Donnerstag, 31. Oktober 2019
TEAM3
Auf gute Plätze bei der Fairplay Scoutaktion scheint der Verlag Abacusspiele abonniert zu sein. Mit CITY OF ROME landete der Verlag aus Dreieich 2018 neben BELRATTI auf dem ersten Platz. In diesem Jahr hat TEAM3 immerhin den Bronzeplatz erreicht. Das Siegerspiel von Matthew Dunstan und Brett J. Gilbert ging im letzten Jahr etwas unter und rangierte deutlich hinter Stefan Felds CARPE DIEM. TEAM3 kann man jetzt schon einen Siegeszug voraussagen, ähnlich wie bei der Übernahme der SHERLOCK-REIHE hat hier das Team um Pia und Joe Nikisch einen ausgezeichneten Riecher bewiesen. Diese Spielidee wird garantiert ein Dauerbrenner.
TEAM3 ist ein kooperatives Bauspiel der beiden Amerikaner Alex Cutler und Matt Fantastic. Das Autorenteam geht aus vom Verhalten der bekannten drei Affen, die nichts sehen, nichts hören und nicht sprechen. Dieses Bild für eigentlich mangelnde Zivilcourage, bei der man das Schlechte nicht wahrhaben will, wird in TEAM3 nicht moralisch bewertet, sondern nur als Spielanweisung benutzt.
Im Spiel sind zwei Sätze von fünf verschiedenen tetrisartigen Plastikbauteilen, die für durch Karten vorgegebene Bauaufgaben benutzt werden. Da gibt es einfache Aufgaben mit nur fünf Teilen und schwerere bei denen sogar alle Steine vorkommen können. Im normalen Spiel zu dritt übernimmt ein Spieler die Rolle des Architekten, der die Bauaufgabe bekommt, aber nichts sagen darf. Der Bauleiter hört nichts, er reagiert auf die nonverbalen Impulse seines Architekten und setzt diese in Baubeschreibungen und Anweisungen um, die sein Bauarbeiter, der nichts sieht, tastend hinbekommen muss. Drei Minuten Sandrieseln wird dem Team Zeit gelassen, die Aufgabe zu bewältigen. Das Spiel endet, wenn die Gruppe so viele Bauwerke korrekt errichten konnte, wie Spieler beteiligt sind und Schwierigkeitsgrade im Spiel waren. Zu dritt und bei einfachen Aufgaben ist damit nach vier erfolgreichen Baurunden Schluss. Wer so oft scheitert, wie Spieler teilnehmen verliert TEAM3. Mit Aussetzen können auch mehr als drei Spieler beteiligt sein.
Kompetitiv funktioniert alles auch zu sechst, wenn zwei Teams gegeneinander antreten. Dann blicken die Architekten gemeinsam auf eine Baukarte und vermitteln ihren Teams alles Notwendige. In dieser Variante wird die Sanduhr nicht benötigt, das Team, das als erstes fertig ist, erhält die Baukarte. Gespielt wird auf sechs Gewinnrunden. Da es zwei Fassungen des Spiels in grüner und pinker Farbe mit unterschiedlichen Kartensätzen gibt, können bis zu vier Teams gegeneinander antreten. Jede Fassung besitzt eine eigene Mini-Erweiterung. In der grünen Packung steckt „Mind Merge“ für genau fünf Spieler. Der Bauarbeiter übernimmt dabei eine Doppelrolle, er baut linkshändig und rechtshändig mit jeweils einem Bausatz nach den Anweisungen, die er von rechts und links erhält. Die pinke Erweiterung fordert das Vorstellungsvermögen, da es hier einen speziellen Kartensatz zusätzlich gibt, der die dreidimensionalen Gebäude nur in Seitenansicht zeigt.
Jede Rolle spielt sich anders und hat ihre eigenen Hürden. Der Architekt muss schnell nonverbale Beschreibungsformen für die fünf Bauformen entwickeln. Da wird ein „W“ in die Luft gezeichnet und schon ist klar, er meint das gelbe Bauteil. Schwieriger ist die Positionierung, bei der Bewegungen, Drehungen und Verschiebungen mit beiden Händen angedeutet werden. Dieses Handwirrwarr muss der Bauleiter erst einmal verstehen und dann dem blinden Bauarbeiter vermitteln. Der ist nur tastend unterwegs, sollte aber, sofern die gewünschten Teile in seiner Hand sind, selbst schon einmal experimentieren. Wenn er so zufällig die gewünschte Position findet, wird der Architekt schnell seinen Daumen nach oben zeigen.
Die Handicaps machen TEAM3 so unterhaltsam, jeder ist mehrmals stumm, taub oder blind und kann sich in die Schwierigkeiten der Rollen einfinden. Da wird viel gelacht, mitgefiebert und begeistert abgeklatscht. Besonders die kompetitive Variante ist spannend, aber auch die grüne Erweiterung für fünf Spieler, bei der es meist knapp zugeht. Nicht nur am Spieltisch, sondern auch in Schulen und im Management Training wird TEAM3 zukünftig eine wichtige Rolle spielen, für Teambuilding-Prozesse kann ich mir kaum eine bessere Übung vorstellen.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: TEAM3 (grün oder pink)
Autoren: Alec Cutler, Matt Fantastic
Grafik/Design: Reinis Pētersons
Verlag: Abacusspiele
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 3 - 6
Spielzeit: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 20 Euro
Spiel 73/2019
Dienstag, 22. Oktober 2019
NEUBURG: OTTHEINRICH – RUHM UND INTRIGE
Wer sich Neuburg an der Donau nähert, erblickt schon früh aus fast allen Himmelsrichtungen eine prächtige Schlossfassade mit markanten Rundtürmen. Das Schloss erinnert an Residenzstadtzeiten im frühen 16. Jahrhundert, als Kurfürst Ottheinrich Neuburg zur Hauptstadt des Fürstentums Pfalz-Neuburg machte.
