker-Spaniel Oskar unterstützt trotz blinden Auges die Truppe bei der Suche.
Auf einem für diese kleine Schachtel recht großen Puzzle-Spielplan gehen die Kinder auf die Suche nach dem Juwelendieb, dessen Rolle ebenfalls ein Mitspieler übernimmt. Tim & Co. gewinnen, wenn sie genau das Feld des Gangsters treffen oder ihn in die Enge treiben. Der Dieb gewinnt, wenn er die vier Juwelen, die in den Eckfeldern liegen, stehlen kann.
Die Zugbewegungen über die 54 Stadtfelder hat sich Labas einfach, aber für Kinder taktisch anspruchsvoll ausgedacht, deshalb wird die GANGSTERJAGD auch erst für Kinder ab acht Jahren empfohlen. Auf dem Plan gibt es für jedes Feld meist zwei Zahlen, teilweise vorgedruckt, teilweise variabel durch 32 Zahlenchips. Wer beispielsweise auf einem Feld mit einer „5“ und „2“ steht, darf im nächsten Zug nach links oder rechts zwei oder fünf Felder weit ziehen. Das macht die Bewegung aller Figuren kalkulierbar und vor allem das Gewinnen für den Juwelendieb verdammt schwer.
Da klar ist, dass dieser die vier Eckfelder ansteuern und diese mit genauer Bewegungszahl treffen muss, kann das TKKG-Team mögliche Sprungfelder vorher analysieren. Das ist eine schöne Denk- und Knobelaufgabe mit recht großer Siegchance für die Kinder-Detektive. Dieb und Detektive ziehen stets im Wechsel, sodass die Verfolgungsjagd eigentlich ein Zweipersonenspiel ist. Bei den vielen Zugalternativen macht gegenseitige Beratung aber Sinn, sodass GANGSTERJAGD auch zu viert funktioniert. Einen kleinen Nachteilsausgleich hat der Juwelendieb durch drei Gangster-Chips. Mit zweien von ihnen darf er die beiden Zahlen seines Feldes addieren oder subtrahieren. Dadurch sind dann Sprünge bis zu elf Feldern möglich, die den Dieb oft entkommen lassen. Mit dem dritten Chip können Zahlenchips getauscht werden. TKKG greift nur auf die Hilfe von Oskar zurück, der immer wieder ein beliebiges Feld bewachen und damit blockieren kann.
Die Grundidee der strategischen Bewegungsschritte gefällt mir gut, die Chancen sind aber trotz der drei Gangsterchips nicht gleichgewichtig verteilt. Wenn nur noch ein Collier gestohlen werden muss, kann GANGSTERJAGD sich auch ganz schön hinziehen. Hier hätten dem Dieb vielleicht noch zusätzliche Rechen-Chips zugestanden werden sollen, zum Beispiel nach jedem gelungenen Raub. Als Hausregel haben wir zusätzlich eingeführt, dass der Dieb nicht exakt in seine vier Zielhäuser kommen muss.
GANGSTERJAGD von Zoltan Labas ist ein Spiel mit hohem Aufforderungscharakter für Grundschulkinder und Erfolgserlebnissen auf der politisch korrekten Seite.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: TKKG GANGSTERJAGD
Autor: Zoltan Labas
Grafik/Design: brodesign
Verlag: Ravensburger
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 2 - 4
Spielzeit: 5 - 20 Min.
Preis: ca. 7 Euro
Spiel 52/2019
Freitag, 9. August 2019
DRAFTOSAURUS
Besprechung erscheint in der spielbox Heft 5/2019
Hinter der Spieleschachtel von DRAFTOSAURUS stecken ebenso viele Personen wie Saurierarten, das Kaedama-Team um Antoine Bauza mit Corentin Lebrat, Ludovic Maublanc, Théo Rivière und die Grafiker Jiahui Eva Gao und Vipin Alex Jacob. Bauza, der Autor von 7 WONDERS, lässt diesmal keine Weltwunder wandern, sondern 60 kleine Holzsaurier.
Bauza & Co. gehen davon aus, dass in naher Zukunft nicht nur Plastikgiganten und Knochengerippe in Naturkundemuseen und Dino-Parks wie in Münchehagen zu sehen sein werden, sondern echte Dinos. Mit Holzdinos können wir diese Situation vorwegnehmen und eigene Saurier-Gehege mit T-Rex, Diplodocus und Triceratops einrichten.
Dafür bestücken wir in zwei Runden sechs Gehege mit zweimal sechs Sauriern, die wir zuvor aus einem etwas klein geratenen Säckchen ziehen.
...
Familienspielvergnügen pur ist angesagt, mit tollem Material und ordentlicher Regel. Board Game Box, ein Schweizer Verlag mit deutscher Niederlassung in Offenburg, hat für eine gute deutsche Lokalisierung gesorgt. Abzüge gibt es nur für den kleinen Beutel und für das Spiel in Vollbesetzung.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: DRAFTOSAURUS
Autoren: Antoine Bauza, Corentin Lebrat, Ludovic Maublanc, Théo Rivière
Grafik/Design: Jiahui Eva Gao, Vipin Alex Jacob
Verlag: Ankama / Board Game Box
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 2 - 5
Spielzeit: ca. 15 Min.
Preis: ca. 22 Euro
Spiel 51/2019
Donnerstag, 8. August 2019
SENATORS
Haig und Rikki Tahta, Vater und Sohn, harmonieren gut miteinander. Jeden Sommer reisen ihre Familie und Freunde zu spielerischen Wochen nach Frankreich. Dort sind Spiele wie COUP und DAS CHAMÄLEON entstanden, die der Sohn Rikki erfunden hat. Seit zwei Jahren liegt auch ein gemeinsam entwickeltes Spiel der beiden Autoren mit SENATORS vor, in dem es gar nicht so harmonisch zugeht. Wer eine Einstimmung mit taktischen Tipps haben möchte, dem empfehle ich das Video des Vater-Sohn-Teams, das sie zu ihrem Spiel in ihrem französischen Urlaubsdomizil aufgenommen haben.