Florian und Guntram Herold, die beide mit ihren Partnerinnen im pfalzgräflichen Schloss geheiratet haben, machen das Renaissanceleben Ottheinrichs zum Ausgangspunkt ihrer ersten Spieleveröffentlichung. Dafür haben sie den Verlag Herold und Herold unter dem Label H2.0 gegründet.
NEUBURG: OTTHEINRICH – RUHM UND INTRIGE ist ein Pokerspiel mit den typischen Bluff-Elementen, die man von verdeckter und offener Kartenauslage aus TEXAS HOLD’EM kennt. Fünf Kartensätze mit jeweils 16 Karten in unterschiedlicher Werteverteilung spielen mit. Diese stehen für Interessensbereiche des Kurfürsten. Er liebte den Schlossbau, prunkvolle Kleider, weite Reisen, kulinarische Genüsse und Geld. Die Spieler verstehen sich als Berater des Fürsten, die ihm Gutes anbieten wollen, aber den Gegenspielern auch das eine oder andere Angebot verhageln möchten. Spielen drei Berater mit, sind auch nur drei Kartensätze im Spiel. Für die ersten Runden sollte man sich an die Bereichsempfehlungen der beiden Autoren halten. Nur in Vollbesetzung wird mit allen 80 Angeboten gespielt.
Die Berater machen ihre Offerten in fünf Runden. Alle starten dabei mit neun Karten, die nach der ersten und zweiten Runde jeweils um die drei ausgespielten ergänzt werden. Für die letzten drei Runden muss jeder mit den restlichen neun Handkarten haushalten, insbesondere mit Blick auf die fünfte Runde, in der die Berater sich blank spielen.
In jeder Runde ändert sich die Spielreihenfolge, die stets dem aktuellen Wertungsstand entspricht. Entsprechend dieser Positionen spielen alle eine Karte offen und zwei verdeckt aus. Die Kartenwerte bewegen sich je nach Angebotsbereich maximal in einem Spektrum zwischen fünf Plus- und Minuspunkten. Der Wert der offenen Karte darf durch die beiden verdeckten nicht mehr überboten werden. Wer für die Reise Ottheinrichs ein Pferd mit dem Wert 3 anbietet, darf damit unter den verborgenen Karten keine Kutsche haben, da sie fünf Punkte einbringt. Dafür aber weitere Pferde oder Karren, die einen Punkt bringen. Wenn ein Gegenspieler ein leckeres Fasanenmenü mit vier Punkten als offenes Angebot zeigt, dann macht es durchaus Sinn, einen wurmstichigen Apfel für zwei Minuspunkte mit ins unbekannte Angebot zu legen, damit das kulinarische Menü nicht zu attraktiv wird.
Liegen drei Karten offen und verdeckt aus, muss jeder sich für einen Wertungsbereich entscheiden, in dem er mit dem Gesamtergebnis aller ausliegenden Karten auf dem Tisch punkten möchte. Zusätzlich werden noch RUHM UND INTRIGE-Chips gespielt, mit denen die Berater auf den vermutlichen Rundengewinner tippen. Das geht mit Risiko und bringt dann drei Siegpunkte, aber auch eventuell den Verlust eines Punktes, oder ohne Risiko für einen Gewinnpunkt. Falls hier der Tipp nicht stimmt, bekommt man einfach keine Punkte. Diese beiden Tipp-Chips dürfen immer wieder genutzt werden, der INTRIGE-Chip aber nur einmal. Spielt man diesen vor die Auslage der verdeckten Karten eines Gegners, darf man nach dem Aufdecken ein Angebot entfernen. In der folgenden Audienzphase entscheidet Ottheinrich, wer ihm die besten Angebote gemacht hat. Alle Spieler, die so in die Wertung kommen, bilanzieren sämtliche Karten der Kategorie, deren Punkte dann auf einer mäandernden Flusstafel abgetragen werden.
Beim Pokern um die Gunst Ottheinrichs spielt oft die letzte Runde eine entscheidende Rolle. Da hängt es dann von den richtigen Karten ab, die man zurückgehalten hat, ob noch viele Punkte abfallen. Oft genug kann es dabei vorkommen, dass jemand aus hinteren Positionen noch nach vorne prescht. Zurückhaltung ist sowieso angesagt. Frühe Punktgewinne bedeuten immer, dass man in Folge als erster Spieler Flagge zeigen muss, worauf andere dann reagieren können.
Als Kartenspiel zeigt NEUBURG die typische Glückslastigkeit dieses Genres. Wer keine Extremwerte bekommt, wird auch nicht hoch punkten können. Dafür schaffen aber die RUHM UND INTRIGE-Chips einen gewissen Ausgleich. Wer gut und mit etwas Risiko tippt, kann über die fünf Runden 15 Siegpunkte gewinnen, die eine gute Basis für den Spielgewinn sein können. Einen gewissen Vorteil haben auch die Spieler, die sich ausgespielte Karten gut merken können. Wer weiß, dass die beiden Schaukelpferde, die vier Strafpunkte in der Reisekategorie bringen, schon aus dem Spiel sind, kann sicherer seine Kutsche spielen. Alles lässt sich aber nicht kalkulieren, dafür sorgen die INTRIGE-Chips und die Regelung, dass drei bis fünf Karten nicht ins Spiel kommen.
Wer es noch etwas komplexer haben möchte, kann mit Auftragschips sich auf die nächste Spielebene begeben. Die beiden Autoren liefern damit gleich eine Erweiterung mit. Auch sonst denken sie mit Rundenablaufkarten und Übersichten über die Kartenverteilung an einen flüssigen Spielablauf.
Mir gefällt dieses Ringen um die Gunst Ottheinrichs gut. Ein Pokerspiel, das der neue Verlag ansprechend umgesetzt hat. Als Vater der beiden Autoren kann ich diesmal aber bei meiner Kritik nicht ganz neutral sein. Zumal für unseren jüngsten Sohn dies gleich eine doppelte Geburt war. Einen Tag, vor dem er die fertige Spieleschachtel in der Hand hielt, hatte er sein nur etwas größeres erstes Baby im Arm. In der Familie und mit vielen anderen Spielern mache ich jedenfalls gerne morgen wieder Angebote für Ottheinrich.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: NEUBURG: OTTHEINRICH – RUHM UND INTRIGE
Autoren: Florian und Guntram Herold
Grafik/Design: Nathalie Jahnel
Verlag: H2.0 Herold&Herold
Alter: ab 8Jahren
Spielerzahl: 3 - 5
Spielzeit: ca. 30 - 45 Minuten
Preis: ca. 25 Euro
Spiel 72/2019
Sonntag, 20. Oktober 2019
LITTLE TOWN
Das japanische Autorenpaar Shun und Aya Taguchi ist bisher nur durch SKYLANDS (Queen Games) bei uns in Erscheinung getreten. LITTLE TOWN ist ihre zweite Veröffentlichung, die diesmal iello bearbeitet hat.
LITTLE TOWN ist ein einfaches Worker-Placement-Spiel mit simplem Regelwerk, das sich aber vielschichtiger und interaktiver entwickelt, als man nach der ersten Partie erwartet. In Vollbesetzung zu viert hat man für das gesamte Spiel nur 12 Aktionen zur Verfügung, zu dritt sind es 16 und zu zweit 20. Das ist über die vier zu spielenden Runden, in denen Arbeiter in eine Wald-, Berg- und Teichlandschaft platziert werden oder auf einem Bauplatz, um Gebäude zu errichten, sehr wenig. Raffiniert ist dabei, dass die Arbeiter auf dem Spielplan (9x6 Felder) bis zu acht um sie herum liegende Ressourcen und Gebäude aktivieren. So kommen sie an Stein und Holz zum Gebäudebau, Getreide und Fisch für die Ernährung der Arbeiter am Ende der Runde und Sonderfunktionen, die Siegpunkte und Tauschoptionen bringen.
Mit der kurzen Beschreibung ist fast schon das gesamte Spiel erklärt. Ergänzt werden muss nur noch, dass jeder am Anfang zwei bis vier Auftragskarten erhält, für deren Erledigung Siegpunkte ebenso wie für den Bau von Gebäuden vergeben werden. Außerdem muss man wissen, dass die Nutzung fremder Gebäude Geld kostet und alle mit nur drei Münzen starten.
Für das Einführungsspiel gibt es ein Gebäudeset mit 12 Starter-Plättchen, die können die Spieler später mit 12 weiteren mischen, sodass im Bauangebot stets eine gewisse Varianz vorhanden ist. Durch den Gebäudebau verengt sich der Raum auf dem kleinen Spielplan, gleichzeitig wachsen die Optionen durch die Häusernutzung. Da 15 Felder schon vorab durch die Ausgangslandschaften belegt sind, gibt es bei maximalem Häuserbau in Vollbesetzung nach etwa 45 Minuten am Ende nur noch wenige freie Felder.
Bei den überschaubaren Aktionen ist die Sorge für die Sicherstellung der Ernährung der Arbeiter ein retardierendes Element in der Entwicklung. Einen Arbeiter ohne Brot oder Fisch am Ende auf der Strecke zu lassen, kann sich eigentlich keiner leisten, denn das kostet drei Siegpunkte. Für die Baulogistik macht es schon Sinn, die eigenen Häuser zusammenzuhalten, so dass man sie mehrfach ohne Kosten nutzen kann. Jeder bastelt dabei an seiner persönlichen Entwicklungsmaschine, die abhängig von den jeweilig ausliegenden 12 Gebäudekarten ist. Eher schwach empfinde ich die wenig Siegpunkte bringenden Auftragskarten, die zwar Entwicklungsschwerpunkte prägen können, aber bis auf wenige Ausnahmen meist ziemlich leicht zu erfüllen sind. Höherwertige Karten, die aber schwerer zu erreichen sind, wären für mich hier eine sinnvollere Lösung gewesen.