Für Liebhaber von Versteigerungsspielen á la MODERN ART oder KUHHANDEL ist SENATORS genau das Richtige, allerdings muss man sich auf aggressivere Komponenten einstellen. Die Tahtas versetzen uns in die Endphase der Römischen Republik, ins ausgehende 1. Jahrhundert v. Chr. Bürgerkriege erschüttern die römische Demokratie, die droht, durch Alleinherrscher abgelöst zu werden.
Im Spiel kaufen sich drei bis fünf Spieler die Unterstützung möglichst vieler Senatoren. Für den nötigen Gelderwerb läuft ein Ressourcenmanagement über sechs Warensorten in unterschiedlichen Werten ab. Wer am Zug ist, deckt eine Ereigniskarte auf, die oft zu variablen Versteigerungsformen um einen Senator führt. Das gilt auch für das Aufdecken einer „Krieg“-Karte, die gleichzeitig das Ende näherbringt. Kommt es zum vierten „Krieg“, ist nämlich sofort Schluss.
In der eigentlichen Aktionsphase darf ein Spieler eine Versteigerung auslösen, bei der drei Waren- und eine Ämterkarte aufgedeckt werden. Geboten werden darf dabei auf beliebig viele Karten. Der aktive Spieler entscheidet ähnlich wie bei KUHHANDEL, ob die Karte verkauft wird oder ob er sie dem Bietenden zum identischen Preis abkauft.
Die zweite Aktionsmöglichkeit bringt die perfide Prise Gemeinheit ins Spiel, die SENATORS deutlich von anderen Versteigerungsspielen unterscheidet. Reihum dürfen die Mitspieler um schon erworbene Karten gebracht werden. Dazu wird ein Preis für die gewünschte Karte vorgegeben, wird dieser akzeptiert, zahlt der aktive Spieler und erhält eine Waren- oder Ämterkarte. Wer seine Karte unbedingt behalten möchte, muss die Forderung begleichen. So erworbene Ressourcen sind aber fortan geschützt.
Mit der dritten Aktionsmöglichkeit lassen sich Zahlen- oder Farbsets in Geld umtauschen, mit dem dann Senatoren eingekauft werden können, die auf einer Senatsleiste bilanziert werden. Die Senatoren kosten zehn Talente, bei Geldknappheit muss man sie aber für fünf Talente verkaufen. Alle starten zwar mit fünf Senatoren, aber Verluste treten schnell auf. Wer keinen Senator mehr besitzt, scheidet vorzeitig aus. Daraus ergeben sich hinterlistige Konstellationen. Wer gerade fast sein letztes Geld für eine wertvolle 9er-Karte ausgegeben hat, wird vielleicht in der nächsten Runde so erpresst, dass er einen Senator verkaufen müsste, um die Karte zu behalten. Damit solche Situationen nicht glasklar kalkuliert werden können, bleibt der jeweilige Geldbesitz hinter einem (etwas kleinen) Sichtschirm geheim.
Das Ende kann sehr plötzlich kommen, denn es sind fünf „Krieg“-Karten im Spiel. Die Ereigniskarte selbst wird nicht mehr abgewickelt. Der Spieler mit den meisten Senatoren gewinnt, bei Gleichstand entscheidet das meiste Geld. Wer etwas kalkulierbarer mit der Kriegssituation umgehen möchte, teilt die Ereigniskarten und mischt zwei der „Krieg“-Karten in den ersten Stapel und die restlichen drei in den zweiten, sodass die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass im Spiel zu viert mindestens vier Runden gespielt werden,
Dieses gemeine Spiel muss man mögen. Es lässt keinen kalt, führt aber zu Frustrationen. Da sind auf der einen Seite die Abhängigkeiten von Ereigniskarten, die nicht nur Versteigerungen bringen, sondern auch Geldverluste wie durch den „Bürgerkrieg“, der fünf Talente kostet. Hinzu kommen die Erpressungsphasen, die nichts für harmoniebedürftige Spieler sind. Kritik wird auch am nicht kalkulierbaren Ende geäußert. Gerecht geht es wahrlich nicht zu, wenn man die mühsam erworbenen Getreidewerte 7,8,9 nicht mehr in Senatoren umwandeln kann, die einen den Sieg beschert hätten.
Wer sich aber auf diese Konfrontationen einlässt, einigermaßen gut mit den Talenten haushalten kann, wird großes Vergnügen an diesem hinterlistigen Bietspiel haben. Da kribbelt es ständig, da lockt die Gemeinheit, da wird sogar das Aufdecken von Ereigniskarten richtig spannend. SENATORS erzeugt Emotionen pur am Spieltisch. Vater und Sohn Tahta sorgen für ein hundsgemeines Spielerlebnis, das ich nicht missen möchte.
Für die deutsche Übersetzung zeichnet Johannes Kastner verantwortlich, der unter JoeKas World das Spiel vertreibt. Inzwischen gehört dieser Vertrieb zum Heidelberger Spieleverlag, für den Kastner früher schon gearbeitet hat.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: SENATORS
Autoren: Haig und Rikki Tahta
Grafik/Design: Pascal Quidault
Verlag: Ferti Vertrieb: JoeKas World/Heidelberger Spieleverlag
Alter: ab 10 Jahren
Spielerzahl: 3 - 5
Spielzeit: ca. 40 Min.
Preis: ca. 25 Euro
Spiel 50/2019
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