Insgesamt ist LITTLE TOWN ein sehr elegantes einfaches Worker-Placement-Spiel, das fast vorbildhaft in dieses Genre einführt. Der leichte Zugang macht es zu einem Familienspiel, das über die 12 Aktionen hinweg aber doch zu etwas Spieltiefe und taktischen Überlegungen führt. Je mehr Spieler beteiligt sind, umso höher ist die Interaktion zwischen den Kontrahenten bei der Nutzung fremder Gebäude. Zu zweit puzzeln die Duellanten meist nur an ihren Gebieten vor sich hin. Die Spielkomponenten sind ebenfalls besonders: Detaillierte Arbeiter aus Holz, Punktezähler aus offenen Holzsternen, ein geschwungener Holzhammer für den Startspieler und seine Negativform als Rundenanzeiger, asiatisch anmutende kleine Holzhäuser, das ist alles sehr individuell gefertigt. Die beiden Spielplanseiten ergeben unterschiedliche Ausgangsbedingungen, die Ikonographie der Bauplättchen ist eingängig. Insgesamt hat sich hier aus der Kooperation des japanischen Autorenpaars mit iello ein stimmiges Gesamtprodukt ergeben.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: LITTLE TOWN
Autoren: Shun und Aya Taguchi
Grafik/Design: Sabrina Miramon
Verlag: iello / HUCH!
Alter: ab 10 Jahren
Spielerzahl: 2 - 4
Spielzeit: ca. 30 - 45 Minuten
Preis: ca. 25 Euro
Spiel 71/2019
Mittwoch, 9. Oktober 2019
ABRA KAZAM!
Für die nächste Geburtstagsplanung von Grundschulkindern sollten Sie das Zauberspiel ABRA KAZAM! mit einplanen. Erfunden hat das magische Spiel Antonin Boccara, der im letzten Jahr mit ATTACK OF THE JELLY MONSTER auf sich aufmerksam machte. Ziemlich abgedreht und spaßig wie das Libellud-Spiel ist auch die Zauberei, für die sogar ein kleiner Zauberstab aus Holz zur Verfügung steht.
Die Startsituation für die Zaubergruppe bis zu acht Kindern wirkt noch ganz einfach. 24 Zauberkarten in zwei Farben liegen in einem 5x5 Raster aus, mittig befinden sich kleine Karten, die den großen Zaubern entsprechen. Der Startspieler nimmt sich den Zauberstab, die oberste mittige Karte und imitiert den dort gezeigten Zauber mit dem Stab in der Luft. Die restliche Gruppe goutiert die Vorstellung und versucht, den Zauber in der Tischauslage wiederzuerkennen. Wer ihn zuerst identifiziert, tippt mit dem Finger auf die passende Karte und nennt den Zauberspruch. Dieser Zauber wirkt sich nun direkt auf ihn aus.
Ab diesem Zeitpunkt fängt Kindern an, das Spiel Spaß zu machen. Manche älteren Spieler steigen allerdings aus. Wer sich gern verrenkt, Arme und Beine verknotet oder zur Katze macht, wird ab sofort die nächsten Runden lachend überstehen. Der Zauber, der über einen kommt, kann simpel sein. So wird man in eine Krabbe verwandelt und muss die nächste Zauberdemonstration mit dem Stab zwischen Daumen und kleinem Finger durchführen. Als Flamingo steht der Zauberer auf einem Bein, als Kätzchen auf drei Pfoten. Den Stab darf auch ein Einhorn nutzen und mit Kopfbewegungen den Zauber ausführen.
Bei allem Spaß und allen Verrenkungen geht es auch bei ABRA KAZAM! um den Spielsieg. Der Zauberer hat das Interesse, dass seine Luftzeichnungen erkannt werden, denn dafür gewinnt er die kleine Zauberkarte. Der Spieler, der den Zauber erkennt, bekommt die große Karte mit seinem Handicap. Wer am Ende nach 14 Zaubersprüchen die meisten kleinen und großen Zauberkarten vor sich hat, gewinnt das Spiel nach 15 bis 20 Minuten.
Große Kindergruppen wollen meist sofort eine Wiederholung, die durch vier unterschiedliche Kartensätze leicht möglich ist. Beim roten Kartensatz sollte man aber vorher klären, ob die Gruppe ihn wirklich regelkonform einhalten will. Dieser verlangt nämlich einen anhaltenden Zauber, von dem der betroffene Spieler erst befreit wird, wenn er einen weiteren Zauberspruch errät. Wer vom „Mus“-Zauber betroffen ist, muss so ständig auf Zehenspitzen tänzeln, um den vielen Mäusen zu entgehen. Bei diesem Dauereffekt kann es allerdings vorkommen, dass sogar achtjährige Kinder streiken, die sonst jeden Schabernack mitmachen.
Wer abgedrehte Spiele mag, wird von ABRA KAZAM! angetan sein. Mit erwachsenen Spielern habe ich aber Spielverweigerung erlebt oder die Betroffenen haben sich einfach dem Spiel entzogen, indem sie keinen Zauber erkennen wollten. Dann mussten sie sich auch nicht zum Affen machen. Als Geburtstagsunterhaltung taugt Boccaras Idee richtig gut, zum Fasching und zu Halloween lässt es sich ebenfalls einsetzen. Für Kinder durchaus jede Woche, Erwachsene, die Spaß an solchen Fun-Spielen haben, greifen wohl eher monatlich nach dem Zauberstab.
Die Präsentation des Spiels ist gelungen. In samtiger Schachtel liegt der Zauberstab, die Grafiken sind mit Blick auf die Zauberwirkungen einfallsreich. Wer mindestens das Kleine Latinum hat, kann so manche Zauberkonsequenz vorher ableiten. So heißt der Katzenzauber ganz simpel „Feles“ und der Einhornzauber entsprechend „Unicornis“. Thematisch ergänzt werden kann ABRA KAZAM! gut durch anspruchsvollere Kost. Da können für die Geburtstagsfeier nach Saft und Kuchen die QUACKSALBER VON QUEDLINBURG mit eingeplant werden oder das neue HARRY POTTER – KAMPF UM HOGWARTS von Kosmos.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: ABRA KAZAM!
Autor: Antonin Boccara
Grafik/Design: Jules Dubost
Verlag: Pegasus
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 3- 8
Spielzeit: ca. 15 - 30 Minuten
Preis: ca. 20 Euro
Spiel 70/2019
Dienstag, 8. Oktober 2019
MISTY
Helvetiq macht im kleinen Kartenspielformat Adlung-Spiele Konkurrenz. Der Verlag, der mit einem Quizspiel über die Schweiz 2008 startete, weist inzwischen schon ein beachtliches Portfolio von kleinen Kartenspielen auf, hinter denen zum Teil hervorragende Ideen stehen. Da ist vor allem das Ausbruchspiel BANDIDO zu nennen, aber auch FOREST, WINSTON und GOTOWN. MISTY, ein neues Spiel dieser Reihe, reiht sich bei den vielen guten Spielen des kleinen Schweizer Verlages ein.
Florian Fay, der das wunderschöne WONDER ZOO für Djeco entwickelt hat, ist der Autor von MISTY, das Felix Kindelán, Helvetiqs Hausgrafiker, wieder mit schnellem Strich umgesetzt hat. .....
Besprechung erscheint in der nächsten Spielerei
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: MISTY
Autor: Florian Fay
Grafik/Design: Felix Kindelán
Verlag: Helvetiq
Alter: ab 6 Jahren
Spielerzahl: 2- 4
Spielzeit: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 10 Euro
Spiel 69/2019
Sonntag, 6. Oktober 2019
#MYLIFE
Der Hashtag #mylife bei Instagram besitzt zurzeit über 48 Millionen Einträge und toppt damit #myworld ums Doppelte, hinkt aber #family ganz klar hinterher. #mylife spielt sich vor allem im Urlaubs- Party- und Familienbereich von 20 bis 30jährigen ab. Ab und zu sieht man ein Baby krabbeln, aber Großväter und Urgroßmütter kommen unter diesem Hashtag kaum vor. Da muss man schon #grandpa aufrufen.
In Amigos #MYLIFE sieht das ganz anders aus. Da wird das Leben von der Geburt bis zur Dreistelligkeit der Lebensjahre abgebildet, mit schnellen Strichzeichnungen des Hannoveraner Grafikers Jan Bintakies, der schon im letzten Jahr mit Werwölfen in Benndorfs VERFLUCHT! zu überzeugen wusste. Seine einhundert #MYLIFE-Karten stehen für die typischen Lebensabschnitte vom Krabbeln über das erste Date, die eigene Wohnung und den Jobwechsel bis zur Altersteilzeit und der Senioren-WG ist alles dabei.
Wie das Leben jedes einzelnen in dem Kartenspiel #MYLIFE letztlich aussieht, ist so unterschiedlich wie in der Realität. Es ergibt sich aus der Auswahl von anfangs sechs Handkarten aus der ersten Lebenshälfte und später noch einmal sechs Karten aus dem Reststapel. Fluktuation kommt durch Drafting ins Spiel. Am Ende liegen vor allen Spielern zehn Ereignisse, da jeweils die letzten Karten in beiden Phasen entsorgt werden.
Alle starten mit der Geburt und den Wünschen einer guten Fee, die dem Baby einmal Weisheit und Wohlstand mit in die Wiege gelegt hat, das andere Mal Glück und Gesundheit. Diese Eigenschaften werden benötigt, um Lebensabschnitte aktiv spielen zu können, denn jede Karte verlangt mindestens eine Eigenschaft, einige allerdings vier. Dafür bringen die Karten aber wieder neue Eigenschaften oder Siegpunkte, manchmal aber auch Stress. So bringt ein Umzug zwar lukrative acht Siegpunkte, kostet außerdem aber einen Stresspunkt. Der eigene Blog ist in #MYLIFE erst in der zweiten Lebenshälfte vorgesehen, da kann ich ja gut mithalten. Hilfreich ist er vor allem dadurch, dass er nicht nur zwei Siegpunkte, sondern auch Liebe bringt.
Der Spielablauf folgt den Lebensjahrzehnten. #MYLIFE beginnt in der ersten Phase von ein bis zehn Jahren. Wer dazu eine passende Karte für seinen persönlichen Lebensweg ausspielt, musst bei dieser Karte die Eigenschaftsanforderungen nicht erfüllen. In jedem anderen Fall müssen zuvor passende Karten liegen. Wer Krabbeln möchte, braucht die Eigenschaft Glück, was aber nur drei der sechs Babys mitbringen. Wer die Anforderungen nicht erfüllt, legt seine Karte quer zum Lebensweg, kann diese später aber noch aktivieren.
Mit den ausgelegten Karten können die Spieler nicht nur weitere Ereignisse ausspielen, sondern besondere Lebensziele erreichen. Zu jedem neuen Lebensabschnitt wird ein solches Lebensziel aufgedeckt, das für Lottogewinn oder Marathonteilnahme Siegpunkte für den ersten Spieler einbringt, der die Bedingungen erfüllt. Wer zu viel Stress abbekommen hat, muss aber auch für ein gebrochenes Bein oder einen Hexenschuss negative Punkte als „Lebensziel“ aufnehmen. Nach der zehnten Runde werden die Lebenswegereignisse bilanziert. Ein stressfreies Leben, dessen Zufriedenheit durch viel Liebe kommt, ist meist Garant für den Spielsieg.
Spielerisch bietet #MYLIFE Hausmannskost, ein simples Konstrukt aus Kartendrafting, der Sammlung von Eigenschaften und Erfüllung von Zielen. Amigo nennt daher auch keinen Autor oder Redakteur, der in der Verantwortung steht. Atmosphärisch funktioniert die Idee aber gut. Das hängt mit der eigenen Betroffenheit zusammen, den eigenen Sehnsüchten und Wünschen, über die dann oft gesprochen wird. Irgendwie will jeder mindestens die Kreuzfahrt, besser die Weltreise durchführen und am Lebensende Stress abbauen, wenn die Firma verkauft oder der Keller ausgemistet wird. Ein erfülltes Leben liegt dann vor jedem aus, das zu mehr oder weniger viel Zufriedenheit führt. So halb zufrieden lässt mich daher auch das Spiel zurück, für das ich gerne nächste Woche wieder meine Lebensabschnitte sammele.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: #MYLIFE
Autor: o.A.
Grafik/Design: Jan Bintakies
Verlag: Amigo
Alter: ab 10 Jahren
Spielerzahl: 2- 6
Spielzeit: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 10 Euro
Spiel 68/2019
Freitag, 4. Oktober 2019
NO RETURN: ES GIBT KEIN ZURÜCK
Das Ambiente ist stimmig, 132 standfeste Spielsteine mit Zahlenwerten von eins bis elf in sechs verschiedenen Farben, dazu mit Marco Teubner ein renommierter Autor. Alles ist vorbereitet für ein raffiniertes Legespiel á la - und da versagt schon mein Vergleichsrepertoire. Mit dem Steinen von NO RETURN vom moses. Verlag könnte man ohne Probleme ein leicht verändertes RUMMIKUB spielen, denkbar wäre gleichermaßen eine QWIRKLE-Variation oder die Abwandlung von Kartenspielen wie ELFER RAUS.
Nichts von alledem wählt Marco Teubner, der setzt in NO RETURN auf eine interessante Umschaltphase zwischen Aufbau und punkteträchtigem Abbau von vorher gelegten Steinen. Daher ist seine Idee nur bedingt ein Legespiel, sondern lebt von den Entscheidungen zwischen Handsteinen und der Auslage, um letztlich Siegpunkte zu ergattern. „Spannende Punktejagd“ trifft es daher ganz gut.
Alle starten mit acht verdeckt aus einem Säckchen gezogenen Zahlensteinen, die die zwei bis vier Spieler anfangs einmalig in beliebiger Anzahl austauschen dürfen. Danach reduziert sich die Tauschoption auf vier Steine, die dann aber dem Spiel entzogen werden. Wer nicht tauscht, legt Steine einer Farbe in absteigender Reihenfolge aus. Für jede Farbe dürfen die Spieler eine Ablagespalte eröffnen. Ergänzen dürfen sie sie später aber nur durch niedrigere Zahlen. Alle sollten daher hoch beginnen und keine zu großen Lücken lassen.
Wer sich für den Wendepunkt der „Punktejagd“ entscheidet, baut ab sofort ausgelegte Steine ab, die für ihn Siegpunkte bringen. Die Tauschoption gilt immer noch, aber prioritär sammeln alle nach ihrer NO RETURN-Entscheidung Steine. Bezahlt wird mit den addierten Zahlenwerten einer Farbe, die nicht der abgebauten entsprechen muss. Das Punktesammeln geht von unten nach oben, dabei werden dann häufig Punkte verschenkt.
Das Spiel endet, wenn alle ihre Auslage abbauen konnten oder der letzte Stein aus dem Beutel gezogen wird. Wer die meisten Punkte sammelt, gewinnt NO RETURN. Zünglein an der Waage sind oft die nicht abgebauten Steine, denn deren Zahlenwerte verschlechtern die Bilanz. Es bringt daher nichts, die Entscheidung für die Spielwende von den meisten in der eigenen Auslage gesammelten Punkten abhängig zu machen. Wenn die dann nicht mehr abgebaut werden können, nutzt die beste vergleichende Addition im Vorfeld nichts.
Verlag und Autor reduzieren auf das Notwendigste. Eine thematische Einbindung ist nicht erforderlich. Hier reizt allein das Spielprinzip, der wertige Aufbau, für den aber immer noch Zeit zum Abbau bleiben muss. Der psychologische Kampf zwischen den Beteiligten liefert das Salz in der Suppe, wobei das reine Duell weniger spannend ist als die Auseinandersetzungen zu dritt und zu viert.
Dass die Entscheidung für einen Wendepunkt zum Hauptaspekt eines Spieles wird, hat schon etwas Besonderes. Damit wird zwar noch nichts über den Spielsieg ausgesagt, da alle abhängig von den Steinen bleiben, die sie in der zweiten Phase aus dem Säckchen ziehen. Trotzdem belastet die NO RETURN-Entscheidung die restlichen Spieler, die sich nun unter Druck gesetzt fühlen. Bei aller Spannung, Teubners Idee ist mehr Glücksspiel als taktisches Legespiel. Trotzdem taugt diese Mischung für ein klassisches Familienspiel. Das Material ist wertig, wenn ich mir auch die Zahlensteine etwas größer gewünscht hätte, außerdem sollten die roten und pinken Steine besser zu unterscheiden sein. Ferner bin ich mir nicht sicher, ob die vielen Detailregeln beim Abräumen der Steine nötig sind. Mir fällt auf, dass häufig die Regel, von unten nach oben abbauen zu müssen, übersehen wird. Ich glaube nicht, dass sie zwingend erforderlich ist. Weniger wäre hier vielleicht doch mehr gewesen, trotzdem stelle ich mich gerne morgen wieder der Frage nach dem NO RETURN.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: NO RETURN: ES GIBT KEIN ZURÜCK
Autor: Marco Teubner
Grafik/Design: Fiore GmbH
Verlag: moses.
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 2- 4
Spielzeit: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 29 Euro
Spiel 67/2019
Mittwoch, 2. Oktober 2019
TEUFELSKREIS
Vor über vierzig Jahren hat Rudi Hoffmann bei Pelikan in einer kleinen quadratischen Schachtel WENDELIN UND WANDA veröffentlicht. Sein Spiel mit unterschiedlichen Kartenrückseiten und der Suche nach sechs farbgleichen Wendelins und Wandas war Vorbild für viele nachfolgende MEMO-Varianten. Bei Ravensburger erschien 1986 „das Spiel mit dem Dreh“ HAB ACHT! von Karl-Heinz Koch, um das sich damals eine Plagiatsdiskussion entwickelte. Auch Jaques Zeimets FINDEVIER fußt auf diesem Prinzip, setzt aber eigene Akzente. Die Umsetzung Steffen Mühlhäusers auf großen Holzscheiben mit Münzen aus Astscheiben war traumhaft. Entsprechend positiv fiel 2010 das Echo auf diese anspruchsvolle MEMO-Herausforderung aus.
2019 greift Mühlhäuser Zeimets alte Idee erneut auf. Die damalige „Casino-Variante“ wird nun zum Grundspiel. In Folge dieser Vorgabe hat der Verleger das Einstiegsalter von fünf auf sieben Jahre hochgesetzt. Thematisch siedelt er den TEUFELSKREIS in der Spiel-Hölle an.
Grundsätzlich hat sich aber wenig geändert. Der TEUFELSKREIS besteht aus zehn Bildscheiben mit Höllenfeuer, kleinen Teufelchen und Dreizack. Jedes Motiv ist viermal vorhanden. Wir wissen anfangs nur, dass Vor- und Rückseiten niemals identisch sind. Damit ist klar, jedes Motiv steckt einmal hinter jedem der anderen Bilder.
Die Anforderung mit nur zehn Bildscheiben scheint überschaubar, Hoffmann hatte 1975 mit 16 Bildkarten für Verwirrung gesorgt. Trotzdem gestaltet sich die Quartettsuche nach Vorgabe einer Aufgabenkarte schwierig. Eine gewisse Vorsicht ist auch deshalb zu empfehlen, weil ab der zweiten Runde Münzen zum Einsatz kommen. Wer einen Fehler macht, muss eine Münze auf die Aufgabenkarte legen. Wer ein passendes Motiv findet, bekommt eine Münze entweder aus der Mitte oder von einem Mitspieler. Wer das letzte Bild aufdeckt, bekommt die Suchkarte und alle auf ihr liegenden Münzen. Neu ist eine Sonderkarte mit allen fünf Motiven. Wird diese aufgedeckt, müssen die Spieler stets zwei Scheiben umdrehen. Ihr Ziel ist es, jedes Bild zweimal in der Auslage zu haben. Wenn alle 16 Aufgaben absolviert sind, wird Bilanz gezogen. Die Münzen zählen einen Siegpunkt, die Kärtchen zwei und die Sonderkarte sogar fünf Punkte.
Die simple Grundidee sorgt immer noch für genügend Spielspaß. Der Vorläufer vom TEUFELSKREIS überzeugte durch fantastisches Holzmaterial, da müssen wir uns jetzt weitgehend mit Pappe begnügen. Auch die rindenbelassenen Naturmünzen sind nun übliche Standardscheiben aus Holz. Dafür ist die Spielhölle mit Münzeinsatz für erwachsene Mitspieler reizvoller. Die Varianz mit Sonderaufgaben hätte Mühlhäuser sogar noch stärker nutzen können. So hätte man vielleicht nach drei Teufelinnen und drei Teufeln ganz im Stil der alten Rudi Hoffman Vorlage suchen können.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: TEUFELSKREIS
Autor: Jaques Zeimet
Grafik/Design: Bernhard Kümmelmann
Verlag: Steffen-Spiele
Alter: ab 7 Jahren
Spielerzahl: 2- 6
Spielzeit: ca. 20 – 30 Minuten
Preis: ca. 21 Euro
Spiel 66/2019
Dienstag, 1. Oktober 2019
DIE CREW REIST GEMEINSAM ZUM 9.PLANETEN
Seit fünf Tagen gehört ein Spiel, das ich auf den Kosmos Pressetagen im Kloster Haydau kennengelernt habe, zum täglichen Brett-Menü. Nicht die RIETBURG aus der Welt von Andor, auch nicht CITIES SKYLINES, das sechs Millionen Mal als Computerspiel verkauft wurde. Beide Spiele sind solide, reichen aber nicht an die Originalität der CREW heran. Eine kooperative Idee, in der wir den Pluto-Nachfolger suchen, da unser Sonnensystem seit 2006 nur noch über acht Planeten verfügt. Planet Neun soll sich im äußeren Sonnensystem außerhalb der Umlaufbahn von Neptun befinden.
Thomas Sing, Konstanzer Autor, der vor acht Jahren mit MISS LUPUN seine Karriere erfolgreich bei Winning Moves startete, gelingt einerseits der geniale Entwurf eines kooperativen Stichspiels, andererseits schafft er es, in Form eines Logbuchs seine Spieler auf eine erzählerische Stichspielreise mit ins Universum zu nehmen. Hier stimmt einfach alles. Auch wenn manche Expeditionen schon nach 60 Sekunden vorüber sind, Freunde der Kooperation wollen immer gleich mehr.
Sing arbeitet mit dem klassischen Kartenspiel-Setting: Vier Farben mit den Werten 1-9, dazu vier Trumpfkarten in den Werten 1-4, zum Thema passend natürlich Raketen. Es gelten die üblichen Bedienpflichten, Ausspielender ist der Spieler mit der Viererrakete. Wie beim SKAT darf nichts über die eigenen Karten verraten werden. Eine reduzierte Kommunikation ist aber einmalig während der Mission für jeden Spieler erlaubt. Sie genehmigt nonverbal durch Anzeige eines Funkplättchens eine Information über eine Karte, die als niedrigste, höchste oder einzige markiert wird.
Jede Mission mit steigendem Schwierigkeitsgrad ist mit der Erfüllung von Aufgaben verbunden. Meist sind Auftragskarten bestimmten Spielern zugeordnet, die sie manchmal beliebig, oft aber in bestimmter Reihenfolge im Laufe des Stichspiels erfüllen müssen. Die Auftragskarten entsprechen den Farbkarten der Spieler. Ein Auftrag gilt als erfüllt, wenn ein Crewmitglied einen Stich gewinnt, in dem seine Auftragskarte auftaucht.
Klingt simpel, ist auch einfach, solange wir uns im Bereich von drei oder vier Aufgabenvorgaben bewegen. Sogar Spezialmissionen machen keine Schwierigkeiten, wenn zum Beispiel in der 9. Mission gefordert wird, dass eine 1er-Karte einen Stich gewinnen muss. Etwas schwieriger scheinen Aufgaben wie die der 16. Mission, dass keine 9er-Karte einen Stich machen darf. Durch richtiges Abwerfen klappt auch das. Für solche Aufträge können die Spieler ein Notsignalplättchen nutzen, dabei dürfen sie jeweils eine Karte zur Entlastung draften. Ab sechs zugeteilten Aufgaben sind die Missionen fast nur noch in SKAT-Konstellation zu dritt zu schaffen, in maximaler Besetzung zu fünft nur mit viel Gehirnschmalz und Glück. Für die ganz hohen Missionsbereiche braucht es generell „Oma-Blätter“.
Kosmos hätte DIE CREW REIST GEMEINSAM ZUM 9.PLANETEN durchaus auch als Legacy-Spiel anlegen können mit 50 Briefumschlägen, kleinen Paketen mit Funk- und Auftragsplättchen und dem Notsignal. Ein Stickerheft für erfüllte und nicht erfüllte Aufträge könnte die nächsten Missionen freischalten und auch die Buchführung über das Notsignal übernehmen. Sing und Redakteur Lüdtke haben sich für die klassische Umsetzung entschieden und bieten damit Stichspiel-Herausforderungen wie lange nicht mehr. Diese Mischung aus THE MIND und TRICK’N TROUBLE ist ein äußerst raffinierter Ausflug ins Kartenspiel-Universum, dem ich nur einen weniger umständlichen Titel gewünscht hätte.
Wertung: Jederzeit wieder
Titel: DIE CREW REIST GEMEINSAM ZUM 9.PLANETEN
Autor: Thomas Sing
Grafik/Design: Marco Armbruster
Verlag: Kosmos
Alter: ab 10 Jahren
Spielerzahl: 2- 5
Spielzeit: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 13 Euro
Spiel 65/2019
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